Riß im Gußrahmen - Drama oder "Schönheitsfehler"?

Gibt's denn in der Klavierstimmerverkehrsordnung keine Promille-Grenze für die Bedienung des Stimmhammers?
Ich sag mal so - in Ausbildungsbetrieben kannst natürlich nicht am Arbeitsplatz einfach mal Deine Bierflasche zu stehen haben und in Verkaufsräumen macht das jetzt auf die Kunden auch nicht mehr immer einen guten Eindruck.

Da muß man halt mal Pause machen und die nächste Wirtschaft aufsuchen, wenn man Durscht hat.

Im Außendienst geht es da schon lockerer zu, da wird öfter mal ein Wein oder auch Bier angeboten - das rauchen erweist sich da allerdings als etwas schwieriger wenn man im Nichtraucherhaushalt beschäftigt ist, aber gut, so 90 min ist das schon durchzustehen. Dauert die Arbeit länger, geht man halt mal kurz an die frische Luft :rauchen:
 
Das hatte mal ein amerikanischer Kollege berichtet: ein Vogel im Käfig ist während des Stimmens gestorben. Ohne getroffen worden zu sein. Möglicherweise mach das denen so viel Stress?
Ich muss jetzt an die Bergarbeiter denken, die immer die Kanarienvögel dabei hatten, um zu merken, wenn die Luft zu wenig Sauerstoff hatte. Mein Kopfkino: Henry mit Kanarienvogelkäfig. Wenn der Vogel hektisch hin und her springt, gibt es noch Chorunreinheiten. Wenn der Vogel tot am Boden liegt, hat Henry zu viel geraucht...
 
Bis 1955 kann man davon ausgehen, dass die Qualität von Gusseisen mehr der Erfahrung des Schmelzers unterlag und weniger genormter Regeln. Bauteile aus Gusseisen desselben Typs, welche wir aufgrund von Schadensfällen untersucht haben, zeigten deutliche Abweichungen in der Zusammensetzung wie auch in den technologischen Werten. Einige Bauteile sind schon bei der Probenherstellung gebrochen, andere erreichen gerade mal den untersten Normenwert von 100 N/mm². Die Werte für C reichen von 3,5 - 5 % und P von 0,08 - 2,07 %. Also alles sehr breit gestreut. Das Einzige, was diese Werkstoffe gemeinsam aufwiesen, war die hohe Sprödigkeit. Auch innerhalb eines gegossenen Bauteils war die Gefügeausbildung unterschiedlich, so dass in einem Bauteil, obwohl gleiche Wanddicke, unterschiedliche Zugfestigkeits- und Härtewerte ermittelt wurden. Aus diesen Gründen kann man das Schweißen an alten Gussrahmen getrost vergessen, der Erfolg hängt nur vom Zufall ab. Schweißen unter Vorspannung, so wie es Wiedereinsteiger erwähnt hat, ist bei Gusseisen dieser Art eigentlich schwer vorstellbar. Unter Vorspannung schweißt man Stahlbauteile, denn die sind in der Lage, entstehende Schweißeigenspannung aufzunehmen. Das einzige Verfahren, was hier einen Erfolg versprechen könnte, wäre das Gießschweißen, was man schon 1895 zur Reparatur von Schienenstößen angewendet hat. Der Aufwand ist aber erheblich und der Verzug schwer vorhersehbar.
Fazit: Ein richtig gebrochener Rahmen ist Schrott. Einen Riss kann man durch Abbohren aufhalten. Aus Schönheitsgründen kann man ihn schließen, ich würde ihn belassen, denn dann kann man am besten sehen, ob er sich weiter ausbreitet.
Bei Rahmen neuerer Herstellung wäre eine schweißtechnische Instandsetzung erfolgreicher, aber dort dürfte das Problem nicht auftreten, denn das heute hergestellte Gusseisen erreicht garantierte Werte in der chemischen Zusammensetzung, in den technologischen Werten wie Zugfestigkeit und Härte sowie in der Gefügeausbildung.
 
Ist es denn nicht so, daß genau dies erwünscht ist, so daß keine deutlichen Eigenschwingungen (wie wohl bei Aluminium) aufkommen?
Mir ist kein Bauteil bekannt, wo eine unterschiedliche Gefügeausbildung gewünscht ist. Die unterschiedliche Ausbildung entsteht größtenteils durch ungleichmäßige Abkühlung, meist hervorgerufen durch unterschiedliche Wanddicke und damit Masse, die mehr Zeit zur Abkühlung benötigt. Je größer die Wanddickenunterschiede in einem Bauteil sind, um so schwieriger ist es, ein homogenes Gefüge zu erhalten. Schweißnähte an Gashochdruckleitungen werden nach dem Schweißen normalgeglüht, um die unterschiedlichen Gefüge der Schweißnaht in ein feinkörniges Gefüge, welches im Grundwerkstoff vorliegt, umzuwandeln. Hintergrund ist der, dass Zugfestigkeit und Zähigkeit innerhalb des Schweißgutes und der Wärmeeinflusszone abnimmt, das will man mit der Normalglühung ausgleichen.
Zum Thema Eigenschwingung liegen mir keine Erfahrungen vor, kann ich also wenig beitragen. Nur soviel: Schwingungen breiten sich, abhängig vom Material und vom Gefüge, unterschiedlich aus. Gusseisen mit Lamellengraphit lässt sich z. B. nicht mit Ultraschall untersuchen, da die Graphitlamellen die Schallwellen ablenken und schlecht reflektieren. Die Schallwellen laufen sich tot. Die lamellare Anordnung des Graphits ist auch der Grund, warum dieses Material eine gute Dämpfung hat. Gusseisen mit Kugelgraphit hingegen nicht. Ausschlaggebend ist hier die Form der Graphiteinbettung.
 
