Neues Stück lernen

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11. Feb. 2007
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Hallo liebes Forum!

Mal eine praktische Frage: wenn ihr euch neuen Stücken annähert, wie geht ihr dabei vor? Studiert ihr erst den Notentext, mehr so analytisch, oder beginnt ihr gleich mit dem Spielen?
Beschreibt mal eure Vorgehensweise, bitte, danke.

Gruß, Sesam
 
Also ich höre mir das Stück erstmal ein paar mal bei Youtube an, verfolge dann die Noten beim Hören mit und dann setz ich mich hin, versuch erst die Melodie, dann die Begleitung und dann beides zusammen. Und dann mit der altmodischen Art mit dem Metronom Tempo reinbringen. ;)

Edit: Hängt aber auch immer vom jeweiligen Stück ab. Die einfacheren höre ich mir dann nicht mehr bei Youtube an und spiele sie auch nicht mit Metronom.
 
Ich schau, aus welchen Akkorden sich das Stück zusammensetzt und notiere mir die Akkorde in den Noten. Dann lerne ich die Akkorde, zuerst LH und RH getrennt, dann zusammen. Dabei benenne ich die Akkorde auch gleich (übt auch gleichzeitig Akkorde und Umkehrungen). Dann akkordweise: Akkord greifen, dann wie es in den Noten steht usw.

Lt. KL soll das eine effektive Methode sein, aber sie fällt mir ungleich schwerer, als wenn ich gleich "vom Blatt" drauflos spiele. Ich weiß noch nicht, ob es stimmt, mach ich erst seit zwei Stücken so. Meine KL meint, auch wenn es jetzt noch schwerer ist, so würde mir diese Methode doch helfen, später schneller zu spielen. Ihr Klavierlehrer und Pianisten, was meint ihr dazu??

Liebe Grüße,
8f2d
 
Hallo Sesam,

also ich gehöre hier anscheinend zu den "Abtrünnigen", die ihr Stück einfach so drauflosspielen. Klar höre ich mir das auch bei Youtube an, aber erstmal versuche ich es so, gleich immer mit beiden Händen. Ich lerne keine Akkorde und notiere mir die auch nicht, das Metronom hasse ich, mit beiden Händen getrennt spiele ich (nur wenn es nötig ist!) erst später, ich muss es erstmal "gesamt" erfassen. Es gibt natürlich schon Stücke, da muss man beide Hände erstmal getrennt spielen, oft ist ja auch der Rhythmus einfach nicht schlüssig. Also ich "stürze" mich eigentlich immer sofort auf das gesamte Stück, die Feinarbeit kommt später...:)
LG
 
Durchspielen (wenn ich mir das Stück nicht innerlich vorstellen kann), Notentext studieren, analysieren, und dann in Detailarbeit manuell erarbeiten: zunächst Hände und Stimmen getrennt, dann in kleinsten Einheiten zusammenbauen.

Was ich möglichst nicht mache: Mir Aufnahmen der Stücke anhören (die Standards hat man leider eh' im Ohr). Ich will selber auf "Entdeckungsreise" gehen und nicht als pianistischer Pauschaltourist hinter einem musikalischen Führer die Sehenswürdigkeiten abklappern ...
 
Ich machs im Endeffekt genau gleich wie koelnklavier, mit der einzigen Ausnahme, dass ich das Analysieren oft nicht bewusst und separiert vom restlichen Üben mache, sondern irgendwie so instinktiv nebenher beim Bewältigen der technischen und musikalischen Hürden.
 
Einmal (!) durchspielen, um festzustellen, ob irgendwo "Haken" sind.
Dann genau anschauen, ganz so analytisch wie bei Koelnklavier geht es bei mir allerdings nicht zu.

Dann fange ich mit den letzten Takten an und arbeite die je nach Stück getrennt durch (auswendig lernen). Sitzt der Schluss, arbeite ich mich langsam phrasenweise nach vorne durch.

Jetzt kann ich es mir allerdings nicht verkneifen, auch mal immer wieder von vorn nach hinten zu spielen, das ist aber dann kein Üben.

