Musikalische Gestaltung als Mittel zur Bewältigung manueller Schwierigkeiten

Einiges in der bisherigen Diskussion spricht dafür, daß verstanden wurde, daß sämtliche manuellen Schwierigkeiten sich in Luft auflösten, wenn man die richtige musikalische Vorstellung hätte.

wirklich?
sollte man evtl. Trainingslager für die Fähigkeit der richtigen musikalischen Vorstellung einrichten, damit sämtliche Eleven dort lernen, die manuellen Schwierigkeiten in Luft aufzulösen? ja saperlot, warum ist das denn nicht schon längst geschehen, wenn es so klar und offensichtlich auf der Hand liegt?... ... :)

Haydnspaß hat mitgeteilt, dass viele manuelle Schwierigkeiten durch die richtige musikalische Vorstellung verschwinden - und das ist richtig für viele solche, aber nicht für alle

und was machen wir mit denen, die nicht zu den vielen gehören? :confused:
---und genau hier wurden vehement pampige, beleidigte und erzürnte Empfehlungen mitgeteilt, die ich jetzt nicht alle aufzähle (kann man hier ja alles nachlesen)

ich gestehe offen und gerne: bzgl. des Zitats oben gehöre ich zu denen, die das nicht verstanden haben - ja schlimmer gar, ich habe erhebliche Zweifel daran!

Franz hatte ein sehr schönes Beispiel für eine leicht zu begreifende, leicht vorstellbare Stelle mitgeteilt, die sich aber gemeinerweise selbst bei ihm - und er ist kein Schüler mehr - als nicht leicht spielbar erweist
- an derartigen Beispielen zeigt sich, dass zumindest hier noch mehr getan werden muss, als sich allein von der "richtigen Vorstellung" leiten zu lassen in der Hoffnung, sie würde gleichsam automatisch die richtigen Bewegunsmuster zur Ausführung bieten.
- - an derartigen Beispielen zeigen dann Empfehlungen a la (sinngemäß) das ist dir halt zu schwer, das ist zu abgehoben, dass man für die Methode der segensreichen Klangvorstellung Grenzen bemerkt und sich mit diesen schwer tut...

die angemessene Klangvorstellung (also zu wissen und zu fühlen, wie es klingen soll) ist ein sehr abstrakter, allein psychisch ablaufender Vorgang in der aktiv tätigen Fantasie - da man bislang schlechte Erfahrungen mit Levitation und Teleportation etc gemacht hat :D, kann man davon ausgehen, dass die Fantasie allein noch keine Taste bewegt. Die Klangvorstellung muss en detail, bis in die geringste Kleinigkeit, praktisch umgesetzt werden. Das bedeutet, dass man sehr genau nachschaut und überlegt, woraus sich der erwünschte Klang zusammensetzt - hier kann man sehr schön an Franz´ Beispiel sehen, dass diese Stelle aus vielen Elementen besteht, und die alle wollen berücksichtigt sein: und das immer im Hinblick aus eine praktische Realisierung

Gruß, Rolf
 
Einiges in der bisherigen Diskussion spricht dafür, daß verstanden wurde, daß sämtliche manuellen Schwierigkeiten sich in Luft auflösten, wenn man die richtige musikalische Vorstellung hätte.

Wenn irgendwo gesagt wurde "sämtliche manuellen Schwierigkeiten", dann war das natürlich extrem leichtsinnig. Ich hoffe nur, das war nicht ich 8)

Und ich glaube, daß das auch daran liegt, daß viele sich selbst zuwenig zutrauen und immer in der Furcht leben, Musik nicht wirklich verstehen zu können. Denen würde mit dem falschen Verständnis dieses Themas jede Hoffnung für ihre eigene pianistische Zukunft verloren gehen. Es gipfelt im Akzeptieren des Zitats von Volodos, nachdem eben die meisten Menschen Stümper bleiben müssen,

Es ist ja alles relativ. Im Vergleich mit Pianisten wie Volodos bin ich aber auch überzeugt, daß wir alle immer "Stümper" bleiben werden.

was aus seiner Sicht wohl richtig sein mag, aber viele diese "Stümper" erreichen trotzdem ein beachtliches Niveau, weil sie viel Zeit dafür aufwenden, das auszugleichen, was ihnen eben nicht in die Wiege gelegt wurde, und daß das möglich ist, wurde hier vehement verteidigt, obwohl es eigentlich überhaupt nichts mit dem Ausgansgedanken zu tun hat.

Die Gefahr, sich selbst zu überschätzen, ist sehr groß. Vielleicht einfach ein Appell für eine einigermaßen realistische Selbsteinschätzung.

Was aber leider immer wieder fehlt (nicht nur in diesem Faden), ist eine nachvollziehbare Erklärung, was eigentlich "musikalische Vorstellung" bedeutet.

Wie erklärt man einem fantasielosen Menschen, was Fantasie ist? :rolleyes:

Abstrakt kann ich das leider auch nicht erklären. Man kann nur am konkreten Beispiel erklären, welche Gedanken, Klangvorstellungen, Bilder etc. einem dabei in den Sinn kommen.
 
