Mentales Training

3. Bekanntes, aber noch nicht gut geübtes Stück. Versuch, es nach den Noten auswendig zu lernen. Trotz gutem eidetischen Gedächtnis bislang noch nicht gelungen, wiewohl eine Verbesserung bei der späteren praktischen Umsetzung durchaus beobachtet werden konnte, wenn es nicht zu viel auf einmal ist.
Schubert/Liszt: Ständchen
Schumann/Liszt: Widmung

Diese beiden Stücke habe ich nie geübt - aber gespielt hab ich sie oft.
Aus Konzerten (unvergesslich für mich Margulis mit dem Ständchen) und von Aufnahmen hatte ich beide "im Ohr". Mit den Noten wurde das gehörte dann konkreter. Ohne Klaviatur, nur mit den Noten (paarmal lesen, und dann weg damit) kann ich sowohl eine klangliche als auch eine bewegunsmäßige und motorische Vorstellung imaginieren: ich "sehe" innerlich die Tastenfolgen, ich "spüre" innerlich die Tastenkombinationen.

Ohne eine solche Bewegungsvorstellung und ohne diese taktile Vorstellung en detail (ich spür´ gedanklichin den Fingern die Tasten, spür´ im Arm den Bewegungsweg) ist "mentales üben" nichts anderes als Notentext memorieren: was nützt das in die Noten gucken, wenn man dabei nicht weiß/spürt, welche Tasten benötigt werden und wie der Weg über die Tasten gehen muss?

Tatsächlich funktionierendes "mentales üben" erwirbt man bestenfalls nach intensiver langjähriger Praxis - dann hat das den Vorteil, dass man nahezu nichts verlernt oder vergisst! (natürlichbetrifft das nur Musik und da auch nur Musik, die man mittels Klaviertasten macht)

Als 12jähriger Bub hatte ich vor den Sommerferien in sehr flottem Tempo Beethovens Pathetique gespielt, hurra - dann drei Wochen Ostsee ohne Klavier: retour daheim konnte ich die Sonate nicht mehr... buhu... die Klaviatur war mir wie eine terra incognita, ich musste paar Tage lang elend anfängermäßig rumfingern, dann erst war alles wieder da ---- das passiert mir heute, nachdem ich da etwas Erfahrung angesammelt habe, nicht mehr! Nach mehreren Wochen Urlaubsabstinenz kann ich mein Repertoire sofort wieder spielen (einzig das Durchhaltevermögen ist etwas beeinträchtigt) Wobei ich nicht sagen kann, dass ich während mehrerer Urlaubswochen permanant "mental üben" würde - aber so ab und zu passiert mir das, dass ich beim wandern oder schwimmen den Mephistowalzer oder sonstwas parat habe. Tatsächlich ist für mich Urlaub das absichtliche abstellen von realem und mentalem üben! Das reale üben lässt sich unterbrechen: Hotels und Ferienwohnungen sind nicht gespickt mit Flügeln - das mentale üben/rekapituieren/parathalten hingegen lässt sich, wenn es man vorhanden ist, nicht so leicht abstellen... (und damit meine ich nicht nur so oberflächliches Zeugs wie detaillierte Notentext- und Harmoniekenntnis, sondern vor allem die taktile und bewegungsmäßige Vorstellung)
 
Da hab ich ja nochmal Glück gehabt, dass ich überhaupt eine Taste von der anderen unterscheiden kann :lol:
 
@rolf

Jepp! Es gibt aus der neurologischen Rehabilitation Erkenntnisse, wonach die bloße Bewegungsvorstellung bereits Trainingserfolge zeitigt. Lässt sich messen, ist also wissenschaftlich nachweisbar. :super:
 
Huhn
Ich habe es mal mit mentalen üben versucht aber ich glaube es hat mir nicht wirklich was gebracht, wobei ich sagen muss ich spiele auch erst 2 Jahre.
Ich kann die Stücke zwar auswendig spielen auf er sobald ich keine Tasten unter den Finger habe wissen meine Finger nicht mehr wo sie hin müssen die Melodie habe ich aber im Kopf und und ich könnte jederzeit auf die Stelle in den Noten zeigen.
 
Huhn
Ich habe es mal mit mentalen üben versucht aber ich glaube es hat mir nicht wirklich was gebracht, wobei ich sagen muss ich spiele auch erst 2 Jahre.

