Relevanz des Abschlusses Diplom-Klavierlehrer(in) für guten Anfängerunterricht

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17. Mai 2021
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Hallo in die Runde,

ich habe mich erst kürzlich registriert, aber schon viele Jahre im Forum mitgelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es hier unter den Profis (bin selbst Autodidakt und lediglich fortgeschrittener Anfänger) beispielsweise (angehende) Konzertpianisten, Dozenten und Klavierpädagogen gibt. Einige Berufsmusiker treten oder traten vor der Pandemie regelmäßig auf und lehren mitunter gleichzeitig im Bereich Klassik und/oder Jazz und/oder Popmusik. Positiv im Gedächtnis geblieben sind mir in der vergangenen Zeit User wie Stilblüte, Mick, Rolf oder Rheinkultur, von denen ich viel lernen konnte. Danke erst einmal dafür und sicherlich bleiben viele weitere ungenannt, die erwähnenswert wären.

Was mich nun aber aus Sicht eines Anfängers interessiert: Wie relevant ist es bei meiner Suche nach Klavierunterricht, eine(n) diplomierte Klavierlehr(in) zu finden? Ich kenne nicht die Ausbildungswege in Deutschland im Detail, aber ich habe den Eindruck, dass Absolventen, die zielgerichtet in Richtung Klavierpädagogik ausgebildet wurden, ergänzend zur hervorragenden musikalischen Ausbildung besonders gut auf Themen wie Didaktik/Methodik und Fallstricke in der Praxis vorbereitet wurden. Bei Stilblüte, um ein Beispiel zu nennen, ist mir das in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass sie einerseits erfolgreich als Pianistin unterwegs ist, gleichzeitig aber sehr reflektiert auf Fragen der Lehre und Lernschwierigkeiten eingeht und stets leicht verständliche Hinweise/Lösungen findet.

Dann bitte ich euch noch um Einschätzungen zu meinem zweiten Eindruck: Kann es sein, dass Klavierlehrer(innen), die in erster Linie Klassik unterrichten, eine höhere Qualität der Ausbildung anbieten als bspw. Pädagogen, die Jazz, Rock oder Pop als Schwerpunkt haben? Oder anders gefragt: Wie viele neue Erkenntnisse (hinsichtlich Theorie, Spieltechnik etc.) ergeben sich heute auf Basis der "modernen" Musik noch? Vermittelt die klassische Ausbildung nicht auf ideale Weise alle Fertigkeiten und Kenntnisse, die für das Instrument Klavier erforderlich sind? Referenziert "alles was danach kam" nicht lediglich auf diese historisch gewachsenen Erkenntnisse?

Bitte nicht falsch verstehen, denn ich habe den Quintenzirkel einigermaßen verstanden - nein: ich versuche den Quintenzirkel, zu verstehen ;-> Was also derzeit an den Musikhochschulen und in der Klavierpädagogik tatsächlich passiert und welche Fortschritte im Bereich Klaviermusik sich derzeit ergeben, kann ich nicht beurteilen und somit bitte ich darum, bei mir entstandene Fehlrückschlüsse und mögliche Vorurteile zu verzeihen. Deshalb freue ich mich auf realistische Einschätzungen der hier versammelten Kenner und Profis. Vielen Dank!
 
Kann es sein, dass Klavierlehrer(innen), die in erster Linie Klassik unterrichten, eine höhere Qualität der Ausbildung anbieten als bspw. Pädagogen, die Jazz, Rock oder Pop als Schwerpunkt haben? Oder anders gefragt: Wie viele neue Erkenntnisse (hinsichtlich Theorie, Spieltechnik etc.) ergeben sich heute auf Basis der "modernen" Musik noch? Vermittelt die klassische Ausbildung nicht auf ideale Weise alle Fertigkeiten und Kenntnisse, die für das Instrument Klavier erforderlich sind?
Dies ist auf jeden Fall ein Irrtum. Der Anfangsunterricht ist ohnehin nicht durch spezielle Stile geprägt. Später sollte man dann zu entsprechend ausgebildeten Lehrern gehen, je nach dem, welchen Stil man erlernen möchte. Aber klaviermethodisch spielt das am Anfang überhaupt keine Rolle.
Der klassische Klavierunterricht kann gute Grundlagen für Jazz- und Popmusik legen, aber hier sind die Schwerpunkte andere. Z.B. geht es hier darum, Improvisation zu erlernen, stilspezifische Rhythmen zu beherrschen, die Gegebenheiten des Band-Zusammenspiels zu erleben und letztlich auch um einen anderen Sound. Es ist also wie ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
 