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Was ist musikalische Vorstellung?

Was aber leider immer wieder fehlt (nicht nur in diesem Faden), ist eine nachvollziehbare Erklärung, was eigentlich "musikalische Vorstellung" bedeutet. Alles was ich bisher dazu gelesen habe, ist nicht mal so klar, wie die Anleitung, sich einen Raum mit unendlich vielen Dimensionen vorzustellen: "Ich stelle mir einfach einen vierdimensionalen Raum vor und interpoliere".

Das lässt sich schwer erklären, ist aber auch individuell. Einzig überindividuelles Merkmal wäre für mich das "assoziativ sinnliche Erleben" von Ton- und letztlich Klangbeziehungen und -verhältnissen.

Klingt sehr kompliziert. Ich würde einfach sagen: Es singt in mir.

Mach die Augen zu und stell Dir eine Katze vor. Es wird mehr oder weniger deutlich das Bild einer Katze im Inneren sichtbar. Ähnlich wie man sich Bilder vorstellen kann, funktioniert das auch mit dem inneren hören.

Neuhaus hat darüber geschriebe:
"Bevor man beginnt, irgendein Instrument spielen zu lernen, sollte der Lernende - sei es ein Kind, ein Heranwachsender oder ein Erwachsener - bereits irgendeine Art der Musik geistig beherrschen, sie sozusagen in seinem Geiste bewahren, in seiner Seele mit sich tragen und sie mit seinen Sinnen hören. Das ganze Geheimnis des Talents und des Genies besteht darin, daß die Musik schon in seinem Gehirn ein volles Leben lebt, bevor der Lernende zum ersten Male die Tasten berührt oder den Bogen über die Saiten führt; das ist der Grund, weshalb Mozart als kleines Kind »sofort« Klavier und Geige spielen konnte."

Das ist allerdings auch gewissermaßen eine Extremposition. Dieses volle Leben im Gehirn muss natürlich vor allem beim "Normalsterblichen" ständig entwickelt und weiter gefördert werde.

Übrigens: Wir hatten schon mal einen Faden, man höre und staune, von unserm Rolf: ;)
Musik im Kopf - ständiges inneres hören
 
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Wenn irgendwo gesagt wurde "sämtliche manuellen Schwierigkeiten", dann war das natürlich extrem leichtsinnig. Ich hoffe nur, das war nicht ich 8)

da kann ich Dich beruhigen, Du sprachst von "vielen", die sich so auflösen lassen - das intendiert ja, dass es ein paar gibt, bei denen das nicht so funktioniert:D

ich finde letztere nicht uninteressant
 
sollte man evtl. Trainingslager für die Fähigkeit der richtigen musikalischen Vorstellung einrichten, damit sämtliche Eleven dort lernen, die manuellen Schwierigkeiten in Luft aufzulösen? ja saperlot, warum ist das denn nicht schon längst geschehen, wenn es so klar und offensichtlich auf der Hand liegt?... ... :)

Ja das frage ich mich auch! Warum ist das noch nicht geschehen? :D Ich fände so etwas sehr gut! Allerdings sieht man in vielen Meisterkursen oder Workshops oder was auch immer, dass genau so etwas dort stattfindet. Das finde ich schon bemerkenswert. Denn mein Eindruck ist, dass die vermittelten Einblicke dort schon auch manuelle Veränderungen herbeiführen. Aber ich will über nichts sprechen, was ich mangels eigenem aktiven Erleben nicht beurteilen kann. Wenn ich irre, tut`s mir also Leid.

Zitat von Rolf:
Haydnspaß hat mitgeteilt, dass viele manuelle Schwierigkeiten durch die richtige musikalische Vorstellung verschwinden - und das ist richtig für viele solche, aber nicht für alle
[...]
- - an derartigen Beispielen zeigen dann Empfehlungen a la (sinngemäß) das ist dir halt zu schwer, das ist zu abgehoben, dass man für die Methode der segensreichen Klangvorstellung Grenzen bemerkt und sich mit diesen schwer tut...

Ich finde es gibt durchaus Berechtigung etwas als "zu schwer" zu bezeichnen. Niemand hat behauptet, dass alleine die Klangvorstellung alles sofort spielbar macht. Das haben wir jetzt schon einige Male festgehalten: Klangvorstellung bedeutet nicht, dass ich nach langer Meditation alles aus dem Ärmel schüttele, sie ist m.E. eine Voraussetzung, um motorisch erfolgreich lernen zu können.

Zitat von Rolf:
da man bislang schlechte Erfahrungen mit Levitation und Teleportation etc gemacht hat :D, kann man davon ausgehen, dass die Fantasie allein noch keine Taste bewegt. Die Klangvorstellung muss en detail, bis in die geringste Kleinigkeit, praktisch umgesetzt werden. Das bedeutet, dass man sehr genau nachschaut und überlegt, woraus sich der erwünschte Klang zusammensetzt

Ja genau, das ist es!!