@Tastensucher Danke für deine Ausführungen. Ich erinnere mich, daß Steingräber mal irgendso eine Materialeigenschaft des Gußrahmens nannte, die wichtig sei, Eigenschwingungen zu vermeiden - was bei Aluminium nicht gehe. Habe sie mir wohl nicht so recht gemerkt.
 
@ Bernhard Hiller, danke für die Blumen.
Der "Vorteil" im Osten war, dass wir nicht aus dem Vollen schöpfen konnten. Der Instandhaltungsaufwand alter Anlagen war erheblich und man war gezwungen, sich auch mit alten Werkstoffen zu befassen (1890 - 1960). Wenn möglich, wurden diese analysiert und passende Reparaturtechnologien entworfen. Natürlich ging auch manches in die Hose, aber daraus konnte man nur lernen. Zwischen den heutigen Analysemethoden und den vor 40 Jahren liegen Welten. Aber heute wird meist abgerissen und neu gebaut, was wirtschaftlich durchaus Sinn macht. Trotzdem war die Zeit zum Beginn meiner beruflichen Laufbahn interessanter. Nächstes Jahr überlasse ich das Feld der jungen Generation, dann habe ich mich 48 Jahre mit Stahl, Gusseisen und Schweißen beschäftigt. Wer auf dem Gebiet etwas wissen möchte, kann gerne fragen, vielleicht kann ich etwas Licht ins Dunkel bringen.
 
Moin,

hat sich aus verschiedenen Gründen etwas gezogen, aber hier nun, um den Faden zu finalisieren, das Ergebnis.

Ein örtlicher Gutachter war in absehbarer Zeit nicht verfügbar, daher habe ich mit Kollesche Karl einen ergoogelt und dat Karlschen hat ihm einen Satz Fotos zugeschickt, mit der Bitte um eine Stellungnahme.

Zusammengefasstes Fazit: Der Gußrahmenriß stellt einen groben Sachmangel dar. Und, (vielleicht etwas dramatisierend übertrieben) im Zweifel könne u.U. dadurch sogar eine Gefahr für "Leib und Leben" ausgehen. Er meinte wohl, wie Kollesche Karl erzählte, eine Art explosionartiges Versagen und herumfliegende Teile.

Über die Risse im Stegdoppel hat er sich auch kritisch geäußert.
Alles zusammen, so einen Flügel würde er nie nicht verkaufen.
Zeit- und Marktwert werden mit 0 € eingeschätzt.

Den Klavierbauer/Verkäufer mit den Mängeln konfrontiert, ohne die Einschätzung des Gutachters zu erwähnen, meinte dieser, naja, da sei ja keine Spannung drauf, da wird in 100 Jahren nichts passieren, den Steg könne er in Ordnung bringen, was dat Karlschen wolle, reparieren oder was er sonst für Vorstellungen habe?

Da der Kollesche Karl wg. des Risses und der Ungewissheit über die langfristige Auswirkung die Freude an diesem Instrument verloren hat, hat er ihm das so geschildert und, daß er einen Flügel mit bekanntem Riß nie gekauft hätte, selbst wenn davon auszugehen sei das nix passiert oder er eine langjährige Garantie vom Verkäufer bekäme. Er würde den Flügel gern zurückgeben.

Hat der Verkäufer ohne Widerrede akzeptiert. Dann mache man das so.
Er könne den Flügel jederzeit wieder, sogar für mehr als dat Karlschen bezahlt habe, verkaufen.
Für den Preis hätte Karlschen eigentlich für einen rumdrum restaurierten Flügel nix falsch machen können, man könne ja auch 30k, 50k oder mehr ausgeben.

Flügel wird also demnächst auf Kosten des Verkäufers abgeholt und Kollesche Karl bekommt alle seine Taler zurück.

Um die Sache im letzten Moment nicht noch zu eskalieren, hat Kollege Karl auf die Erstattung seiner Transportkosten verzichtet, und für sich quasi als Kosten für ca. 3 Monate Flügelmiete verbucht.
Ende gut alles gut, und ein um eine Sorge, aber auch eine Freude ärmerer Kollege Karl.
 

Den Klavierbauer/Verkäufer mit den Mängeln konfrontiert, ohne die Einschätzung des Gutachters zu erwähnen, meinte dieser, naja, da sei ja keine Spannung drauf, da wird in 100 Jahren nichts passieren,

Ist also kein Steinway (aber was es für ein Flügel ist, wissen wir bis heute nicht), denn da kann man mit einer Schraube an der Platte den Stegdruck erhöhen, was in meinem Fall ziemlich dramatische (positive) Auswirkungen auf den Sustain hatte.
 
Die Lebensgefahr bei solchen oder anderen Schäden ist verschwindend gering, trotz alledem ist es wichtig daß der Kollege dies erwähnt hat.

Gut, es soll sich sogar mal ein Pianist beim herausnehmen einer gerissenen Baßsaite durch Unachtsamkeit mit dieser mal die Halsschlagader aufgeschlitzt haben.

Die "stille Post " machte daraus "Pianist durch reißende Saite enthauptet" - was natürlich unsinnig ist.

Abgezwackte oder gerissene Klaviersaiten können am Ende messerscharf sein ( wenn ich Altsaiten ohne Handschuhe entsorge, sehen meine Hände danach aus, als hätt ich gerad n Katzerl gebadet)

Auch bei unter Spannung stehend berstende Gußplatten, können Teile durch die Gegend schießen, die Geschwindigkeit dürfte allerdings nicht wesentlich höher als beim Luftdruckgewehr sein, also eher unwahrscheinlich daß es den Brustkorb durchschlägt.
 

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