Kritische Überlegungen zu Klavierwettbewerben für junge Pianisten

Gefallener ist einfach nur neidisch, weil er nicht so gut spielen kann, wie er möchte. Sein Neid ist ihm peinlich, deshalb kleidet er ihn in „Systemkritik“.
 
Diesen Faden finde ich sehr interessant und die Beiträge förderlich, meine eigene, leider sehr negative Einstellung zu Wettbewerben, ja sogar Vorspielsituationen einer Prüfung zu unterziehen.
 
Ich habe nicht alles durchgelesen, aber so manche Begründung von Kritik an Wettbewerben ganz allgemein kann ich nicht nachvollziehen.
Kindern wird von manchen Kritikern offenbar gar nix zugetraut.
Sich über Erfolge freuen und sich über Misserfolge ärgern (und auch weinen), sich mit anderen Kindern messen, an Druck wachsen oder daran scheitern.... das alles gehört zu einem gesunden Kindsein dazu und passiert ständig in allen Lebenslagen.

Ich habe als Kind für Wettbewerbe gebrannt, inkl. aller positiven und negativen Konsequenzen, und ich bin mir sicher, dass es den meisten Kindern so geht. Dass einem wegen eines Wettbewerbs der Spaß an der Musik flöten geht, kann ich mir kaum vorstellen. Wenn, dann passiert das schon vorher. Ein Wettbewerb ist lediglich ein Anlass, bei dem so etwas sichtbar wird.
Ich muss mir die Frage stellen, was ich ihm „zumuten“ kann
Evtl. musst Du die Frage nicht Dir, sondern Deinem Sohn stellen. In der Regel kommunizieren Kinder sehr deutlich, wenn ihnen was missfällt.
 
Sich über Erfolge freuen und sich über Misserfolge ärgern (und auch weinen), sich mit anderen Kindern messen, an Druck wachsen oder daran scheitern.... das alles gehört zu einem gesunden Kindsein dazu und passiert ständig in allen Lebenslagen
Absolut!

Ich habe als Kind für Wettbewerbe gebrannt, inkl. aller positiven und negativen Konsequenzen, und ich bin mir sicher, dass es den meisten Kindern so geht. Dass einem wegen eines Wettbewerbs der Spaß an der Musik flöten geht, kann ich mir kaum vorstellen. Wenn, dann passiert das schon vorher. Ein Wettbewerb ist lediglich ein Anlass, bei dem so etwas sichtbar wird.

Geht mir genauso. Ich wollte Turniere reiten um jeden Preis. Aber meinst du nicht dass Preisgelder in der Höhe für kleine Kinder ein Katalysator sein können, falsche Intentionen zu provozieren die wie du sagst „im Rahmen eines Wettbewerbs erst sichtbar werden“?

Ich frag es provokativ: muss ein Kind, dem der Raum gegeben wird sich entsprechend seiner Neigung zu entwickeln, dafür entlohnt werden? Muss man Eltern entlohnen wenn sie sich zeitlich und finanziell für die Entwicklung ihrer Kinder einsetzen?

Ist es (aufgrund teurer musikalischer Ausbildung und schwindender Förderung) nicht sinnvoller Geldmittel für einen gleichberechtigten Zugang zu Wettbewerben zu verwenden, der auch Einkommensschwache inkludiert? Unter denen gibt es auch genug talentierte, die aber vielleicht ohne Reisekostenzuschuss nie dabei sein könnten.

Ich finde Wettbewerb überhaupt nicht schlimm. Und man muss ein Kind vor Wettbewerb auch nicht schützen, die konkurrieren von ganz allein untereinander. Aber ich finde man muss es durch entsprechende Rahmenbedingungen schützen die schadhafte Intentionen durch Eltern/ Lehrer vorbeugen. Wenn man sich vornimmt etwas besser zu machen, als das was man ablehnt, den Fokus ja darauf länger gelegt hat, dann wäre doch jede Überlegung dazu zumindest einen Gedanken wert.
 
Allgemein sind Preisgelder natürlich auch ein Anreiz den Wettbewerb für Teilnehmer attraktiv zu machen. Ist im Reitsport nichts anderes. Wenn man gut Preisgeld ausschreibt, braucht man sich wenig Sorgen über niedrige Teilnehmerzahlen zu machen, die die Kosten nicht decken. Im Prinzip sinnvoll wenn der Wettbewerb noch keine Prestige hat, wo die blanke Teilnahme schon eine Auszeichnung ist.