Gruß,
Sesam
 
Klingt sehr kompliziert. Ich würde einfach sagen: Es singt in mir.
Wir hatten schon mal einen Faden, man höre und staune, von unserm Rolf: ;)
Musik im Kopf - ständiges inneres hören

hallo,

ersteres ist richtig.

das zweite dürfte speziell Dir mit den Liebestodtremoli wenig helfen: die kann man gewiss beständig im Oberstübchen hören, auch begreifen kann man die ganz ohne Mühe - nur das spielen weigert sich manchmal, dem Gefühl, Gehör, Verstand usw brav zu folgen :)

war nicht Deine Frage, was in so einem Fall zu tun wäre?

Gruß, Rolf
 
Das bedeutet, dass man sehr genau nachschaut und überlegt, woraus sich der erwünschte Klang zusammensetzt - hier kann man sehr schön an Franz´ Beispiel sehen, dass diese Stelle aus vielen Elementen besteht, und die alle wollen berücksichtigt sein: und das immer im Hinblick aus eine praktische Realisierung

das zweite dürfte speziell Dir mit den Liebestodtremoli wenig helfen: die kann man gewiss beständig im Oberstübchen hören, auch begreifen kann man die ganz ohne Mühe - nur das spielen weigert sich manchmal, dem Gefühl, Gehör, Verstand usw brav zu folgen :)

war nicht Deine Frage, was in so einem Fall zu tun wäre?

Richtig.

Mein "manuelles" Üben dieser Stellen kann man mit wenigen Vokabeln beschreiben.

spielen - wahrnehmen (hören, spüren) - korrigieren

Und: Suchen und finden idealer Handpositionen und Bewegungen. (das ist wirklich eine technische Angelegenheit.)

Und dieses Training auf täglicher Basis über einen längeren Zeitraum.

Einfach, den Tag damit (und anderem) heiter am Klavier verbringen. :p
 
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Ich höre da eine Furcht heraus, daß durch ein Zuviel an Wissen über Musik der Genuß und die Freude an der Musik schaden nehmen könnte. Man erlebt Musik in einem mystischen Halbdunkel und fürchtet, der Zauber könnte verfliegen, wenn man sich die "Sache" näher und bei voller Beleuchtung betrachtet.

Ich kann da Entwarnung geben!

Wissen über Musik entzaubert die Musik nicht!

Ich kann aber verstehen, wo die Furcht herkommt. Wenn ich mich da an so manche abstrakte Diskussion über verminderte Doppeldominanten etc. erinnere, und ich hätte nicht mein Hintergrundwissen, um was es da eigentlich geht, dann würde ich mich auch vor der "Sezierung" von Musik fürchten.

Das Wissen über die Musik ist aber nicht abstrakt. Es steht in einem ganz engen Zusammenhang mit dem Erleben und der Wirkung von Musik. Die "Theorie" versucht, die Wirkung und die Mittel, mit denen sie erreicht wird, in "technischer" Weise zu beschreiben. Sie ist aber kein Ersatz für das Hören und Erleben der Musik.

Und wieder sind wir beim Unterschied von Hören als Zuhörer und Hören als Selberspieler.

Da es nicht reicht, nur die auf dem Blatt stehenden Noten abzuspielen - auch dann nicht, wenn man alle Vortragszeichen beachtet - braucht man ein Verständnis der musikalischen Komposition: wie ist es komponiert, warum ist es so komponiert, wo gibt es Abweichungen vom "Normalen". Wenn man darüber bescheid weiß, ist die musikalische Gestaltung sehr viel zielgerichteter als wenn man allein auf seine Intuition angewiesen ist. Trotzdem ist es möglich, auch allein aufgrund einer gut entwickelten Intuition eine sehr gute Interpretation hinzubekommen.

Die Theorie ist also nur ein zusätzlicher Helfer, ein Werkzeug um die oft sehr gut verriegelten musikalischen Schatzkästlein aufzubekommen. Mit einem ungeeigneten Werkzeug kann Schatzkästlein und Inhalt allerdings auch mal zu Bruch gehen. Also Vorsicht ist angesagt. :)


...Ja, Haydnspaß, bei einem ZUVIEL habe ich diese Furcht. An mystisches Halbdunkel glaube ich nicht :), an das Verfliegen des Zaubers schon eher. Mich "schreckt" da schon etwas die "technische Weise". Natürlich will ich mich damit nicht generell gegen "die Theorie" stellen. Man kann aber , nicht nur in der Musik, auch z. B. in der Literatur, Malerei, Kunstwerke "kaputtanalysieren", sie sind danach mausetot und nur noch "technische Gebilde".

Ich muss kein Anatom /Physiologe/Gehirnforscher pp. sein, um mit Menschen gut umgehen zu können. "Menschenkenntnis" ist hier eher nützlich. Der Anatom, der Physiologe... ist da möglicherweise befangen, denn er weiß zu viel über uns als " lebende Maschinen" .

