Projekt gescheitert- Haydn

Also mal ohne Scherz, beim Teutates.

Wir haben Sir András Schiff bisher zweimal in Frankfurt erlebt. Er spielte Bach, Mozart, Haydn, Beethoven und führte die Zuhörer so witzig und lehrreich durch sein Programm (das es nicht gedruckt gab), dass ich als ausgewiesener Nichtkönner von Bach oder Wiener Klassik nur noch bereute, mich nie tiefer damit beschäftigt zu haben.

Wenn man mit einer bestimmten Präferenz ein Konzert aussucht, in dem dann die Musik der Lieblingskomponisten meisterhaft dargeboten wird, dann ist das natürlich immer ein erfüllendes Erlebnis.
Aber wenn man in einem Musikabend erlebt, dass Musik in einem zu schwingen beginnt, für die man bisher wenig Interesse gezeigt hat, die vielleicht sogar mit Vorurteilen belastet war, dann ist das schon ein Indiz für eine ganz besondere Leistung des Künstlers.

In dieser Hinsicht kann ich Sir András Schiff nur weiterempfehlen.

(Das zweite, ähnlich tiefe Erlebnis hatte ich mit Teodor Currentzis - ein Konzert in Frankfurt mit seiner MusicAeterna - ausschließlich mit Musik von Rameau !! - das Publikum hat getobt vor Begeisterung wie in einem Pop-Konzert )
 
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Und Haydn hat schon fast "am Fließband" komponiert, was natürlich auch auf Kosten der Qualität ging. Die schiere Menge an Kompositionen (zb an Sinfonien und Streichquartetten) ist schon irre.
NEIN, NEIN, NEIN!!!
Gerade Haydn hat in seinen Klaviersonaten (und auch sonst!) erstaunlicherweise in jedem Werk formal, wie melodisch und kompositionstechnisch neue Lösungen gefunden. Das ist ja das Geniale, dass eine derartige Vielzahl von Werken so ausgeprägt individuelle (individuell jetzt auf jedes einzelne Werk, nicht auf den Komponisten bezogen) Gestaltungen aufweist.
 
@Alter Tastendrücker Kein Grund, loszuschreien!
Respekt, wenn du wirklich jedes Werk von ihm kennst. Ich kenne nur viele Werke von ihm. Deswegen kannst du wohl eher mitreden als ich.
Edit, ich will nicht kleinreden, dass er wahre Meisterwerke erschaffen hat, der Schöpfer der klassische Sinfonie war, und nicht umsonst mit seiner Kompositionsweise Beethoven und Mozart beeinflusst hat.
 
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Ich muss ein Konzert am 1. Dezember im Pierre-Boulez-Saal in Berlin besuchen.
Auftreten wird ein ungarisch-britischer Pianist namens Sir Andras Schiff. Kennt den hier jemand?
Ein Programm hat dieser arrogante alte weiße Mann nicht angegeben, nur "Haydn", vermutlich Joseph, als Wundertüte.
Mich werden wohl nun mehr als 2 Stunden langweiliges Tastengeklingel erwarten, durch seine launigen Anmerkungen noch in die Länge gezogen.
Andererseits erstaunt mich, daß dieses Konzert seit Wochen ausverkauft ist.
Ich werde berichten, ob aus dem Publikum während des Konzertes Schnarchtöne zu vernehmen waren und/oder Sir Andras unter gellenden Pfiffen aus dem Saal gejagt wurde.

Pff. Freunde von mir und meiner Einer haben im Frühjahr Karten gekauft für ein Schiff'sches Konzert in Neumarkt im nächsten Mai ...grad, weil er so vernünftig gesagt hat (sinngemäß): Was weiß ich, worauf ich in einem Jahr Lust habe - Programm gibt's keins.

I like it! 😎
 
Pff. Freunde von mir und meiner Einer haben im Frühjahr Karten gekauft für ein Schiff'sches Konzert in Neumarkt im nächsten Mai ...grad, weil er so vernünftig gesagt hat (sinngemäß): Was weiß ich, worauf ich in einem Jahr Lust habe - Programm gibt's keins.

I like it! 😎

Für den Pierre-Boulez-Saal hatte Sir Andras seit der Eröffnung im März 2017 sein Programm immer ein Jahr vorher offengelegt.
Goldberg-V., WTC I, WTC II, die 6 Partiten, die 6 Französischen Suiten, die 6 Englischen Suiten.
Da war er sich ganz sicher, daß er immer Lust haben wird.:super:;-)
 
NEIN, NEIN, NEIN!!!
Gerade Haydn hat in seinen Klaviersonaten (und auch sonst!) erstaunlicherweise in jedem Werk formal, wie melodisch und kompositionstechnisch neue Lösungen gefunden. Das ist ja das Geniale, dass eine derartige Vielzahl von Werken so ausgeprägt individuelle (individuell jetzt auf jedes einzelne Werk, nicht auf den Komponisten bezogen) Gestaltungen aufweist.

