Parallelstellen - wie trifft man die richtige Fortsetzung?

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Hallo zusammen,

viele Stücke haben ja "Parallelstellen, an denen es jedesmal anders weitergeht".
Mir geht es beim Üben und Spielen dann oft so, dass ich in die "falsche" Fortsetzung gerate... und das bringt mich dann entweder "raus" oder der Ablauf des Stückes wird entscheidend verändert... ;)

Geht es Euch manchmal auch so?
Was tut Ihr, um das zu vermeiden?

Ich mache es oft so, dass ich mir bereits am Anfang der Parallelstelle innerlich sage: "Ok - das ist jetzt Stelle Nr. 1" (oder Nr. 2) ... wenn ich gut konzentriert bin, finde ich meistens die richtige Fortsetzung.

Wie macht Ihr das?
Ich habe mal ein Notenbeispiel angehängt, falls es noch unklar ist, worum es geht:
Chopin, Etüde op. 25/2: z. B. Takt 1-4 vs. Takt 9-12
http://imslp.info/files/imglnks/usimg/c/cb/IMSLP00318-Chopin_-_OP25_2.PDF
 
Ich markiere mir die Abweichungen jeweils deutlich im Notenblatt und denke mir zu jeder Abweichung noch eine zweite Eselsbrücke aus und konzentriere mich zusätzlich auf den evtl. leicht veränderten Fingersatz. Je mehr Anhaltspunkte ich habe, desto größer ist die Chance, orientiert zu bleiben.

An die Eselsbrücken denke ich bereits 1-2 Takte vorher konsequent bei jedem Üben dieser Stellen sowohl beim Spielen nach Noten als auch beim Auswendigspiel.

Das wäre dann #2 plus Eselsbrücke plus Fingersatz.

Ich übe diese Parallelstellen außerdem immer mal wieder im Zusammenhang direkt hintereinander, in Dimos Notenbeispiel würde ich dann also die Takte 5-8 weglassen, bzw. evtl. bei 8 wieder einsetzen, um das gleiche Denkschema anwenden zu können wie beim kompletten Durchspielen.

Mein aktuellstes Stück hat ebenfalls ein paar solcher Stellen und ich bin daher gespannt auf die Antworten der erfahreneren Spieler.
 
Haha gute Frage...das sind dann die berüchtigten endlos-Stücke, bei denen der Schüler im Konzert immer im Kreis herum spielt und den Ausgang nicht mehr findet :D Ganz getreu den Worten des Lehrers "spiel einfach weiter, als wäre nichts passiert" ^^

Ich fürchte, Konzentration lässt sich schlecht entbehren, wenn man den richtigen Ablauf hinbekommen will. ich unterstütze das teilweise noch mit Bildern, also stelle mir irgendetwas dazu vor, so dass die "Geschichte" nur Sinn macht, wenn sie entsprechend ausgeht. Aber das sind ja im Prinzip auch nur Lernhilfen.

Außerdem mache ich mir beim Üben immer klar und deutlich bewusst, an welcher Stelle ich jetzt bin - also bei A oder bei A'(selbst wenn ich nicht bis zum 'Ausgang' spiele!), damit das auch ja nicht rein mechanisch wird.

Glg
 
Das kenne ich mittlerweile auch ganz gut... Beim letzten Vorspiel war dann nicht mehr die Angst, rauszukommen bzw. mich zu verspielen, sondern mich zu verlaufen... (im Vorfeld!)

Tatsächlich war es so, dass ich dauernd beim So-vor-mich-hin-üben entweder früher fertig war oder Wiederholungen zweimal gespielt habe bzw. gar nicht mehr wusste, an welcher Stelle ich bin, 1. oder 2.

Ich denke mal, da muss jeder für sich eine Lösung finden. Für mich ist das Stück ein Weg, den ich gehe, manchmal gibt es eine Gabelung, an der ich mal rechts, mal links gehen muss. Da hilft nur Konzentration, also das Bewusstsein, dass der erste Weg schon gegangen ist und nun der zweite kommt, das muss man schon beim ersten Üben des Stückes irgendwie verinnerlichen.
Passieren kann es Dir trotzdem immer. Das ist wie beim Autofahren, wenn Du an ein ungewohntes Ziel willst und fährst teilweise Routinestrecken, dann musst Du auch höllisch aufpassen, dass Du nicht fährst "wie immer"!

