Musikalität abhängig von anderen Begabungen?

Wenn ich nicht mals ein Stück spielen kann, wie soll ich dann am Ausdruck arbeiten?

Okay, mir ist klar, daß wir jetzt völlig offtopic sind. Trotzdem kurze Antwort auf deine Feststellung/Frage:

Vielleicht gibts an diesem Punkt einfach deshalb (scheinbare) Meinungsverschiedenheiten, weil das Erfassen (gripsmäßig und fingertechnisch) des Notentexts bei mir eh zu 99% unbewußt (also nebenher) abläuft.
Da, wo es dann bei mir Probleme gibt, hängt es damit zusammen, daß ich eine Stelle vom Ausdruck her nicht verstehe. Und das kann endlos dauern, bis ich den Ausdruck dann endlich irgendwann begriffen habe. :p


So, was war das Thema?

Ist Musikalität abhängig von anderen Begabungen?

Vielleicht weniger von Begabungen, aber von gewissen Automatisierungsprozessen, die man sich natürlich im Laufe der Jahre beim Üben antrainiert hat.
 
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Also: Der Heimwerker nimmt die Bauanleitung (was) um die Kommode (wie) zusammenzubauen?

Da wirds dann spuerbar schlicht. Dennoch, Denkmodelle zur Verdeutlichung eines derart komplexen Vorgangs dienen ja auch oft der Klaerung. Verdeutlichung erfaehrt dies , um strukturell auf der Ebene der "Kommode" zu bleiben eher, wenn das Produkt, hier die Kommode eine anfaengliche Schoenheit ausstrahlt, eine Beruehrung erzeugt, die eine Beschaeftigung mit ihrer stofflichen Form initiiert. Begabung waere dann die entstehende Form in ihrer handwerklichen und ihrer strukturellen Dimension wahrnehmen zu koennen. Der persoenliche Eindruck , die Umsetzung, das waere dann die Musikalitaet. Man sieht, einfache Beispiele haben ihre Staerken aber ob sie der Dimension so wirklich gerecht werden?
Sie bleiben halt Denkmodelle und geniessen dabei den Charakter ihrer Schoepfer. Simplifizierungen sind so fuer jeden einzelnen ein erlaubter Schritt der Annaeherung, eine Verallgemeinerung sollte auf dieser Basis nicht stattfinden.
Vielleicht waere es ja auch hilfreich , diese hier verwobenen Begriffe , getrennt zu diskutieren.Meiner Meinung nach ist man sonst hilflos in der Vermischung von Emotion und Rationalitaet gefangen.
Wo bleibt bspw. hier das "vielversprechende, ewige Talent" ? Der "seelenlose Perfektionist"?
Viel Stoff, nicht nur, um die Themen wegen der sicher angeregten Diskussion anzusehen. Eine Klaerung koennte ja auch die persoenliche Einstellung verdeutlichen und weiterentwickeln.
Uebrigens, wenn ich es recht hoere, singt Glenn Gould doch immer leise in seinen Bachinterpretationen mit. Ist das, die oben beschriebene fehlende Emotion? Ich empfinde Gesang, wenn auch noch oeffentlich praesentiert , immer emotional. Dieses "cantabile" ist doch nachgerade die Aufforderung des Komponisten zu einer emotionalen , persoenlich engagierten Einstellung des Reproduzenten, oder?
mit lieben Gruessen Sigurd
 
Hm, hier hat sich ja wirklich was sehr Interessantes entwickelt.
Also erst mal will ich den Zusammenhang mit der sportlichen Begabung ausschließen. Und zwar einfach deswegen, weil ich nun einfach sportlich ziemlich wenig begabt bin, aber beim Klavier mit der Technik gute Fortschritte mache. Ne bessere Erkärung habe ich leider nicht.

Dann mal der Zusammenhang mit dem logischen Denken und der Intelligenz: Es ist einfach so, dass Hochbegabte oder überdurchschnittlich Begabte normalerweise in mehreren Bereichen eine außgeprägte Begabung besitzen.
Wenn also jemand musikalisch sehr begabt ist, dann ist es also sehr wahrscheinlich, dass er auch wo anders noch sehr begabt ist.
Ist nur die Frage in wiefern sich diese Begabungen gegenseitig unterstützen.

Jetzt aber mal zum aktuellen Stand der Diskussion:
Es hört sich hier so an ( vor allem bei Haydnspaß), dass ihr meint, die Noten, und somit die Melodien seien vollkommen unwichtig und es würde nur auf den musikalischen Ausdruck ankommen.
Also ich finde das doch echt Blödsinn.