Aber das bedeutet im Umkehrschluss, dass der finanzielle Aspekt ein Anreiz für die Teilnahme ist. Und da finde ich ist das Alter vieler Kinder einfach „zu jung“ für so eine Motivation.
 
Aber als Vater eines Sohnes, der gerade mit dem Klavierspiel begonnen hat und der jetzt das Alter erreicht, in dem Angebote für die ersten Wettbewerbe gemacht werden, denke ich viel kritischer darüber. Ich muss mir die Frage stellen, was ich ihm „zumuten“ kann, inwieweit ich seine Freude am Klavierspiel nun einem Juryvoting aussetze.
In Deutschland gibt es - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ! - für niemanden die Pflicht an einem Wettbewerb oder Prüfungen teilzunehmen. Nicht einmal in den staatlichen Musikschulen.
Über das durchschnittliche Niveau an deutschen Musikschulen hat @chiarina schon das Richtige gesagt.
Ich persönlich halte Wettbewerbe für Kinder unter 8 bis 10 Jahren auch für problematisch, die Gründe sind teilweise hier schon genannt worden.
Andererseits sind Schulkinder durchaus daran gewöhnt, dass ihre Leistungen durch Benotung (hoffentlich nach Qualität!) eingeordnet werden
Ein weiterer Grund ist die Anbindung von Förderung an Erfolge. Beispielsweise:
2 8-jährige, etwa gleich weit fortgeschritten, nehmen an JuMu teil, A spielt gut bekommt 24 Punkte, B stolpert an 2 Stellen, kriegt es nicht mehr auf die Reihe, geht weinend von der Bühne. A wird weiter gefördert, gewinnt weitere Wettbewerbe, B ist frustriert bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück und gibt das Klavierspiel auf oder bleibt ein Hobby-Pianist mit Hemmungen auf der Bühne, wenn er sich mal aus der Deckung wagt. Wer ist der Sieger? Braucht es einen Sieger? Ich finde, dass A und B in diesem platten Beispiel gute Chancen haben
A ein Scheißleben (mit oder ohne Klavier)
oder
B ein glückliches Leben (mit oder ohne Klavier)
zu haben und alles dazwischen.
Lässt sich daran durch Abschaffung, Änderung oder Vermehrung von Kinder- und Jugendwettbewerben etwas ändern? Wohl eher nicht!
Was will ich sagen: zu frühe Selektion ist immer problematisch und das Leben im Allgemeinen und insbesondere ein erfolgreiches und glückliches Leben hängen in einem großen Ausmaße von Zufällen (angefangen von der 'Auswahl der Eltern und dem Ort der Geburt) ab, gegen die wir uns nicht wappnen können.
Als jemand, der erst mit 11 Jahren überhaupt begonnen hat ein Instrument zu erlernen und eher vorsichrig bremsende Eltern hatte, als das Klavier für mich sehr wichtig wurde, bin ich dem 8-jährigen Wunderkind, das schon den ersten Band des WtC auswendig drauf hat, gegenüber fassungslos verwundert und dennoch weitestgehend gleichgültig.
Ein kluger Mann meinte mal: bei Künstlern zählt nichts, was sie vor ihrem 18 Lebensjahr gemacht haben. Vielleicht hat er recht??
 
Interessant wäre, nachzuverfolgen, was aus den jeweiligen Teilnehmer- und Preisträgerkids wird. Gibt es dazu schon Erkenntnisse?

Werden die anschließend international erfolgreiche Pianisten?
Oder hören sie irgendwann mit dem Klavierspielen auf und melden sich 20 Jahre später als "erwachsene Wiedereinsteiger" hier im Forum an?
Oder irgendwas dazwischen?

Auch wäre interessant zu erfahren, wie Teilnehmer viele Jahre später rückwirkend ihre Teilnahme bei solchen Wettbewerben sehen. War es das Sprungbrett in eine fabelhafte Karriere? Wurde es wie eine Art Sportevent (Bundesjugendspiele, Handballturnier ...) empfunden? Was nehmen die Teilnehmer persönlich für sich und fürs Leben daraus mit?

Die Sache mit den Preisgeldern sehe ich eher entspannt. Dafür können sich die Eltern ein paar zusätzliche Klavierstunden bei Prof. x leisten. Oder einen neuen, quietschfreien Klavierhocker.
 
gibt es das wirklich? Weinen wegen Patzern beim Klavierspiel? Puh.

und eher vorsichrig bremsende Eltern hatte
am besten sind Eltern, die von Klavier keine Ahnung haben und die gar keine Zeit haben, sich damit zu beschäftigen. Dann hat man als Kind maximale Freiheit :-) (eigene Erfahrung).
 