Fange ich zu früh an, es immer wieder durchzuspielen, lerne ich es schwer noch richtig auswendig- eigenartig- ich habe dann für immer bei dem Stück Unsicherheiten. Deswegen reiße ich mich zusammen und fange erst richtig an zu üben, wenn ich es auswendig kann, das dauert ja auch nicht ewig.

Klavirus
 
Vielen lieben Dank für die vielen Antworten bislang.
Komme ich mal auf die "Analysten" zu sprechen, waren zwar nicht sooo viele, aber dennoch: habt ihr da so eine Art "Kochrezept", wonach ihr den Notentext untersucht, also sagen wir zuerst mal Entstehungszeit, Komponist, formaler Aufbau, Tonart(en), Takt, Melodielinie, Basslinie + Harmonien, Rhythmus etc., etc., worauf guck ihr da? Entschuldigt die dummen Fragen, aber ich weiss es ebend nicht.

Würde die "analytische" Methode in Zukunft gerne besser kennenlernen. Habe sonst das Gefühl, etwas desorientiert in einem riesigen Topf Buchstabensuppe zu schwimmen.

Möglicherweise kann man meine Frage auch nicht so schnell mal nebenbei beantworten, ich ahne es, dann wäre mir mit einem Buchtipp schon geholfen. Was mir aber in dem Zusammenhang nicht so viel bringt, das sind Bücher, die schon gleich in medias res gehen, dabei pure Theorie sind und mich hinterher auch nicht in den Stand versetzen, ein simples Musikstück zu analysieren (in laienhaftem Rahmen, versteht sich).
Gibt es nicht zum Beispiel ein Buch, dass anhand zum Beispiel der Russischen Musikschule einige Stücke daraus beispielhaft zerlegt. Das wäre doch mal eine feine Sache, so ein Buch wünsch ich mir. Ich hätte auch nix gegen so ein Format bezüglich der Bachschen zweistimmigen Inventionen.

Schönen Abend, Gruß, Sesam
 
Hallo,
mir geht es so: ich unterscheide fürs erstmals lernen/üben zwischen Sachen, die ich vom hören schon kenne, und solchen die mir unbekannt sind.
wenn ichs schon vorher kenne:
a) Noten lesen und mir den Klang dabei vorstellen
b) Noten genauer lesen (Harmonien)
c) Melodie, Bass und Harmonien lernen
d) beim lesen überlegen, wo es schwierig oder unbequem ist
e) die schwierigen Stellen üben
f) dann alles ein paar mal vom Blatt spielen ("vom Blatt" heisst hier mit den Kenntnissen von a)-e)!!!)
wenn ichs nicht kenne:
a) so lange lesen, bis ich es mir vorstellen kann und die Melodie auswendig habe
dann b)-f)
g) dann erst aus Neugier mal prüfen, wie es bei anderen klingt

Das geht bei mir bis ca. dem manuellen Niveau von Waldsteinsonate oder ähnlichem, wobei mir prinzipiell die überschaubareren "klassischen" Sachen dann schneller manuell eingeprägt sind, bei romantischen dauert es etwas länger. Klar, wenn es etwas sehr schwieriges ist, dann dauert e) länger und bei f) gehe ich abschnittweise (rückwärts) vor.

Voraussetzung: wirklich fit in Harmonielehre muss sein, d.h. nicht Stufen und Funktionen aufsagen, sondern ganz banal praktisch die Akkorde gleich greifen und benennen können (wer "Fis-Dur" buchstabieren muss, wird länger brauchen - aber das lernt man von allein)

Ärgerlich für mich sind strenge Zwölftonkompositionen und Konsorten: einmal klingen die meisten für mich scheußlich (ja, da bin ich Banause, aber ich gönne mir, einen eigenen Geschmack zu haben), sodann muss ich rückwärts additiv jeden Griff lernen und mir einprägen -- gräßlich war, und da hatte ich 14 Tage lang täglich 12 h Schönbergs "Pierrot lunaire" für eine Veranstaltung zu üben und dabei öfters getobt vor Wut (zumal der Abschnitt "Kreuze" auch noch furchtbar schwierig zu spielen ist, eine Art widerborstige Lisztparodie)
-- mir hatte das nicht gefallen, ich hatte nur zugesagt, weil da auch Skrjabin dabei sein sollte - was für eine Wohltat, zwischenrein die 10. Sonate und Vers la Flamme zu spielen!!!