Ich habe mir schon immer mal die Frage gestellt, ob diejenigen, die Musik auf hohem Niveau studiert haben, diese möglicherweise anders ,"befangener" ( "ah, hier ist die verminderte Doppeldominante" :p) hören als der theoretisch ungebildete(r)e. Ich habe darauf noch keine Antwort gefunden, weil ich nicht weiß, wie man da rangehen könnte....:D

Da der Mensch in seinem Drang, überall theoretische Gebilde zu entwickeln und diese dann erbarmungslos anzuwenden, ob sie passen oder nicht, ob sie Kunst erhellen oder töten, bin ich diesbezüglich stets ein wenig skeptisch. Und das hat nichts mit Mystik zu tun, sondern mit "praller Lebenserfahrung"...
 
Jetzt weiß ich endlich wieder, warum ich Haydnspaß zitiert hatte: Ich wollte mal das Originalthema in Erinnerung rufen :)

Es wurde ja deutlich betont, daß "manuelle Schwierigkeiten" nicht nur durch Verständnis der Musik behoben werden können. Aber das Thema setzt glaube ich dort an, wo die manuellen Fertigkeiten zwar vorhanden sind, aber falsch eingesetzt werden. Mir selbst geht es häufig so, daß ich genau weiß, daß ich ein Stück technisch beherrsche aber ich kann es trotzdem erst dann spielen, wenn der Groschen gefallen ist und viele Fehler, die ich bis dahin mache sind dann endlich erklärbar und verschwinden zwangsläufig. Desgleichen sehe ich mich manchmal versucht, eine Stelle umzudeuten, um sie spielbarer zu machen, allerdings meldet sich dann auch mein musikalisches Gewissen und mahnt zur Vorsicht. An solchen Stellen hapert es eher an den manuellen Fertigkeiten.

Noch was zur "Entmystifizierung" von Musik: Im Gegensatz zur Zauberkunst, die ja auf Tricks beruht (an echte Magie glaube ich nicht), kann man Musik meiner Meinung nach nicht entmystifizieren. Natürlich verändert sich mit wachsendem Wissen der Eindruck, aber man nähert sich ja damit immer mehr dem Original und erkennt dadurch viel mehr von der Pracht. Allerdings entlarvt man so auch "schwache" Musik.
 
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Hallo miteinander,

ich habe diesen Thread bis jetzt nur lesend mitverfolgt, möchte mich nun aber auch mal zu Wort melden. Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild.

Ich stelle mir ein hell erleuchtetes Haus vor, zu dem ich gelangen möchte. Ich sehe es in der Ferne leuchten, bin aber noch weit entfernt und muss erst den mehr oder weniger beschwerlichen Weg zurücklegen, um dort hinzugelangen. Das hell erleuchtete Haus ist das Ziel, die Klangvorstellung. Der Weg ist das manuelle Üben. Wenn ich nun die ganze Zeit nur vor mir auf den Weg schaue, ohne mich immer wieder an dem Haus zu orientieren, dann gehe ich vielleicht in die Irre und komme ganz woanders hin. Ich muss einerseits den ganzen Weg zurücklegen, über jeden Stein klettern und das möglicherweise unwegsame Gelände bewältigen. Aber ich muss zugleich auch immer wieder zum dem Haus in der Ferne schauen, um sicherzugehen, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs bin. Das heißt, die Klangvorstellung gibt mir Ziel, Richtung, Orientierung auf dem langen Weg des manuellen Übens. Beide Aspekte sind also notwendiger Bestandteil; nur das Haus zu sehen heißt noch nicht, dort zu sein.

Es gibt aber auch noch den Effekt, dass mir das Haus in der Ferne deutlich macht, dass es ein Ziel meines Weges gibt und dass der Weg nur eine begrenzte Länge hat. Daraus kann ich die Kraft schöpfen, den Weg selber besser zu bewältigen und durchzuhalten. Es liegen vielleicht immer mal große Gesteinsbrocken im Weg, die ich vor Ort mühsam aus dem Weg räumen muss und die mich viel Kraft kosten. Aber dann sehe ich wieder das Haus und schöpfe Kraft zum weitergehen. Die Klangvorstellung kann in gewissem Umfang also auch den Weg des manuellen Übens erleichtern und unterstützen.

Alle Erkenntnis über Struktur, Harmonie und Form eines Musikstückes bleibt äusserlich, wenn nicht die persönliche Ergriffenheit (man nehme vielleicht einen anderen Ausdruck) permanent dazu kommt.
Musik nimmt uns quasi auf eine psychologische Wanderung mit. Alles ist im Fluss und jeder Ton bezieht sich auf das Vorhergehende und verweist auf das Kommende. Der erste Ton ist bereits das Resultat vor der Stille und führt uns weiter. Jede Harmonie, jeder Lauf, jede Wendung ändert unsere Emotionen und dafür müssen wir uns öffnen.

Ergo ist die intensive Klangvorstellung nicht nur an die genaueste Kenntnis des Notentextes gebunden, sondern vielmehr an die inneren Vorstellung, die solche Vorgänge bei uns auslösen.

In Anhören von Musik und noch mehr im Interpretieren müssen wir die gesamte Bandbreite möglicher Emotionen und Assoziationen miterleben und so wird dann auch das Üben effektiv.

