Musikstudium – Illusion oder Erfüllung

W

Wu Wei

Dabei seit
5. Mai 2006
Beiträge
2.421
Reaktionen
3
... Und ich denke, dieser Illusion erliegen viele, die keine konkrete Vorstellung davon haben, wie so ein Musikstudium in der Realität abläuft ...
Dieses Zitat aus einem aktuellen Thread hat mich auf den Gedanken gebracht: Es wäre doch interessant, wenn die studierten Musiker/Musiklehrer/Musikwissenschaftler unter uns mal darüber berichten würden, wie sich ihr Studium gestaltet hat. Was für Erwartungen sie hatten und inwieweit diese erfüllt oder enttäuscht worden sind. Was möchtet ihr nicht missen, was hätte anders sein sollen?
 
Also, ich kann mal was zu einem Musikwissenschaftsstudium sagen.

Erwartet hatte ich eigentlich (auch weil man bei der Eignungsprüfung Klavier vorspielen musste), dass ein wenig Praxis dabei ist. Okay, gab 2 Semester Gehörbildung, aber Klavier wurde beim Bachelorsystem gestrichen :mad:

Was möchtet ihr nicht missen, was hätte anders sein sollen?
Missen möchte ich weder Gehörbildung noch die 3 Theoriesemester, aber auf Musikgeschichte oder die ganzen Werkbeschreibungen hätte ich ganz gut verzichten können.

Sehr nachteilig an einem solchen Studium ist, dass sehr viele Referate über Musikwerke zu halten sind, auf die man sich ja eigentlich vorbereiten sollte. Da ich nun aber nicht auf meine Klavierzeit verzichten will, muss ich des Öfteren meine wenigen Stunden Schlaf opfern und die verlangten Studienleistungen irgendwie nachts zusammenkritzeln.

Und dass Klavier überhaupt nicht ins Studium eingerechnet wird, finde ich auch etwas ungünstig. Nach diesem Creditsystem müsste man durchschnittlich jeden Tag 5 Stunden etwas für die Uni tun. Das ist in den meisten anderen Studiengängen leichter, weil man eben nicht noch nebenbei 6 Stunden Klavier üben will/muss.

Wenn jemand wirklich Musikwissenschaft studieren will, dann sollte er sich bemühen, noch einen Magisterplatz zu bekommen, denn da gehört wenigstens Klavier zum Pflichtprogramm.

Wobei ich jetzt noch dazu schreiben sollte, dass diese Darstellung vielleicht ein wenig sehr negativ für den Studiengang ausfällt. Wirklich objektiv beurteilen kann ich ihn eigentlich nicht, da ich nur Klavier studieren wollte, aber nicht die entsprechenden Voraussetzungen hatte. Musikwissenschaft war dann halt eben die einzige andere Möglichkeit, denn irgendwo musste ich nach der Schule unterkommen. Es kann also durchaus sein, dass jemand anderes ein solches Studium super findet.

Und besser als Schule, Ausbildung oder Job ist es trotz allem, weil man dann doch sehr viel mehr Zeit zum Üben hat ;)
 
Hm, das macht wirklich ehrlich gesagt den Eindruck, dass du mit den falschen Erwartungen an dieses Fach herangegangen bist. Ist ja nicht anders als bei Literatur-, Theater- oder Kunstwissenschaft eben die Wissenschaft vom betrachteten Gegenstand, seinen Bedingungen und Wirkungen. Ein eher reflektierendes als ein ausübendes Treiben.

Hast du schon Vorstellungen, was du dann mit dem Bachelor anstellen willst?
 
Na ja, falsche Erwartungen... war mir eigentlich von vornherein klar, dass dieses Studium nicht wirklich was für mich ist. Allerdings war es so, dass ich mich ein Jahr vor dem Abitur über diesen Studiengang informiert habe und da war diese dumme Bachelorumstellung noch nicht, hätte also ein ganzes Jahr Klavierunterricht bekommen können... In Berlin sind bei Magister sogar 2 Jahre Klavier!!!

Was ich mit dem Bachelor anstellen will? Sollte ich den Abschluss schaffen, so werde ich dennoch wahrscheinlich nicht im musikwissenschaftlichen Bereich anfangen. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Vielleicht (aber wirklich auch nur vielleicht) werde ich dann auch erst mal weiterstudieren und den Master machen.