Fazit: es wird klar, dass man immer und allezeit in "gewohnten Bahnen" lernt, und wenn mal was arg weit davon entfernt ist, dann wirds schon beim Notentext furchtbar aufwändig.

Gruß, Rolf
 
Hallo Sesam,

Gibt es nicht zum Beispiel ein Buch, dass anhand zum Beispiel der Russischen Musikschule einige Stücke daraus beispielhaft zerlegt. Das wäre doch mal eine feine Sache, so ein Buch wünsch ich mir. Ich hätte auch nix gegen so ein Format bezüglich der Bachschen zweistimmigen Inventionen.

Die folgende Seite hatte mal irgendjemand hier im Forum empfohlen, dabei geht es u.a. auch um das Analysieren neuer Stücke -mit Beispielen:

http://foppde.uteedgar-lins.de/contents.html#Inhalt

Liebe Grüße
Klimperline
 
Komme ich mal auf die "Analysten" zu sprechen, [...] habt ihr da so eine Art "Kochrezept", wonach ihr den Notentext untersucht, also sagen wir zuerst mal Entstehungszeit, Komponist, formaler Aufbau, Tonart(en), Takt, Melodielinie, Basslinie + Harmonien, Rhythmus etc., etc., worauf guck ihr da?
Nein, Kochrezepte habe ich nicht. Und ich gestehe, daß mein innerer Schweinehund es nicht erlaubt, so diszipliniert zu arbeiten wie Rolf. Man kann mit Anfängern allerdings auch schon ohne tiefere Harmonielehrekenntnisse in die Prinzipien der Analyse einsteigen, z.B.
  • den Notentext nach unbekannten Zeichen durchforsten,
  • welcher Takt, welche Notenwerte kommen vor?
  • welche Vorzeichen gibt es, welche Versetzungszeichen tauchen im weiteren Verlauf auf?
  • welchen Tonumfang hat jede Stimme?
  • wie gestaltet sich der melodische und rhythmische Verlauf (Sprünge, auffallender Wechsel der Notenwerte, Synkopen)?
  • Gibt es identische oder ähnliche Abschnitte (Sequenzen, stereotype Begleitfiguren)?
  • Welchen Charakter vermittelt das Notenbild?
Schon das Verbalisieren derartiger Beobachtungen kann sehr hilfreich sein. Je besser man Strukturen erkennt und benennen kann, desto weniger muß sich durch die Details buchstabieren.

Natürlich halte ich es für selbstverständlich, daß erwachsene Spieler sich die Frage stellen, was sie da überhaupt spielen, von wem die Musik ist, aus welcher Zeit sie stammt, und was für ein Lebensgefühl damals herrschte. (Ich stelle allerdings immer wieder mit Entsetzen fest, daß solche Überlegungen offensichtlich gar nicht selbstverständlich sind. :()

Erhellend ist für mich immer auch der Blick auf das Zeitgeschehen jenseits der Komponistenbiographien, und sei es nur die synoptischen Listen in Steins Kulturfahrplan, z.B.: 1823 - 9. Sinfonie von Beethoven, 1. Kölner Rosenmontagszug :D, Verkündigung der Monroe-Doktrin in den USA. So unterschiedlich kann die Sicht auf die Welt sein.
 

Nein, Kochrezepte habe ich nicht. Und ich gestehe, daß mein innerer Schweinehund es nicht erlaubt, so diszipliniert zu arbeiten wie Rolf. Man kann mit Anfängern allerdings auch schon ohne tiefere Harmonielehrekenntnisse in die Prinzipien der Analyse einsteigen, z.B.

Schon das Verbalisieren derartiger Beobachtungen kann sehr hilfreich sein. Je besser man Strukturen erkennt und benennen kann, desto weniger muß sich durch die Details buchstabieren.