Stellt sich nur die Frage, wie das kommt, dass z.B. mir da so viel entgeht und warum ich (und offensichtlich einige andere, die keine Vollidioten sind), das nicht bemerken. Gegen andere Komponisten gibt es ja ähnliche Vorwürfe (Telemann...). Damit will ich nicht abstreiten, dass in Haydns Werk irgendwo etwas Geniales stecken mag, ich merke davon aber einfach nichts.
Bei Bach gibt es so Vorwürfe von Massenware nicht.
 
Wir haben Sir András Schiff bisher zweimal in Frankfurt erlebt.

Und ich zweimal in Bonn, einmal in Köln (da ist er wütend von der Bühne gestürmt, weil ein Handy geklingelt und eine Tür zugefallen ist - zum Glück hat er nach einer Weile weitergespielt).

In Bonn: Das eine Mal hat er die Goldberg-Variationen gespielt, das andere mal an mehreren Tagen alle Sonaten von Beethoven.

Und was mache ich, als ich mich zur Autogrammstunde einreihe: Frage nicht nach einem Autogramm, sondern nach dem Baujahr seines Bechstein EN280. Sein verwundertes Gesicht hättet Ihr sehen sollen...
:-D

Seine Antwort: "Ähhmm..., hmmmm, ich glaube 1921".
 
(da ist er wütend von der Bühne gestürmt, weil ein Handy geklingelt und eine Tür zugefallen ist - zum Glück hat er nach einer Weile weitergespielt).
Habe ich auch erlebt, als er mitten in den Beethoven'schen Diabelli-Variationen war. Plötzlich hörte er auf zu spielen und wandte sich ans Publikum: Den ganzen Abend schon herrsche eine so unruhige Atmosphäre, und er forderte Respekt vor der Musik ein. Er stand auf und verließ den Saal mit den Worten: "Husten Sie sich aus, ich komme dann wieder." Da ging ein Raunen durchs Publikum, und einige standen empört auf und verließen ihrerseits den Saal. Nach ein paar Minuten kam er tatsächlich wieder herein und begann mit den Diabelli-Variationen von vorne. Nachdem er zu Ende gespielt hatte, ließ er sich aber nicht lumpen und spielte noch einige Zugaben. Das Konzert hatte letztendlich eine Überlänge von etwa 45 Minuten. :005:
 
wandte sich ans Publikum: Den ganzen Abend schon herrsche eine so unruhige Atmosphäre, und er forderte Respekt vor der Musik ein. Er stand auf und verließ den Saal mit den Worten: "Husten Sie sich aus, ich komme dann wieder."
Ui. Klingt jetzt nicht sonderlich humorvoll. :denken:

Und was mache ich, als ich mich zur Autogrammstunde einreihe: Frage nicht nach einem Autogramm, sondern nach dem Baujahr seines Bechstein EN280. Sein verwundertes Gesicht hättet Ihr sehen sollen...
Köstlich. :super:

Was Haydns Massenproduktion betrifft, erinnert mich das etwas an die Bravo-Sammel-CDs, auf denen meistens drei bis vier super Hits sind, und der Rest klingt nach Füllmaterial. Das war zu Haydns Zeiten vermutlich auch nicht anders. Mit dieser Äußerung oute ich mich hiermit als ahnungsloser Haydn-Banause :schweigen:
.
:-)
 
Stellt sich nur die Frage, wie das kommt, dass z.B. mir da so viel entgeht und warum ich (und offensichtlich einige andere, die keine Vollidioten sind), das nicht bemerken.
Wahrscheinlich liegt das viel am Geschmack und der persönlichen Prägung, weniger an Idiotie. Bis heute habe ich beispielsweise keinen rechten Zugang zu den französischen Impressionisten gefunden. Ich habe einiges gespielt, weiß, was dort passiert, was neu ist, was besonders, aber vom Kognitiven dringts nicht ins Herz, viele Stücke klingen für mich belanglos, austauschbar, sich-auf-das-Neue-beschränkend, langweilig. Die Harmonien sind toll, hängt Debussy oder Ravel in der Luft, ist das wie ein exotischer Geschmack auf der Zunge, der neugierig macht. Und ja noch diese märchenhaften Namen, Bezeichnungen, Vorschriften! Höre ich dann eine Weile zu, erschöpft sich das Interesse aber bald, wo wollen sie hin, der Reiz verflacht wie bei einem einseitig gewürzten Gericht.
Bei den Klassikern hingegen gibts kaum ein Stück, an dem ich nicht etwas Großartiges entdecke, dem man sich widmen kann. Die großen Namen sowieso, gerade Haydn mit seinen Sonaten, z.B. aber auch die Sonatinen dieser ganzen Kleinmeister stecken voller Überraschungen und schöner Einfälle, ein beständiger Nervenkitzel! Es ist wie mit bestimmten Strophenformen: das engere Korsett erlaubt paradoxerweise die größere Freiheit.
Ich könnte das natürlich genau andersherum sehen. Wie gesagt, wohl irgendwas mit Prägung und so ...
 