Denn es ist ja nunmal leider wirklich so, dass man nur im Studium Zeit fürs Klavierüben hat (wenn einem die Abschlussnote egal ist ;)).

Ach ja, da fällt mir noch ein: Wer Musikwissenschaft studieren will, der sollte sich darüber im klaren sein, dass sehr viel theoretisches Wissen vorausgesetzt wird. Man sollte also in der Lage sein, Fugen und Sonaten zu analysieren. Alle möglichen Kadenzen und Schlusswendungen sollten ebenfalls wenigstens theoretisch beherrscht werden und es wäre hilfreich, wenn man Akkorde und deren Funktionen ohne langes Nachdenken sofort erkennt.
 
Auch mit zeitintensivem Job letztlich nur eine Frage der Prioritäten

Kenne ja nen paar Personen, die arbeiten müssen und keiner von ihnen hätte die Zeit, um 6 oder wesentlich mehr Stunden täglich zu üben.
Hm, mag ne Frage der Prioritäten sein, aber nen bisschen Schlaf brauche ich leider nachts, egal wo meine Prioritäten sind :mad:
Habe es mal anders versucht, bin dann aber sogar fast am Klavier eingeschlafen :shock: und darum habe ich es dann doch gelassen.
Aber Respekt an jene, die neben dem Job noch Klavier üben können. Ich habe ja selbst in der Schulzeit kaum mehr als eine Stunde geschafft und da war ich bereits gegen 16 Uhr daheim...
 
Wenn du sechs stunden täglich übst liebe eva, bist du doch prädestiniert für ein "richtiges" musikstudium. Ich komme so auf drei stunden, manchmal 4 pro tag. Aber es kann auch mal sein das es nur zwei stunden werden... aber sechs stunden ist ja schon extrem. Warum konntest du dann nur musikwissenschaften studieren?
 
@Eric: Während der Schulzeit konnte ich soviel halt noch nicht üben, darum schon mal nix mit nem Klavierstudium und dann bekam ich auch nur 3 Jahre Klavierunterricht, wovon ich 2 nur am Keyboard üben konnte... Nicht so die super Voraussetzungen, denke ich. Zudem hätte ich an einer Hochschule auch die Gehörbildungsprüfung sicher nicht bestanden. Die ist an einer Uni und für MuWi doch leichter ;)

@Livia: Zuerst musste ich mal (auf Wunsch meiner Mutter) mein Frühstück und Mittagessen nachholen :D. Und dann war da noch das Problem, dass ich meine Bücher meist nicht mehr in meine Schultasche packen konnte, was so extrem auf meine armen Hände ging, dass die eh erst mal ein paar Stunden nicht spielen konnten. Außerdem hatte ich natürlich noch Geschwister und die Hausaufgaben, die ich freiwillig gemacht habe...Und wenn man daheim bei den Eltern wohnt, dann kommen noch diverse Hausarbeiten und unliebsame Aufträge hinzu.
Wenn ich allerdings ehrlich bin, dann hätte ich zu jener Zeit wohl vermutlich auch so nicht mehr geübt. Was soll man denn 6 Stunden täglich an nem Keyboard machen? Ich hatte nie so viele Stücke auf, dass ich die Zeit rumgekriegt hätte und zusätzliche Noten waren nirgends aufzutreiben.

Aber es ging eigentlich ursprünglich in dem Thread mal um was anderes und mich würden die Erfahrungen auch interessieren.

Es wäre doch interessant, wenn die studierten Musiker/Musiklehrer/Musikwissenschaftler unter uns mal darüber berichten würden, wie sich ihr Studium gestaltet hat. Was für Erwartungen sie hatten und inwieweit diese erfüllt oder enttäuscht worden sind. Was möchtet ihr nicht missen, was hätte anders sein sollen?
 
Ich entschuldige mich dafür, dass ich eine weitere Frage stelle, nicht direkt zum Thema gehört: Was kann man als Musikwissenschaftlerin beruflich machen?
 
Das werde ich ziemlich häufig gefragt ;)

Zum einen arbeiten Musikwissenschaftler bei Notenverlagen (Noten prüfen, kritischen Bericht verfassen...)

