Neues oder gebrauchtes Klavier: welche Marken soll ich mir anschauen?

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mats77

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Hallo allerseits,

ich lese schon seit einiger Zeit mit großem Interesse hier mit und wage mich nun an meine erste Frage... Mir ist klar, dass sie nicht sehr originell ist, zugleich habe ich keinen Faden gefunden, der mir wirklich konkret weiterhilft.

Ich habe vor einigen Monaten ein sehr kleines Sauter-Klavier von 1950 geerbt. Die Freude währte nur kurz, denn es hat sich als nicht mehr stimmbar erwiesen. Zugleich hat es gereicht, dass ich wieder Lust bekommen habe, nach 15 Jahren Pause wieder mit dem Klavierspielen anzufangen.

Nun überlege ich, mir ein neues oder gebrauchtes Klavier zuzulegen. Ich fühle mich dank Clavio gut informiert, worauf man bei einem gebrauchten Klavier achten muss und weiß auch, dass das entscheidende das Anspielen des konkreten Klaviers ist. Dennoch habe ich in meinem Umkreis (Rhein-Neckar-Gebiet) zahllose Händler für Gebraucht- und Neuklaviere, die ich unmöglich alle besuchen kann. Ich muss mich also erstmal etwas vorab sortieren.

Dazu nun meine Frage: Von der Tendenz möchte ich gerne ein Klavier aus deutscher Produktion. Nicht, weil ich etwas gegen Yamaha, Kawai und Co hätte, sondern einfach, weil ich den Gedanken schöner finde, ein Klavier aus kleiner, aber feiner Produktion zu besitzen. (Ich trinke auch lieber Wein von kleinen Winzern als von großen Betrieben, und bin mir bewusst, dass das eine eher emotionale als rationale Entscheidung ist und nicht heißt, dass die Weine notwendig besser sind...)

Gelernt habe ich als Kind und Jugendlicher auf einem Seiler-Klavier. Ich mochte den Klang damals sehr. Wenn ich beschreiben sollte, wie ich mir heute den Klang "meines" Klaviers vorstelle, würde ich sagen er sollte nicht zu kristallen und klar bis hart sein, sondern darf durchaus etwas runderes, weiches haben, aber ohne völlig schwammig zu werden. Spielen würde ich im Moment noch Klavierschulen-Standards meiner Jugend, die Idee wäre aber zunehmend in Richtung Jazz und Improvisation zu gehen. Auch da nicht unbedingt sehr fetzig, sondern eher auch romantisch. Ich sage einmal Richtung Chilly Gonzales "Solo Piano I und II" oder auch Tord Gustavsen, Ketil Björnstad u.a. -- wobei ich davon leider derzeit Lichtjahre entfernt bin.

Nun (endlich!) meine Fragen:

1. Welche Marken sollte ich mir Eurer Meinung nach unbedingt anschauen? Jeder Händler hat ja nur ein paar, so dass ich gerne eine Prioritätenliste erstellen würde von Klavieren, die ich gehört haben MUSS, bevor ich mich entscheide, und anderen, die nicht so wichtig sind...

2. Passt meine Beschreibung, welchen Klang ich mag, überhaupt zu dem, was ich spielen will? Ich meine gelesen zu haben, dass gerade viele Jazzer auf eher klaren, harten Sound stehen. Kaufe ich mir, wenn ich auf eher weichen Klang gehe, womöglich das "falsche" Klavier für das Repertoire, das ich (womöglich nur als Traum...) anstrebe?

Ich bin gespannt auf Eure Rückmeldungen und Tipps und sage schon einmal vielen Dank! Falls ich erst noch mehr Infos geben muss (dabei habe ich schon so viel geschrieben, sorry...), mache ich das natürlich gern!

Viele Grüße und Merci
Mats
 
Hallo Mats!

So leid es mir tut: Klangvorstellungen sind so subjektiv und Klaviere (die gebrauchten noch mehr als die neuen) so unterschiedlich, dass Du NUR durch Probespielen schlauer werden wirst. Musst ja nicht gleich alle Händler auf einmal abklappern. Fang einfach irgendwo an, nimm Dir ein paar Monate Zeit, Deine Vorstellung wird sich während dessen formen und erweitern. Das kann Dir niemand abnehmen (so gerne ich das würde, denn es macht unheimlich viel Spaß).