Das trifft für mich den wesentlichsten Punkt in bezug auf die Klangvorstellung und auch auf die Frage, wie man zu einer Klangvorstellung gelangt. Ganz banal gesagt, ist die Klangvorstellung nichts anderes als innerliches Hören, so wie es dann später auch äußerlich in Klang umgesetzt und gehört wird. Man muss sich aber klarmachen, was es bedeutet, einen Klang zu erzeugen, Musik zu machen und damit etwas auszudrücken.

Die Musik hat wie sonst keine der Künste eine unmittelbare Nähe zum emotionalen Kern des Menschen. Sie ist deshalb am besten geeignet, Emotionen in unmittelbarer Kommunikation mit der Umwelt spürbar werden zu lassen. Wenn ich z.B. ein Stück von Chopin höre, dann kommt etwas in mir in Resonanz dazu, es gibt eine innerliche Antwort auf das Gehörte. Und diese Antwort ist nie nur ein Gedanke, sondern immer ein Gefühl.

Genauso drücke ich auch ein Gefühl aus, wenn ich dieses Stück von Chopin spiele. Und das ist nicht so leicht, wie es sich anhört. Denn die Strukturen unserer Zivilisation behindern den freien Ausdruck von Gefühlen in vielfältiger Weise (es würde zu weit gehen, dies genauer auszuführen). Die Musik ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, trotz des gesellschaftlichen Drucks ein Gefühl innerlicher Integrität zu bewahren und mit dem Wesentlichen in Kontakt zu bleiben. Aber das muss man wollen. Das muss man sich erlauben. Das heißt, etwas zu spüren, wofür man unter Umständen sogar gar keine Begriffe hat.

Musik zu machen hat deshalb eine ganz wesentliche psychologische Dimension. Es berührt Fragen nach dem eigenen Selbstverständnis, nach der eigenen inneren Verfassung, nach der "emotionalen Autonomie". Vor allem hat Musikmachen etwas mit Angst und Mut zu tun. Emotionen auszudrücken heißt, sie "real" und spürbar werden zu lassen, das kann ziemlich Angst machen und es gehört Mut dazu, sie trotzdem auszudrücken.

Um den Bogen wieder zur Klangvorstellung zu schlagen: Sich einen innerliche Vorstellung von der Musik zu bilden, bevor man sie äußerlich in Klang umsetzt, berührt diese psychologische Dimension des Musikmachens. An anderer Stelle habe ich schon einmal geschrieben, welche Fragen damit zusammenhängen, z.B.: Was bin ich bereit auszudrücken? Was erlaube ich mir zu spüren? Was lasse ich zu, das andere durch mich spüren?

Wenn man bereit ist, sich persönlich einzulassen auf die Musik und seine eigene Gefühlswelt dafür zu öffnen, dann hat man die richtigen Voraussetzungen, um eine innerliche Klangvorstellung zu entwickeln. Und auch in bezug auf die tatsächlich hörbare Musik, die man hervorbringt, kann man erst dann den gespielten Stücken wirklich gerecht werden und etwas Wesentliches mitteilen.

Grüße von
Fips
 
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fips, wunderbar,:kuss: ein toller Beitrag. Ganz neue Aspekte hast du ins Boot geholt.
Du hast etwas beschrieben, was ich oft empfinde:
Die Balance zwischen Angst und dem Bedürfnis, sich auszudrücken, zwischen, übertrieben ausgedrückt, Exhibitionismus und Scham- das kenne ich auch sehr gut. Wer Gefühle zeigt und ausdrückt, zeigt sich auch verletzlich. Vllt ist es genau das, was uns berührt und andachts- und erfurchtsvoll lauschen lässt?

Berührte Grüße
violapiano
 
Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild.

Ich stelle mir ein hell erleuchtetes Haus vor, zu dem ich gelangen möchte. Ich sehe es in der Ferne leuchten, bin aber noch weit entfernt und muss erst den mehr oder weniger beschwerlichen Weg zurücklegen, um dort hinzugelangen. Das hell erleuchtete Haus ist das Ziel, die Klangvorstellung. Der Weg ist das manuelle Üben. Wenn ich nun die ganze Zeit nur vor mir auf den Weg schaue, ohne mich immer wieder an dem Haus zu orientieren, dann gehe ich vielleicht in die Irre und komme ganz woanders hin. Ich muss einerseits den ganzen Weg zurücklegen, über jeden Stein klettern und das möglicherweise unwegsame Gelände bewältigen. Aber ich muss zugleich auch immer wieder zum dem Haus in der Ferne schauen, um sicherzugehen, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs bin. Das heißt, die Klangvorstellung gibt mir Ziel, Richtung, Orientierung auf dem langen Weg des manuellen Übens. Beide Aspekte sind also notwendiger Bestandteil; nur das Haus zu sehen heißt noch nicht, dort zu sein.