Dies ist auf jeden Fall ein Irrtum. Der Anfangsunterricht ist ohnehin nicht durch spezielle Stile geprägt. Später sollte man dann zu entsprechend ausgebildeten Lehrern gehen, je nach dem, welchen Stil man erlernen möchte. Aber klaviermethodisch spielt das am Anfang überhaupt keine Rolle.
Der klassische Klavierunterricht kann gute Grundlagen für Jazz- und Popmusik legen, aber hier sind die Schwerpunkte andere. ... Es ist also wie ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
Hm, hm, hm. Ja und nein. Ich halte es zwar für möglich, einen Anfangsunterricht ohne "klassische" Literatur zu gestalten, aber nötig und sinnvoll ist es langfristig mMn nicht. Die klassische Literatur hält eine so schöne Vielfalt und Übersicht über das musikalische Einmaleins bereit, das man kennenlernen sollte. Ob man die mit "nur Pop" erreichen kann?

Damit meine ich z.B. verschiedene Formen und Strukturen im Großen und Kleinen: Dreiteilige Liedform, Rondoform, Variation, Sonate, Charakterstück. Periode, Satz, Frage-Antwort, Phrasen, Themenverarbeitung; Polyphonie. Halbschluss, Ganzschluss, Trugschluss, Vorhalt, Synkope, Auftakte. Und noch vieles andere mehr; verschiedene Stile, Umgang mit Klaviersatz und Melodien...

Wie die Klavierlehrer-Ausbildung in anderen Fachbereichen ist, weiß ich nicht. Aber selbst beim künstlerisch-pädagogischen Bachelor gibt es zwischen den Hochschulen unverhältnismäßige, ja peinlich große Unterschiede. Das betrifft auch die "klaviernahen" Fächer, z.B. Elementare Musikpädagogik, Schulmusik, Jazz-Klavier in Bezug auf die Frage, ob sie an der Fachmethodik und Lehrproben teilnehmen müssen / dürfen oder nicht, und wenn ja, in welchem Umfang.

Wie relevant ist es bei meiner Suche nach Klavierunterricht, eine(n) diplomierte Klavierlehr(in) zu finden?
Ungefähr so relevant wie es ist, bei der Suche zur Behandlung deines Hautausschlags einen studierten Mediziner zu finden. Es gibt auch andere "Heiler", die möglicherweise eine gute Idee haben. Aber das ist ein Glücksspiel, und man kann die Ratschläge als Laie nicht kompetent einschätzen.
Andererseits gibt's auch viele Ärzte, die keine Ahnung von deinem Hautausschlag haben werden... aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie dir nicht völligen, gar gefährlichen Blödsinn erzählen oder dich zu einem kompetenten Kollegen schicken, ist vielleicht etwas größer.

Dann bitte ich euch noch um Einschätzungen zu meinem zweiten Eindruck: Kann es sein, dass Klavierlehrer(innen), die in erster Linie Klassik unterrichten, eine höhere Qualität der Ausbildung anbieten als bspw. Pädagogen, die Jazz, Rock oder Pop als Schwerpunkt haben?
Kann sein, muss aber nicht sein. Wenn jemand eine ordentliche Ausbildung genossen hat und sich dann schwerpunktmäßig auf Jazz oder Rock-Pop verlegt, kann der Unterricht trotzdem gut sein. Es muss und kann auch nicht jeder alles können! Die Frage ist, wann und warum man zu einem Lehrer geht. Wenn man schon einige Jahre Klavierunterricht hatte und dann gerne in eine bestimmte Richtung gehen möchte, ist das etwas anderes, als von Null auf zu lernen bei jemandem, der sich sehr stark auf eine Richtung festgelegt hat.

