Projekt gescheitert- Haydn

Erschreckend vor allem, wenn versucht wird, das kleinkindhafte „Das mag ich nicht!“ auch noch pseudoargumentativ zu untermauern-

Das ist der Normalfall. Der Mensch trifft ein subjektives Urteil und stülpt anschließend eine rationale Hülle darüber.

Letztendlich ist das doch der entscheidende Punkt: Packt es mich, gefällt es mir? Die intellektuelle Auseinandersetzung ist das eine, aber wenn es mir nun einmal nicht gefällt, dann will ich das 'Gute Recht'(TM) haben zu sagen: "Gefällt mir nicht!". OK, das habe ich ja auch ...

Oder, anders herum:
Ist es sinnvoll, sich pseuoerwachsen zu geben und rational mit Musik auseinander zu setzen und das Gefühl dann fern zu halten!? Ich bin dann lieber das Kind.

Grüße
Häretiker
 
Ich halte Haydn für einen der Komponisten, die besonders schwer zu spielen sind. Es fällt mir schwer zu sagen, warum das eigentlich so ist, aber das selbe Werk kann zopfig, langweilig, ja richtiggehend nervend sein, während es unter der Hand anderer Interpreten zum Juwel mutiert. Selbst viele namhafte Pianisten kriegen das nicht (richtig) hin. Bei seinen anderen Werken wie z.B. den Sinfonien ist das ähnlich, es ist also nicht auf Haydns pianistische Schreibweise beschränkt. Mir will gerade kein anderer Komponist einfallen, bei dem die Gratwanderung so derart schwierig ist.
 
Mal Butter bei die Fische: Kannst Du wenigstens ein Werk von geringer Qualität von Haydn nennen und es im besten Fall auch begründen?

Das umfangreiche Werk ist kein Argument, denn bei jedem Komponisten findest Du unterschiedliche Qualität. Auch bei Beethoven erreicht nicht jedes Werk die Tiefe wie bei Op. 106, 111 oder 133; dennoch ist dadurch die Qualität der anderen Werke nicht gering.
@Scarbo Ich bin nicht @antje2410, aber bleiben wir doch mal einfach bei der e-moll Sonate, exemplarisch mal Seite 1 und 2.
Wenn ich mich frage, wo ist Haydn da besonders originell? Über weite Strecken erstmal Fehlanzeige. Es gibt sehr oft Motive, die in Ihrer Ähnlichkeit stark wiederholenden Charakters sind oder sich durch sehr naheliegende harmonische Transformationen oder durch Ausfüllen aus den vorherigen ergeben. Erstmal, würde ich sagen, Seite 1 weitgehend nur Standard Kompositionstechniken. Er schöpft das, was naheliegt, aus, er kann da gewiss aus dem Vollen schöpfen, aber das ist für mich blattfüllendes gekonntes Handwerk. Damir würden es viele mittelmäßige Komponisten dann auch bewenden lassen. Dann aber Tbei Haydn Takt 32 oder 38: wenn ich mich frage, ich stünde jetzt an seiner Stelle kompositorisch da, wie soll ich jeweils weitermachen? Da zeigt sich dann bei ihm seine Gewitztheit, wirklich gut gemacht,
 
Ist es sinnvoll, sich pseuoerwachsen zu geben und rational mit Musik auseinander zu setzen und das Gefühl dann fern zu halten!? Ich bin dann lieber das Kind.
Nun kann man sich aber an vieles gewöhnen. Übersetzt: die jeweilige musikalische Sprache lernen. Manchmal fällt das schwerer, manchmal leichter. Wer im Leben aber immer nur die leichten Sachen lernen will, wird nicht weit kommen...
 
ISelbst viele namhafte Pianisten kriegen das nicht (richtig) hin. Bei seinen anderen Werken wie z.B. den Sinfonien ist das ähnlich, es ist also nicht auf Haydns pianistische Schreibweise beschränkt. Mir will gerade kein anderer Komponist einfallen, bei dem die Gratwanderung so derart schwierig ist.
Ein gutes Kammerorchester ist da oft dem großen Sinfonieorchester überlegen, da entsteht oft besser die dynamische und klangliche Pointiertheit, die Haydns Werke gewitzt und geistreich erscheinen lassen.
 
Nun kann man sich aber an vieles gewöhnen. Übersetzt: die jeweilige musikalische Sprache lernen.

Ich habe den Eindruck, Du verstehst den Punkt nicht.

Natürlich kann ich versuchen, die musikalische Sprache zu erlernen. Aber mir kann und darf das dann trotzdem nicht gefallen. Nur, weil ich etwas rational verstehe, muss es mich nicht auch emotional berühren. Zwei verschiedene Paar Schuhe.