Klavirus
 
Denk Dir doch ne Geschichte aus

Dimo,

wie wäre es, wenn Du Dir einen Geschichte zu dem Stück ausdenkst und diese dann, während Du das Stück spielst, durchlebst.
Also z.B. bei einem Romantischen Stück: Es gibt ein erstes Treffen zwischen Mann und Frau und dann ein zweites Treffen am selben Ort und dann geht die Geschichte weiter...

Ich hoffe ich hab mich verständlich ausgedrückt.

Gruß

Uwe
 
Also z.B. bei einem Romantischen Stück: Es gibt ein erstes Treffen zwischen Mann und Frau und dann ein zweites Treffen am selben Ort und dann geht die Geschichte weiter...

hallo,

das ist für die Orientierung gerade bei Wiederholungen eine ganz hervoragende Idee!!!

ein Klavierstück voller Widerholungen ist Chopins so genannte "Militär-Polonaise" A-Dur. Sie parodiert große prunkvolle Militärparaden - hier könnte man sich die Szene(n) als mal von der linken, mal von der rechten Straßenseite beobachtet, mal von oben aus einem Fenster gesehen vorstellen (wobei dahinter, im Parodistischen - Militärsignale und Marschrhythmen in einem Tanz, im 3/4-Takt, Polonaise! - irgendwie auch so eine Haltung zu spüren wie, wie beim Oskar Mazerath, als er unter der Tribüne einen Aufmarsch durch trommeln im 3/4-Takt durcheinanderbringt [Blechtrommel] :))

man beleuchtet oder betrachtet mal diese, mal jene Perspektive, und so erhält man als Orientierung in all den Wiederholungen ein ziemlich sicheres Verlaufsgerüst.

Gruß, Rolf
 
Guter Faden Dimo,

voll guter Möglichkeiten, Sinnvolles weiter zu geben und von anderen zu lernen!

Bei mir gab und gibt es verschiedene Verfahrensweisen:

Die ordinärste (habe ich auch schon gemacht) ist, sich beim Üben laut vor sich hin zu sagen: Beim ersten Mal geht es so weiter …… , beim zweiten Mal geht der Fingersatz so …., so als ob man einem Betrachter erklären wollte, was im Moment zu machen ist. (Wie Klimperline.)

Eine Geschichte oder einen bestimmten Ablauf (erst die schwere Tonart, dann die leichte, erst eine einfache Variante und dann die schwierige – oder genau umgekehrt) habe ich mir auch schon ausgedacht. (Wie Lalona und Uwe Munich.)

Für die Gesangsmelodie in Chopins 2. Ballade (1. Teil) habe ich mir tatsächlich einen (passenden oder unpassenden) Liedtext ausgedacht, in die Noten geschrieben und mit auswendig gelernt. Eine „Abzweigung“ wird dann mental an der Textstelle fest gemacht. Das hat funktioniert.

Die „Militärpolonaise“ (unsägliches Wort!) Op.40 Nr. 1 habe ich zur Zeit u.a. in der Mangel, da geht das bei mir ohne solche Hilfen.
Die „Schwester“ - Polonaise Op.40 Nr.2 hat im zweiten Teil einige Wiederholungen, man könnte mühelos in der Endlosschleife spielen. – Ich versuche (bis jetzt mit Erfolg) daran zu denken: „Jetzt spielst du den Teil zum zweiten Mal – jetzt geht es mit den weiterlaufenden 16teln im Bass in den Ausgang“.
Ich glaube es ist wichtig, wie Rolf schon an anderer Stelle geschrieben hatte, nicht an irgendwas, sondern an die Musik zu denken, die ich spiele. Ich habe meine Mühe damit, aber ich übe das gerade mit ein.

Wir könnten den Faden erweitern mit den Verzierungen.
Die Verzierungen sind z.B. bei Chopin an Parallelstellen immer wieder anders (bei Dvorak sind die kleinen Abweichungen zum Mäuse melken!).
Oft werden die Verzierungen von mal zu mal komplizierter, das kann man sich dann in diesem Ablauf merken. Ich denke an die Mazurka Op.33 Nr.4 und an die kleinen nachgelassenen Walzer.

Im Regentropfenprelude kommt die Umspielung der Melodie im vierten Takt des Hauptthemas drei Mal in einem anderen Gewand daher. Für mich zur Zeit blöd zu merken. Bevor ich das Stück ganz durchspiele, spiele ich diese drei Varianten bewusst vorher extra durch. Einen anderen Memotrick habe ich da zur Zeit nicht.

Da haben wir ein weites Feld, Erfahrungen und Möglichkeiten (und Unmöglichkeiten) auszutauschen. Ich lese mit großem Interesse mit.

