Mitbewohner will Klavier lernen / suche nach Anfängernoten

Ach ja, noch was:

Nica, es ist ein Unterschied, ob man sich einbildet, überdurchschnittlich talentiert zu sein, oder ob man denkt, man sei unterdurchschnittlich talentiert (letzteres meinte ich oben).

Es ist doch absolut in Ordnung, unterdurchschnittlich talentiert zu sein. Das ist immer noch was anderes, als davon auszugehen, man könne es nie. Dann braucht man halt mal ein bißchen länger, na und? Eine Freizeitbeschäftigung ist doch kein Wettbewerb, bei dem man nach X Monaten oder Jahren eine ganz bestimmte Aufgabe erledigt haben muss.

Wenn man möchte und Spaß hat, kann man alles anfangen und betreiben, egal ob man nun über, im oder unter dem Durchschnitt liegt. Auch jemand, der am Anfang keinen Ball fangen kann, kann hobbymäßig mit Handball oder Basketball anfangen. Auch jemand, der 'kein Mathe kann', kann es auch spät im Leben nochmal von Grund auf lernen. Dann braucht er halt ein bißchen länger, na und?
 
Nica, was ich vertrete, ist:

Es ist SCHEISSegal, wie "talentiert" man angeblich ist!

Reine Zeit- und Nervenverschwendung sowie oft ein selbsterrichtetes Lernhindernis, sich überhaupt mit dieser Frage zu beschäftigen!

Wenn man zu etwas wirklich Bock hat, dann macht man das und lernt und übt gemäß seinem Interesse und seiner Motivation, fertig, aus.

Fokus auf die SACHE und nicht auf MICH (genauer: meine merkwürdigen Zweifel und Psycho-Befindlichkeiten), muß das Motto lauten.

Ich spreche mit meinen Schülern nie über Talent. Kommen die von sich aus mit Zweifeln an, zeige ich ihnen, wie sie vorgehen müssen, damit sie sich sozusagen "talentiert verhalten" (also zweckmäßig), und zwar so, daß sie den Erfolg der zweckmäßigen Verhaltensweise SOFORT in der Stunde wahrnehmen. Es ist dann ihre eigene Wahl, ob sie sich zu Hause dann weiter zweckmäßig verhalten wollen oder lieber (weiter) unintelligent.

Auf jeden Fall wissen sie ab da, daß sie mangelnden Übeerfolg tatsächlich nicht mehr auf ein ominöses "mangelndes Talent" abschieben können, sondern daß es konkrete und in der Regel änderbare Gründe gibt.

LG,
Hasenbein
 
3. Passiv unbewusstes Lernen ist bei allen Lebewesen am weitesten verbreitet. Man nennt es wohl Prägung. Dazu gehört (für mich) auch der Erwerb der Muttersprache. Es geschieht durch das simple Eingebettet-Sein in das, was sich im lernenden Lebewesen in seinem Verhalten und Sein durch das Umfeld quasi von selbst abbildet.

[...]

5. Die Verarbeitung und Assimilierung von Informationen KANN nur vom
Lernenden selbst bewerkstelligt werden. INSOFERN ist jeder Lernende
Selbstlerner, Autodidakt.

Zu 1. Erstsprachenerwerb ist keineswegs "passiv". Alleine der von Dir so
geschätzte Begriff der Imitatio setzt Intention und aktives Aneignen, nicht passives Ausgesetztsein, voraus. Zudem ist es ein altes Ergebnis der Spracherwerbsforschung, daß Kinder nicht nur imitieren, was sie hören, sondern selber aus dem Gehörten "Regeln" deduzieren und anwenden, die der Sprache selbst gar nicht immanent sind.

Zu 5. Dein erster Satz fällt unter die übliche Handbuchdefinition von lernen, z.B. Grimm s.v.:

etwas in irgend welcher weise, durch anweisung, beispiel oder erfahrung gelehrtes sich aneignen.

»Sich aneignen« bezeichnet genau die Eigenaktivität der Lernenden als zweites Komponente der Wortbedeutung neben dem Vermittlungsprozeß. Insofern ist es müßig, den Begriff des Autodidakten nach Deinem Muster verengen zu wollen. Das Wort auto-dídaktos, wtl. ein "Selbst-Belehrter", ist eben für den empirischen Ausnahmefall gebildet, daß kein externer Wissensmittler, kein didáskalos vorhanden ist.
 
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Ich spreche mit meinen Schülern nie über Talent.