Oder anders gefragt: Wie viele neue Erkenntnisse (hinsichtlich Theorie, Spieltechnik etc.) ergeben sich heute auf Basis der "modernen" Musik noch? Vermittelt die klassische Ausbildung nicht auf ideale Weise alle Fertigkeiten und Kenntnisse, die für das Instrument Klavier erforderlich sind?
Ich weiß nicht genau, was du mit "moderner" Musik meinst. In der klassischen Neuen Musik kommen durchaus Spieltechniken vor, die es früher nicht gab und brauchte. Andererseits glaube ich, dass man mit einer soliden klassischen Ausbildung (die ohne weiteres auch gerne sämtliche andere Stile mit einschließen darf!) auch in allen anderen Bereichen keine spieltechnischen Probleme haben wird. Mit der Musiktheorie sieht es anders aus: Da kann man, wenn man z.B. in Richtung Jazz geht, mit einer gehörigen Portion Arbeit rechnen...
 
@Stilblüte
Ok, es war offenbar ein Missverständnis: Mit Anfangsunterricht meinte ich den audiomotorischen Einstieg und und die ersten ein bis zwei Jahre mit didaktisch aufbereitetem Material z.B. aus Klavierschulen. Da werden die Grundlagen aufgebaut, die einige der Dinge enthalten, die du genannt hast. Danach differenziert es sich aus - in klassischer, Jazz- oder Pop-Richtung. Wobei es meiner Meinung nach zunächst gut ist, die ganze Bandbreite erstmal kennenzulernen, bevor man sich auf eine Richtung festlegt.
 
Wie relevant ist es bei meiner Suche nach Klavierunterricht, eine(n) diplomierte Klavierlehr(in) zu finden? Ich kenne nicht die Ausbildungswege in Deutschland im Detail, aber ich habe den Eindruck, dass Absolventen, die zielgerichtet in Richtung Klavierpädagogik ausgebildet wurden, ergänzend zur hervorragenden musikalischen Ausbildung besonders gut auf Themen wie Didaktik/Methodik und Fallstricke in der Praxis vorbereitet wurden. Bei Stilblüte, um ein Beispiel zu nennen, ist mir das in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass sie einerseits erfolgreich als Pianistin unterwegs ist, gleichzeitig aber sehr reflektiert auf Fragen der Lehre und Lernschwierigkeiten eingeht und stets leicht verständliche Hinweise/Lösungen findet.
Zusätzlich macht sie auch interaktiv konzipierte Angebote wie im realen Musikbetrieb stattfindende Kurse oder beispielsweise Übe-Workshops. Da lohnt es sich, gezielt mit der Suchfunktion das Clavio-Forum durchzukämmen. Besonders erfahren ist unser Mitglied @chiarina, über deren Account Du auch zu ihrer eigenen Homepage gelangen kannst, auf der wirklich gute kostenlose Tipps und Empfehlungen rund um das Üben und Spielen enthalten sind. Auch hier äußert sie sich überaus kompetent und hilfsbereit zu musikalischen und technischen Problemstellungen unterschiedlichster Art. Neugierde und Entdeckungsfreude sind hier wirklich von Nutzen. Während @chiarina in der Regel privat unterrichtet, ist @Stilblüte auch im Hochschulbereich aktiv und deshalb gut darüber orientiert, wie künstlerische und pädagogische Impulse im institutionellen Bereich vermittelt und umgesetzt werden. Zusätzlich hat sie in Sankt Petersburg und New York Aufbaustudien auf internationalem Niveau absolviert. Es sind hier im Forum einige Leute unterwegs, die sich richtig gut auskennen und die auch in der Branche gut vernetzt sind.

