Musikalische Vorstellungskraft stärken

alibiphysiker

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Hallo allerseits,

ich habe nun bereits die Forensuche bemüht, aber einen Faden wie er mir vorschwebt leider noch nicht gefunden.

Ich würde gerne meine musikalische Vorstellungskraft stärken, und hätte aus diesem Grund zwei Fragen:

1.) Welche Übungen/Vorgehensweise könnt ihr empfehlen?

2.) Ich betreibe nun schon seit einiger Zeit Übungen hierfür, aber noch ist alles etwas wenig systematisiert, da ich noch nicht abschätzen kann, welche Übungen mir was bringen, und welche nicht. Ich würde hier nun einfach mal auflisten, was ich aktuell tue, und vielleicht könnte der ein oder andere Mensch mit Ahnung dies kommentieren:
a) Gehörbildung - Hier mache ich im Prinzip jeden Tag einige Übungen aus dem Buch "Gehörbildung im Selbststudium" von Kühn. Leider recht frustrierend, ich habe nicht das beste Gehör, wie mir scheint.
b) Blattspiel - Ich spiele Stücke vom Blatt, wobei ich hierbei die Stücke so langsam spiele, dass ich mir immer klanglich die nächsten 1-2 Takte vorstelle. Hierbei klingt es allerdings doch abundan anders, als ich es mir vorgestellt habe.
c) Akkorde vorstellen - Ich versuche mir gedanklich Akkorde vorzustellen und kontrolliere dann den Klangeindruck am Klavier.
d) Nunja, das ist nun nicht wirklich eine Übung, aber ich versuche beim Musikhören das harmonische Geschehen zu verstehen, Modulationen zu verstehen, Melodien in Notentext zu betonieren, ...

Wie gesagt, alles leider noch recht unsystematisch. Helft mir!

Liebe Grüße,

Daniel

Edit: Mir ist klar, dass das ein langer und arbeitsintensiver Prozess ist. Auf Antworten, die mich allein darauf hinweisen kann ich getrost verzichten!
 
Worauf willst du hinaus:
Werke, die du gehört hast, nachzuspielen (zumindest den Notentext zu erkennen)?
von einem Notentext ausgehend ein musikalisches Erlebnis haben, als ob das Werk ordentlich gespielt und interpretiert würde?
musikalische Erlebnisse zu wiederholen, ohne daß dir Hilfsmittel (Noten, Aufnahmen) zur Verfügung stehen (außer deiner Erinnerung)?
kreativ neue Werke zu schaffen, und dabei auch ohne ein Instrument Einfälle ausarbeiten können?
Oder von allem a bisserl was?
 
Ich lese ab und zu Orchester-Partituren / Streichquartette / Klaviernoten und versuche mir im Kopf vorzustellen, wie das klingt. So lerne ich übrigens inzwischen auch Stücke auswendig, aber das tut hier nichts zur Sache.
Danach höre ich mir das Gelesene an und versuche, die vorgestellten Stimmen wiederzuerkennen und zu vergleichen. Hierbei kann man mehrmals hören und immer andere Schwerpunkte / Stimmen verfolgen.

Intervalle, Skalen, Akkorde usw. solltest du von dir aus singen können. Am besten einen Ton spielen und dann eine Skala / Dreiklang usw. singen und direkt kontrollieren.
 
Um dir bei der Antwort zu helfen, zunächst drei Fragen:
1. Was genau ist "musikalische Vorstellungskraft" - allgemein, für dich und speziell bei deiner Frage?
2. Warum und zu welchem Zweck möchtest du sie verbessern?
3. Daraus folgend: Was erhoffst du dir oder stellst du dir so vor, was sich ändert, wenn diese Vorstellungskraft besser ist?
 
Ok,

da Annes und Bernhards Fragen ja äquivalent sind, beantworte ich nun einfach mal Annes Fragen:

1.) Ich verstehe unter musikalischer Vorstellungskraft die Fähigkeit sich den akustischen Reiz mehrstimmiger Musik im Kopf vorstellen zu können ( a) nach einer Vorlage als Notentext oder b) nachdem man das Stück schon einmal gehört hat oder c) ohne jegliche Vorlage). Die Vorstellung schließt hier auch interpretatorische Feinheiten mit ein. Das wäre Musikalische Vorstellungskraft für mich und bei meiner Frage.