Dann warte noch zwei Jahre, und dann klappt es urplötzlich. :idee:

Spaß beiseite: Man muss das üben. Wie alles. Man kann nicht erwarten, dass der Himmel sich auftut und Kompetenz ausgießt.
 
Alles klar @Barratt dann weiss ich wenigsten das ich daran nicht verzweifeln muss oder ich nicht
total blöd bin :lol: Danke
 
Meine Arbeitsweise mit dem "mentalen" Üben sieht seit über einem Jahr so aus, dass ich ein Stück abschnittsweise ohne Klavier auswendig lerne, dabei schon die musikalische Vorstellung und die optimalen Bewegungen entwickle, dann (bei einem 10 min. Stück ca. nach 3 Wochen) erst ans Klavier gehe und noch ein paar Korrekturen, wie Fingersätze etc. vornehme, bevor ich es dann am Klavier fertig ausarbeite.
Ich fahre damit ganz gut, da ich sämtlicher Verspannung durch anfänglicher Unsicherheit / zu hoher Beschäftigungsaufwand wegen Notentext usw. vorbeuge und das ganze Stücke rein harmonisch / theorietisch bzw. nach dem inneren Ohr im Kopf habe, bevor es in den Fingern ist.
Auch das nachträgliche Üben zwischendurch ist dann mental viel leichter und sicherer. Und ja: auch technisch schwere Abläufe lassen sich im Kopf auf Tempo bringen und das völlig ohne Spannungen. Prinzipiell lässt sich alles mental üben, solange man das Körpergefühl und den Klang im Kopf bilden kann.

Das ist natürlich individuell sehr verschieden. Es gibt Berichte von berühmten Pianisten, die eine ganze Zeit lang nur mental geübt haben, da teilweise kein Klavier vorhanden etc. (Hélène Grimaud z.B.)
 
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Sehr interessant!
 
Kennst du zufällig eine spezielle Biographie von Gould, in dem dieser Aspekt näher ausgeführt wird. Das würde mich schon interessieren.

Ich glaube zu dem Thema gibt es lediglich ein Interview (=Monolog, wie es so seine Art war) von Gould, nachzulesen in David Dubal: Reflections from the keyboard. Eine deutsche Fassung davon habe ich, wenn ich mich recht erinnere, mal im Booklet zu Goulds Einspielung von Brahms' Balladen u. a. gelesen. Auf die Vorbereitung zu dieser Aufnahme beziehen sich nämlich Goulds Ausführungen.

Allzu erhellend ist das aber nicht, es geht mehr darum dass er mental geübt hat als wie.

Die Leimer/Gieseking-Methode ist übrigens nicht gleichzusetzen mit der Übeweise von Gieseking. Als Jörg Demus mal einen Meisterkurs bei Gieseking besuchte und sich dafür extra mit L/G beschäftigt hatte merkte er, dass Gieseking von dieser Methode "... nicht den leisesten Schimmer hatte." :-D
 
Hallo,

das Thema ist etwas "eingeschlafen" - aber ich habe eine sehr interessante und hilfreiche Lektüre für alle, die mehr über mentales Üben erfahren wollen. In folgendem Artikel wird die Vorgehensweise detaillierter erläutert.
http://www.klavierunterricht-wolff-..._Mentales_UEben_Clarino_9_2012.pdf?1379278273

Einen der beiden Professoren, die daran forschen, darf ich bald persönlich kennenlernen und werde ihm auf jeden Fall noch ein paar Fragen dazu stellen, falls das nicht den Rahmen der entsprechenden Veranstaltung sprengt. Grundlegende Inhalte aus dem Artikel:

- Bei Musikern werden allein beim Hören von Musik neben den auditorischen Arealen zugleich kortikale Areale atkiviert, die bei Nicht-Musikern beim Hören nicht aktiv werden (sensomotorischer Kortex: Verarbeitung von sensorischen wie zB haptischen Informationen einerseits und motorischen Impulsen andererseits, grob vereinfacht)

- Grundvoraussetzung beim mentalen Üben: Genaue Kenntnis des Werkes. Dabei sollte man es in mehrere, übersichtliche Sequenzen einteilen und deren formalen Aufbau nachvollziehen können (zB: "was passiert hier harmonisch?")