LG von Rheinkultur
 
Wie die Klavierlehrer-Ausbildung in anderen Fachbereichen ist, weiß ich nicht. Aber selbst beim künstlerisch-pädagogischen Bachelor gibt es zwischen den Hochschulen unverhältnismäßige, ja peinlich große Unterschiede. Das betrifft auch die "klaviernahen" Fächer, z.B. Elementare Musikpädagogik, Schulmusik, Jazz-Klavier in Bezug auf die Frage, ob sie an der Fachmethodik und Lehrproben teilnehmen müssen / dürfen oder nicht, und wenn ja, in welchem Umfang.
Das kann ich sehr bestätigen! Ich habe an einer norddeutschen Musikhochschule Künstlerisch-pädagogische Ausbildung studiert und leider nehmen die Lehrproben keinen sehr großen Raum im Studium ein; es ist auch bspw. nicht obligatorisch, Schüler zu haben (ich weiß gar nicht, ob es möglich wäre, das verpflichtend zu machen). Was ich damit sagen möchte, ist einfach, dass es möglich ist, durch den Bachelor zu kommen und insgesamt vielleicht vier Lehrproben absolviert zu haben. Das reicht natürlich bei weitem nicht aus - es wäre viel besser, wenn es ein dauerhaftes und gut organisiertes Coaching im Unterrichten gäbe. Jedenfalls schließen viele den Studiengang ohne nennenswerte Unterrichtserfahrung ab.
 
@Simon_Pianist Der Umfang der pädagogischen Ausbildung hängt sehr von der Hochschule ab. Wie erging es denn deinen Kommilitonen - hätten die auch gerne eine umfassendere Ausbildung in der Fachmethodik bekommen? Habt ihr das angesprochen?
 
Bei Jazz-Pop-Rock-Studiengängen haben die Studenten in aller Regel sehr wenig Bock auf Methodik und versuchen die Veranstaltungen so weit es irgend geht zu meiden bzw. nur das Allernötigste zu tun. Oft wird die Fachdidaktik des Instruments sogar irgendwie von den Klavierdozenten mit übernommen. Dass dabei nix Nennenswertes rauskommt und dass insbesondere fast nichts über Anfängerunterricht bzw. die Arbeit mit normalen Amateuren gelernt wird, könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen.
 
Bei Jazz-Pop-Rock-Studiengängen haben die Studenten in aller Regel sehr wenig Bock auf Methodik und versuchen die Veranstaltungen so weit es irgend geht zu meiden bzw. nur das Allernötigste zu tun. Oft wird die Fachdidaktik des Instruments sogar irgendwie von den Klavierdozenten mit übernommen. Dass dabei nix Nennenswertes rauskommt und dass insbesondere fast nichts über Anfängerunterricht bzw. die Arbeit mit normalen Amateuren gelernt wird, könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen.
Interessant. Werden Methodikkenntnisse im Verlauf oder zumindest am Ende des Studiums in irgendeiner Form geprüft, so dass - trotz wenig Bock und Vermeidungsstrategie - von der Ausbildungsstätte ein Mindestmaß an Qualität sichergestellt wird?
 
Dann bitte ich euch noch um Einschätzungen zu meinem zweiten Eindruck: Kann es sein, dass Klavierlehrer(innen), die in erster Linie Klassik unterrichten, eine höhere Qualität der Ausbildung anbieten als bspw. Pädagogen, die Jazz, Rock oder Pop als Schwerpunkt haben?
Jazz nehme ich mal raus, weil da kenne ich niemanden. So ganz subjektiv aus meiner persönlichen Blase betrachtet würde ich Deiner Aussage klar zustimmen. Oder etwas vorsichtiger gesagt eine Korrelation sehen. Es kann natürlich theoretisch auch umgekehrt sein, dass Klavierlehrer im Bereich Rock/Pop unabhängig von ihrer Qualität eine bestimme Clientel anziehen, welche Musik eher weniger ernsthaft betreiben...
 