Stellt euch doch mal vor, ihr hört Radio, aber keine klassische Musik. Ich bezweifle, dass es da soooo sehr viel musikalische Tiefe geben wird. Und trotzdem wird euch das eine oder andere Lied vielliecht saumäßig gut gefallen.
Woran liegt das dann wohl?
An der Melodie oder an dem musikalischen Ausdruck.

Das hieße ja außerdem auch, dass wenn euch ein Stück überhaupt nicht gefällt, dass es dann daran liegt, dass es ohne musikalische Ausdruck gespielt wurde. Meint ihr etwa, es würde ech nun besser gefallen, wenn es ein anderer Pianist mit dem Ausdruck spielen würde, wie ihr es gerne hättet?
Glaube ich kaum.
 
Jetzt aber mal zum aktuellen Stand der Diskussion:
Es hört sich hier so an ( vor allem bei Haydnspaß), dass ihr meint, die Noten, und somit die Melodien seien vollkommen unwichtig und es würde nur auf den musikalischen Ausdruck ankommen.
Also ich finde das doch echt Blödsinn.

Stellt euch doch mal vor, ihr hört Radio, aber keine klassische Musik. Ich bezweifle, dass es da soooo sehr viel musikalische Tiefe geben wird. Und trotzdem wird euch das eine oder andere Lied vielliecht saumäßig gut gefallen.
Woran liegt das dann wohl?
An der Melodie oder an dem musikalischen Ausdruck.

Ich sags dir, das Stück kann noch so toll komponiert sein, nimm irgendwas von den schönsten Werken (siehe den anderen Thread) von den Top Komponisten: von einem Klavierschüler gespielt, der zwar die richtigen Noten spielt, und sogar im richtigen Rhythmus, der aber den hinter den Noten versteckten Ausdruck nicht nachempfinden kann: das ist eine Tortur! Das hat mit Musik nichts zu tun!

Ich sage nicht, die Noten seien unwichtig, aber sie allein machen noch keine Musik.
 
Uebrigens, wenn ich es recht hoere, singt Glenn Gould doch immer leise in seinen Bachinterpretationen mit. Ist das, die oben beschriebene fehlende Emotion? Ich empfinde Gesang, wenn auch noch oeffentlich praesentiert , immer emotional. Dieses "cantabile" ist doch nachgerade die Aufforderung des Komponisten zu einer emotionalen , persoenlich engagierten Einstellung des Reproduzenten, oder?

Natürlich hat das emotionale Wirkung, wie Musik überhaupt, bei dir. Es ist nachgewiesen worden, dass die emotionale Gehirnhälfte immer weniger aktiviert wird, je mehr man Musik hört. Dagegen wird die analysierende Gehirnhälft immer aktiver.

Ich glaube aber nicht, dass Glenn Gould singt, weil er Emotionen empfindet. Er will sich Bachs Stimmen lediglich vorstellen, um den musikalischen Ausdruck besser mit den Fingern zu meistern. Das ist eine Sache, die mit Konzentration zu tun hat. Gedanken sind stärker, wenn man sie ausspricht. Genauso ist die Melodie in Goulds Kopf stärker, wenn er sie singt.

Es hat weniger mit Emotionen zu tun. Er will die Musik nur so wiederbringen, wie sie ursprünglich war. Der Mensch ist nämlich derjenige, der mit seiner Stimme Musik macht. Die Instrumentalmusik kommt erst danach.

Kunst heißt deswegen Kunst, weil sie künstlich ist. Ein Pianist kann sich nicht in eine Emotion hineinversetzen. Er kann sie lediglich nur schauspielern (man denke an Lang Lang und all diese möchtegerns).
 
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Lieber "Ubik"
nimm es bitte nicht persoenlich, aber wenn Du zitierst, solltest Du schauen von wem. Was Glenn Gould angeht, so koenen wir ihn leider nicht mehr fragen. Was Deine Ausfuehrungen zur Emotionalitaet und Analyse angeht , bitte ich Dich um die schlaue Quelle. Da tickst Du naemlich genau in meinen Beruf. :p Doppelbegabung Medizin und Musik. Was Du da schreibst , kann so meines Erachtens nicht unwiedersprochen stehen bleiben. Selbstverstaendlich gibt es so etwas wie eine emotionale Gewoehnung. Die wird bei den meisten von uns sogar durch "fleissiges Ueben", siehe dort, oft bis zum Ueberdruss fuer ein Stueck gesteigert. Analyse ist der gleichzeitige Lernprozess, aber das sind verschiedene Ebenen in der Hirnstruktur. Lernen gleich Grosshirn, Emotionen gleich sog. Althirn. Ist wirklich ein klein wenig komplizierter als ich hier beschreiben will. Und en plus ist Analyse und Emotionalitaet etwas sehr individuelles.
Liebe Gruesse Sigurd
 
Was Deine Ausfuehrungen zur Emotionalitaet und Analyse angeht , bitte ich Dich um die schlaue Quelle.