Nur so viel (als Bsp.), vielleicht erleichtert Dir das den Einstieg: Neue Yamaha-Klaviere gelten eher als spitzklingend, Kawai eher als "rund"... Es kann bei konkreten Modellen aber auch gerade umgekehrt sein.

Tord Gustavsen habe ich kürzlich live gesehen auf einem C.Bechstein Konzertflügel. Aber Tord könnte wahrscheinlich auch dem bissigsten Instrument das sanfteste Schnurren entlocken...

Viel Spaß!

LG

TJ
 
Sag doch bitte noch, was Du ausgeben möchtest.

Tja, ich "möchte" am liebsten so zwischen 3500 und 5000 ausgeben. Wenn es das eine ist, wäre auch noch Luft nach oben bis ca. 7000. Aber dann würde ich mich schon ziemlich zur Decke strecken...

Ich verstehe auch, dass ich am Ende konkrete Klaviere anspielen muss. Ich würde ja zunächst nur gerne mich etwas sortieren –*muss ich für meine Interessen mal ein Bechstein gesehen haben, kann ich Schimmel ausklammern usw. usf. Mir ist auch klar, dass dies nie jedem einzelnen Klavier der Marken gerecht wird, aber es gibt ja oft doch so etwas wie einen "Familienklang", oder?

Außerdem frage ich mich auch, wie sehr ich mich heute auf meinen Geschmack verlassen soll, wenn ich doch hoffentlich in den nächsten 5-10 Jahren eine Entwicklung durchmache. Vielleicht ist es also gar nicht nur gut zu kaufen, was mir jetzt gefällt, sondern sozusagen meinen eigenen Geschmack etwas herauszufordern mit etwas Anspruchsvollen? (Um beim Weinbeispiel zu bleiben: Solange ich nie einen (für mich) tollen Rotwein getrunken habe, schmeckt mir die 4€ Plörre, die es auf den Studiparties gibt, doch ganz gut. Erst wenn man weiß, was möglich ist, entwickelt sich ja wirklich ein eigener Geschmack...)

Danke für all Eure Antworten!
 
Bei neuen deutschen Klavieren ist das Angebot bei Deinem Limit recht übersichtlich. Neben Steinberg IQ 16 kommen da z. B. Eduard Seiler, die für mich gegenüber Seiler (mit Renner-Mechanik) in Anschlag und Dynamik deutlich abfallen, noch Sauter Carus 112 in Betracht. In der Preisklasse lohnt es sich sicher auch, mal Yamaha und Kawai sowie in Ostdeutschland produzierte Instrumente (siehe z. B. Marken der Bechsteingruppe, Petrof) anzutesten. Und natürlich der Gebrauchtmarkt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bei neuen deutschen Klavieren ist das Angebot bei Deinem Limit recht übersichtlich. Neben Steinberg IQ 16 kommen da z. B. Eduard Seiler, die für mich gegenüber Seiler (mit Renner-Mechanik) in Anschlag und Dynamik deutlich abfallen, noch Sauter Carus 112 in Betracht.

Danke, Bassplayer! Welches Budget wäre denn sinnvoll für ein gutes deutsches Klavier? Und welche Marken (der genannten oder auch weiteren) entsprechen der von mir beschriebenen Klangcharakteristik am ehesten?
 
Mats, Du kannst NUR nach Deinem derzeitigen Geschmack kaufen - alles andere wäre Blödsinn und würde Dich unglücklich machen. Natürlich gibt es Instrumente, die ein extrem breites Klangspektrum zu produzieren erlauben, aber die sind bei Klavieren sehr selten und ganz sicher außerhalb Deines Budgets. Entscheide also nach dem "Heute" und löse Dich von dem Gedanken, dass DIESES Klavier nun auf Lebenszeit Dein Begleiter sein muss. Übrigens: Gonzales spielt irrsinnig viel mit Moderator-Dämpfer - ich vermute, er hat ein Klavier, das einen besonders dünnen Filz hat. Das ist also kein repräsentativer Klang. Und die anderen - tja, die zaubern eher an Flügeln...

