Musikerbiographien

Für J.S.Bach dürfte die Biographie von Christoph Wolff die Referenz sein. Quellenangaben ohne Ende, und das ganze auch noch lesenswert geschrieben.
 
Die Haydn-Biographie von Karl Geiringer hat mir gut gefallen. Neben der eigentlichen Biographie (hat auch Quellenangaben) ist hinten ein einigermaßen umfangreicher Abriss der Kompositionen nach Gattungen angehängt.
 
Hallo Chikanatsu,

ich würde die Cayers-Biographie auch nicht weiterempfehlen. Ich erinnere mich, dass mein Cousin und ich uns damals über einige Werkcharakterisierungen amüsiert haben (ich finde leider auf die Schnelle kein Beispiel, vielleicht morgen). Auch die Verknüpfung mit dem geschichtlichen Hintergrund erschien mir recht oberflächlich und, um Dein Wort aufzugreifen, arrogant. Ein paar zufällige Beispiele, die ich gerade wieder finde:

Cayers wischt mit ein paar Sätzen das Klima der Repression nach dem Wiener Kongress beiseite und sieht den Biedermeier in erster Linie als Folge der Wesensart der Menschen. Zitat:
("Da kann man nix machen"). Der Bürger des Biedermeier ging Entscheidungen aus dem Weg. Er war ein Chamäleon, der Erfinder des Wörtchens jein.​

An anderer Stelle ist von der Korrespondenz mit dem Peters-Verlag die Rede: "Peters [...] fand das nicht zum Lachen".

Irritierend ist, dass der Tonfall so uneinheitlich ist, manchmal übertrieben sachlich, dann wieder übertrieben flapsig. Vielleicht hat daran auch die Übersetzung noch einen Anteil.

So richtig begeistert wirkt Cayers eigentlich immer dann, wenn er über Beethovens Finanzen schreibt....

Beethovens Konversationshefte werden mit SMS-Kommunikation verglichen...


Aus anderen Gründen hat mir die (betont nüchterne) Mozart-Biographie von Ulrich Konrad nicht gefallen. Sie liest sich streckenweise wie ein Lexikonartikel (ist ja auch aus einem solchen entstanden) und gibt sich betont "modern", indem jede subjektive Sichtweise außen vor bleibt.


In einem anderen Faden hatte ich vor kurzem "Mozart im Innern seiner Sprachen" (H-J Ortheil) empfohlen, eine Art innerer Biographie basierend allein auf der Deutung seiner Briefe. Ein wirklich lesenswertes und wunderbar geschriebenes Buch.

Sehr einflussreich wohl bis heute und auch kurzweilig zu lesen ist die "psychoanalytische" Mozart-Biographie von Hildesheimer.

Eine unendliche Fundgrube zum Schmökern sind übrigens Mozarts gesammelte Briefe (Bärenreiter) und "Die Dokumente seines Lebens" (O. E. Deutsch).

Ich prophezeie, dass Du als Historiker die Beethoven-Biographie von Lewis Lockwood (deutsche Übersetzung bei Bärenreiter) lieben wirst. Noch nie habe ich in einer Komponistenbiographie eine solch kenntnisreiche und trotzdem niemals trockene Schilderung der geschichtlichen Hintergründe gelesen; ein leuchtendes Gegenbeispiel zu Cayers.

Die neuerschienene Beethovenbiographie von Jan Swafford blickt mich hier noch drohend mit 1000 ungelesenen Seiten an...

Kristians Empfehlung der Bach-Biographie von Christoph Wolff kann ich mich nur anschließen. Hier kann man schön sehen, dass größte wissenschaftliche Sorgfalt und die Subjektivität eines sehr präsenten Autors (im Gegensatz zum völlig unsichtbaren Ulrich Konrad in seiner Mozartbiographie), dessen Faszination für Bachs Person und die Liebe zu seiner Musik auf jeder Seite durchscheinen (ohne in die Nähe zur Hagiographie zu geraten), kein Widerspruch sein muss.

Gardiners Bachbiographie aus dem letzten Jahr (Music in the Castle of Heaven) liegt hier leider noch größtenteils unbewältigt, aber ist natürlich alleine schon deshalb ein Muss, weil Gardiner sich auch ausführlich zu seiner Sicht der Werke äußert.

Für Mendelssohn geht wohl nichts über die Biographie von R. Larry Todd (dt. bei Carus/Reclam).

"Heiliger Haydn?", ein sehr spezielles Buch über Haydns Leben, Werk und seine Religiosität. Der Autor ist kein Unparteiischer (auch wenn er sich darum bemüht) und das Buch daher sicher nichts für jeden. Ich finde es trotzdem lesenswert.

