Nimmt mir der KL meinen Spaß am Spiel?

J

Jonas1

Dabei seit
18. Mai 2020
Beiträge
2
Reaktionen
0
Hallo zusammen,
nach langer Zeit als stiller Rezipient, traue ich mich aus der Deckung mit einer Frage zur Bedeutung des Klavierlehrers. Unisono scheint die Meinung zu bestehen, ein Klavierlehrer sei unverzichtbar. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass mir ein KL die Freude am Spiel nimmt.

Ich lerne seit knapp zwei Jahren begeistert viele Stunden pro Woche autodikaktisch Klavier. Mein Repertoire rangiert irgendwo um die Mondscheinsonate No. 1, Jesus bleibet meine Freude nach Myra Hess (viel Arbeit), Lacrymosa (noch mehr Arbeit), ...
Das sind ziemlich sicher alles Stücke, die für mein Niveau eigentlich technisch/musikalisch zu schwer sind. Sie machen mir aber kräftig Spaß! Ich kann auch gut damit leben, dass ich hier und da die falsche Taste erwische, einen fingerbrechenden Vierklang in den Basis-Akkord entschärfe (Myra Hess!), den Fingersatz auf mich anpasse, das Tempo mal nicht komplett halte oder ein Legato mit dem Pedal überbrücke. Es ist keine musikalische Katastrophe, aber frönt auch nicht eines glasklaren Spiels in Perfektion.

Nur, was würde ein KL bloß zu all dem sagen? Meine Befürchtung ist, dass dieser notgedrungen und in guter Absicht mein Spiel so sehr durchnudelt, dass ich danach keinen Spaß mehr an den Stücken habe. Faktisch sind sie wohl einfach noch zu schwierig für mich und werden mich zwangsläufig zur Verzweiflung bringen, wenn einer da mal mit dem musikalischen Skalpell seziert. Auf Bach's Präludium oder dergleichen nun wieder "zurück" zu steigen, habe ich allerdings auch wenig Lust...

Ist jemand in ähnlicher Situation (bereits gewesen)?
 
Moin!

Ein guter KL wird Deine größten Schwachstellen finden und mit Dir daran arbeiten. Es kommt nur darauf an, ob Du das wilst oder weiter irgendwie herumwurschteln willst. Darauf läuft es hinaus.

Solltest Du irgendwann mal im Leben auf die Idee kommen, mit anderen zu Musizieren, wirst Du fest stellen, dass "das Tempo nicht halten" durchaus eine musikalische Katastrophe ist. :-)

Grüße
Häretiker
 
Ist jemand in ähnlicher Situation (bereits gewesen)?
Ja ich!
Habe nach 40 Jahren des Selbstlernens auf einmal wieder "Kinderstücke"* aufbekommen.
Die gute Nachricht: Die Chance, dass Dir die Lust am Spielen vergeht, ist gering**. Denn Du wirst alles, was Du lernst, auch auf die Musik anwenden können, die Dir besser liegt*. Und Du wirst viel schneller und effektiver lernen.

*) davon abgesehen gibt es auch viele "fetzige Sachen" auf einfachem Niveau. Die Literaturauswahl kann man ja mit dem Lehrer besprechen.

**) Die Chance, dass Du durch einen total besch.... Lehrer die Lust verlierst, ist sehr groß. Auch das habe ich leider erfahren müssen
 
  • Like
Reaktionen: Leb
Nun, man kann die Menschen auf verschiedenerlei Weisen in 2 Gruppen einteilen.

Eine davon ist: Die einen wollen unbedingt wissen, wie es "richtig geht", sie sind mit der "Kinderversion" oder der "selbstgestrickten Version" nicht zufrieden.
Den anderen ist es irgendwie wurscht.

Erstere stellen also fest, dass, auch wenn etwas "nur" Hobby ist, es ihnen mehr Spaß macht, wenn es ernsthaft betrieben wird und so gut wie es einem möglich ist.

Zweitere haben tendenziell die Haltung "wenn es ein Hobby ist, dann beinhaltet das quasi, dass eben alles nicht so schrecklich ernsthaft und durchdacht betrieben wird."

Du gehörst halt zur zweiten Gruppe.