Dann ist es auch ihre Aufgabe, die CD-Bookletts zu verfassen, Werkeinführungen vor Konzerten zu geben und Radiobeiträge zu schreiben (meistens eher für klassische Stücke üblich).

In Instrumentenmuseen kann man natürlich auch auf eine Anstellung hoffen.

Den wichtigsten Bereich darf ich dann natürlich auch nicht vergessen: Musikwissenschaftler sind viel in der Forschung tätig. Wenn neue Stücke auftauchen, muss bestimmt werden, wer sie komponierte und in welchem Zeitraum etwa. Der Anlass zu diesem Werk ist auch ganz interessant, da es sich ja fast immer um Gebrauchsmusik handelte.

An den Universitäten werden auch Dozenten für Musikwissenschaft gebraucht (das ist allerdings meist eine Arbeit, die man nur für 1 Semester innehat)

Rezensionen über Konzerte (hat den Vorteil, man kann kostenlos rein :D) oder Presseinformationen sowie Pressemitteilungen über solche Ereignisse werden ebenfalls von den Musikwissenschaftlern verfasst.

Man kümmert sich auch um die entsprechende Werbung für die Konzerte (Plakate z.B.) und die dazugehörigen Programmhefte müssen auch geschrieben werden.

Mal ganz kurz gefasst, sonst werde ich nie fertig ;): Musikwissenschaftler arbeiten überall, wo theoretisches Wissen über Musik verlangt wird.
 

Ist das dein ernst? Ich dachte, du spielst gern Klavier. Das ist alles theoretisches Zeugs.
 
Musikwissenschaftler arbeiten überall, wo theoretisches Wissen über Musik verlangt wird.
Nicht nur das, liebe Eva (und wenn es nur auf die Theorie ankäme, könntest Du 12 Stunden täglich anders verbringen :-) )
Sehr beliebt sind auch die Einführungsveranstaltungen zu Konzerten, in denen dann mal "schnell" die wesentlichen Passagen vorgestellt, zueinander in Beziehung gesetzt, kommentiert werden, und das auch mal gern *gleichzeitig* zum Spiel. Das ist etwas, was mancher Konzertpianist nicht hinbekäme :-)
 
Kenne ja nen paar Personen, die arbeiten müssen und keiner von ihnen hätte die Zeit, um 6 oder wesentlich mehr Stunden täglich zu üben. ...
Ich habe ja selbst in der Schulzeit kaum mehr als eine Stunde geschafft und da war ich bereits gegen 16 Uhr daheim...

Nein, 6 oder noch mehr Stunden schaffe ich natürlich nicht neben dem Job, es bleibt in der Regel unter der Woche bei 2 - 3 Stunden täglich, wenn ich mehr üben wollte, müsste ich mir eine dreiviertel oder halbe Stelle suchen. Wobei Du da bei Deinem Studium auch Glück zu haben scheinst, ich kenne nämlich niemanden, der es schafft, neben dem Studium (außer Instrumental) noch so viel zu üben.
 
Na ja, ist bei uns so, dass die Uni maximal von 9:20 Uhr - 20:00 Uhr geht (das ist dann aber wirklich ein sehr voller Tag und kommt eigentlich nie vor)

Würde aber bedeuten, dass man dann von 5:00 Uhr - 9:00 Uhr üben kann und dann ab 20:00 Uhr auch noch mal 2 Stunden. Meistens hat man aber an einem Tag eh nicht mehr als 5 Doppelstunden, also zum Beispiel bei dem "frühen" Anfang schon gegen 18 Uhr Schluss. Da geht das dann.

Dass ich durch nahezu alle Prüfungen rassele und meine Referate nachts schreiben muss, das zeugt aber dennoch davon, dass auch in meinem Studium rein theoretisch niemand so viel üben könnte ;)

Im Job gibt es aber noch das Problem, dass man vielleicht locker mit einer Stunde Hin- und einer Stunden Rückfahrt rechnen muss.

Außerdem gibt es ja auch Jobs, da hat man entweder eine Tagschicht (8:00 Uhr bis etwa 20:00 Uhr) und dann mal ne Nachtschicht (19:00 Uhr - 5:00 Uhr). Kann mir nicht vorstellen, dass man da noch großartig üben könnte. Und soweit meine Infos stimmen sollten, muss man ja jeden Job annehmen, den man bekommen kann...