@Simon_Pianist Der Umfang der pädagogischen Ausbildung hängt sehr von der Hochschule ab. Wie erging es denn deinen Kommilitonen - hätten die auch gerne eine umfassendere Ausbildung in der Fachmethodik bekommen? Habt ihr das angesprochen?
Hm, uns ist so richtig erst gegen Ende des Studiums aufgefallen, wie theorielastig und wenig praxisbezogen es über weite Strecken war. Untereinander haben wir es besprochen, aber nicht mit den Verantwortlichen des Studiengangs... Die, mit denen ich gesprochen habe, hätten sich auch mehr Praxisbezug gewünscht. Ich glaube aber, dass manche auch ganz froh sind, nicht so viel im Methodikunterricht vorunterrichten zu müssen.
 

Ich kann hier absolut nicht als Profi sprechen, kann aber von meiner (durchaus positiven) Erfahrung mit nicht-professionellem Klavierunterricht berichten.
Ich spiele seit ca. 13 Jahren Klavier und hatte bis zum Beginn der Pandemie ausschließlich Unterricht bei einer Bekannten meiner Eltern, die zwar als Jugendliche lange Jahre Klavierunterricht hatte, aber weder Klavier(-pädagogik) studiert, noch irgendeine andere qualifizierende Ausbildung gemacht hat. Dass ich bei ihr Unterricht nehmen konnte, hat sich mehr zufällig ergeben. Wichtig ist aber, dass sie in mir die Leidenschaft zum Klavierspielen und zur Musik im Allgemeinen wecken konnte, wofür ich sehr dankbar bin.

Methodisch war ihre Arbeit nicht immer völlig ausgereift und nicht auf dem Stand moderner Instrumentalpädagogik. Soll heißen: Ich merke heute immer wieder, dass mir technisch hier und da Übung oder das Wissen, wie ich mich an gewissen Stellen verbessern kann (oder wie überhaupt das Ideal ist) fehlt. Auch das Wissen, wie man welches Stück adäquat interpretieren kann, ist nicht mit dem studierter Klavierlehrer:innen vergleichbar. Das merke ich inzwischen immer dann, wenn Menschen mit Ahnung sehen oder hören, was und wie ich spiele.
Auch das Notenlesen war zu Beginn kaum wichtig, das habe ich erst viel später richtig geübt, als ich im Orchester plötzlich vom Blatt spielen musste (Das stört mich aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, weil ich dadurch ein viel besseres musikalisches Gehör entwickeln konnte und gelernt habe, frei zu improvisieren und auszuprobieren, was gut klingt und funktioniert, anstatt mich ganz auf Noten und Fingersätze zu verlassen).
Irgendwann wuchs dann in mir leider der Eindruck, nicht mehr wirklich weiterzukommen, sondern einfach nur mehr Stücke auf dem immer gleichen Stand zu üben. Das hat auch Spaß gemacht, aber ich war kurz davor, mir einen anderen Lehrer zu suchen, bevor mir Corona und die Abiphase einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Insgesamt habe ich in den 12 Jahren viel gelernt. Ich bin sicher kein Profi, aber auch kein schlechter Pianist. Ich habe eine Leidenschaft für Musik entwickelt, die ohne diesen Unterricht bestimmt nicht möglich wäre. Mit professionellen Klavierstunden stünde ich aber heute wahrscheinlich technisch besser da und hätte mir wohl auch die eine oder andere Macke nicht angewöhnt. Für den Anfang kann es also meiner Meinung nach reichen, wenn jemand unterrichtet, der die grundlegenden Techniken vermitteln kann. Viel wichtiger ist (zumindest mir), Begeisterung und musikalisches Gefühl zu wecken und dem ganzen einen Sinn zu geben, damit aus dem Unterricht eine Leidenschaft entstehen kann. Wenn ein Profi beides beherrscht, ist das natürlich die viel bessere Wahl.
 