Empfehlung für kurze Lektüre zwischendurch, gut und unterhaltsam geschrieben: Kurzbiographien aus der Barockzeit "Händel & co." (M. Wersin; Reclam)

LG,
pianovirus
 
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Reaktionen: LMG
Wenn Du von etwas Süffisanz usw. nicht abgeschreckt wirst, dann:

Glenn Plaskin: Horowitz
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Weitere, die wichtig sein könnten, aber älteren Datums sind:

Christern : Liszt ( Christerns Werk berichtet aber nat. nur über einen TEIL von Liszts Leben und ist daher nicht so lang! ).
Göllerich : Liszt ( Umfangreich! )
Niecks : Chopin ( 2 Bände ). Das Niecks-Werk steht heutzutage ja etwas unter Kritik, ich habe aber oftmals reingeschaut bisher, zwar etwas wahllos, bzw. um andere oder bestimmte Sachverhalte betreffende Dinge zu verifizieren oder zu suchen, aber spannend isses doch.

Ich hatte diese alle drei vor längerer Zeit online als pdf entdeckt und mir besorgt.., die Threads müsste man mit Suchbegriffen ( Forums-Suche ) "Christern" bzw. "Niecks" und Autor LMG finden.
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Für mich persönlich, als absoluter Gottschalk-Fan, ist natürlich diese am wichtigsten:

( Als Buch ) : Bamboula! The life and Times of Louis Moreau Gottschalk, von S. Frederick Starr. Die ist megageil, ich habe sie zigmal durchgelesen. Die anderen ( Loggins z.B. "Where the Word Ends" ) ziehe ich nur notfalls als Web-reinschau-Zitate oder Zitierstellen in anderen Werken zu Rate. )

In Verbindung mit "Bamboula!" jedoch wäre "Notes of a Pianist", die Reiseerinnerungen / Tagebücher / Notizen über Länder und Leute und Verhältnisse usw. von Gottschalk selbst, die von seiner Schwester Clara Gottschalk-Peterson herausgegebene Version ( engl. ). kaum wegzudenken, auch das ist sehr umfangreich, aber ich möchte das ganz langsam lesen. Weil ich es genießen will.

Auch "Notes of a pianist" habe ich mal online entdeckt als pdf und mir nat. besorgt.

LG, Olli.
 
Eins habe ich noch vergessen, das ich super finde. Es berichtet nicht über einen Pianisten, sondern hier kommt die Geige zum Zuge, aber dennoch ist diese Autobiographie wichtig, finde ich!!

Nigel Kennedy: Spielen ist alles ( von Nigel Kennedy ) . Es ist sehr unkonventionell geschrieben, und entspricht damit auch Kennedys Wesensart. Tolles Buch! Er nimmt kein Blatt vor den Mund!

LG, Olli!
 
Es wäre toll wenn wir uns hier austauschen könnten und ihr mir ein paar ernsthafte (Musik)wissenschaftlich relevante Werke empfehlen könntet. (...) Wagner (...)
hier wäre, insbesondere was den korrekten Umgang mit Quellen betrifft und was die histor. korrekte Darstellung des geschichtl. Hintergrunds betrifft Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner. Sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert. München [u. a.] 1980, ISBN 978-3492283182 zu nennen; obendrein ist diese Biografie auch noch sprachlich brillant! Übrigens ist sie auch nicht die übliche Lobhudelei (das eine Extrem) oder pfui-Wagner-der-Praenazi (das andere Extrem) - kurzum rundum lesenwert.http://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:ISBN-Suche/9783492283182
 
Unbedingt lesenswert in Sachen Wagner ist auch: Ludwig Marcuse. Richard Wagner. Diogenes-Verlag
 
B.Gavoty - Chopin, sehr korrekt und trotzdem spannend finde ich.
 
Hier eine kleine Auswahl meiner "Leseliste"

Bach, Johann Sebastian:
Bach-Dokumente. 4 Bde. Kassel (Bärenreiter) 1963-1979.
  1. Schriftstücke von der Hand Johann Sebastian Bachs.
  2. Fremdschriftliche und gedruckte Dokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs 1685-1750.
  3. Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750-1800.
  4. Bilddokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs.
Die Bände 1 und 2 sind immer die erste Wahl für den , der sich mit dem Leben Bachs beschäftigen will.​

Kolneder, Walter:
J.S. Bach. Leben, Werk und Nachwirken in zeitgenössischen Dokumenten. Wilhelmshaven (Noetzel) 1991. Zur Zeit leider vergriffen.

Nicht sio umfangreich wie die neuere Wollf-Biographie beleuchtet Kolneder aber sehr prägnant und lebendig die äußeren Umstände (und Hindernisse), unter denen Bach in Arnstadt, Köthen und Leipzig arbeiten mußte.​

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Hogwood, Christopher:
Georg Friedrich Händel. Stutgart (Metzler) 1992.