@stephen, diese Einführungsveranstaltungen hatte ich erwähnt.


Eine Arbeit als Musikwissenschaftler stelle ich mir trotzdem ziemlich scheußlich vor. Du hast so oft Kontakt mit gerade den Personen, die das studieren konnten, was du gerne gemacht hättest. Die den ganzen Tag musizieren dürfen, von einer Probe zur nächsten hetzen, ständig Terminprobleme haben, aber doch irgendwie so zu beneiden sind. Währenddessen sitzt man selbst nur da und schreibt einen Text nach dem anderen, unterbrochen mal ab und zu durch Einführungen zu Werkveranstaltungen oder um einer Schulklasse irgendwas zu erklären, die niemals zuvor ein Theater oder Opernhaus von innen gesehen haben...

Wobei ich dazu sagen muss, es gibt einige aus meinem Studiengang, die WOLLEN wirklich Musikwissenschaftler werden und studieren das nicht nur, weils für Instrumental nicht gelangt hat.

Und was noch unbedingt positiv erwähnt werden sollte ist, dass alle total super nett sind, die mit Musik zu tun haben. Fängt bei den Dozenten an, geht über die Kommilitonen weiter und laut einiger Aussagen ist das auch im Beruf so, dass man mit den Mitarbeitern sehr großes Glück hat.
Der Nachteil ist eben nur, dass es kein Leben am Klavier ist... :cry:
 
Der Nachteil ist eben nur, dass es kein Leben am Klavier ist... :cry:

Der einzige muikalische Beruf, der das Leben am Klavier ermöglicht, ist doch eigentlich nur Konzertpianist oder Instrumentallehrer an einer Musikschule. Beides erfordert jedoch eine musikalische Ausbildung seit der Kindheit. Eigentlich eine sehr ungerechte Sache. Oder habe ich da noch was übersehen?
 
stelle ich mir trotzdem ziemlich scheußlich vor. Du hast so oft Kontakt mit gerade den Personen, die das studieren konnten, was du gerne gemacht hättest.
Das, was ich studiert habe, mache ich auch nicht mehr, statt dessen habe ich tagtäglich mit Leuten zu tun, die genau dieses machen. Und was soll ich sagen: obwohl ich die Hoffnung hatte, sozusagen von hinten wieder reinzukommen - ich bereue nichts. Was ich jetzt mache, macht mir auch deshalb Spaß, weil die anderen dadurch vorwärtskommen. Unterm Strich ist es die produktivste Zusammenstellung.
 
@ubik: Mit den entsprechenden Zahlen im Lotto könnte man natürlich auch ein Leben am Klavier "erkaufen" ;)

@stephen: Wenn dir das, was du jetzt machst, Spaß macht, dann hast du Glück gehabt. Ist nur bei mir leider wirklich so, dass ich mir nicht vorstellen kann, irgendwann die meiste Zeit des Tages etwas anderes als Klavierüben zu machen.

@oli: Denke schon, dass es sich irgendwie ausschließt. Sicher, man erfährt ne Menge über Theorie und Gehörbildung war auch ziemlich witzig, aber die meiste Zeit verbringst du (besonders in höheren Semestern) nur noch damit, irgendwelche Werkeinführungen zu schreiben. Und das auch noch über Musik, die du dir vielleicht normalerweise niemals anhören würdest. Und da es sich sehr selten um Klavierwerke handelt, kannst du das nicht mal mit dem Üben verbinden und musst dich eben zwischen einer guten Arbeit und wenig Klavierüben oder Nachtschichten (was oft eine schlechte Analyse ergibt) und viel Klavierüben entscheiden.

Ich betone aber nochmal, dass ich bestimmt niemandem so ein Studium ausreden will. Im Grunde ist vieles schon ganz interessant. Ich persönlich fände es eben nur besser, wenn man ein wenig berücksichtigen könnte, dass gerade Musikwissenschaftsstudenten ja nebenbei auch noch wenigstens ein Instrument spielen. Dass das nicht mehr so ist, liegt an der Umstellung zum Bachelor, darum mein Tipp mit Magister.
 

Ähnliche Themen


Zurück
Top Bottom