Die Harmonien sind toll, hängt Debussy oder Ravel in der Luft, ist das wie ein exotischer Geschmack auf der Zunge, der neugierig macht. Und ja noch diese märchenhaften Namen, Bezeichnungen, Vorschriften! Höre ich dann eine Weile zu, erschöpft sich das Interesse aber bald, wo wollen sie hin, der Reiz verflacht wie bei einem einseitig gewürzten Gericht.
Bei den Klassikern hingegen gibts kaum ein Stück, an dem ich nicht etwas Großartiges entdecke, dem man sich widmen kann. Die großen Namen sowieso, gerade Haydn mit seinen Sonaten, z.B. aber auch die Sonatinen dieser ganzen Kleinmeister stecken voller Überraschungen und schöner Einfälle, ein beständiger Nervenkitzel!

Ich finde, bei den französischen Impressionisten ist es am Ende gar nicht so viel. Am Ende haben wir fürs Klavier Jeux d'eau, Images, Gaspard de la nuit, Estampes, L'iles joyeuse, Images und Préludes und viel mehr gibt es nicht. Und alles unterschiedet sich.
Wenn einem der Zugang fehlt, gibt es 1000 Sonaten, Streichquartette und Sinfonien von Haydn, die alle gleich klingen.
 

Ich habe mal eine Weile Orgelwerke gehört von Duruflé, Franck, Widor, dann gabs noch Fauré und Messiaen, und die haben zum Teil auch für Klavier komponiert, glaube ich. Das waren tatsächlich alles unterschiedliche Werke, sie hatten auch unterschiedliche Namen, aber meinen Geschmack scheinen sie nicht getroffen zu haben, denn sonst weiß ich von ihnen nichts mehr.
Ich wollte mit dem Beispiel der Impressionisten nur zeigen, daß ich das Problem nachvollziehen kann und keine Abhilfe weiß. Was die Zahlen angeht, ist es beim hypothetischen Dilemma Haydn - französische Impressionisten wohl in der Tat angenehmer und ökonomischer, die Franzosen nicht zu verstehen.
 
Mit dieser Äußerung oute ich mich hiermit als ahnungsloser Haydn-Banause :schweigen:

Und was sagt der konzertierende Meister dazu:

Zitat von Sir András Schiff.:
Man tut Haydn großes Unrecht, wenn man ihn immer nur zum ‚Aufwärmen‘ zu Beginn eines Konzertes spielt,“ erklärt Sir András Schiff. „Er ist einer von drei oder vier Komponisten, mit denen man ohne Probleme ein ganzes Konzertprogramm füllen kann.

Ich gebe zu, dass ich mich mit Haydn auch schwer tue, nur einmal kam im Unterricht eines seiner Stücke vor und ich habe keine Motivation, ein weiteres hinzuzufügen.
 
Wahrscheinlich liegt das viel am Geschmack und der persönlichen Prägung, weniger an Idiotie.
Glaube ich auch, nach dem Motto: „Folget dem Schuh“ - „folget der Flasche“ (wer Monthy Python kennt).
Was Du bezüglich Haydn und „Impressionisten“ beschrieben hast, trifft genau auf mich zu, nur total umgekehrt. Ist das schlimm? Verwerflich? Bin ich deshalb ein schlechter „Künstler“? Mag sein, mag nicht sein. Sicher entgeht mir etwas, genauso wie Dir, im Sinne von dem, was ich oben bei Schiff geschrieben habe.
Aber das ist kein Grund, sich etwas bis zum Überdruss und gar Hass reinzuzwingen, womit wir wieder beim Ausgangsthema wären.
Vielleicht ist es der bessere, schönere Weg, sich einfach nur offen zu halten für neue Erkenntnisse und sämtliche Vorurteile immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Ich glaube, so lebt man glücklicher. Locker bleiben!
 