Blöd ist für Angehörige dieser Gruppe, dass, wenn sie dann doch mal ein Problem bekommen und nicht weiterwissen mit ihrem Klimpern, die Sich-Auskenner nicht so viel Bock haben, detailliert und engagiert weiterzuhelfen, weil sie genau merken, dass hier einer ist, der es nicht sonderlich ernst nimmt und deswegen die Übetipps nur halbherzig befolgen wird und diese daher kaum was nützen werden.

Ich persönlich habe nie verstanden, wie man zur zweiten Gruppe gehören kann - dass man also Mehr-Wissen und Mehr-Können als Spaßbremse empfinden kann. Für mich wirklich absolut 100% undenkbar. Aber jeder Jeck ist anders...
 
Hallo zusammen, danke für Eure Antworten!
@Häretiker ja, ich gebe Dir Recht, dass das nicht funktionieren wird, aber da ich insbesondere klassiche Klaviermusik mag, ist die Zielstellung einer Orchesterbegleitung, in welche Besetzung auch immer, ohnehin utopisch. Zum "falschen Spiel" ein Link, den ich interessant finde:

View: https://youtu.be/HqOpoVuEj5w


@Peter danke, das ermutigt. Wie hast Du den richtigen KL gesucht und gefunden? Es wäre für mich sehr bitter, wenn ich an einen von den besch... KLs gerate.

@hasenbein
Erstere stellen also fest, dass, auch wenn etwas "nur" Hobby ist, es ihnen mehr Spaß macht, wenn es ernsthaft betrieben wird und so gut wie es einem möglich ist.

Zweitere haben tendenziell die Haltung "wenn es ein Hobby ist, dann beinhaltet das quasi, dass eben alles nicht so schrecklich ernsthaft und durchdacht betrieben wird."

Es geht ja nicht um die Ernsthaftigkeit, sondern vielmehr um das für einen selbst als ausreichend empfundene Maß an Perfektion. Allein die Mondscheinsonate im Satz 1 ist technisch leicht, hat aber doch bereits so viel musikalische Tiefe, dass selbst Vorzeigestudenten des Royal College of Music damit noch einmal neu anfangen dürfen:

View: https://youtu.be/85KJkpbh_us


Wie entscheidest Du, wann's genug ist und Du Dich einem neuen Stück zuwendest? Und im Hinblick auf einen KL: wie sorgst Du dafür, dass der KL seinen möglicherweise noch höheren Anspruch an Perfektion Dir nicht ungewollt reinwürgt?
 
Ist jemand in ähnlicher Situation (bereits gewesen)?

Ich denke wir sind alle - ob Anfänger oder Experte - immer in der Situation dass wir einen riesen Berg an Dingen vor uns haben, die wir noch üben müssen/ dürfen.

Du kannst für dich ja trotzdem immer mal klimpern was dir Laune macht. Aber bei allem was du erlernst ist das Beherrschen der Grundfertigkeiten die Basis. Wenn du weiterkommen willst. Perfekt wird es nie werden, aber besser.

Natürlich muss es auch irgendwie zwischen KL und Schüler stimmen, es gibt schon Arten zu unterrichten die dem einen mehr liegen. Aber die Basis für guten Unterricht ist erstmal, würde ich sagen, dass beide eine Verbesserung des Spiels wollen. Sonst führt das zu nichts.

(Ich streu übrigens auch nach Jahren immer mal wieder "einfache" Stücke wie die Inventionen von Bach dazwischen beim allein Üben. Einen guten KL suche ich noch).
 
Ach, Dein Rumüberlegen ist doch wirklich Quatsch, sorry.

Du hast noch gar keinen KL und malst Dir irgendwas aus. Und malst "Perfektionismus" als Schreckgespenst an die Wand.

Du bist EXAKT wie ein Mann, der sagt: Nee, eine Freundin oder gar Ehefrau will ich keinesfalls haben, das ist mir viel zu risikoreich! Die verliert bestimmt nach kurzer Zeit das Interesse an Sex, nervt bestimmt nur rum, oder reicht bestimmt irgendwann die Scheidung ein und zockt mich ab!

Reichlich beknackte Haltung...
 