2.) Erstens erhoffe ich mir davon eine Verbesserung meines Blattspiels und zweitens ist es bei musiktheoretischen Überlegungen auch von Vorteil bei komplizierteren Dingen nicht immer zum Klavier rennen zu müssen.

3.) Ich erhoffe mir in erster Linie, dass ich einen eindeutigeren Klangeindruck beim Lesen von Notentext "verspüre".

Ich hoffe die Antworten sind eindeutig genug. Wenn nicht, fragt einfach nach.
 
Danke!
Zu 1.) Daraus a) Das ist natürlich ein ambitioniertes Ziel und ich denke, die Vorstellungskraft hängt von vielem ab: Von Veranlagung, Erfahrung und Übung. Meine Vorstellung von Noten, die ich gar nicht kenne, ist nicht besonders gut (obwohl ich das gerne besser könnte), aber aus Mangel an unmittelbarer Notwendigkeit übe ich es auch nicht. Trotzdem wird die Fähigkeit immer besser, je mehr man Spielt und liest. b) Das ist etwas anderes, nämlich das Erinnerungsvermögen. Ob man das gezielt üben kann, weiß ich nicht - ist es denn notwendig, ein Stück nach einmaligem Hören zu erinnern? Du kannst dir ja selbst etwas vorspielen und dann nachsingen. Wenn du es nachsingen kannst, hast du es vorher bzw. gleichzeitig auch erinnert. c) spielt eher auf Improvisation und Komposition an. Auch da kann ich nur begrenzt helfen - man sagte mir, dass es vielen Leuten schwer fällt, eine angefangene Melodie spontan weiterzuführen. Da mir das keine Probleme bereitet und ich aber auch nicht genau sagen kann, woher die spontane Ergänzung kommt (außer aus gesammelter Erfahrung) - probiere doch dies aus. Spiele einen Vordersatz, aus der Musik oder Improvisiert, und dann singe oder spiele oder denke einen Nachsatz.

zu 2) Blattspiel verbessern kannst du üben, indem du es tust. Am besten wirklich einfache Stücke nehmen - egal wie einfach, hauptsache es geht einigermaßen (Mikrokosmos z.B., die unteren Bände). Noch schöner ist es, vierhändig vom Blatt zu spielen. Ohne Klavier zu Komponieren oder Töne zu setzen, finde ich schwierig (siehe oben). Ich verstehe aber auch nicht, warum ich das unbedingt können sollte, ich muss ja nicht im Flugzeug komponieren. Du kannst dir aber die Töne selbst vorsingen (zb beim vierstimmigen Satz von unten nach oben) und daraus versuchen, einen vierstimmigen Klang zu erdenken. Auch die Vorstellung des Greifens kann helfen, ggf. sogar in einer anderen Umkehrung in engerer Lage, in der der ganze Akkord "leichter" gegriffen wird und der Gesamtklang dir leichter in den Kopf kommt.

3) verstehe ich nicht ganz. Meinst du, ohne es auf CD zu hören oder zu spielen?
 
Hallo,

ein kleiner "Zwischenstand".

Folgende Übungen haben sich für mich als recht nützlich erwiesen:

1.) Zu jedem Intervall "Assoziationen" aufschreiben oder aufmalen: Klingt esoterisch, bringt aber recht viel. Wenn ich mir mal ne kleine Sexte nicht direkt vorstellen kann, erinnere ich mich an meine Assoziation dazu, und aufeinmal kann ich sie mir vorstellen.
2.) Beim Spielen jedes Stückes die nächsten Takte vorstellen: Und dies so detailliert wie möglich! Außerdem beim Spielen keine Gedanken auf die Manuelle Ausführung "verschwenden", sondern versuchen, allein aus dem inneren "Höreindruck" zu spielen. Diese Übung ist, zumindest für mich, ziemlich anstrengend, vor allem wenn man versucht, es immer umzusetzen. Aber ich habe den Eindruck, dass man, wenn man es zunächst mit bekannten Stücken macht, und dann den Vertrautheitsgrad sukzessiv senkt, diese Taktik auch auf unbekannte Stücke anwendet, und sich diese dann viel besser vorstellen kann. Diese Übung kann man natürlich auch noch etwas abwandeln: Einzelne Stimme versuchen sich von anderen Instrumenten gespielt vorzustellen, usw. usf.