Es gibt aber auch noch den Effekt, dass mir das Haus in der Ferne deutlich macht, dass es ein Ziel meines Weges gibt und dass der Weg nur eine begrenzte Länge hat. Daraus kann ich die Kraft schöpfen, den Weg selber besser zu bewältigen und durchzuhalten. Es liegen vielleicht immer mal große Gesteinsbrocken im Weg, die ich vor Ort mühsam aus dem Weg räumen muss und die mich viel Kraft kosten. Aber dann sehe ich wieder das Haus und schöpfe Kraft zum weitergehen. Die Klangvorstellung kann in gewissem Umfang also auch den Weg des manuellen Übens erleichtern und unterstützen.

eine wirklich sehr schöne Metapher!

einzig beim "erleichtern" habe ich ein paar Zweifel (aber das kann man untern tisch fallen lassen), beim unterstützen volle Zustimmung.

ich erweitere das Bild mal:
da liegt ein steiler, kurviger, unübersichtlicher Pfad, der zu einem wunderschönen hell erleuchteten Haus führt - aber unterwegs ist eine Schlucht, über welche keine Brücke führt. wäre das dann als "zu schwierig" zu verstehen? und wenn man infolge des unübersichtlichen Geländes zunächst die Schlucht nicht sieht, war es dann sinnlos, zumindest bis an den Rand des Abgrunds gelangt zu sein? und wenn man dann anfinge zu lernen, Brücken zu bauen? vielleicht erodiert die Schlucht ja irgendwann, oder ein Erdrutsch füllt sie auf?

...aus dem Schachspiel kennt man das Bonmot, dass noch keine Partie durch aufgeben gewonnen wurde... also verzagen wird nicht immer der beste Wegweiser sein!

Gruß, Rolf
 
Ganz banal gesagt, ist die Klangvorstellung nichts anderes als innerliches Hören, so wie es dann später auch äußerlich in Klang umgesetzt und gehört wird. Man muss sich aber klarmachen, was es bedeutet, einen Klang zu erzeugen, Musik zu machen und damit etwas auszudrücken.

das hell erleuchtete Haus in der Ferne ist trotz gefährlichem und unwegsamem Weg dahin nach einiger Mühe erreichbar - es mit Leben zu erfüllen ist eine weitaus größere Aufgabe...

es ist lernbar, sehr schön, sehr gut und auch virtuos Klavier zu spielen - sehr ausdrucksvoll zu spielen auch? hierauf weiss ich keine Antwort, leider! ich fürchte, dass sich hier (nicht bei der "Technik") erweist, was "Talent" ist und dass sich hier manches als nicht lernbar erweist (man kann Liebe zur Musik schon haben, man kann sie auch nach und nach entwickeln, aber lernen wie Vokabeln kann man sie nicht) - - - aber andererseits besteht das "Talent" ja gerade darin, überhaupt etwas ausdrücken zu wollen, ganz explizit individuell etwas ausdrücken zu wollen. anfangs natürlich auf eine eher imitative Weise, ehe der Mut zur eigenen Emotion und Auffassung entwickelt ist.

wenn man ausdrucksvoll spielen will, hat man ein anderes Ziel anvisiert, als wenn man nur beweisen will, dass man einen schwierigen Bergpfad hat erklimmen können. hieraus erklären sich manche scheinbaren Verbesserungen in Meisterkursen: da wird nicht die Technik verbessert, aber es wirkt so, nachdem der musikalische Aspekt verbessert wurde (wer das Zeug hat, an einem Meisterkurs (Interpretationskurs!) teilzunehmen UND dort was zu lernen/begreifen, der spielt weder vorher noch nachher rein manuell besser - er spielt hinterher sinnvoller! das muss man unterscheiden! und es finden sich immer genügende, die in so einem Kurs nichts zu lernen in der Lage waren... ((((ich habe jetzt "Technik" im rein motorischen Sinn verwendet, nicht im umfassenden musikalischen Sinn)))))

wer ausdrucksvoll spielen WILL, wird immer wieder unwegsame steile Pfade erklimmen, es aber nach und nach nicht als Belastung oder Arbeit oder gar Zentrum des eigenen Wollens empfinden, sondern mit steigender praktischer Erfahrung (viel spielen, sehr viel spielen, noch mehr spielen!) die Schwierigkeiten des Weges gar nicht mehr wahrnehmen; darin liegt eine kleine Gefahr, dass manches als zu selbstverständlich erscheint - hier kann nur wärmstens geraten werden, immer wieder auch die scheinbar kleinsten Nebensächlichkeiten zu prüfen (sind in einem Akkord wirklich alle Töne gleichzeitig? usw) - - - in diesem Sinne meine Metapher von der Wartung der Maschinerie: wer etwas ausdrücken WILL, der wird sich natürlich darum kümmern, dass die Bedingungen dafür auch wirklich vorhanden sind, denn der weiss, dass er viele Instrumente für das Ausdrücken braucht und dass er sich auf sie verlassen können muss.

Gruß, Rolf
 
Zitat von Fips7:
ich habe diesen Thread bis jetzt nur lesend mitverfolgt, möchte mich nun aber auch mal zu Wort melden. Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild: [...]

Wunderbares Bild, Fips7! Ich hatte mich eigentlich schon wieder aufs stille Mitlesen zurueckgezogen, moechte aber doch meinen Applaus kundtun, dass Du das so treffend zusammengefasst hast.

