Kohlefaser

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Ambros_Langleb

Ambros_Langleb

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19. Okt. 2009
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Ich ziehe gerade die Veranstaltungsübersicht von Steingräber aus der Post und lese darin, daß die Fa. einen Flügel mit "Kohlefaser-Resonanzboden" (den baut sie offenbar schon seit 2008 ) und "Kohlefaser-Mechanik" auf der Messe in Frankfurt ausstellen wird.

Worum geht es da? Verbesserung des Klangs oder "nur" Resistenz gegen Feuchtigkeitsschwankungen und Rißbildungen? Und gibt es bei der Mechanik einen substantiellen Unterschied gegenüber den Kunststoffmechaniken, die die Japaner seit Jahr und Tag bauen?

Hat jemand von euch schon mal auf einem solchen Flügel gespielt?

Friedrich
 
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...ich waage eine Prognose: Es wird wie beim Fliegenrutenbau werden.

High-Tech-Kohlefaserruten werfen weiter, sind leichter, angeblich pflegeleicht und witterungsbeständig ... - aber irgendwann gibts eine mikroskopische Beschädigung, die niemand bemerkt. Dann - Monate oder Jahre später - zerreisst es das 1000,- Euro-Ding förmlich. Reparatur unmöglich.

Kunstvoll gespleisste Bambusruten, nach jahrhundertealter Entwicklung von Meistern mit Liebe gefertigt, werfen nicht so weit, brauchen etwas Liebe, sind aber nahezu unzerstörbar und können repariert werden. Außerdem - und das ist das Wichtigste: SIE HABEN SEELE UND EINEN EIGENEN CHARAKTER.

Einen Kohlefaserflügel möchte ich nicht geschenkt. Praktisch, klanglich bestimmt toll und sicher relativ witterungresistent. Aber dafür: Tot. Mausetot.
 
Das ist der Phoenix, den hatten die letztes Jahr auch schon auf der Messe. Ich hab ihn angespielt, aber dem dem ganzen Trubel dort hat man eh keine Chance den Klang zu beurteilen. Aber sehr interessant. Auch diese Stegagraffen (oder wie die sich nennen) oder zusätzlich zur Verschiebung eine Verringerung der Steighöhe durch Pedal. Obwohl, das hätten die sich auch sparen können, das hat ja auch beim Klavier keinen hörbaren Effekt ;)
 
Das ist der Phoenix, den hatten die letztes Jahr auch schon auf der Messe.

Neben dem führen sie auch noch einen "C-212 N" mit Kohlefaserresonanzboden auf.

Auch diese Stegagraffen (oder wie die sich nennen)

Den Begriff hatte ich noch nie gehört. Im Steingräber-Prospekt (www.steingraeber.de/files/pdf/Phoenix.pdf)
steht der unten zitierte Text, aus dem mir persönlich aber der Vorteil der
Konstruktion nicht ganz klar wird. Vielleicht hast Du Lust, das für
Bigdummies in zwei Sätzen auszudeutschen?

Dank und Gruß,

Friedrich

"Der klassische Klavierklang speist sich aus vertikalen und
horizontalen Schwingungen – erstere entstehen durch den Anschlag,
letztere durch die Befestigung der Saiten, diese werden - jeweils, von
einem Stegstiftpaar - abgewinkelt niedergedrückt; dadurch wird die
bekannte Obertonstruktur definiert. Der Gedanke, sich allein auf die
dynamisch durchschlagenden vertikalen Schwingungen zu konzentrieren
entstand aus einer Lust am Purismus im frühen 20. Jahrhundert. Zu
verlässlichen, dauerhaften Lösungen führten entsprechende Versuche
jedoch bei keinem der anerkannten Flügel-fabrikate.