Ich habe mal eine Gitarren-AG geleitet. Im Zeugnis der Schüler stand nur „teilgenommen“. Die Schüler (und zwar alle) fanden das nicht gut. Sie wollten wissen, was ich ihnen jeweils als Schulnote geben würde. Messbare Vergleichbarkeit liegt also, wie hier ja auch schon geschrieben wurde, im Interesse von Kindern und Jugendlichen.

Ein wichtiger Aspekt ist hier jedoch noch gar nicht genannt worden, nämlich die Entwicklungsmöglichkeit, die im Rahmen von Wettbewerben thematisiert werden sollte. Das ist ein Aspekt, der auch in der Schule und im Berufsleben eine wichtige Rolle spielt. Wenn Wettbewerbe dazu führen, dass die Bewertung als unumstößliches Urteil über die musikalische Leistung oder sogar über die Musikerpersönlichkeit empfunden wird, ist das problematisch. Wenn jedoch nicht der Leistungsstand vorrangig betrachtet wird, sondern Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden, können Wettbewerbe sehr förderlich sein, denn Kinder und Jugendliche sind sich entwickelnde Wesen.
 
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gibt es das wirklich? Weinen wegen Patzern beim Klavierspiel?
In dem Alter gibt es noch Weinen aus allen möglichen Gründen.
Und auch bei einem Klassenabend von Studenten (also frühe 20er) habe ich schon Tränen erlebt. Allerdings erst, nachdem sie von der Bühne heruntergekommen ist. Campanella verhaut wegen deutlich zu wenig Vorbereitungszeit. Das war nicht einmal ein Wettbewerb.

Grundsätzlich finde ich, dass man Wettbewerb ja/nein nicht so einfach beantworten kann. Das hängt von der Persönlichkeit des Kindes ab, und noch viel mehr vom Coaching. Mit welcher Einstellung gehen Lehrer und Eltern hin, wie geht man mit Misserfolgen um, ...
 
In dem Alter gibt es noch Weinen aus allen möglichen Gründen.
Und auch bei einem Klassenabend von Studenten (also frühe 20er) habe ich schon Tränen erlebt.
Krass. Beim Klassenabend, wenn die Leute schon studieren und den angestrebten Beruf (und das mögliche Scheitern der Abschlussprüfung) vor Augen haben, ist das nachvollziehbar.
Bei den Kids zeigt das, dass ihnen sehr viel an einem fehlerfreien Auftritt liegt. Ich kann da aber im Grunde gar nicht mitreden. War noch nie bei einem Kinder- oder Jugend-Klavierwettbewerb dabei, auch nicht als Zuschauer.

Da habe ich noch eine nette Anekdote: Wegen eines Umzugs musste ich die Schule wechseln. Sehr nette Klasse, super Mitschüler, alles gut. fast 30 Jahre später gesteht mir eine damalige Schulfreundin, dass sie es als bedrohlich empfunden hätte, dass ich damals (in ihren Augen) "so gut" Klavier gespielt hätte. Ich selbst habe mein Spiel nie in solchen Kategorien eingeordnet, und überdies hatte ich damals nur noch selten gespielt. Die Schulfreundin war damals schon sehr lange in einer sehr kompetitiven Sportart aktiv und übertrug anscheinend dieses Wettbewerbsdenken aufs Klavier. Für mich war das so befremdlich. Ich hätte nie das Spiel eines anderen als bedrohlich oder kompetitiv empfunden. Im Gegenteil. Wie super, dass jemand toll spielt. Lass uns zusammen vierhändig spielen :-), lass uns zusammen Kammermusik machen :-). Ein falsch verstandener Wettbewerbsgedanke in der Musik macht einiges kaputt, daher bin ich da sehr vorsichtig.
 