Zitat von Klavigen:
Alle Erkenntnis über Struktur, Harmonie und Form eines Musikstückes bleibt äusserlich, wenn nicht die persönliche Ergriffenheit (man nehme vielleicht einen anderen Ausdruck) permanent dazu kommt.
Musik nimmt uns quasi auf eine psychologische Wanderung mit. Alles ist im Fluss und jeder Ton bezieht sich auf das Vorhergehende und verweist auf das Kommende. Der erste Ton ist bereits das Resultat vor der Stille und führt uns weiter. Jede Harmonie, jeder Lauf, jede Wendung ändert unsere Emotionen und dafür müssen wir uns öffnen.

Ergo ist die intensive Klangvorstellung nicht nur an die genaueste Kenntnis des Notentextes gebunden, sondern vielmehr an die inneren Vorstellung, die solche Vorgänge bei uns auslösen.

In Anhören von Musik und noch mehr im Interpretieren müssen wir die gesamte Bandbreite möglicher Emotionen und Assoziationen miterleben und so wird dann auch das Üben effektiv.

Ich glaube nicht, dass permanente persoenliche Ergriffenheit, Durchleben von Emotionen, eine unbedingt notwendige Voraussetzung zu einer ueberzeugenden musikalischen Gestaltung, und zur Ueberwindung manueller Schwierigkeiten ist. Ich habe irgendwo sogar mal das Bonmot ueber einen Pianisten gelesen (zitiert glaube ich in Kratzer's Klaviertechnik-Handbuch): "er spielte zwar ergriffen, aber nicht ergreifend". Um mal ein extremes Beispiel zu bringen: Ein Schauspieler, der eine furchtbare Trauerszene spielen muss, darf auch nicht in unkontrolliertem Traenenfluss untergehen, sondern muss noch Herr seiner Gefuehle sein, um eine ueberzeugende Darstellung zu bieten. Man koennte sogar noch weitergehen und sagen, dass durch ein zu starkes Aufgehen in Emotionen und Assoziationen natuerlich nur noch weniger Aufmerksamkeit fuer den reinen, von allen Assoziationen befreiten, unmittelbar stattfindenden Klang uebrig ist. Mit anderen Worten: Emotionen und Assoziationen fuehren uns ein Stueck weg von der unmittelbaren Realitaet des Augenblicks, von allen Feinheiten des tatsaechlichen Klangs.

Manchmal hat man natuerlich einfach Lust (oder es ist gar nicht zu verhindern), seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und ergriffen zu sein von der Groesse der Musik. Manchmal (oft?) kann es aber m.E. auch hilfreich sein, nach einem quasi meditativen Zustand zu streben, in dem man sich statt nur noch auf den eigenen Atem nur noch auf den nackten, von allen Assoziationen befreiten, unmittelbar im Jetzt stattfindenden Klang konzentriert. Idealisiert gesagt waere das Ziel einer Wahrnehmung der reinen Gegenwart, keine Vergangenheit und keine Zukunft, keine Plaene und keine Assoziationen, nur noch die Klangwahrnehmung. Wenn man so etwas nicht auch hinkriegt, wird man im eigenen Spiel vielleicht eher das hoeren, was man gern hoeren wuerde, statt das, wie es tatsaechlich klingt.
 
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Zitat:

Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild.

Hat das wirklich einer geschrieben ? Oder war das nur so interpretiert ?

Noch ein Bild:

Der Bildhauer braucht eine genaue Vorstellung von seiner Plastik aber ohne Hammer und sonstige Werkzeuge wie Meißel und dgl. wird er das nicht zu Wege kriegen. Auch beim KLavierüben werden ständig die Werkzeuge benutzt. Das ging doch immer klar hervor.

Und die Klangvorstellung ist nicht einfach da, sondern wird ebenso entwickelt und wird (zum Glück) nie fertig sein. Das ist ein lebenslanger Prozess und so erklärt sich, dass die Biographie des Pianisten in seinen Interpretationen mitgehört werden kann, allerdings verschlüsselt, denn Musik ist nun mal auch Illusion und Magie.

Das Bild vom erleuchteten Haus in der Ferne ist schon ein gutes Beispiel, allerdings ist dann diese Ziel recht gut zu sehen und es wird sich nicht verändern. Aber die Klangvorstellung ist nicht so klar und wird sich im Laufe des Klavierlebens oft verändern.

Zur Frage, warum es solche Einrichtungen, wo das richtige Trainieren der Vorstellung noch nicht gebe hat Sesam anscheinend ohne es genau zu wissen die richtige Antwort gegeben. Nahezu alle Meisterkurse machen eigentlich nur dies: der richtigen Klangvorstellung auf die Sprünge zu helfen und ich ergänze noch: In höheren Semestern eines Klavierstudium wird ebenso verfahren.

Und das häufigere Verspielen tieferer Semester hat einen ganz banalen Grund: sie kennen einfach den Text nicht gut genug, spielen also immer schneller, als sie mit und voraushören können.
 
[/I]Ich glaube nicht, dass permanente persoenliche Ergriffenheit, Durchleben von Emotionen, eine unbedingt notwendige Voraussetzung zu einer ueberzeugenden musikalischen Gestaltung, und zur Ueberwindung manueller Schwierigkeiten ist. Ich habe irgendwo sogar mal das Bonmot ueber einen Pianisten gelesen (zitiert glaube ich in Kratzer's Klaviertechnik-Handbuch): "er spielte zwar ergriffen, aber nicht ergreifend".

