naive Frage an die Profis hier:

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kreisleriana

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wird die didaktisch natürlich völlig logische,praktisch jedoch etwas unbequeme ;) Fußnote in den Transzendentaletuden:

" Erleichterung dieser FINGERSÄTZE ist,als den Absichten Liszts zuwider,durchaus unzulässig"

im Konzertalltag auch eingehalten??

PS: mein alter KL hätte mir vermutlich gesagt,
"wenn ich so was im Konzert spielen würde,wäre mir Liszts didaktische Absicht so was von Wurst,Hauptsache das Werk gelingt mir vor Publikum"
 
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" Erleichterung dieser FINGERSÄTZE ist,als den Absichten Liszts zuwider,durchaus unzulässig"

1) Mich würde sehr interessieren, ob z.B. Clara Haskil (die gerne auf die Frage: "Welchen Fingersatz nehmen Sie denn dort?" geantwortet hat: "Wie's gerade so kommt...") sich denn auch sklavisch an die Fingersätze gehalten hat...

2) Obiger Satz unterstellt, daß die "Absichten Liszts" immer und unter allen Umständen richtig und passend, also sozusagen heilig sind.
Bei allem Respekt vor der Größe der legendären Künstler: Auch die haben zumindestens gaaaanz ab und zu mal Dinge gemacht oder geschrieben, die man heute zumindest in bestimmten Fällen vernünftigerweise anders machen würde.
Liszt hatte einen dermaßenen Riesen-Output und war so vielbeschäftigt, da ist es nicht vorstellbar, daß JEDER Fingersatz in seinen Werken das heilige Optimum darstellt bzw. daß nicht irgendwo mal ein Flüchtigkeitsfehler drin ist.

3) Hände und Körper sind unterschiedlich, also gibt es auch Situationen, in denen Fingersätze unterschiedlich sein können / müssen.
Um obiges Statement beurteilen zu können, müßte man also u.a. wissen, ob Liszt einen bestimmten Fingersatz nur aus seinem Spiel mit seinen Händen heraus hingeschrieben hat oder ob er ihn aus der Erfahrung mit einer Vielzahl von Schülern gewissenhaft als "allgemeingültig anwendbar" entwickelt hat. (Wie gesagt, der war so vielbeschäftigt, da kann ich mir nicht vorstellen, daß jeder seiner Fingersätze von ihm dermaßen genau durch den "Didaktik-TÜV" geschleust worden ist.)


4) Natürlich ist bei pädagogischen Werken wie Etüden ja gerade der Witz, daß man genau mit einem bestimmten Fingersatz übt, um genau diese intendierte Bewegungsfolge zu üben.
Man muß aber zwischen Passagen unterscheiden, in denen man genau diese Übungsabsicht erkennen kann, und anderen Passagen, in denen es im Grunde wurscht ist, weil dort der Fingersatz nichts Besonderes "trainiert". Gerade in konzertanten Etüden, die in sich vielgestaltig sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß immer mal wieder Passagen letzgenannter Art vorkommen.

Sklavisches Befolgen ist also (wie immer im Leben!) totaler Quatsch; man muß aber sehr genau wahrnehmen lernen, wann Befolgen zweckmäßig ist.

Derartige Anweisungen wie die obige entstehen aber vermutlich einfach deswegen, weil Pädagogen festgestellt haben, daß eben dieses genaue Wahrnehmen, Durchdenken und Unterscheiden vielen schwerfällt und daß diese sich fingersatzmäßig dann irgendwie so durchwursteln mit tatsächlich unzweckmäßigen Dingen. Deshalb dann das Machtwort: "Schluß jetzt, Du spielst gefälligst GANZ genau, was dasteht!"

LG,
Hasenbein
 
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Derartige Anweisungen wie die obige entstehen aber vermutlich einfach deswegen, weil Pädagogen festgestellt haben, daß eben dieses genaue Wahrnehmen, Durchdenken und Unterscheiden vielen schwerfällt und daß diese sich fingersatzmäßig dann irgendwie so durchwursteln mit tatsächlich unzweckmäßigen Dingen. Deshalb dann das Machtwort: "Schluß jetzt, Du spielst gefälligst GANZ genau, was dasteht!"
Im Zweifelsfall gilt wie in der Computerbranche Murphys Gesetz: Wenn nix funktioniert, schau endlich in die Gebrauchsanweisung. Aus der eigenen pianistischen Praxis kenne ich die Erfahrung, eigene fingersatztechnische Ansätze dann zur Anwendung zu bringen, wenn sie zu guten Ergebnissen führen, zumal jede Pianistenhand ihre Eigenheiten hat.