In "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer steht das geschrieben. Vielleicht sollte ich nochmal ausführen, worum es mir geht:

Je mehr man sich mit klassischer Musik beschäftigt, desto mehr hört man analytisch. Für jemanden, der sich eine lange Zeit mit Musik befasst hat (ich meine jetzt mehrere Jahre), bei dem ist die Emotionalität eines klassischen Werkes unwichtig, es geht mehr dadrum, die Idee des Komponisten zu durchschauen. Solche Wirkungen wie z. B. Gänsehaut, Lachen, Tränen gehen hierbei verloren.
 
Ein Pianist kann sich nicht in eine Emotion hineinversetzen. Er kann sie lediglich nur schauspielern (man denke an Lang Lang und all diese möchtegerns).

Ich glaub, ich weiß, was du meinst :)

Der Pianist kann die Musik nicht so formen, wie sie ein Sänger, ein Geiger, ein Oboist formen kann. Wir können immer nur den Anfang der Noten beeinflussen (und natürlich in Grenzen die Dauer). Aber "in eine Emotion hineinversetzen" können sich Pianisten natürlich auch :p Sonst wär's wirklich pure Schauspielerei (im schlechten Sinn).
 
Aber "in eine Emotion hineinversetzen" ist doch Schauspielerei, aber nicht im schlechten Sinn. Das ist ja, was wir oben als Empathie bezeichnet haben.

Ja, das wollte ich ja sagen. Es gibt eine gute und eine schlechte Schauspielerei. Lang Lang ist ja eher ein Beispiel für schlechte Schauspielerei.

Und wanja belaga ist als Jazzmusiker fein raus: er darf immer sich selbst spielen :)
 
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Aber "in eine Emotion hineinversetzen" ist doch Schauspielerei, aber nicht im schlechten Sinn. Das ist ja, was wir oben als Empathie bezeichnet haben.

Sehe ich ganz genauso.

Um zu ergründen, von welchen Begabungen Musikalität abhängig ist, könnte man ja mal versuchen, welche offenkundigen Begabungen Top-Pianisten besitzen. Vielleicht gibt es ja eine gemeinsame Schnittmenge der Begabungen/Charaktereigenschaften/Mentalitäten verschiedener begabter Künstler, was dann Rückschlüsse auf die Themafrage zuläßt.

Beim Gespräch mit bzw. Beobachtung von verschiedenen Leuten, die viel besser als ich Klavier spielen, ist mir eine Eigenschaft aufgefallen, die sie alle hatten:

1) Es sind durch die Bank Perfektionisten (auf Musik bezogen, im wahren Leben können es auch Chaoten sein) wo nix dem Zufall überlassen wird.

2) Eine hohe Sensibilität bzgl. auraler Wahrnehmung - das Gehör ist auf die Wahrnehmung feinster Unterschiede gedrillt.

3) Eine Tendenz, mglw. sogar unbewußt und unwillkürlich, effektive Übetechniken zu verwenden, ergonomische Fingersätze, hohes Maß an Körperwahrnehmung. Irgendwie die Fähigkeit, die Dinge "gleich richtig zu machen".

Vielleicht kommen ja noch mehr Dinge zusammen, was euch im Gespräch oder bei Beobachtung von richtig guten Pianisten auffällt?

Interesantes Thema, finde ich - weil man für sich dann abchecken kann, auf welchem Gebiet man Defizite hat, und was man besser machen kann.
 

Je mehr man sich mit klassischer Musik beschäftigt, desto mehr hört man analytisch. Für jemanden, der sich eine lange Zeit mit Musik befasst hat (ich meine jetzt mehrere Jahre), bei dem ist die Emotionalität eines klassischen Werkes unwichtig, es geht mehr dadrum, die Idee des Komponisten zu durchschauen. Solche Wirkungen wie z. B. Gänsehaut, Lachen, Tränen gehen hierbei verloren.
Das wäre ja schrecklich. Was bringt dir eine Musik, die keine Gefühle in dir auslöst?
Können das eigentlich die Pianisten hier im Forum bestätigen?
 