Dafür erwähnst Du es hier im Forum aber ziemlich oft... Scheint Dich ja doch zu beschäftigen. Ich hab's hier schon öfter geschrieben: Ich finde diesen ständigen Fokus auf dem Vergleichen mit anderen falsch und demotivierend. Und zwar in beide Richtungen (auch wenn man gesagt kriegt, andere Schüler würden für etwas länger brauchen). Das erzeugt eine Atmosphäre mit Fokus auf Leistung - völlig ungeeignet für echtes Lernen.

Wenn jemand Dir sagt, er sei untalentiert oder unmusikalisch, dann ist die richtige Antwort: "Das macht nichts, Du kannst es trotzdem lernen." Das hat zwei positive Effekte: Diejenigen, bei denen es nur fishing for compliments war, lassen das bald sein, und diejenigen, die es ehrlich gesagt haben, fühlen sich ermutigt.

Edit: Hab noch einen Punkt vergessen: Wenn jemand sowas sagt und man ihm antwortet "Das bist du (bestimmt) nicht." - so wie von Dir in einem anderen Faden geschehen - dann ist das extrem herablassend. Man signalisiert dem anderen: Du kennst dich selbst nicht / ich weiß das besser als du. Wenn eine solche Aussage aber von einem Erwachsenen kommt, sollte man den Respekt haben, nicht einfach reflexartig, herablassend und pauschalisierend zu widersprechen. Wie gesagt: "Das macht nichts, Du kannst es trotzdem lernen." Dann hat sich das Thema erledigt.
 
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Ich rede hier im Forum NICHT über Talent! Das deutest DU hinein!

Ich spreche nur von unzureichender Leistung (z.B. jemand hat eine schlechte Einspielung vorgelegt oder ein geschmackloses Stück komponiert oder unterrichtet gut / schlecht usw.). Das hat mit Theorien über Begabung etc. erstmal NICHTS zu tun.

Ich sage ja sogar immer Dinge wie: "hey, Du bist doch ein normal intelligenter, aufgeweckter Mensch - warum beschäftigst Du Dich dann mit solcher Mistmusik?".

LG,
Hasenbein
 
Ich meinte sowas wie hier im Faden (also z.B. die Herabsetzung von Leuten, die sich für untalentiert halten). Meinem Gefühl nach hab ich das schon öfter gelesen. Kann aber sein, dass ich falsch liege! In diesem Fall also sorry.
 
Boah ey, Ihr Frauen und Euer "Gefühl"... ich dachte, Du wärst Wissenschaftlerin??

Ich setze niemanden herab, und schon gar keinen, der sich für "untalentiert" hält. Ich nenne nur unzureichende oder künstlerisch fragwürdige Leistungen beim Namen. Hingegen hacke ich niemals auf Anfängern herum. Nur auf Leuten, die schlecht sind, sich aber als gut verkaufen wollen.

Ich weiß echt nicht, wie Du auf diese Unsinns-Wahrnehmungen kommst.
 
Boah ey, Ihr Frauen und Euer "Gefühl"... ich dachte, Du wärst Wissenschaftlerin??

Gnagnagna :p Dann sag ich jetzt, dass Ihr Männer nicht lesen könnt. ;) Das mit dem Gefühl war doch ganz klar auf die Häufigkeit dieser Aussagen bezogen und nicht auf den Inhalt. Schließlich kann ich Dir nicht vorrechnen, wieviele solche Aussagen Du in den letzten X Monaten hier reingestellt hast. Deshalb eben "gefühlte Häufigkeit". (Hat übrigens witzigerweise vermutlich tatsächlich damit zu tun, dass ich Wissenschaftlerin bin - wenn ich keine sicheren Daten habe, sag ich das.)

Ich setze niemanden herab, und schon gar keinen, der sich für "untalentiert" hält.

Vielleicht möchtest Du niemanden herabsetzen - das kann ich nicht beurteilen. Aber Sätze wie diese setzen nun mal diejenigen herab, die von sich sagen, sie seien untalentiert:

Das ist nur was für Intelligente, die an der Sache wirklich einen Narren gefressen haben. Nichts hingegen für "casual" Freizeit-Klimperer, und schon gar nichts für die "eigentlich bin ich ja untalentiert" - "huuuu, das ist aber kompliziert, nee, das krieg ich nie hin" - "an sich bin ich ja schon zu alt" - Klientel, die womöglich zudem Tiersens "Amelie", gespielt auf einem Digi, tatsächlich als Traum-Lernziel hat.

Das ist nun mal herabwürdigend. Und dazu gibt es einfach keinen Grund - die Leute können ja nichts dafür, ob sie nun Talent haben oder nicht. Das einzige, was bei Freizeitspielern aus meiner Sicht zählen sollte, ist das Interesse und die Freude am Lernen. Hast Du ja selber oben auch geschrieben - das widerspricht dann aber dem gerade Zitierten.
 
