Riß im Gußrahmen - Drama oder "Schönheitsfehler"?

Warum sollte ein Haarriss beim Transport auftreten? Und aus all den Gründe kaufe ich nur Klaviere mit Garantie.
 
So ein Flügel sollte schon was aushalten können ... wenn das vom absetzen kommt dann war da vorher schon was defekt .
 
Moinsen,

mein Bekannter hat 2 Klavierbauer vor Ort, Pianova und die Manufaktur zu diesem Casus befragt und ein angefragter Gutachter hat aus Zeitmangel eine Besichtigung abgelehnt und auf frühstens Januar vertröstet. Von spontaner Zuordnung als Totalschaden bis mal abwarten und schauen was passiert, war die ganze Bandbreite möglicher Einschätzungen vertreten. Fazit: nichts genaues weiß man nicht - und im Ergebnis somit nicht wirklich hilfreich. Einig war man sich darin, daß das in der Verantwortung des Klavierbauers liegt und ein Flügel mit so einem Schaden nicht verkauft werden darf, außer es wird ausdrücklich darauf hingewiesen und preislich berücksichtigt.

Als mögliche Ursachen wurden, neben Ratlosigkeit, folgende Ideen (wenn nicht schon ein Uralt Schaden) in den Ring geworfen:

Verschiedene, mögliche Fehlervarianten beim Wiedereinbau des Gußrahmens:

Z.B. nicht ausreichende Planlage und "geradeziehen" beim Festschrauben im Stimmstock, da der Riß direkt neben der Plattenschraube entstand, wo nur wenig Material zw. der Bohrung für den Wirbel und der Plattenschraube ist, das beim Anziehen der Schraube Kräfte aufnehmen kann.

Zu hohe Spannung durch die vor Auslieferung erfolgte (gut gemeinte) Konzertstimung auf 441 Hz. In Verbindung mit der Frage nach dem Stegdruck, der Dimensionierung der Wirbel und der Berechnung der Saiten.

Was ich bisher nicht wußte, mein Bekannter hatte schon am Tag nach der Lieferung 2 Merkwürdigkeiten am Flügelrahmen/Gehäuse entdeckt, als er Klebebandreste, von der Folie mit der der Klavierbauer den Flügel eingepackt hatte und die unten am Flügel hingen, entfernte. Als er die Klebebandreste abzog, blieb schwarze Farbe daran hängen und hinterließ unten, an der Innenseite des Rahmens Stellen, an denen dann das helle Holz sichtbar wurde.

Die Unterkante und die Innenseite des Rahmen wurden (streifig, und recht lieblos) bis zum Resonanzboden schwarz "übergetüncht". Vielleicht um beim Lackieren des Gehäuses entstandenen Farbnebel optisch zu überdecken? Man weiß es nicht. Ist auch nicht der Punkt.

Aber was besonders auffiel, waren 2 Bohrlöcher in der Unterkante des Rahmens, augenscheinlich neueren Datums, man kann auch noch Gewindespuren von einer Schraube sehen. Eines ca. d=14mm und 6 cm tief, das andere ca. d=5mm und 4,5 cm tief.

Und, ein Stück links daneben, links hinten im Bereich der Gehäuserundung, fand sich ein Spalt zwischen den ca. 2mm dicken, zusammengeleimten Holzschichten, aus denen der Rahmen hergestellt ist. Der Spalt ist, wie wir jetzt gemessen haben, bis ca. 1mm breit, ein Papierstreifen läßt sich ca. 12,5 cm tief (bis etwa in die Ebene des Resonazbodens) in den Spalt schieben und ist ca. 15cm lang und am Stoß von 2 Holzstreifen verspringt er ansatzweise in die Klebenaht der danebenliegenden Holzstreifen.

Wegen dieser Feststellungen, ohne damals die Tiefe des Spaltes gemessen zu haben, hatte mein Bekannter den Klavierbauer schon wenige Tage nach der Lieferung befragt. Die Löcher könnten von der Befestigung auf einem Transportschlitten stammen, seinen nicht bedenklich und den Spalt könne er ja aus-/übermalen. Nachgehakt, daß nicht die Optik des Spaltes die Frage sei, sondern ob der Spalt bedenklich sei, wurde das, so die etwas ungenaue Erinnerung, mit etwas nebulösen Worten verneint. Wesentlich sei, daß der Flügel ja die Stimmung hielte.

Damals noch an das Gute im Menschen glaubend (wollen), hat sich mein Bekannter damit zufrieden gegeben, daß man sowohl die Bohrlöcher vernachlässigen könne als auch den Spalt, der ja vielleicht schon seit Urzeiten bestand (z.B. weil schon bei der Produktion unzureichend laminiert, so sein sich selbst beruhigendes "Pfeifen im Wald").