Das wäre ja schrecklich. Was bringt dir eine Musik, die keine Gefühle in dir auslöst?
Können das eigentlich die Pianisten hier im Forum bestätigen?

Diese Sorte Pianisten, die vor lauter Perfektionismus ganz vergessen, warum sie eigentlich Musik machen, gibt es sicherlich. Auf diesem Gleis war ich auch mal.

Im allgemeinen entspricht das aber nicht meiner Erfahrung. Daß Musikstudenten enthusiastischer bei der Sache sind als Leute, die eine beamtete Orchesterstelle haben (für Pianisten gibts das glaubich garnicht), dürfte allerdings auch nicht verwundern.
 
Ne, den kann ich immer noch nicht sehen.
Vielleicht hat Amfortas das Verschwinden-lassen von Blog-Einträgen geübt?:D
 
Für jemanden, der sich eine lange Zeit mit Musik befasst hat (ich meine jetzt mehrere Jahre), bei dem ist die Emotionalität eines klassischen Werkes unwichtig, es geht mehr dadrum, die Idee des Komponisten zu durchschauen. Solche Wirkungen wie z. B. Gänsehaut, Lachen, Tränen gehen hierbei verloren.
Energischer Einspruch!
Wenn auch nicht als Profi, beschäftige ich mich doch seit vielen Jahren intensiv mit Musik, und solche Phänomene wie Gänsehaut sind zum Glück nicht verloren gegangen.
Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass durch "eintönige Wiederholung" desselben Stückes bezüglich Gänsehaut usw. eine Gewöhnung eintritt, was letztendlich zum Verlust von Emotionen führen könnte.
Das wäre aber dann (aus meiner Sicht) so etwas wie "falsches Üben".
Abgesehen davon können solche Abstumpfungseffekte nicht nur beim Spielen von Musik, sondern in allen Lebenslagen auftreten (Anschauen von Filmen usw.)
 
Ein kleine Nebenfrage dennoch: was bewegt einen dazu, Stücke zu spielen, die man schon tausendmal gespielt hat und bei denen man nichts mehr empfindet. Wenn man dabei Geld verdient: okay. Aber sonst? Für mich selbst hätte Sockenstricken dann mehr sinnvollen Nutzen.

Und genau hier wären wir wieder bei der Frage, warum wir eigentlich Klavier spielen (siehe anderer Thread).

Aber nochmal, um den Unterschied zwischen Emotion und Wahrnehmung/Empfindsamkeit herauszustechen: Emotion (motio = bewegen, erregen, erschüttern) geschieht mehr aus dem Affekt heraus. Es bedarf einer bestimmten Situation, damit man Freude, Angst, usw... empfindet. Die Wahrnehmung/Empfindsamkeit (Perceptio = Wahrnehmen, Begreifen) hat eher damit zu tun, was du meinst.

Deswegen kann man nicht davon sprechen, dass man sich in eine Emotion reinversetzen sollte, wenn man Klavier spielt. Viel eher sollte man aufmerksam und konzentriert wahrnehmen und empfinden. Und genau das geschieht nur aus der Seele heraus.

Rund ums Feld der Musik Wahrheiten verkünden zu wollen ist ein Unterfangen, dass schon kurz nach den physikalischen Grunderklärungen unmöglich wird. Der Versuchung erliege ich allerdings selbst immer wieder.

Das ist ja gerade das interessante an Musik. Deswegen spielt hier Philosophie eine große Rolle.
 
Deswegen kann man nicht davon sprechen, dass man sich in eine Emotion reinversetzen sollte, wenn man Klavier spielt.

Nun, ich sehe da einen großen Unterschied zwischen dem Musikhörer und dem Musikausübenden:

der Hörer ist in einer eher passiven Haltung, er nimmt die Empfinden war, steuert sie aber nicht selbst.

der Ausübende nimmt die Empfindungen jedoch nicht nur wahr - er gestaltet sie, es ist eine aktive Tätigkeit und erfordert Kontrolle. Andernfalls wäre das Ergebis nämlich kaum das, was der Komponist aufgeschrieben hat, sondern etwas undefinierbar nebulöses, das lediglich den subjektiven Gemütszustand des Musikers widerspiegelt.
 

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