Manchmal fällt das schwerer, manchmal leichter. Wer im Leben aber immer nur die leichten Sachen lernen will, wird nicht weit kommen...

Natürlich. Würde ich nur das essen,. was ich kenne, wäre ich noch bei Milupa. Free Jazz musste ich mir auch etwas erarbeiten, bis es 'Klick!' machte.

Ich habe nur dafür wesentlich weniger Zeit gebraucht, als alle Übezeit aus der Mozart/Haydn-Ecke zusammen, die mir zu >95% nicht gefallen. Ist einfach nicht meine Wellenlänge.

Grüße
Häretiker
 
@Scarbo Ich bin nicht @antje2410, aber bleiben wir doch mal einfach bei der e-moll Sonate, exemplarisch mal Seite 1 und 2.
Wenn ich mich frage, wo ist Haydn da besonders originell? Über weite Strecken erstmal Fehlanzeige. Es gibt sehr oft Motive, die in Ihrer Ähnlichkeit stark wiederholenden Charakters sind oder sich durch sehr naheliegende harmonische Transformationen oder durch Ausfüllen aus den vorherigen ergeben. Erstmal, würde ich sagen, Seite 1 weitgehend nur Standard Kompositionstechniken. Er schöpft das, was naheliegt, aus, er kann da gewiss aus dem Vollen schöpfen, aber das ist für mich blattfüllendes gekonntes Handwerk. Damir würden es viele mittelmäßige Komponisten dann auch bewenden lassen. Dann aber Tbei Haydn Takt 32 oder 38: wenn ich mich frage, ich stünde jetzt an seiner Stelle kompositorisch da, wie soll ich jeweils weitermachen? Da zeigt sich dann bei ihm seine Gewitztheit, wirklich gut gemacht,
Also ich sitz grad auf dem Balkon und hör mir das an, von einem gewissen Herrn Brendel (kennt den wer?😀), aus dem Jahr 1986.

Ich genieß' es sehr.
 
Nachdem ich mir jetzt auch noch Kleingeistigkeit oder provinzielle Enge vorwerfen lassen muss, bin ich draußen, vielen Dank für die Blumen, @Cheval blanc
Ich wüßte nicht, daß ich Dir irgendetwas vorgeworfen habe. Ich habe lediglich geschrieben, was mir beim Lesen der über hundert Kommentare in den Sinn gekommen ist. Es liegt mir fern, hier in dem Forum irgendjemanden vor‘s Schienbein zu treten.
 
Natürlich kann ich versuchen, die musikalische Sprache zu erlernen. Aber mir kann und darf das dann trotzdem nicht gefallen. Nur, weil ich etwas rational verstehe, muss es mich nicht auch emotional berühren. Zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das ist schon ein und dasselbe Paar Schuhe. Auch die emotionale Berührtheit entsteht zumindest weitgehend erst durch einen Lernprozess.
 
Es gibt ja das Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Dies geschieht auf unterschiedlichen Ebenen. Und man kann durchaus auf der kognitiven / rationalen Ebene Qualität in etwas erkennen, das einen aber emotional nicht berührt.
 

Haydn war ein Massenproduzent, was die schiere, überbordende Menge von Kompositionen (in unterschiedlichsten Besetzungen) beweist.
Bach, Händel, Mozart, Rossini, Schubert... es gibt noch mehr, deren Oeuvre enorm umfangreich ist, die aber gemeinhin nicht mit einem Pauschalurteil bzgl mangelnder Qualität infolge (!) ihrer Produktivität assoziiert werden.
Nach abgeklungenem Wutschnauben könntest du mal in diese Richtung denken @antje2410

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Es ist völlig normal, irgendeine der Epochen, irgendeinen der Stile in der Musik nicht zu mögen. Und den eigenen, subjektiven Geschmack rechtfertigen zu müssen, gibt es keinen hinreichenden Grund. Fatal wird es erst, wenn man glaubt, das eigene negative Geschmacksurteil (a la ich mag keinen Haydn oder ich mag keinen Chopin usw) sei in der mangelnden Qualität dessen, was einem nicht gefällt, begründet. Denn das muss nicht zwingend so sein. Wäre es so, müsste Bach von mangelnder Qualität sein, denn ich mag 99% seiner Sachen nicht - dass das kein ernst zu nehmendes Qualitätsurteil sein kann, erkennt man auch ohne erfolgreich abgeschlossene Logikseminare.

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Ist es sinnvoll, sich mit Stilen/Epochen am Klavier abzumühen, die man nicht mag? Insgesamt: ja - aber nicht im Übermaß. Technisch und musikalisch ist es nützlich, solche wenn nicht mögen so doch verstehen zu lernen.
 
Auch die emotionale Berührtheit entsteht zumindest weitgehend erst durch einen Lernprozess.