Nachdem ich nun auch diese Geschichte kannte, haben wir zusammen den Flügel mal bis in alle sichtbaren Winkel ausgeleuchtet und inspiziert. Mit 2 weiteren Befunden.
  1. Zwischen dem quer zur Längsachse verlaufenden, mittleren Strebebalken und dem Rahmen ist ebenfalls ein Spalt. Ob das egal ist, da die Verbindung/Kraftübertragung ja wesentlich durch eine Verzapfung mit dem Rahmen hergestellt wird? Fraglich ist zumindest warum dort der Strebebalken nicht mehr, zumindest nicht mehr mit der ganzen Querschnittsfläche, am Rahmen verleimt ist und wie der Spalt dort entstand.
  2. In der Mittellage und im Diskant ist der Steg aufgedoppelt (sieht fast wie MDF Platte aus), und von vielen der Löcher, in die die Stegstifte eingeschlagen sind, gehen kleine Spreiz-/Spannungsrisse in der Aufdopplung aus. Im Baß ist der Steg offensichtlich noch Original, ohne Aufdopplung und ohne Risse an der Stegstiftlöchern. Ob der Steg vom Verkäufer aufgedoppelt wurde oder das älteren Datums ist, ist nicht bekannt. Die Stegstifte sind jedenfalls alle blitzeblank und sehen nicht aus als wenn sie 60 Jahre auf dem Buckel hätten und dann vermutlich eher angelaufen als blank wären.
Zwei zwar Kleinig- aber Unschönheiten sind mir noch unschön aufgefallen. Die Schlitze etlicher Schrauben sind, wie durch abrutschen/verkanten, z.B. wie durch die Verwendung falschen Werkzeugs, etwas "vergriesgnaddelt" und einige Schrauben z.B. der (Notenpult-) Scharniere sind leicht verkantet eingeschraubt. Und der Tastaturdeckel schrammt beim Auf-und Zuklappen hörbar irgendwo gegen.

Soweit die etwas lang geratene Geschichte.

Und als Fazit : allerorten eine gehörige Portion Ratlosigkeit, was zu tun und wie, mit welchen Ziel, zu argumentieren ist?


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Zuletzt bearbeitet:
Alles sehr merkwürdig. Ich würde auf jeden Fall den vereidigten Sachverständigen vor Ort einschalten. Bei so großen Bedenken hat dein Bekannter möglicherweise den Wunsch, den Flügel zurück zu geben? Darüber würde ich als erstes mit dem Verkäufer reden.
 
Eigentlich findet er den Flügel schon prima. Hat aber kein rechtes Vertrauen mehr zum Verkäufer und befürchtet, bei sich ausweitenden Schäden, letztlich mit einem nicht mehr brauchbaren und/oder, falls er sich mal verändern möchte oder aus sonstigen Gründen verkaufen will/muß, unverkäuflichen Flügel da zu stehen.
 
Dass die Rippen sich vom Resonanzboden gelöst haben, hast Du gesehen, oder?
 
:-( noooch ne Hiobsbotschaft? :denken:
ähm... nein, wo siehst Du das? :konfus:
 

Wenn noch Garantie besteht zum Händler gehen und unter Zeugen auffordern den Flügel zurückzunehmen. Wenn der Händler sich Querstellt reicht oft schon ein kurzer Brief vom Anwalt .
 
@OE1FEU: welches sind bei Dir die vier Bilder oben rechts? :016:
Kannst Du vllt. dankenswerterweise, zur leichteren Teilhabe an Deiner Erkenntnis, die von Dir als Fehlstellen erkannten Bereiche markieren?
Danke!
 
Was ist denn von diesem Zwischenraum zu halten?

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Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.

Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.

Der Zaun indessen stand ganz dumm
mit Latten ohne was herum,
ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.

Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri - od - Ameriko.
:004:

@Marlene: nee, ist kein Zwischenraum, da verjüngt sich der Rahmen und das ist ein Schatten in der V-förmigen Kehle die dadurch am Übergang zwischen Rahmen und Resonanzboden entsteht.

@OE1FEU: Puh :puh:, hat der 'Kollesche' (wohnt nur ein paar Minuten entfernt, sodaß ich gestern Abend da selbst noch mal einen Blick drauf werfen konnte) aber noch mal Glück gehabt, zumindest an dieser Stelle :puh:... wie Fotos doch täuschen können. Ist ein auch Schatten. Zwischen Rippe und Resonanzboden geht kein Blatt Papier und im Dunkeln mal hingeleuchtet, kriecht auch kein Licht unter der Rippe hindurch. Sieht fast sogar aus, als wenn auf die Rippe noch ein dünner Holzstreifen aufgeklebt wurde. Kann auch täuschen, ist sehr schwierig zu sehen und noch schwieriger zu fotografieren, weil der Hochglanzlack jeden kleinen Lichtschimmer reflektiert.
 
Danke für die Aufklärung, noch eine Hiobsbotschaft wäre nun wirklich nicht toll.
 
befürchtet, bei sich ausweitenden Schäden, letztlich mit einem nicht mehr brauchbaren und/oder, falls er sich mal verändern möchte oder aus sonstigen Gründen verkaufen will/muß, unverkäuflichen Flügel da zu stehen.

So wird das auch sein. Wer kauft schon einen Flügel mit gerissener Gussplatte? Hätte dein Bekannter vermutlich auch nicht gemacht, wenn er das gewusst hätte.

Das mit den Rissen im Steg ist auch nicht so schön.
 
Mich würde mal interessieren welcher Händler das verkauft hat.
 

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