LG,

Daniel

P.S.


Danke!
3) verstehe ich nicht ganz. Meinst du, ohne es auf CD zu hören oder zu spielen?

Ja
 
Hallo alibiphysiker,
die wurden ja schon ein paar sehr gute Tipps genannt. Singen wäre auch meine erste Empfehlung. Und viel Musik hören wurde ja auch schon gesagt. Gerne dann mit Partitur.
Der Clemens Kühn ist an sich eine gute Sache. Ich habe ihn damals zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung auch genutzt. Allerdings kann ich mich auch daran erinnern, dass ich es frustrierend fand. Das ist so ein dünnes Büchlein, das den Eindruck erweckt, man könnte es in wenigen Monaten durcharbeiten. Dabei sind, wenn ich mich richtig erinnere (ich finde das Buch leider nicht mehr), schon recht schnell sehr anspruchsvolle Übungen dabei, die man erst mit viel Erfahrung und Übung befriedigend machen kann. Hier wäre meine Empfehlung, nicht zu schnell voran zu gehen (ich beziehe mich jetzt auf Deine Aussage, dass Du es frustrierend fandest und frustriert sein beim Lernen ist nicht gut) und vielleicht noch nach anderen Gehörbildungsbüchern vorzugehen, die etwas langsamer arbeiten. Oder Deinen KL bitten mit Dir Gehörbildung zu üben.
 
Also ich bin an der "Praktischen Musiklehre" von Ziegenrücker dran, die mir @Klein wild Vögelein empfohlen hat, und finde die echt spitze! 100%-Empfehlung!

Da machst du ganz praktisch und schrittweise Gehörbildung. Rhythmusdiktate, Melodiediktate, da wird viel geklopft und gesungen. Mir gefällt das total. Es gibt 3 Bände, du müsstest halt schauen, wo du stehst. Wenn du dir nicht ad hoc ne kleine Sexte vorstellen kannst, könnten die Bücher echt auch was für dich sein.

Mir hat das Buch (Band 1) schon viel gebracht. - Im Moment mache ich z.B. bei einem Analyseversuch mit, und noch bewegt sich die Melodie im Dur-Fünftonraum. - Bei einer Frage wollte ich vorhin ans Klavier zum Abgleich, doch dann war ich zu faul und hab mir gedacht: "Müsstest du auch singen können" und habs versucht und hat geklappt. Langsam und mit viel Denken, aber hat geklappt.

Es hat mich auch total gefreut, als ich "Summ summ summ" aus dem Kopf aufgeschrieben hab, und zwar richtig... von der Vorstellung aufs Papier, das ist doch nur geil!

Nebenher mach ich aber nicht viel, sonst verirre ich mich nur. "Praktische Musiklehre" und für mich selber singen mit der Solmisation. Was ich dort lerne, versuche ich in den Stücken, die ich spiele, anzuwenden. Das reicht mir.

LG Wil
 

@alibiphysiker @Therese Könnt ihr mal beschreiben, was das für (schwierige) Übungen sind, ein paar Beispiele? Das würde mich interessieren!
 
Hallo @Stilblüte
leider habe ich das Buch nicht mehr und aus der Erinnerung kann ich jetzt keine Übungen nennen. Ich kann mich nur an die Frustration erinnern, aber ich habe auch Anfang der Neunziger studiert, ist also eine Weile her.:-)
Es wurde halt viel gesungen, und das finde ich halt gut.
Möglicherweise würde ich die Übungen heute anders beurteilen. Ich bin bei dem Buch aber auch von Null gestartet, soll heißen ich hatte vorher fast keine Ahnung von Musiktheorie.
 
Also mittlerweile kann ich sagen...es kommt einfach irgendwie :-D
Wenn man alle Tipps hier gewissenhaft befolgt, brav in den Gehörbildungsunterricht geht, sich auch Zuhause damit beschäftigt, viel Musik hört, und auch vor allem viele Noten abseits vom Instrument liest. Dauert wohl mitunter einige Jahre, aber es geht voran. Somit als Aufmunterung an alle: Nicht verzagen, weitermachen!
 
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Mozart hatte wohl alles im Kopf und brauchte es nur aufzuschreiben, Chopin entwickelte seine Ideen oft Tagelang am Klavier weiter. @mick übt gerne im Geiste, ich habe auch immer gern Tasten unter den Fingern.
 

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