Bei dem Budget reden wir von Gebrauchten und zwar - wenn Du D-Ware willst - nicht von jungen. Das ist aber in keinster Weise eine Negativwertung - eher das Gegenteil ;-). Die Klangrichtung, die Du anstrebst, findest Du bei nahezu allen D-Klavieren (incl. Ausnahmen) - man müsste also eher eine Negativ-Liste machen und da fallen mir nur wenige Marken ein: Steingraeber, S&S, Bösendorfer ... Ende. Wie schon gepostet - starte doch mal mit Seiler, Schimmel, Feurich, Pfeiffer, auch größere Bechsteins passen in die Kategorie. Und keine Scheu vor älteren Semestern!

Besuche so viele Händler wie möglich und spiele so viel an, wie es irgend geht. Wenn das Richtige dabei ist, wirst Du es merken!
 
So bei 10.000 bis 12.000 sind auch größere Modelle drin, die grds. gegenüber kleineren Modellen ausgeglichener klingen, mehr Dynamik und besser kontrollierbare Mechanik bieten, sowie weitere Deutsche Marken: Schimmel, Bechstein (acadamy), Grotrian-Steinweg, Blüthner, Feurich (bzw. Nachfolgefirma) und Rönisch fallen mir spontan ein. Jeder hört Klang anders. Ich schlage auch vor, Du testest zunächst.
 
Übrigens: Gonzales spielt irrsinnig viel mit Moderator-Dämpfer - ich vermute, er hat ein Klavier, das einen besonders dünnen Filz hat. Das ist also kein repräsentativer Klang. Und die anderen - tja, die zaubern eher an Flügeln...

Super, Danke schonmal allen für die Hinweise. Nur nebenbei: Weiß jemand, auf was für einem Klavier Gonzales spielt? Nicht, dass es für meinen Kauf wichtig wäre, aber es würde mich ja schon interessieren...
 
Wie ich schon schrieb: Ich war von Gonzales Sound total fasziniert und habe gerätselt. Dann habe ich in diversen Vids gesehen, dass der Gute einfach oft den Moderator einschaltet. Bei einem normalen Mod. würde der Klang ja total absacken, also muss es wohl so sein, dass G. die Klaviere mit sehr dünnem Moderatorfilz ausstatten lässt oder aber solche Klaviere aussucht. Ich glaube nicht, dass G. auf eine Marke "spezialisiert" ist.

Kannst Dir ja einen dünnen Filz einbauen lassen - sollte m.E. ein billiges Vergnügen sein - sofern das Klavier einen Mod. hat.
 

Das beste ist das Schimmel 120T mit Audio Forte Anlage, das anfangs 10000,-€ kostete und jetzt nur noch 6000,-€
Joeach, wenn das kein Ausverkauf ist, dann ist das nicht unbedingt ein Beweis für Seriosität. Von 10 auf 6 - das braucht eine Erklärung, sonst war der erste Preis ein "Über-den-Tisch-zieh-Preis".
 
Schimmel 120T ...aber für 6T ist es für einen Händler ein guter Preis. Im Klavierladen gibt es ein ähnliches für 7,5t.

Der Preisunterschied von 1500,- Euro dürfte neben der aufwändigeren Optik in der Ausstattung liegen:
Das eine hat nur eingebaute Lautsprecher, womit man Musik aus der anschließbaren Stereoanlage aus dem Klavier hören konnte, das andere laut Beschreibung zusätzlich einen Selbstspielmechanismus, Silent-System und Midifizierung.

Auf beides kannst Du für den normalen Einsatz getrost verzichten.
 
Interessant. Das kann ich nicht bestätigen.

Ich habe ein Seiler Primus 116 und ein Eduard Seiler Ritmo 116 angespielt. Vielleicht lag es an dem einzelnen Ritmo 116, aber das AnschlagsGEFÜHL (ist ja auch immer subjektiv) gefiel mir beim etwas teureren Primus auf jeden Fall besser und bei der Dynamik des Ritmo hatte ich den Eindruck, dass es ab f gegenüber mf fast nur noch härter aber kaum mehr lauter wird, also der Bereich ff schon nicht mehr abgebildet wird. Für mich war der Aufpreis zum Primus also mehr als gerechtfertigt. Aber wenn diese Erfahrung die Ausnahme ist, möge der Suchende gerne auch ein Ritmo ausprobieren.
 