Allein die Mondscheinsonate im Satz 1 ist technisch leicht

Das halte ich für einen Irrglauben. Also, es ist schön für Dich, wenn Du das so empfindest. Aber ich denke, um diesen Satz musikalisch überzeugend zu spielen, braucht es einen sehr guten Grundstock sowohl an Technik als auch an Musikverständnis (lies, wenn Du Lust hast, mal einen der Threads dazu durch - allein über die Wahl des richtigen Tempos für diesen Satz kann man seitenlang diskutieren) - und "leicht" ist der nicht. Soll sich aber "leicht" anhören. Und das zu erreichen ist schwieriger als es klingt.

Auch und gerade an technisch vermeintlich "leichten" Stücken kann man musikalisch wachsen. Es kann unheimlich befriedigend sein, ein Stück musikalisch so zu gestalten, dass es einfach wunderbar klingt, ohne sich technisch eins abbrechen zu müssen oder einfach nur irgendwie zu wurschteln.

Wenn Du aber weißt, dass Du keinen Unterricht nehmen willst und zufrieden bist mit dem, was Du tust, und auf diesem Level weitermachen willst, dann ist doch alles fein. Von außen kann das keiner wissen, was Deine Ziele sind.

Nachtrag: ich bin in vielen Dingen Perfektionistin. Aber ich kann wunderbar damit leben, wenn Leute, die ich unterrichte oder berate, keine Perfektionisten sind. Ich habe sogar einen Schüler (ein pensionierter Lehrer übrigens), der so gut wie nie übt. ;-)
 
Weiß nicht, wo da ein Problem ist.

Im Gegenteil, es scheint so zu sein, als dass da jemand eben 'mal nicht mit seinen Künsten hadert und nicht verzweifelt von Pontius nach Pilatus und nicht von einem Videolehrgang zum nächsten läuft. Gut so. Wen es nicht stört, bei der Mondscheinsonate in jedem zweiten Takt einen Tipfehler zu produzieren, bitte sehr. Eine Verpflichtung zum Richtigspielen gibt es nur für Profis und da auch nur auf der Bühne.

Man kann Klavierspielen als Hobby tierisch ernst nehmen - aber man muss es nicht. Über all dem Üben, den Etüden, den Quintenzirkeln und den Lehrerwechseln verliert man vielleicht manchmal auch die Gelassenheit.

CW
 
Wenn hier jemand "mal nicht mit seinen Künsten hadert...", weshalb schreibt diese Person dann überhaupt so einen Beitrag?
Die Frage ist doch: "Soll ich mich auf einen langen, möglicherweise beschwerlichen Weg begeben oder alles so belassen wie es ist?"


View: https://youtu.be/zE7PKRjrid4?t=79
 
Ist jemand in ähnlicher Situation (bereits gewesen)?

Das ist eigentlich die Frage.

Ja, bin ich. In der irrigen Annahme, wenn ich schon Klavierspielen und Noten lesen kann, dann sollte das Erlernen eines Saxophons nicht schwer sein, habe ich es mir selbst beigebracht.

Naja, irgendwann habe ich Unterricht genommen und da wurde mir klar gemacht, wie viele Fehler ich wirklich gemacht habe. Verdammt viele. :-)

Und ja, da wurde an Details gearbeitet.
Und ja, ich bin Amateur.
Und ja, es war anstrengend.
Und nochmal ja, es hat auch viel Spaß bereitet.

Möchte ich das missen? Auf gar keinen Fall. Ich wäre nicht annähernd dort, wo ich jetzt stehe. YMMV

Grüße
Häretiker
 

Ich würde das für mich ganz relaxt beantworten: Wenn ich besser werden will, dann nehme ich mir einen Lehrer, wenn ich zufrieden mit meinem autodidaktischen Geklimper bin, dann nicht. Wäre dann auch glatte Geldverschwendung.

Mir selbst ist die Antwort von Beginn an leicht gefallen, ich mag Musik und ich mag sie perfekt und wenn ich spiele, dann auch möglichst perfekt, auch wenn das viel Mühe und Nerven kostet. Aber das Ergebnis ist unbedingt sehr befriedigend. Von daher wird Deine Frage an Dich sein müssen: Reicht Dir das, bist Du zufrieden oder eben nicht? So ganz perfekt im Reinen mit Dir selbst scheinst Du nicht zu sein, sonst würdest Du die Frage nicht stellen.
 
@Jonas1
Aus Klavierlehrersicht sage ich: Ein guter Lehrer wird das Feuer, das du mitbringst, mit neuer Nahrung füttern. Nimm doch Probestunden bei verschiedenen Lehrern. Du wirst schon merken, wer dich begeistern kann und dir eine Perspektive aufzeigt.
 