Sklavisches Befolgen ist also (wie immer im Leben!) totaler Quatsch; man muß aber sehr genau wahrnehmen lernen, wann Befolgen zweckmäßig ist.
In Anlehnung an einige neutestamentarischen Bibelworte würde ich auch sagen: Das Gesetz ist für den Menschen da - und nicht der Mensch für das Gesetz. Spätestens wenn diese Belange über Spielbarkeit oder Unspielbarkeit entscheiden, stellt sich die Sinnfrage ganz unmittelbar.

Bei allem Respekt vor der Größe der legendären Künstler: Auch die haben zumindestens gaaaanz ab und zu mal Dinge gemacht oder geschrieben, die man heute zumindest in bestimmten Fällen vernünftigerweise anders machen würde.
Und dazu kommt die oftmals leichtere Ansprache in der Mechanik historischer Tasteninstrumente, die sich gerade bei Repetitionen, schnellen Akkordbrechungen und dergleichen bemerkbar machen dürfte.
 
wird die didaktisch natürlich völlig logische,praktisch jedoch etwas unbequeme ;) Fußnote in den Transzendentaletuden:

" Erleichterung dieser FINGERSÄTZE ist,als den Absichten Liszts zuwider,durchaus unzulässig"

im Konzertalltag auch eingehalten??

Lieber kreisleriana,

oh je, von wegen naiv...! Ich finde die Fußnote nämlich nirgends. Wo steht die denn? In meiner Ausgabe (Breitkopf und Härtel) stehen auch nur sehr, sehr wenige Fingersätze, deswegen frage ich mich, worum es geht.

Grundsätzlich ist der Notentext die Übersetzung des Klangbildes und es ist m.E. völlig egal, ob man das im Kopfstand, mit rechts allein oder wie auch immer spielt. Individuelle Fingersätze sind nötig, weil jeder eine andere Hand hat mit unterschiedlicher Beweglichkeit und unterschiedlicher Vorliebe für Bewegungen. Um die Vielschichtigkeit und gleichzeitig Transparenz des Klangbildes möglichst gut darzustellen, ist es nicht selten sinnvoll, z.B. Teile in die andere Hand zu legen/auf beide Hände zu verteilen, auch wenn das Notenbild dies erst einmal nicht nahelegt. Das gilt aber für alle Klavierliteratur! Ausnahmen können sein, wenn bestimmte Bewegungsmuster bei Etüden ... explizit geübt werden sollen, s. hasenbein.

Was Liszt angeht, bietet er in seinen "Technischen Studien" durchaus auch variable Fingersätze an. Ich bin mir also sicher, dass Pianisten, die diese Etüden in Konzerten spielen (ich gehöre nicht dazu), individuelle Fingersätze verwenden, wo diese möglich sind (das Zeug ist teilweise so schwer, dass es manchmal leider nicht allzuviel Variabilität gibt außer man lässt sich einen dritten Arm wachsen :D ). Da es nach meiner Kenntnis hier sehr wenige Fingersätze und Anweisungen von Liszt gibt (s.o.), kann man das also handhaben, wie es gerade passt. So meine Meinung. :) Mal sehen, was Rolf sagt. :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich finde die Fußnote nämlich nirgends. Wo steht die denn? In meiner Ausgabe (Breitkopf und Härtel) stehen auch nur sehr, sehr wenige Fingersätze



chiarina

E.v.Sauer hat das dazugeschrieben (Edition Peters),als Schüler Liszts hat er denke ich schon konkrete Anweisungen vom Komponisten erhalten,sich die Sache nicht "zu leicht" zu machen mit vielleicht weniger spießigen Fingersätzen ;)
 

Herzlichen Dank, Rudl! Jetzt ist mir klar, dass sich diese Fußnote (in meiner Ausgabe nicht vorhanden) zunächst einmal auf diese konkrete Stelle in Mazeppa bezieht und nicht am Ende oder Anfang aller Etüden steht und insgesamt für diese gültig sein soll (inwieweit das zuträfe, kann man ja dann immer noch diskutieren). In meiner Ausgabe steht die Anweisung "m.s." (mano sinistra = mit der linken Hand) auch bei den letzten zwei Sechzehnteln der ersten Hälfte des ersten Taktes (Mitte). Hier ist das nicht der Fall, aber die Anordnung der Fingersätze etc. lässt nichts anderes zu - vielleicht hat Sauer das vorausgesetzt.

Also bezieht sich die Anweisung Sauers auf die Fingersätze 24/42, eventuell auch noch auf die Anordnung links-rechts-links. Die Terzen könnte man ja auch mit 13/24 u.v.a.m. spielen, also mit anderen Fingersätzen. Sauer lehnt dies ab und beruft sich auf seinen Lehrer. Wie Pianisten das in Konzerten spielen, weiß ich leider nicht. Man müsste mal Videos gucken. Auf jeden Fall klingen die Terzen immer mit 24/42 gespielt anders als mit variablen Fingersätzen und insofern scheint mir die Anweisung Sinn zu machen. Wenn es aber jemand schafft, dass es mit seinen individuellen Fingersätzen so klingt, wie Liszt es wollte, fände ich das o.k..