Haydn war ein Massenproduzent, was die schiere, überbordende Menge von Kompositionen (in unterschiedlichsten Besetzungen) beweist. Und da auch hier das Motto "Quantität ist nicht gleich Qualität" greift, kann nicht jedes Werk eine herausragende Qualität haben, im Gegenteil.
Ja, er hat herausragende Werke geschaffen, und war der Wegbereiter der klassischen Sinfonie.
Ich kann diese fast schon blinde "Heldenverehrung", die keine Kritik zulässt, bzw. Kritiker als blöd/Banausen/... abkanzelt, nicht verstehen.
 
Ich habe mal erlebt, wie ein Klavierspieler bei einem Treffen nur russische Musik gespielt hat. Das hat mich so runtergezogen, daß ich danach die Bemerkung gemacht habe "und nun ein Ecksatz von Haydn, damit man mal wieder ein Lächeln ins Gesicht kriegt?" Dabei weiß ich natürlich, daß auch Russen humorvoll komponieren können, und ich übe gerade mit Freude 3 Stücke eines Russen.

Gruß
Manfred
 
Haydn hat schon fast "am Fließband" komponiert, was natürlich auch auf Kosten der Qualität ging
Haydn war ein Massenproduzent, was die schiere, überbordende Menge von Kompositionen (in unterschiedlichsten Besetzungen) beweist. Und da auch hier das Motto "Quantität ist nicht gleich Qualität" greift, kann nicht jedes Werk eine herausragende Qualität haben, im Gegenteil.
Ja, er hat herausragende Werke geschaffen, und war der Wegbereiter der klassischen Sinfonie.
Ich kann diese fast schon blinde "Heldenverehrung", die keine Kritik zulässt, bzw. Kritiker als blöd/Banausen/... abkanzelt, nicht verstehen.

Mal Butter bei die Fische: Kannst Du wenigstens ein Werk von geringer Qualität von Haydn nennen und es im besten Fall auch begründen?

Das umfangreiche Werk ist kein Argument, denn bei jedem Komponisten findest Du unterschiedliche Qualität. Auch bei Beethoven erreicht nicht jedes Werk die Tiefe wie bei Op. 106, 111 oder 133; dennoch ist dadurch die Qualität der anderen Werke nicht gering.
 
Was mich wundert: Es heißt hierzulande immer, man solle offen und tolerant sein für andere, vor allem außereuropäische Kulturen. Wenn es aber um die unterschiedlichen Ausprägungen der mitteleuropäischen Kultur geht, dann waltet auf einmal eine erschreckend provinzielle Enge. Erschreckend vor allem, wenn versucht wird, das kleinkindhafte „Das mag ich nicht!“ auch noch pseudoargumentativ zu untermauern.

An Haydn die ästhetischen Maßstäbe des 19. Jahrhunderts (samt dem Genie-Kult) anzulegen ist genauso verfehlt, wie den Höhlenmalereien von Lascaux das Fehlen der perspektivischen Darstellung vorzuwerfen.
 
Beethoven war Haydns Schüler, und hat sich mal über dessen Lautmalerei lustig gemacht. Aber naja, Glashaus... kam bei ihm durchaus auch vor.
Edit: Mords Text geschrieben, den ich jetzt gelöscht habe, denn:
Nachdem ich mir jetzt auch noch Kleingeistigkeit oder provinzielle Enge vorwerfen lassen muss, bin ich draußen, vielen Dank für die Blumen, @Cheval blanc

Ich frage mich, wer hier kleingeistig ist. Wirklich derjenige, der zugibt, dass er von einem Komponisten manche Werke nicht mag, weil er den Eindruck hat, dass sich die schiere Menge auf die "Originalität" auswirkt - in dem Wissen, dass der Kompositeur durch seine Zeit musikalisch begrenzt war, diese Grenzen aber in manchen Werken genial überschritten hat?
 
sich einfach nur offen zu halten für neue Erkenntnisse und sämtliche Vorurteile immer wieder auf den Prüfstand zu stellen

Im Prinzip: Ja!
Aber, wenn ich das in allen Aspekten meines Lebens tun würde, dann hätte ich keine Zeit mehr, um irgendetwas zu tun.
Selbst, wenn ich mich auf 'Musik' beschränke, ich kann mich nicht tief monatelang mir einer bestimmten Richtung beschäftigen, um sämtliche Urteile, Vorurteile, Vorveurteilungen aus dem Weg zu räumen und fest zu stellen, ob ich sie mag oder nicht.

Wir unterhalten uns ja über einem ganz, ganz kleinen Ausschnitt der musikalischen Welt. Mit Schwerpuinkt auf bestimmte musikalische Paramter, aber andere musikalische Paramter spielen so gar keine wesentliche Rolle.

Grüße
Häretiker
 

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