Das mag sein, aber die Umkehrung gilt eben m.E. nicht. Ein Lernprozess impliziert nicht automatisch emotionale Berührtheit.

Ich behaupte einfach mal:
Die Mehrheit der Leute wird auch nach längerer Beschäftigung mit Peter Brötzmann keine emotionale Berührtheit (abgesehen von Fluchtreflex o.A.) erfahren können.

Auf die Spitze getrieben:
Wenn Deine Umkehrung (Lernprozess => emotionale Berührtheit) korrekt wäre, dann gibt es ganz viele Musik, die man mögen muss. Mag man sie nicht, dann hat man sich nicht genug mit ihr beschäftigt. Das ist für mich(!) auf dem Niveau:
"Wer die Überlegenheit des real existierenden Sozialismus nicht erkennt, ist hat sich nicht genug beim Denken angestrengt."
Mit anderen Worten: Eine andere Instanz bestimmt, was ich gut zu finden haben. Sollte ich es nicht gut finden, ist es persönliche Unterlassung oder persönliches Versagen. Hat sich nicht ernsthaft genug damit beschäftigt!

Ehrlich gesagt: Das ist nicht, wie ich die Welt so sehe.

Grüße
Häretiker
 
Machen wir es doch mal ganz einfach:
Wer sagt "ich mag das Ulmer Münster nicht!" hat dazu jedes Recht der Welt. Wer sagt "Der Turm ist nur 50m hoch!" hat Unrecht und man sollte ihm/ihr widersprechen, damit die falsche Info nicht weiter um sich greift.
Soweit, so gut.
Im Fall unserer Diskussion hat selbstverständlich jeder das souveräne Recht Haydn nicht zu mögen! Ich mag auch nicht alle seine Sonaten und möchte auch nicht alle spielen.
Aber, mit Verlaub, wer Haydn die Produktion von Massenware vorwirft hat schlicht Unrecht, möglicherweise sind Baryton-Trios, die er in großer Zahl für den Fürsten verfertigen musste Massenware (ich kenne sie nicht!), aber bei den Sinfonien, Streichquartetten und Klavierwerken hat jedes Werk ein individuelles Gesicht.
Im Übrigen, was sollten wir von Bach (immer die gleichen Fugen), Mozart (wie schematisch sind die Klavierkonzerte runtergeschrieben), Schubert (Hunderte Lieder), Scarlatti (über 500 Sonaten in immergleicher 2teiliger Liedform), ... halten! Eine große Produktion (Telemann! Reger!) erweckt bei vielen offenbar den - selten wirklich überprüften! - Verdacht auf routinierte Gleichförmigkeit.
 
@Alter Tastendrücker Der Begriff "Massenware" war wirklich sehr unglücklich gewählt (und ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat, das so blöd zu formulieren), das gebe ich zu. Hört sich nach "Ramsch-Musik" an, aber das war nicht so gemeint.

@rolf - ich habe nirgendwo etwas von schlechter/mangelnder Qualität geschrieben. Es ist doch zwangsläufig, dass es im "Oeuvre" eines Künstlers, der viel komponiert, auch schwächere (keine schlechten, das habe ich nicht geschrieben) Werke gibt.

Ich habe es nicht nötig, mir alles mögliche anhören/an den Kopf werfen lassen zu müssen, als wäre ich eine ignorante Banausin, die bestimmte Musik nicht verstehen will, und beschränkt ist usw...
Deswegen beende ich das Ganze hier für mich, und setze mich jetzt übenderweise lieber ans Prelude 807 von Bach, das ist wesentlich erbauender als diese ermüdende Diskussion.
:musik064:
 
Blutrot steigt die Sonne über das Schlachtfeld. In der erschöpften rostbeladenen Luft flirren Echos wie von Heulen und Zähneklappern. Ein Mann steigt lächelnd durch die Leiber, auf einem Papier lächelnd komponierend sein op. 1001.

:012:
 
Der Begriff "Massenware" war wirklich sehr unglücklich gewählt (und ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat, das so blöd zu formulieren), das gebe ich zu. Hört sich nach "Ramsch-Musik" an, aber das war nicht so gemeint.

@rolf - ich habe nirgendwo etwas von schlechter/mangelnder Qualität geschrieben
...man könnte dich jetzt spitzfindig fragen, ob "Massenware" womöglich hohe Qualität bedeutet, denn hast ja nirgendwo etwas von schlechter/mangelnder Qualität geschrieben... ;-) ...aber das lässt man besser bleiben, offenbar ist deine Zornesader noch geschwollen... Also gibt man dir lieber recht: ja, das hast du sehr unglücklich formuliert und man konnte nicht erkennen, dass du es ganz anders gemeint hast...
 

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