Ich hatte, als ich in Deiner Situation war, meine Stücke in "abgeschlossen" und "in Bearbeitung" eingeteilt. Bei ersteren wollte ich keine Arbeit mehr investieren, auch wenn sie noch nicht perfekt waren. Ich hätte bei denen nicht noch einmal bei Null anfangen wollen. Bei den anderen blieb dann auch kein Stein auf dem anderen. Das war aber OK.
 
Was ist denn deine Erwartungshaltung an Klavierunterricht?

Möchtest du einzelne Teile musikalischer, schneller, ausdrucksvoller oder weniger verkrampft spielen?
Dann musst du mit dem Lehrer an diesen Details arbeiten und dich dorthin führen lassen. Alleine wird dir das nicht gelingen. (Das kann auch Stücke beinhalten, die nicht toll klingen und ist insgesamt langwierig, pedantisch, manchmal frustrierend und unglaublich schön, wenn es dann doch klappt)

Oder möchtest du im Unterricht einfach schöne Stücke spielen und keinen allzu großen Unfug verzapfen? Dieses Ziel kannst du auch leidlich ohne Lehrer erreichen, mit Lehrer vermutlich schneller.
Überlege einfach Mal ganz in Ruhe, was du vom Unterricht erwartest und besprich dieses Ziel mit den Lehrern in deiner Gegend. Meistens merkt man dann Recht schnell, ob eure Vorstellungen von Unterricht übereinstimmen.

Viel Glück,

Hekse
 
Ich glaube, vielen Autodidakten, die nie Unterricht hatten (und ich war selbst mal so einer), ist die Fixierung auf "Stücke" gemein. Einzelne Stücke, so toll sie auch sein mögen, sind aber immer nur singuläre Punkte in der musikalischen Landschaft. Durch meinen Klavierunterricht (allerdings auch mit einem hervorragenden KL) hat sich diese Landschaft erst mit Verbindungen aufgefüllt. Und erst durch den Zusammenhang machen die einzelnen Stücke Sinn, sind dann aber auch "nur" Wegmarken zum größeren Verständnis. Das muss man sich m.E. unter Anleitung erüben und erspielen, aber die Freude ist dann doppelt: Verbesserung der Beherrschung des Klaviers und Verständnis, was man da eigentlich tut (das geht über die hier oft diskutierte Harmonielehre hinaus). Wenn Du einen KL findest, wird er Dich wahrscheinlich wirklich zuerst etwas erden und auf gewissen Grundlagen bestehen. Dass Du das (wahrscheinlich C-Dur) Präludium von Bach erwähnst, zeigt aber, dass Du einen guten KL unterschätzt. Ich habe in den letzen Jahren kaum eines (oder überhaupt eines?) der üblichen hier oft genannten Stücke von meinem KL bekommen. Es gibt so viel zu entdecken...
 
Wie hast Du den richtigen KL gesucht und gefunden?

  1. Zunächst überlegt: Was will ich?
  2. Davon abgeleitet via Internet das "Angebot" gecheckt.
  3. Zwei, drei "Favoriten" ausgesucht.
  4. Die am meisten favorisierte Person angeschrieben, mich vorgestellt, meine Ziele umrissen.
  5. Probetreffen/Probestunde angeboten bekommen, auf dem beide Seiten die Chemie checkten. Chemie war prima.
  6. Aufnahme in Warteliste. Bereitschaft signalisiert, während der Wartezeit gern einzuspringen, falls möglich.
  7. Einige Male tatsächlich eingesprungen. Vorfreude und Motivation stiegen ins Unermessliche.
  8. Festen Unterrichtsplatz bekommen. :chr01:

Ein guter Lehrer wird das Feuer, das du mitbringst, mit neuer Nahrung füttern.

Du sagst es. :herz: Eine gute Lehrkraft ist viel mehr als jemand, der einem Tipps zum Fingersatz gibt, laut mitzählt oder "Fehler!" ruft. Sie ist Inspiration, Kraftquell, Vorbild, ist jemand, der einem hilft, die nur vage erahnte Offenbarung in der Musik realiter zu be-greifen. :027:


Mann, wie ich sie vermisse... :cry2: Sch***-Corona.
 

Zurück
Top Bottom