Ich kann hier absolut nicht als Profi sprechen, kann aber von meiner (durchaus positiven) Erfahrung mit nicht-professionellem Klavierunterricht berichten.
Ich spiele seit ca. 13 Jahren Klavier und hatte bis zum Beginn der Pandemie ausschließlich Unterricht bei einer Bekannten meiner Eltern, die zwar als Jugendliche lange Jahre Klavierunterricht hatte, aber weder Klavier(-pädagogik) studiert, noch irgendeine andere qualifizierende Ausbildung gemacht hat. Dass ich bei ihr Unterricht nehmen konnte, hat sich mehr zufällig ergeben. Wichtig ist aber, dass sie in mir die Leidenschaft zum Klavierspielen und zur Musik im Allgemeinen wecken konnte, wofür ich sehr dankbar bin.

Methodisch war ihre Arbeit nicht immer völlig ausgereift und nicht auf dem Stand moderner Instrumentalpädagogik. Soll heißen: Ich merke heute immer wieder, dass mir technisch hier und da Übung oder das Wissen, wie ich mich an gewissen Stellen verbessern kann (oder wie überhaupt das Ideal ist) fehlt. Auch das Wissen, wie man welches Stück adäquat interpretieren kann, ist nicht mit dem studierter Klavierlehrer:innen vergleichbar. Das merke ich inzwischen immer dann, wenn Menschen mit Ahnung sehen oder hören, was und wie ich spiele.
Auch das Notenlesen war zu Beginn kaum wichtig, das habe ich erst viel später richtig geübt, als ich im Orchester plötzlich vom Blatt spielen musste (Das stört mich aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, weil ich dadurch ein viel besseres musikalisches Gehör entwickeln konnte und gelernt habe, frei zu improvisieren und auszuprobieren, was gut klingt und funktioniert, anstatt mich ganz auf Noten und Fingersätze zu verlassen).
Irgendwann wuchs dann in mir leider der Eindruck, nicht mehr wirklich weiterzukommen, sondern einfach nur mehr Stücke auf dem immer gleichen Stand zu üben. Das hat auch Spaß gemacht, aber ich war kurz davor, mir einen anderen Lehrer zu suchen, bevor mir Corona und die Abiphase einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Insgesamt habe ich in den 12 Jahren viel gelernt. Ich bin sicher kein Profi, aber auch kein schlechter Pianist. Ich habe eine Leidenschaft für Musik entwickelt, die ohne diesen Unterricht bestimmt nicht möglich wäre. Mit professionellen Klavierstunden stünde ich aber heute wahrscheinlich technisch besser da und hätte mir wohl auch die eine oder andere Macke nicht angewöhnt. Für den Anfang kann es also meiner Meinung nach reichen, wenn jemand unterrichtet, der die grundlegenden Techniken vermitteln kann. Viel wichtiger ist (zumindest mir), Begeisterung und musikalisches Gefühl zu wecken und dem ganzen einen Sinn zu geben, damit aus dem Unterricht eine Leidenschaft entstehen kann. Wenn ein Profi beides beherrscht, ist das natürlich die viel bessere Wahl.
Eine verantwortliche Lehrkraft - egal ob mit oder ohne Diplom - kennt ihre Grenzen und gibt den Schüler rechtzeitig weiter, bevor es an der Technik o.ä. hakt! Ihr hättet trotzdem weiter gemeinsam musizieren und die Leidenschaft für Musik teilen können.
Es ist für den Schüler wichtig, daß er das Vertrauen haben kann bestmöglichst gefördert zu werden. Dazu gehört auch das rechtzeitige Weitervermitteln.
 
Da hast du völlig Recht.
Meine KL hat auch klar gesehen, wo ihre Grenzen sind und auch vorgeschlagen, dass ich mir jemand anderes suchen sollte. Ich wohne nun mal im dezent abgehängten Kuhdorf und großartig Kontakte zu anderen Klavierlehrer:innen hat sie leider auch nicht, deswegen hat mich die Bequemlichkeit dazu bewogen, erstmal nicht zu suchen, was meinen Fortschritt definitiv beeinträchtigt hat.
 
Für den Anfang kann es also meiner Meinung nach reichen, wenn jemand unterrichtet, der die grundlegenden Techniken vermitteln kann. Viel wichtiger ist (zumindest mir), Begeisterung und musikalisches Gefühl zu wecken und dem ganzen einen Sinn zu geben, damit aus dem Unterricht eine Leidenschaft entstehen kann. Wenn ein Profi beides beherrscht, ist das natürlich die viel bessere Wahl.