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Interessant wäre, nachzuverfolgen, was aus den jeweiligen Teilnehmer- und Preisträgerkids wird. Gibt es dazu schon Erkenntnisse?
Die meisten werden glückliche Menschen, die in ihren nicht-musikalischen Berufen erfolgreich sind. Warum? Weil sie in jungen Jahren etwas Wichtiges gelernt, erfahren und verinnerlicht haben: daß es sich lohnt, Ausdauer, Anstrengung und Leidenschaft für eine Sache aufzubringen. Und das nicht alle auf der obersten Stufe des Siegertreppchens stehen können. Natürlich ist es prickelnd, gewonnen zu haben. Aber für Sportler wie für Musiker ist der Adrenalinschub des Dabeigewesenseins weitaus wichtiger. Und die Tränen nach dem Wettkampf? Die beobachtet man bei den Verlierern ebenso wie bei den Siegern. Sie sind sichtbares Zeichen der Entspannung, der Ruhe nach dem Sturm.

Es ist wichtig, daß man sich Gedanken darüber macht, wie Wettkämpfe und Wettbewerbe aussehen sollten. Nur: Packt die Kinder nicht in Watte, sondern bildet sie zu lebenstüchtigen Menschen heran, die nicht an jedem noch so kleinen Mißgeschick zerbrechen (nach dem Clavio-Motto: „Was mich heute unglücklich gemacht hat“).
 
Meine Erfahrung mit solchen Wettbewerben ist, dass nicht die Kinder, nicht die Jury, sondern die Eltern das Problem sind.
Als ich das Programmheft durchgeblättert habe, wurde mir schon etwas anders. Sehr viele ostasiatische und russische andere oder osteuropäische Namen. Wie solche Eltern drauf sind, weiß ich nur zu gut. Und auch deutschstämmige Eltern habe ich schon erlebt, wie sie über die Jury hergezogen haben und welche Beziehungen doch immer eine Rolle spielen und das eigene Kind sei ja viel besser als xy.
Die Kinder sind da viel unschuldiger, die möchten einfach vorspielen.
Ich finde, Eltern dürften bei solchen Wettbewerben nicht teilnehmen...
Musik verträgt Strenge beim Üben, nicht im Konzert. Da muss die Stimmung zwanglos sein.
Wettbewerbe sind Konzerte mit Strenge.
 
Die meisten werden glückliche Menschen, die in ihren nicht-musikalischen Berufen erfolgreich sind. Warum? Weil sie in jungen Jahren etwas Wichtiges gelernt, erfahren und verinnerlicht haben: daß es sich lohnt, Ausdauer, Anstrengung und Leidenschaft für eine Sache aufzubringen.
Das wäre SEHR zu hoffen ... .
In vielen mir bekannten Fällen ist es auch so!
 
Die meisten werden glückliche Menschen, die in ihren nicht-musikalischen Berufen erfolgreich sind. Warum? Weil sie in jungen Jahren etwas Wichtiges gelernt, erfahren und verinnerlicht haben: daß es sich lohnt, Ausdauer, Anstrengung und Leidenschaft für eine Sache aufzubringen. Und das nicht alle auf der obersten Stufe des Siegertreppchens stehen können.
Mir fallen sofort zwei Beispiele aus der Gegend ein, wo es genau so war. (Individualempirie, ich weiß.)
Beide Bundespreisträger bei Jumu mit ihrem Instrument (nicht Klavier).
Beide erfolgreich in ihrem Beruf, der absolut nichts mit Musik zu tun hat.
Ob sie ihr Instrument wieder hervorziehen, wenn sie Kinder haben bzw. die Kinder Musik machen möchten?
Zumindest in einem Fall werde ich es vermutlich verfolgen können.
 
Das mit den Geldpreisen gefaellt mir irgendwie nicht. Dass bei Wettbewerben die ersten drei Plaetze besonders geehrt werden, ist in Ordnung, das ist in jeglicher Disziplin Usus. Aber Geld bei einem Klavierwettbewerb? Kann ein Kind die Wertigkeit eines Geldpreises schaetzen? Ein Jugendlicher schon eher, aber ein Kind?

Geldpreise finde ich gut, denn damit werden die Übernachtungs- und Anfahrtskosten kompensiert. Die, die keine Preise gewinnen, bekommen Notengutscheine von Bärenreiter.
Stehen direkt unter den von Jeremias verlinkten Geldpreisen, die ich deswegen für wichtig finde, weil sonst nur reiche Familien mitmachen können und/oder nur zum Wettbewerbsauftritt an-, danach abreisen.

Soll der Geldpreis also u.a. einen Anreiz zur Teilnahme darstellen? Wenn ja, dann muss das Kind, der Jugendliche unbedingt unter die ersten drei kommen ... besser noch auf Platz 1, da ist der Betrag am hoechsten.
 

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