z. B. Eduard Seiler, die für mich gegenüber Seiler (mit Renner-Mechanik) in Anschlag und Dynamik deutlich abfallen,

Kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Anschlag ja, der ist deutlichst unterschiedlich: die Renner-Mechanik im Seiler ist eher "normal" (wie bei Renner üblich) und beim Eduard Seiler ist der Anschlag unglaublich leicht. Ich kenne kein anderes Klavier mit so einem leichten Anschlag! Wie man es denn gerne hätte ist natürlich Geschmackssache. Von der Dynamik und vom Klang sind die (abgesehen von der üblichen Serienstreuung) identisch, da sie ja schließlich baugleich sind und beide Abel Hammerköpfe haben.
 
Kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Anschlag ja, der ist deutlichst unterschiedlich: die Renner-Mechanik im Seiler ist eher "normal" (wie bei Renner üblich) und beim Eduard Seiler ist der Anschlag unglaublich leicht. Ich kenne kein anderes Klavier mit so einem leichten Anschlag! Wie man es denn gerne hätte ist natürlich Geschmackssache. Von der Dynamik und vom Klang sind die (abgesehen von der üblichen Serienstreuung) identisch, da sie ja schließlich baugleich sind und beide Abel Hammerköpfe haben.

Dann war wohl das von mir gespielte Ritmo ein Montagsmodell und die von mir gemachte Erfahrung ein Ausnahmefall.

Ich würde die von mir hervorgehobene Aussage von Dir jedoch verneinen, weil für mich deutliche Änderungen bei der Mechanik - wie z. B. die Verwendung einer anderen Mechanik - dazu führen, dass die gewohnten Tastenbewegungen von mir zu dynamisch unterschiedlichen Bewegungen des Hammerkopfes zu Saite führen. Z. B. dann, wenn eine Mechanik außerordentlich leichtgängig ist, wie Du sie beim Ritmo beschreibst. Oder anders ausgedrückt: kein Spieler kompensiert zu 100% die Unterschiede von im Aufbau oder in Regulierung unterschielichen Mechaniken. Daher muss der Klang des Klaviers, der maßgeblich von der Dynamik der Spielweise beeinflusst wird, sich auch verändern.
 
ah, ok, das meinst du mit Dynamik. Ich verstehe darunter folgendes: du spielst eine Taste von ppp bis fff und hörst, wie sich der Klang verändert. Manche Klaviere haben da klanglich einfach Defizite. Also man haut stärker rein, aber außer dass es irgendwie lauter wird ändert sich der Klang kaum. Quasi nur Note On, Note Of. Das verstehe ich unter mangelnder Dynamik. Was du beschreibst ist die Gewöhnung an eine andere und ungewohnte Spielart bei einem anderen Instrument als dem eigenen. Aber das ist nach einer Woche eh gegessen, dann hat man sich spätestens an jedes Klavier angepasst.
 
weil für mich deutliche Änderungen bei der Mechanik - wie z. B. die Verwendung einer anderen Mechanik - dazu führen, dass die gewohnten Tastenbewegungen von mir zu dynamisch unterschiedlichen Bewegungen des Hammerkopfes zu Saite führen.

ein Fachmann hat mir erklärt die Bemaßung der Mechanikteile im Eduard Seiler sei mit den Renner-Teilen identisch. Ich habe bespielte Eduard Seiler Klaviere als nicht schlechter als Seiler in Erinnerung.

Sauter Carus 112 und Steinberg IQ16 habe ich auch gute gespielt.
 
ein Fachmann hat mir erklärt die Bemaßung der Mechanikteile im Eduard Seiler sei mit den Renner-Teilen identisch. Ich habe bespielte Eduard Seiler Klaviere als nicht schlechter als Seiler in Erinnerung.

Sauter Carus 112 und Steinberg IQ16 habe ich auch gute gespielt.

Wenn Tastenscherge schreibt, dass der Anschlag im Ritmo "unglaublich leicht" ist, ist die Mechanik trotz gleicher Bemaßung (und die ist ja nicht alles!) ja offensichtlich doch anders als im Primus. Wäre alles gleich und nur der Name auf der Mechanik ein anderer, müsste man ja auch jedem vom teureren Primus abraten.
 
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