Walter
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zitat von Walter: Im Regentropfenprelude kommt die Umspielung der Melodie im vierten Takt des Hauptthemas drei Mal in einem anderen Gewand daher. Für mich zur Zeit blöd zu merken. Bevor ich das Stück ganz durchspiele, spiele ich diese drei Varianten bewusst vorher extra durch. Einen anderen Memotrick habe ich da zur Zeit nicht.
Genau dieses Prelude hatte ich bei meiner ersten Antwort im Hinterkopf. Auch ich spiele diese drei Varianten immer wieder extra durch -natürlich in der vorgegebenen Reihenfolge.

Bei einem anderen Stück (Bizet: le Bal) läuft das Hauptthema durch mehrere Tonarten. Hier habe ich mir aus den Anfangsbuchstaben der Tonarten einen Satz ausgedacht, was ich allgemein beim Auswendiglernen als hilfreich empfinde, nicht nur bei Parallelstellen.

Ein Beispiel für eine allgemeine Stelle wären die Schlussakkorde in Mozarts der d-moll- Fantasie: A D A D, also Adé, Adé (ich merke mir nur: "und tschüß" ;) plus das Tastaturbild)
 
Schon alles erzählt?

Hallo alle Auswendiglerner - und Auswendiglererinnen,

es wäre schade, wenn dieser interessante Faden schon ein Ende hätte. Da gibt es sicher noch viel auszutauschen!

An zwei anderen Stellen habe ich über ein Verfahren meinerseits im Scherzo Nr. 2 von Chopin geschrieben:

"Jetzt noch ein blöder, ganz unkünstlerischer und unästhetischer Einblick in meine Hirntätigkeit:
die herabstürzende Figur in Takt 540 erinnert mich daran, dass ich gleich Akkorde zählen will. Ab Takt 552 zähle ich 8 Akkordschläge, dann 4 Akkordschläge mit Bass arpeggiert, dann hören die Akkordschläge mit dem dritten Schlag und dem Bass nur noch in Oktavspannweite auf. Also: ich zähle erst 8, dann 4 und dann noch mal 3 Akkordschläge und bin sicher, dass es dann nicht zu viele und nicht zu wenige Wiederholungen dieser Figuren sind. – Wie macht Ihr das?"

Auch an anderen Stellen zähle ich nur die Zahl der Bassschläge, unabhängig von ihrer Funktion im Takt. (Navarra fängt mit 12 Schlägen an)

In einem Sonatensatz war eine Stelle nur einmal, später zweimal vorgekommen. Ich habe mir damals gemerkt: das ist die braune Stelle, die andere die rote Stelle. (Farbcode bei el. Widerständen: braun = 1, rot = 2) :rolleyes:

Wenn Ihr mit Sicherheit wisst, wie man z.B. beim ersten Satz der Mondscheinsonate nicht im Kreis spielt, sondern sicher den Ausgang findet - immer raus mit den Tricks! :)

Gruß

Walter
 
Hallo,

na ja, neben den vielen guten Tipps vielleicht noch folgendes:

für mich ist eine Wiederholung des Themas etc. eben keine Wiederholung, sondern eine Entwicklung. Die innere Haltung ist eine andere, weil ich ja vorher schon etwas erlebt habe. Etwas zum ersten Mal zu hören ist etwas anderes, als das Gleiche zum zweiten Mal zu erleben, zumal ja oft zwischendurch einiges passiert. Wenn man sich also die Veränderung bewußt macht ( es gibt ja auch oft Reminiszenzen am Schluß, die quasi als Erinnerung oder Abschied das Thema durchscheinen lassen), müsste einem das Gedächtnis keinen Streich mehr spielen.

Ansonsten kann man sich das Ganze auch wie einen Weg (auf Schienen) durch verschiedene Landschaften vorstellen, wo besonders die "Weichen" geübt werden sollten, die jeweils in verschiedene Richtungen führen. Sehr gut funktioniert es, wenn man dann genau an dem Punkt, wo die Veränderung eintrifft, auf den entsprechenden Noten stehen bleibt und sich auch noch mal die harmonischen Wendungen klar macht. Etwas ähnliches haben aber auch meine Vorgänger schon angesprochen.

Übrigens ist natürlich auch das Vordenken dabei (und nicht nur dabei ;) ) sehr wichtig. Ich spiele also ein Thema nicht nur als Wiederholung (s.o.) anders, sondern auch im Hinblick darauf, wohin ich gehe. Wenn sich eine dramatische Szene anschließt, werde ich das Thema anders spielen als wenn sich Spannung löst. Also genau wie im richtigen Leben :D.