Liebe Grüße

chiarina
 
. Auf jeden Fall klingen die Terzen immer mit 24/42 gespielt anders als mit variablen Fingersätzen und insofern scheint mir die Anweisung Sinn zu machen.
chiarina

ja,wenn der Fingersatz klangliche Gründe hat,wäre alles klar,die Art der Formulierung "Erleichterung des Fingersatzes" fand ich aber bemerkenswert-nur so vom Ansehen des Notenmaterials her,denn die praktische Realisierung von Liszts Ansicht des "Ritters vom Steckenpferd" wird wohl noch warten müssen,auch wenn meine liebe Frau in ihrer Bescheidenheit was technische Anforderungen anlangt dezente Wünsche in dieser Richtung geäußert hat.
 
(man müsste mal op. 10,2 von Chopin vierhändig spielen :D )
 
ja,wenn der Fingersatz klangliche Gründe hat,wäre alles klar,die Art der Formulierung "Erleichterung des Fingersatzes" fand ich aber bemerkenswert-nur so vom Ansehen des Notenmaterials her,denn die praktische Realisierung von Liszts Ansicht des "Ritters vom Steckenpferd" wird wohl noch warten müssen,auch wenn meine liebe Frau in ihrer Bescheidenheit was technische Anforderungen anlangt dezente Wünsche in dieser Richtung geäußert hat.

Ja, ja, schon Karl Kraus hat gesagt:

"Die Frau ist da, damit der Mann durch sie klug werde.“ :p

Was bedeuten da schon die paar Noten! :D

Fang mal an zu üben und sag dann bitte nicht wie Max Frisch

„Eine Frau auf Händen zu tragen, ist die gefährlichste Methode, mit einer Frau umzugehen.“

oder (von Unbekannt):

"Gott schuf die Erde und ruhte einen Tag; danach hat er die Frau erschaffen - und seitdem hat er keine Ruhe mehr.“

Viel Erfolg!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! :D

chiarina

P.S.: Das passt doch: http://www.youtube.com/watch?v=qHjU0aj7J_k
 
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(1)
ja,wenn der Fingersatz klangliche Gründe hat,wäre alles klar,
(2)
die Art der Formulierung "Erleichterung des Fingersatzes" fand ich aber bemerkenswert.
(1)
hat er doch!
permanentes 42 (links) bzw. 24 (rechts) für die Mazeppaterzen erzwingt ein scharfes staccato, und dieses hat Liszt vorgesehen
(2)
links 42-31 abzuwechseln, rechts auch irgendwas in der Art zu versuchen, ist tatsächlich im Tempo eine Erleichterung: kriegt man´s trotzdem scharf staccato hin, wäre es ok, aber da gibt es schon die Gefahr bei wechselnden Fingern, dass sich was einschleift, was nicht so wirklich staccatissimo ist

(schlimme Sünder freilich kennen noch ein dritte Möglichkeit für die Terzen ... wie auch immer: isses wirklich staccato, isses ok)

_________________
hier ist es ja, wie Kreisleriana ausdrücklich bemerkt, Sauers Begriff "Erleichterung" durch Fingersatzänderung, der stutzig macht - ob Sauer immer recht hat in Sachen Lisztexegese, also Liszts Sprachrohr wie Bülow ist? Ich weiß nicht so recht, würde sagen: nicht immer, denn Sauers Fingersätze in der Tannhäuserouvertüre sind wirklich nicht gerade die idealsten...

ansonsten ist oft genug festzustellen, dass die Notation nicht immer den motorisch geschicktesten Weg zeigt, sondern den übersichtlichsten der Klangverläufe - insofern ist es sehr oft normal, sich die richtigen Töne praktischer zu verteilen.

...ich sehe gerade: ich tute ja ins selbe Horn wie Chiarina :):)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

denn Sauers Fingersätze in der Tannhäuserouvertüre sind wirklich nicht gerade die idealsten...
Zumindest hier stellt sich die Frage, ob das alles so muß:
773px-Emil_Sauer_am_Klavier_Otto_B%C3%B6hler.jpg
 
Ich hoffe, das hat noch niemand geschrieben, ansonsten einfach ignorieren -
Was mir gerade einfällt: Lehrreiche Fingersätze sind nur sinnvoll, wenn man Stücke als Etüde betrachtet. Verändert bzw. vereinfacht man sie dann, ist nämlich der Lerneffkt dahin. Liszts Etüden sind aber auch Konzertstücke, und wenn sie in diesem Sinne gespielt werden, steht an erster Stelle das Stück als Musikstück, welches in öffentlichem Rahmen um der Schönheit willen dargeboten wird. Da geht es dann auch wirklich darum, diese Schönheit so schön wie möglich auszuschönen... :p Sprich - dann würde ich mir auch erlauben, die Fingersätze zu ändern.
 

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