- Hilfreich ist auch das Memorieren des Notentextes via Reflexion; setzt allerdings auch gute musiktheoretische Kenntnisse voraus, um sich keine Einzelinformationen erarbeiten zu müssen, sondern sich "chains" merken zu können, die die Anzahl der Lerninhalte durch Komprimierung stark vermindern. Ich hatte dazu schon mal einen Beitrag verfasst:
"Was natürlich immer hilft beim auswendig lernen, ist, zu versuchen, die musikalische Entwicklung nachzuvollziehen und zu verstehen! Dann werden zB aus 10 Einzelnoten auf einmal 5 große logisch zusammenhängende Gruppen und aus diesen wiederum nur noch zwei usw....also Einzelelemente zusammenzufassen. Dieser Technik bedient man sich auch im Gedächtnistraining (Mnemotechnik), wenn es gilt, sich besonders viele Zahlen zu merken.
Beispiel: 12031967.
Das menschliche Gehirn kann sich normalerweise nur 7 Informationen auf einmal merken. Indem Du aus obiger Zahl etwas machst, das Sinn ergibt, zB: 12.03.1967 (als Datum!) hast Du sieben Einzelinformmationen zu drei komprimiert (Tag-Monat-Jahr). Lässt sich auch auf Noten übertragen, wenn man ein wenig musiktheoretisches Wissen hat."

- Vorstellung verschiedener Aspekte des praktischen Spiels nach dem Prinzip der "rotierenden Aufmerksamkeit"; d.h., pro Durchgang wird anfangs nur auf einen Aspekt in der Vorstellung eingegangen. Bsp: zuerst stelle ich mir den Klang der einzelnen Sequenzen vor, dann die Bewegungen, die ich ausführe, dann die Atmung, die Haptik usw.

- Danach erfolgt die Umsetzung des mental geübten Inhaltes am Instrument; natürlich führt man hier nochmal eine Kontrolle bzw. einen Abgleich von Vorstellungen mit dem tatsächlichen Klang/Bewegungsablauf/etc. durch.
 
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Genau so mache ich es auch beim Auswendiglernen mit den o.g. Gruppierungen. Wenn ich meine Augen schließe und das Bild von der Klaviatur im Kopf habe, kann ich das Stück vollständig spielen.

Das hilft auch, den Klang im Kopf zu erzeugen, am ausgeschalteten u./o. stummen Instrument, oder eine Melodie vom Gehör an den Tasten wiederzugeben.
 
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@Chopinne
Was forschen die denn daran genau und wie, sind die aus Hannover? Diese Punkte die du nennst sind unter Musikern sehr verbreitet, sind aber ja nicht alle zum Auswendiglernen.
 
@Chopinne
Was forschen die denn daran genau und wie, sind die aus Hannover?.

Du siehst im Artikel, wer "die" sind; ich werde mich mit demjenigen Professor (H - C. J.) unterhalten, der in Dresden dafür zuständig ist (wie üblich verzichte ich hier auf namentliche Nennung wg. Google-Recherche). Ich sehe ihn Ende September auf den Dresdner Meisterkursen; der andere, der im Artikel erwähnt wird, stammt aber aus Hannover, genau. Er ist sehr renommiert für seine Arbeiten im Bereich der Hirnforschung und wir haben auch im Medizinstudium immer mal wieder Paper von ihm gelesen - sie waren mir u.a. sehr hilfreich, als ich zur fokalen Dystonie bei Berufsmusikern referiert habe. Und was die beiden im Zusammenhang mit dem Threadthema erforschen, wird auch im Artikel erläutert; es geht darum, was genau im Hirn vonstatten geht, während der Musiker sich das Üben lediglich vorstellt und welche Areale wann und wie stark dabei aktiviert werden. Beispiel:

"Seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erforscht man nun die dem mentalen Üben zugrunde liegenden Mechanismen. Die Erstellung und Speicherung komplexer Fingerbewegungen, die wir für das Instrumentalspiel benötigen, erfolgt in den sogenannten sekundären motorischen Arealen der Hirnrinde. [...] Von großer Bedeutung war dabei die Erkenntnis, dass eine Aktivierung in den Nervenzellen dieser Areale bereits bei der bloßen Vorstellung solch komplexer Fingerbewegungen stattfand. Diese Aktivierung wurde auch beim physischen Üben dieser Bewegungen beobachtet. In der jüngeren Vergangenheit konnte zudem nachgewiesen werden, dass neben den sensomotorischen Arealen eine Vielzahl weiterer Hirnareale ander Planung, Steuerung und Verarbeitung des imaginierten Instrumentalspiels beteiligt sind. [...] Die Vernetzung verschiedener kortikaler Zentren bei Musikern wurde in Studien (zum Beispiel Banger und Altenmüller 2003) belegt.
Dabei zeigten Musiker beim Hören von Tonfolgen neben der zu erwartenden Aktivierung der Hörrinde eine zusätzliche Aktivierung im senso - motorischen Kortex, obwohl keine Bewegung stattfand. Umgekehrt wurden beim Spiel auf dem stummen Klavier nicht nur die sensomotorischen Areale, sondern auch der Hörkortex aktiviert.
Bei Nichtmusikern wurde diese audio-motorische Koaktivierung nicht festgestellt.
Nicht nur die Vorstellung des eigenen Musizierens, auch das Beobachten der Bewegung anderer Musiker beim Spielen, führt bei Instrumentalisten zur Aktivierung der sensomotorischen Areale. Dafür muss der beobachtete Musiker nicht einmal zu hören sein. Oftmals passiert zudem eine unwillkürliche Co-Aktivierung von Arealen. [...]"


Sind ja aber nicht alle zum Auswendiglernen.
Natürlich nicht. Wüsste auch nicht, wo ich das behauptet hätte...:konfus:
Eigenzitat: "[...] ich habe eine sehr interessante und hilfreiche Lektüre für alle, die mehr über mentales Üben erfahren wollen." Das Auswendiglernen erwähne ich als einen (optionalen) Punkt unter vielen: "Hilfreich ist auch das Memorieren des Notentextes via Reflexion [...]".

Viele Grüße :bye:
 
Ich habe ein paar Musikersymposien besucht, wo die obligatorischen Studien gezeigt bzw. erläutert wurden, wie sich die Bewegungsformen eines Profis von einem Laien unterscheiden (besonders sichtbar und natürlich hörbar bei der Geige, gilt aber sicher für alle), wie die Lernkurve bei Wiederholung liegt, wie sie mit Ruhepausen korreligert (langen, kurzen, sehr kurzen usw.)
Sowas sollte als Fach "Üben" ins Studium eingeführt werden. Ich vermute nämlich, dass viele Studenten zu Studienbeginn noch gar nicht wissen, wie man "richtig" übt - je nachdem, wie die Qualität der Vorbildung gewesen ist.
 
Also ohne dass ich mich jetzt zu den Profis dazuzählen kann, möchte ich trotzdem sagen dass auch ich relativ oft mental übe (meistens bei Langeweile) wobei ich dann in meinem Kopf das jeweilige Stück abspiele und dazu die Klaviatur vor mir habe, auf der ich dann "spiele". Aber ich mache das nicht wirklich bewusst 10 mal am Tag oder so ;). Sondern einfach zwischendurch wenn es sich mal ergibt oder ich kein Klavier zur Verfügung habe.
 
Sowas sollte als Fach "Üben" ins Studium eingeführt werden. Ich vermute nämlich, dass viele Studenten zu Studienbeginn noch gar nicht wissen, wie man "richtig" übt - je nachdem, wie die Qualität der Vorbildung gewesen ist.

Das gilt eigentlich für alle Studiengänge und streng genommen auch für die Schule. Überall soll gelernt werden, aber niemand lehrt dort, zu lernen.
 
Das weiß ich leider jetzt nicht mehr... aber man kann sicher in Hannover nachfragen, dort forschen die ja zu den Themen. Bestimmt haben sie die Studien bzw. können verweisen.
 
Hallo Peter,

Wenn ich ein Stück einübe (was unglaublich selten vorkommt) dann übe ich auch automatisch mental bei allen möglichen Gelegenheiten. Selbst andere Fingersätze im Kopf zu probieren geht.
Komischerweise geht das bei mir nicht nach Noten. Ich habe nie ein Notenbild im Kopf. Ich muss das Stück oder die Stelle schon auswendig können (im Sinne von wann welcher Ton).

Dieser Hinweis von Dir geht eventuell in meine Überlegung / Forumsthema: 'Tastengucken' zum Auswendig lernen.
Welches Bild hast du im Kopf gespeichert?

Etwa deine Finger über Tasten?

Einfache Melodien kann ich nach Gehör spielen, auch mehrstimmig, aber für Jazz wie von McKenzie reicht meine Musikalität einfach (noch) nicht aus.
 

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