Viele Grüße

chiarina
 
Wenn Ihr mit Sicherheit wisst, wie man z.B. beim ersten Satz der Mondscheinsonate nicht im Kreis spielt, sondern sicher den Ausgang findet - immer raus mit den Tricks! :)

hallo,

also gerade hier wundert mich sehr, wo man denn stolpern oder sich verlaufen sollte: dieser Satz hat doch nur eine einizige "Wiederholung", und selbst die ist keine - beim zweiten Einsetzen des "Hauptthemas" wendet sich dieses doch nach E-Dur, um in E-Dur erneuert zu werden.

also in diesem Stück finde ich, dass die beste Orientierung der harmonische Verlauf ist - und ich meine, dass man sich den leicht merken kann.

Gruß, Rolf
 

Chiarina und Rolf haben es meiner Meinung nach am besten ausgedrückt, es gibt keine echten Wiederholungen in der Musik. In dem Moment, wo man einen Abschnitt wiederholt, klingt er automatisch anders und es ist durchaus nicht unüblich, ihn auch etwas anders zu gestalten. Obendrein bereitet die Wiederholung nicht eine weitere Wiederholung vor (den Fall kann gerne ein Anderer beschreiben, wenn er möchte) sondern einen weiteren Abschnitt. Beides zusammengenommen ist wohl auf lange Sicht die effektivste Eselsbrücke, denn sie ergibt sich aus der Gestaltung, die man ja sowieso vornehmen muß.

Diese Methode funktioniert übrigens auch ganz gut, wenn man am Computer Wiederholungen einfach durch kopieren des ersten Durchgangs erzeugt. Die sind zwar objektiv gesehen mit dem "Original" identisch, fühlen sich aber beim intensiven Zuhören trotzdem anders an (und hier lade ich zum Widerspruch ein, für mich ist es aber tatsächlich so) - natürlich nur dann, wenn man beide Durchgänge gemeinsam anhört.

Nun bekommt man dieses Gefühl nicht umbedingt mit der Muttermilch, ich selbst habe mich auch oft genug "verlaufen", allerdings häufig aus Konzentrationsmangel oder wenn ich während eines Gitarrensolos, das z.B. nach acht Takten zuende sein sollte, eine Idee hatte, die einfach länger gebraucht hätte - obwohl es da auch glänzende Momente gab, wo die Band das gemerkt hat, während ich pflichtbewußt zum nächsten Teil übergegangen bin :D . Aber ich glaube, daß es einem im wahrsten Sinne des Wortes weiter bringt, wenn man sich darüber bewußt ist, wo man gerade hinspielt.

So gesehen sollte es auch nicht schwer fallen, die "Soli" der rechten Hand im Regentropfenpräludium in die richtige Reihenfolge zu bringen. Nebeneinander betrachtet, fällt die Entwicklung ja deutlich auf. Da sind ich die kleinen Variationen in der linken Hand schon schwerer zu merken, die sind nicht ganz so offensichtlich begründet.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn Ihr mit Sicherheit wisst, wie man z.B. beim ersten Satz der Mondscheinsonate nicht im Kreis spielt, sondern sicher den Ausgang findet - immer raus mit den Tricks! :)

*lach* Mein absolut genialer Tipp dabei ist: nicht einschlafen! :D

@all: ist es bei euch nicht so, dass ihr quasi das ganze Stück Landkarten-artig im Kopf habt und dadurch immer nachsehen könnt, wo ihr euch gerade befindet? Mir geht das oft so. Kommt mir vor wie ein Wanderweg, den ich schon oft gegangen bin, und wo ich einfach weiß ah jetzt bin ich hier, und es kommt noch dies und das...

glg
 
Beim Regentropfenprelude habe ich mit den Parallelstellen keine Probleme. Sie liegen ja auch auf Lalonas "Landkarte" weit auseinander. Da weiß ich genau, wo ich bin.

Ich verheddere mich eher dann, wenn die Parallelstellen ganz dicht beieinander liegen, also z.B. in benachbarten Takten. Je einfacher die Stelle zu spielen ist, umso größer ist die Gefahr, daß ich durcheinanderkomme.

Na klar ist das ein Konzentrationsproblem, aber wie ist das in den Griff zu bekommen? Überkonzentration ist auch selten hilfreich.

Vielleicht sollte ich Takt A im Sitzen und Takt B im Stehen spielen, damit es komplizierter wird ;). Vielleicht reicht es ja auch, wenn ich mir das bloß vorstelle. Ich werde das mal ausprobieren.

LG Klavieroma
 

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