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Ist die Abbildung genauso gut wie das Original?
wer definiert denn, dass dass eine Handschrift oder Ausgabe letzter Hand (oft auch Erstdruck) NICHT das Original ist? ...was ist denn, wenn nicht die Partitur, das Original einer Sinfonie oder Oper?? (du wirst doch nicht behaupten wollen, die Herren Bruckner oder Verdi hätten das angebliche Original irgendwie gespielt und ihre Handschrift wäre nur eine Abbildung... und nicht anders ist es z.B. mit den späten Beethovensonaten, die der Ludwig mangels Gehör nicht komplett gespielt und gehört hat)

die Frage geht also von falschen Voraussetzungen aus - das ist als Basis für weitere, daraus abgeleitete Überlegungen, eher ungünstig...
 
die Leute können ja nichts dafür, ob sie nun Talent haben oder nicht.
Darf ich vielleicht an dieser Stelle einwerfen, dass der Begriff des Talents (im Sinne einer genetisch bedingten, angeborenen Prädisposition) sowieso fragwürdig ist und wissenschaftlich vermutlich fast unbrauchbar. Es ist unmöglich, Anteile der Gene, also der Natur (nature) einerseits und der Erziehung (nurture) andererseits auseinanderzuhalten. Sodass sich bei einem meisterhaften Instrumentalisten schlicht und einfach nicht sagen lässt, wieviel auf frühe Erziehung und Prägung durch Hören und Ausüben von Instrumentalspiel im Elternhaus zurückgeht - und wieviel auf eine angenommene genetische Prädisposition. Ich möchte mit diesem Gedanken keine Grundsatzdiskussion in der Art der leidigen nature-nurture-Debatte lostreten, sondern lediglich ein Fragezeichen setzen.
Wen's interessiert: Evelyn Fox Keller hat zu dem Thema Lesenswertes geschrieben.
 

Darf ich vielleicht an dieser Stelle einwerfen, dass der Begriff des Talents (im Sinne einer genetisch bedingten, angeborenen Prädisposition) sowieso fragwürdig ist und wissenschaftlich vermutlich fast unbrauchbar.

Moment mal, das ist aber Deine persönliche Definition! Ich hatte weiter oben die Definitionen des Dudens und von Wikipedia zitiert:

Talent bedeutet "besondere Leistungsvoraussetzung einer Person in einem bestimmten Gebiet" oder "Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt".

Es ist völlig egal, ob man die "besondere Leistungsvoraussetzung" aufgrund genetischer oder erworbener Aspekte hat. Auch für die Umweltaspekte kann man in der Regel nichts (Erziehung, Erfahrungen und Erlebnisse), d.h. die Leute können nun mal nichts für ihr vorhandenes oder fehlendes Talent. Deshalb ist es ja so fies, darauf rumzureiten.
 
Mag sein, aber fast jeder versteht es in dem Sinne und betont den Aspekt des Determinierten, Natürlichen, Angeborenen. Dass man auch was erreichen kann, wenn die "Leistungsvoraussetzungen" nicht optimal sind, wird dann vergessen.

Aber das hat doch gar nichts miteinander zu tun? Woher die Voraussetzungen kommen, ist doch für die Frage, wie weit man kommt, völlig egal?

Übrigens ist das hier in dieser Diskussion ja nichts Neues, sowohl Hasenbein als auch ich hatten ja geschrieben, dass man auch auf Gebieten, für die man keine guten Voraussetzungen hat, was lernen kann.
 
Aber das hat doch gar nichts miteinander zu tun? Woher die Voraussetzungen kommen, ist doch für die Frage, wie weit man kommt, völlig egal?
Der Unterschied in den Sichtweisen liegt wohl in folgendem: Wenn ich nichts zuwege bringe und glaube, dass es an schlechten genetischen Voraussetzungen liegt, dann kann ich niemanden beschuldigen (außer vielleicht, wenn ich dran glaube, Gott). Wenn ich glaube, es liegt an meiner Erziehung, dann kann ich immerhin meinen Eltern die Schuld geben. ("Warum haben die mich damals nicht mehr zum Klavierspielen animiert?") Außerdem liegen die "erzieherischen Voraussetzungen" wohl mehr unter meiner Kontrolle als die genetischen (gegen meine Gene komme ich - so das populäre Denken - nicht an, gegen meine Erziehung hingegen vielleicht schon).

Aber mein Punkt war ja sowieso, dass das Auseinanderhalten von genetischen und Umwelteinflüssen nicht möglich ist. (Vielleicht hat das ja nicht hierher gehört, ich finde es aber dennoch wichtig.)
 

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