Natürlich halte ich es für selbstverständlich, daß erwachsene Spieler sich die Frage stellen, was sie da überhaupt spielen, von wem die Musik ist, aus welcher Zeit sie stammt, und was für ein Lebensgefühl damals herrschte. (Ich stelle allerdings immer wieder mit Entsetzen fest, daß solche Überlegungen offensichtlich gar nicht selbstverständlich sind. :()

Erhellend ist für mich immer auch der Blick auf das Zeitgeschehen jenseits der Komponistenbiographien, und sei es nur die synoptischen Listen in Steins Kulturfahrplan, z.B.: 1823 - 9. Sinfonie von Beethoven, 1. Kölner Rosenmontagszug :D, Verkündigung der Monroe-Doktrin in den USA. So unterschiedlich kann die Sicht auf die Welt sein.

und erneut muss ich vollständig zustimmen (außer bei der Sache mit dem inneren Schweinehund, denn meiner ist ein kolossales Biest, welches mich veranlasst, parallel zum Notenlesen am notebook tippend durch das Forum zu marodieren...) --- übrigens das mit der "kulturhistorischen Bildung" (was passierte denn so, als Liszt seine Sonate schrieb) gilt nicht nur für erwachsene Schüler: selbst die, die noch in der Schule mit dem Fach "Geschichte" geplagt werden, sind da gelinde gesagt eher wenig fit... kann natürlich an der Schule liegen :)
...sicher liegts an den miesen Lehrplänen, denn schuld sind immer alle anderen, und was kann der arme gestresste Schüler dafür, dass ihn die Schule nicht zu motivieren vermag... HALT!!! ich entschuldige mich bei allen Schülerinnen und Schülern: jetzt habe ich wohl zu sarkastisch formuliert. Also sorry und Asche auf mein Haupt und ich nehms zurück.
:)
aber ich stimme koelnklavier zu und vermutlich ist der Teufel daran schuld, dass man sich nur selten für die Kulturgeschichte des 19. Jh. interessiert bzw. angeregt wird, Kenntnisse solcher Art aus eigener Initiative anzusammeln.
Gruß, Rolf
 
Würde die "analytische" Methode in Zukunft gerne besser kennenlernen. Habe sonst das Gefühl, etwas desorientiert in einem riesigen Topf Buchstabensuppe zu schwimmen.
Gibt es nicht zum Beispiel ein Buch, dass anhand zum Beispiel der Russischen Musikschule einige Stücke daraus beispielhaft zerlegt.

Vielleicht wäre das

https://www.clavio.de/shop/klaviernoten/klassik/klavier-kompakt-piano-essentials.html?newsletter=clavio/standalone/klaviernoten-woche-210109/klavier-kompakt

was für Dich- war im letzten Clavio-Newsletter drin. Ich überlege, ob ich es mir anschaffen soll... testest Du es? :D

Klavirus
 
Ärgerlicherweise finde ich nirgends im Netz ein Inhaltsverzeichnis, geschweige denn detaillierte Informationen über Klavier kompakt aus dem Doblinger-Verlag. Ich hoffe aber, in zwei, drei Tagen weiß ich mehr.
 
Also, meistens gehe ich wie folgt vor:
- partitur lesen (bin noch nicht so schnell im Noten-Lesen und das ist eine gute Übung)
- rechte und linke Hand separat einüben
- erste Takten mit beiden Händen
- dann springe ich entweder zum Schluss und arbeite mich beidhändig zum Beginn zurück oder ich überspringe Takte weiter nach hinten und setze da wieder an, je nach dem wie das Stück aufgebaut ist.
- irgendwann habe ich alles beidhändig gespielt
- nun spiele ich das Stück vom Anfang bis zum Ende

Diese Vorgehensweise schützt mich beim Auswendigspielen vor einem Blackout und der totalen Blockade, was mir früher oft passierte als ich ein Stück "nur" von vorne bis zum Schluss erlernte. Muss aber dazu sagen, dass die Stücke, die ich spiele, bis jetzt nie länger als 2 Seiten waren.

Gruß, Alia
 

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