Ich habe es schon oft geschrieben und schreibe es gern nochmal: Deine Meinung ist hier leider keine Meinung, sondern ein falscher und uninformierter Eindruck (was ich dir nicht vorwerfe, keine Sorge). Es reicht nicht und vor allem nicht für den Anfang, sich "irgendeinen" Lehrer zu suchen, der die "grundlegenden Techniken" vermitteln kann. Das ist wie wenn ich ein Haus bauen will und sage "och, das Fundament ist nicht so wichtig, da schütte ich einfach ein bisschen Zement hin. Wichtiger sind mir dann ein schönes Bad und eine moderne Küche, dafür engagiere ich Profis."
Kann sein, dass es hält - kann aber auch sein, dass man später seine teuren Weingläser einräumt und plötzlich der ganze Kasten zusammenbricht :lol:

Nie wieder kann man so viel Schaden anrichten, wie am Anfang. Deshalb: Am Anfang gescheiten Unterricht suchen. Stimmt die Basis, kann man später auch allein oder mit weniger Unterricht weitermachen. Von mir aus auch mit "schlechtem" (wobei man nie wieder zu schlechtem Unterricht zurück möchte, wenn man mal wirklich guten hatte).
Natürlich ist auch nicht gleich alles verloren, wenn man nicht gleich den besten Lehrer für sich findet. Aber je früher man ihn findet, desto mehr ist gewonnen :002: Ungute Anfänge hängen einem u.U. sehr lange nach.

Ein Profi sollte es selbstverständlich beherrschen, Begeisterung und "musikalisches Gefühl" im Schüler zu wecken. Nämlich, indem er nicht nur "grundlegende Techniken" vermittelt, sondern eine umfassende musikalische Ausbildung. Und die macht Spaß, wenn man grundsätzlich Freude am Musizieren hat.
 
Da muss ich dir, vielleicht einfach aus der Mischung aus den Erfahrungen meiner Bequemlichkeit und des Dorflebens heraus, etwas widersprechen.
Klar, gute Klavierlehrer:innen sollten beides beherrschen. Zumindest war es allerdings bei mir so, dass weder die Möglichkeiten, noch die Motivation da waren, viele KLs auszuprobieren, bis "der:die Richtige" dabei ist. Auch fällt es gerade Anfänger:innen, aber sicher auch Naivlingen wie mir oft schwer, zwischen "Das ist halt klassischer Klavierunterricht, das muss trocken sein" und Leuten mit Ahnung und Kompetenz zu unterscheiden. Deshalb ist mir, zumindest für den Hausgebrauch, die Motivationsfähigkeit wichtiger, auch wenn die Technik keinesfalls unwichtig ist. Es hängt vielleicht ein bisschen von den angestrebten Zielen ab. Wichtig ist vor allem, dass KL und Schüler:in Fähigkeiten, Möglichkeiten und Ambitionen einiermaßen realistisch einschätzen können.
Ich kann hier aber ausschließlich aus meiner persönlichen Erfahrung sprechen und hatte wahrscheinlich enormes Glück, mir meine Technik nicht völlig versaut zu haben. Den Satz, den du zitierst, habe ich etwas dumm formuliert, das muss ich zugeben, weil nicht jede:r dieses Glück hat...

(Zum Vergleich: Alte KL: 2 min mit dem Fahrrad, konnte ich selbstständig erreichen, 10€/h; andere KLs: mindestens 10 min mit dem Auto, meine Eltern hätten mich fahren müssen, deutlich teurer. Ist nicht die gigantischste Hürde, die Bequemlichkeit hat aber gesiegt)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass es Spaß macht, steht wohl an erster Stelle, denn sonst beendet man ja den Unterricht und es ist wurst, welchen tollen Abschluss der Lehrer hat, oder auch nicht. :003:

Und es ist natürlich auch in Ordnung, wenn es beim Spaß bleibt, man keine riesigen Fortschritte macht und ein schönes Hobby hat, das man mit der Pubertät oder dem Schulabschluss sein lässt oder nur noch für sich selbst weiterführt. Keine Frage.
Ich möchte nur, dass hier differenziert wird zwischen "es ist bei einem Anfänger egal" und "für meine Situation war dieser Lehrer in Ordnung".