(...)

Man koennte sogar noch weitergehen und sagen, dass durch ein zu starkes Aufgehen in Emotionen und Assoziationen natuerlich nur noch weniger Aufmerksamkeit fuer den reinen, von allen Assoziationen befreiten, unmittelbar stattfindenden Klang uebrig ist. Mit anderen Worten: Emotionen und Assoziationen fuehren uns ein Stueck weg von der unmittelbaren Realitaet des Augenblicks, von allen Feinheiten des tatsaechlichen Klangs.

(...)

Manchmal (oft?) kann es aber m.E. auch hilfreich sein, nach einem quasi meditativen Zustand zu streben, in dem man sich statt nur noch auf den eigenen Atem nur noch auf den nackten, von allen Assoziationen befreiten, unmittelbar im Jetzt stattfindenden Klang konzentriert. Idealisiert gesagt waere das Ziel einer Wahrnehmung der reinen Gegenwart, keine Vergangenheit und keine Zukunft, keine Plaene und keine Assoziationen, nur noch die Klangwahrnehmung. Wenn man so etwas nicht auch hinkriegt, wird man im eigenen Spiel vielleicht eher das hoeren, was man gern hoeren wuerde, statt das, wie es tatsaechlich klingt.

hallo,

ja, ein bestens bekannter Einwand! Seine Geschichte rührt aus der Praxis des 19. und frühen 20. Jh. (Rubato-Exzesse :)) - Ravel z.B. schrieb, man möge seine Musik nicht interpretieren, sondern nur so wie notiert spielen.

Allerdings ist eine Darstellung von Musik OHNE subjektive Beteiligung nur als quasi objektive Widergabe des Notentextes eine Chimäre, jedenfalls dann, wenn man sich dazu verstiege, einzig darin sinnvolles Musizieren erkennen zu wollen.

die tägl. Praxis bei einem relativ großen Repertoire zwingt zur "Rationalisierung":
- man "trainiert" die schwierigsten Stellen
- man prüft Abläufe "unengagiert" oder unergriffen
- man wartet die Motorik ohne Aufregung und Echauffement

das "unengagierte" Spielen/Proben/Sicherstellen (alles nur zw. p und mf, dabei bestenfalls im Kopf "Ambitionen") dürfte dem entsprechen, was Du meinst: hier wird die 100%ige Integrität von Texttreue und manueller Realisierung überprüft und gewartet, denn das tut man ja nicht ohne Beteiligung des Gehörs!!! Margulis ist einer von vielen, die genau das empfehlen.

empfehlen kann man das prinzipiell allen, die das Klavierspielen ernst nehmen (dazu gehört z.B., nicht zu vergessen oder zu verlernen, was man vor einem halben Jahr oder vor einem Jahr oder vor zwei Jahren geübt hatte - wers ernst nimmt, spielt alles immer wieder)

Gruß, Rolf
 
Je länger ich mitlese, desto öfter frage ich mich, ob die Diskussion nicht eher um die Verbalisierung dessen, was man versteht unter "musikalische Gestaltung" und "manuelle Schweirigkeiten", geht?:confused::confused:
Viele Beiträge haben trotz scheinbarer Kontroversität eine nicht unerhebliche Schnittmenge. :p
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zitat von Fips7:
Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde

Ich kann es ehrlich gesagt nicht ganz begreifen, weshalb man sich hier so festbeißt an dem Gedanken, irgendjemand hätte behauptet, dass Klangvorstellung alle manuellen Schwierigkeiten in Luft auflöst. Das hat niemand behauptet.
Es würde der Diskussion gut tun, wenn hier nicht von Behauptungen ausgegangen würde, die nie getätigt wurden.

Liebe Grüße,
Sesam
 
Zitat:

Die Idee, dass die richtige Klangvorstellung das manuelle Üben überflüssig machen würde, scheint hier nicht totzukriegen zu sein, obwohl mehrmals klargestellt wurde, dass dem nicht so ist. Für mich ist das so wie in dem folgenden Bild.


(1.)
Hat das wirklich einer geschrieben ? Oder war das nur so interpretiert ?

(...)

(2.)
Und das häufigere Verspielen tieferer Semester hat einen ganz banalen Grund: sie kennen einfach den Text nicht gut genug, spielen also immer schneller, als sie mit und voraushören können.

hallo,

verzeih mir die Stückelung.

zu 1.:
die vehement wütenden Reaktionen auf den Hinweis, dass manuelles Üben nicht ersetzt werden könne und dass es Momente gibt, in denen die Klangvorstellung zwar vorhanden ist, aber die praktische Realisierung dennoch nicht so ohne weiteres geht, legt nahe, dass da weniger Interpretation vorliegt...

zu 2.
das wirkt so, als ob die unteren Semester eigentlich schon alles können, es aber nur nicht richtig machen... das kann ich nicht komplett bestätigen.

Gruß, Rolf
 

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