Lang, Paul Henry:
Georg Friedrich Händel. Sein Leben, sein Stil und seine Stellung im englischen Geistes- und Kulturleben. Basel (Bärenreiter) 1979.
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Braunbehrens, Volkmar:
Mozart in Wien. München (Piper) 1986.

Braunbehrens räumt auf mit dem Klischee vom verkannten Genie, das schließlich im Armengrab endet. Anhand von Originalquellen schildert er Mozarts Wiener Jahre vor dem Hintergrund des Alltags im josephinischen Zeitalter.​

Mozart, Wolfgang Amadeus:
Briefe u. Aufzeichnungen. Gesamtausgabe (7 Bde.). Kassel (Bärenreiter) 1962-75.
  1. 1755-1776.
  2. 1777-1779.
  3. 1780-1786.
  4. 1787-1791; Undatiertes, literarische Skizzen; Briefe von Constanze Mozart und den Söhnen (bis 1857).
  5. Kommentare Bd. 1-2.
  6. Kommentare Bd. 3-4.
  7. Register.
Nach der Lektüre der Mozart-Briefe erübrigt sich fast jede weitere Mozart-Biographie ...​

Hildesheimer, Wolfgang:
Mozart. Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1977.

Als das Buch erschien, ging ein Aufschrei durch die Mozart-Gemeinde. Es war geradezu von "Gotteslästerung" die Rede, weil Hildesheimer den Götterliebling wieder auf die Erde zurückgeholt hatte. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet, aber Hildesheimers Mozart-Biographie ist immer noch lesenswert - wegen der Deutung und der Sprache.​

Ortheil, Hanns-Josef:
Mozart im Innern seiner Sprache. Frankfurt/Main (Fischer) 1982. (= Collection S. Fischer 28).

Anhand der Briefe entwickelt Ortheil ein erhellendes Psychogramm Mozarts: Von der Naivität des "Donnerblitzbubs" keine Spur, indes wird allenthalben die Auflehnung spürbar gegen die Autorität des Vaters.​

Ortheil, Hanns-Josef:
Die Nacht des Don Juan. Luchterhand (München) 2000.

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Kracauer, Siegfried:
Offenbach und das Paris seiner Zeit. Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1976.

Eine kulturhistorisch höchst interessante Studie über das Gesellschafts- und Musikleben im Paris des 19. Jahrhunderts.​

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Kühn, Dieter:
Ich Wolkenstein. Eine Biographie. Frankfurt/Main (Insel) 1977.

Auch wenn Oswald von Wolkenstein mit Klaviermusik nichts zu tun hat, so ist doch Kühns Biographie nicht zuletzt wegen ihrer sprachlichen Qualität lesenswert.​

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Fröhlich, Hans J.:
Schubert. Eine Biographie. München (Hanser) 1978.

Kusche, Ludwig:
Schubert. Dichtung und Wahrheit. München (Süddt. Verlag) 1962.

Kusche hat als einer der ersten mit dem verkitschten Bild des gemütlichen Schubert aufgeräumt.​

Reininghaus, Frieder:
Schubert und das Wirtshaus. Musik unter Metternich. Berlin (Oberbaum) 1980.

Ein provokatives Buch, das darauf abzielt, Schubert und seine Welt aus den Klischees der Personalgeschichtsschreibung zu lösen. Reininghaus deutet Schuberts Werk vielmehr als Reflex auf die gesellschaftliche und politische Situation der Metternich-Zeit.​

Bartsch, Rudolf Hans:
Schwammerl. Ein Schubert-Roman. Leipzig (Staackmann) 1912.

Von Interesse ist dieser Roman als Zeitdokument, weil er das Schubert-Bild der Jahrhundertwende widerspiegelt und auch für die folgende Jahrzehnte prägte.​

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Kühn, Dieter:
Clara Schumann, Klavier. Ein Lebensbuch. Frankfurt/Main (Fischer) 1996.

Im Gegensatz zu Eva Weissweilers Biographie über Clara Schumann gelingt Kühn ein sehr facettenreiches Portrait, das immer auch die gesellschaftlichen Bedingungen des 19. Jahrhundertzs reflektiert.​

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Härtling, Peter:
Schumanns Schatten. Köln. Roman. Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1996.

In romanhafter Form schildert Härtling Schumanns letzte Jahre in der Endenicher Irrenanstalt. Schumanns Schatten ist der Krankenpfleger, der den Komponisten zuletzt betreute. Härtling konnte erstmals Einblick nehmen in die Aufzeichnungen des Arztes, der Schumann damals behandelt hat.​

*****

Marcuse, Ludwig:
Das denkwürdige Leben des Richard Wagner. München (Szczesny) 1953.
 

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