Normalerweise kann man felsenfest davon ausgehen, dass man bei 10€/h keinen guten Unterricht bekommt.
 
Mal abgesehen davon, dass niemand als Selbständige/Freiberuflerin von so einem Stundensatz leben kann... selbst aufm Dorf hat man Kosten.
(Und bei uns kostet Musikunterricht auch mehr. Aber wir sind ein großes Dorf.)
 
Klar, das ist auch für sie mehr ein Hobby, das sie betreibt, solange sie Spaß dran hat. Das Geld ist absolute Nebensache und kein Hauptverdienst. Wer aktiv danach sucht, kann für den Preis nichts erwarten.
 
Klar, das ist auch für sie mehr ein Hobby, das sie betreibt, solange sie Spaß dran hat. Das Geld ist absolute Nebensache und kein Hauptverdienst.
Aber schon mal daran gedacht, dass man durch eine solche Preisgestaltung dem Berufsstand des Privatmusikerziehers schweren Schaden zufügt? Sobald sich nämlich herumspricht, dass man professionellen Unterricht schon für ein Butterbrot haben kann, weiß der Kunde, dass sich das Preisdrücken bis hinunter in sittenwidrige Dimensionen lohnt. Und gerade viele Leute, die durchaus marktgerechte Preise zahlen können, praktizieren dieses Honorardumping in möglichst vielen Lebenslagen, in denen es funktioniert, weil man jede Kröte schluckt vor Angst, den Auftrag an andere Dienstleister zu verlieren, die noch weniger Geld dafür nehmen.

Da zahlen wir unserer Putzfrau noch deutlich mehr. Nur braucht die für ihre Tätigkeit keine höhere Schulbildung, keinen Ausbildungsabschluss und schon gar nicht etwa ein Hochschulstudium.

Wenn wir in Verbandskreisen mitbekommen, dass freie Dienstleister zu solchen Konditionen spielen und unterrichten, stürzen wir uns nicht mit Gebrüll auf sie, sondern suchen ein konstruktives Gespräch mit der dringenden Empfehlung, die Honorare in marktgerechter Höhe zu erheben. Vielen ist es objektiv möglich, Preise zu zahlen, die sich an anderen qualifizierten Berufsbildern (Handwerk, Bürodienstleistungen) orientieren.

Wenn Du als Organist mal eine Hochzeit spielst, werden nach der kirchlichen Trauung den Gästen erstmal Champagner und Häppchen gereicht. Das kostet bereits ein Mehrfaches der Aufwendungen für den Organisten. Anschließend fährt eine Hochzeitskutsche für das Brautpaar vor und/oder die Angehörigen der Brautleute werden mit einer Luxus-Stretchlimousine stundenlang durch die Gegend kutschiert. Brautentführung mit Heißluftballon, abends ein rauschendes Fest mit großem Speisen- und Getränkeangebot, ein Profi-DJ für so und so viele Stunden, um Mitternacht ein großes Feuerwerk und so weiter - ein Spaß, der oft im fünfstelligen Bereich landet. Alles wird ohne großes Meckern anstandslos bezahlt. Nur der Organist muss sich für seine Honorarvorgabe in Höhe von 150€ wüst beschimpfen und der unverschämten Abzocke bezichtigen lassen. Die meisten "Hochzeitssängerinnen" nehmen ebenfalls erheblich mehr als das, oftmals ohne ein Gesangsstudium absolviert zu haben. Nicht immer sind diese ihr Geld wert - aber es wird ohne Murren gelöhnt. Muss man dann als Tastenspieler den Fußabtreter abgeben, der am besten noch Geld mitbringt, um spielen zu dürfen? Nix für ungut.

LG von Rheinkultur
 

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