Der englische Ingenieur Richard Dain stellte sein Prinzip der Stegagraffen im Jahre 2006 der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne, Bayreuth vor. Dort
entwickelte man den Aufbau der akustischen Anlage eines Flügel weiter
und schuf die Voraussetzung für einen zuverlässigen und dauerhaften
Einbau der "fremden Metallteile" in einen klassischen Steingraeber &
Söhne Flügel. Nach Messungen von Richard Dain erhöht sich die
Energie-ausbeute in Mittellage und Diskant um 50 % auf nunmehr 6 %.
Dies macht sich hauptsächlich durch eine deutlich längere
Ausschwingzeit bemerkbar. Innerhalb der Stegagraffen kombinieren sich
Zug- und Druck-kräfte zwischen zwei Auflagesilien und einer mittleren
Druckrolle. Dieses System erfordert eine Möglichkeit zur Justierung
der inneren Balance jeder einzelnen Agraffe. Dafür wurden neuartige
einstellbare Anhangstifte entwickelt, mit deren Hilfe der Auflagedruck
auf den Steg im 1/100mm-Bereich eingestellt werden kann. Im
Endergebnis kann der Resonanz-boden vom Saitendruck weitgehend
entlastet werden, was die dynamische Ausbeute weiter erhöht. Der
E-272-Phoenix erreicht damit ein deutlich verändertes, helleres
Obertonspektrum, Klarheit und mehr Lautstärke. "
 
Auf der Messe 2007 war auf dem Wendl & Lung Stand der 218 cm Flügel von Paulello zu sehen, der hatte auch sowas. Erstaunliches Sustain und eine unverschämt gute Stimmhaltung.
 
Hallo,

Nicht, dass ich ein furchtbar altmodischer Mensch wäre, eher das Gegenteil schätze ich, aber ich stehe den jüngeren Entwicklungen im Klavierbau äußerst skeptisch gegenüber. Vielleicht trifft es zu, was fisherman über Kohlefaser sagte und der Resonanzboden zerbröselt nach ein paar Jahren, vielleicht auch nicht. Von Kohlefaser verstehe ich ich als Klaviermacher genauso viel wie ein Bäcker von Zement für den Dammbau.

Freund und Kollege Wayne Stuart war 1980 maßgeblich und gleichzeitig unwissentlich daran beteiligt, dass ich mich persönlich aus dem Bereich zurück zog, ein kleines Rädchen der Konzertflügelproduktion zu bleiben, was in Folge zu jahrelangem forschen und lernen führte, warum die Ahnen so gebaut haben wie sie es taten und ich mich auf Reparaturen von "Pianoforti aller Coleurs" spezialisierte. In wiefern der Einfluss auf Gegenseitigkeit beruhte kann ich nicht beurteilen.

Erschreckend ist für mich, was schon alles verschwunden ist. Diese teils uralten Dinge zusammen genommen, kombiniert und wieder belebt würden ein Instrument entstehen lassen, dass mindestens 500 Jahre lebt und so fantastisch spielt und klingt, dass jedem humanoiden Lebewesen die Gänsehaut für immer stehen bleibt. :D

LG
Michael
 
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Hi Micha, das "Zerbröseln" war gar nicht mein Hauptpunkt, sondern das fehlende Leben, die beliebige Reproduzierbarkeit, die mangelnde Reparaturmöglichkeit. Wobei Punkt 1 für mich der alles entscheidende ist.
 
Erschreckend ist für mich, was schon alles verschwunden ist. Diese teils uralten Dinge zusammen genommen, kombiniert und wieder belebt würden ein Instrument entstehen lassen, dass mindestens 500 Jahre lebt und so fantastisch spielt und klingt, dass jedem humanoiden Lebewesen die Gänsehaut für immer stehen bleibt. :D


Hallo Michael,

hast Du schon einmal KONKRET daran gedacht oder versucht, dieses/Dein Wissen zusammen mit einem geeigneten Klavierhersteller (dem es zumindest so gut geht, dass er auch noch ein wenig Geld in Forschung/Entwicklung/Werbung stecken kann) in die Praxis umzusetzten??

LG, gubu
 
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Oh Gott, da muss man ja bald einen Blüthner kaufen. Dann nimm mich bitte mit ins Boot, Michael, damit das Design auch so schön wird wie der Klang ...:D:D

Klasse Idee von Gubu!
 

Es wäre zur Rettung des alten Wissens sicher ebenso gut und wichtig, wenn man das so weit möglich aufschreiben würde. Beschreibungen, Zeichnungen, Anweisungen für Arbeitsabläufe usw.
Das Klavierbau-Kompedium schlechthin sozusagen.
Samt Hinweisen darauf, wie man es besser nicht machen sollte, also wo Fehlerquellen liegen, ungeeignetes Material usw.
Dazu einzelne Werkstücke, Bauteile, die als Muster dienen können, an denen man das studieren kann.
Es ist wirklich ein Jammer, was alles verloren geht.
 

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