Klavierunterricht ohne Theorie ?

  • Ersteller des Themas rico1992
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Ich empfehle zur Weihnachtszeit die Lektüre des Märchens "Rumpelstilzchen"! Die Quintessenz daraus (das eigentlich Interessante): Wenn ich dem Ungeheuer einen Namen geben kann, verliert es seinen Schrecken, wird es beherrschbar.

Ein ähnlicher Gedanke findet sich auch (da gerade Weihnachten ist) in der Schöpfungsgeschichte: Der Mensch macht sich die Erde untertan, indem er, von Gott angewiesen, jedem Lebewesen einen Namen gibt.

Letztlich ist Musiktheorie (oder wie man es nennen möchte) nichts anderes. - Und weil's so schön ist, noch ein Zitat:

Musicorum et cantorum magna est distantia.
Isti dicunt, illi sciunt, quae componit musica.
Nam qui facit, quod non sapit, definitur bestia.
(Guido von Arezzo, 992-1050)

Der Unterschied zwischen Musicus* und Cantor* ist groß.
Diese (die Cantores) geben lediglich wieder, jene (die Musici) verstehen, was die Musik zusammenstellt.
Denn wer etwas macht, was er nicht weiß, wird als Tier bezeichnet.

* Die Übersetzung von musicus und cantor in der Wikipedia als "Musiktheoretiker" und "Sänger" greift zu kurz. Musicus ist der Musiker, der um die Zusammenhänge weiß und umfassend gebildet ist, cantor ist derjenige, der halt nur ("ein bißchen") Musik machen will ...​
 
Die Trennung von Theorie und Praxis halte ich für schädlich. Praxis ist angewandte Theorie und umgekehrt. Obendrein womöglich auch noch die "Gehörbildung" davon abzuspalten, ebenso fatal. Alle Aspekte sollten beim Musiklernenden und-lehrenden ineinander greifen. Man hört letztlich nur, was man weiß. Und das gilt für jede Ausbildungsstufe.
Theorie heißt wörtlich Anschauung; ohne die ist man blind.
Theorie hat oft noch den Ruf, langweilig und trocken zu sein, woran die Lehrer nicht ganz unschuldig sind.Es kommt nicht darauf an, Theorie als Baukasten zu verstehen, wo irgendwelche Teile zusammengefügt werden, sodass die Statik irgendwie stimmt. Auf- und anregend wird die Geschichte, wenn man erfassen kann, welche Besonderheiten das jeweilige Werk so besonders und einzigartig machen.
Ich erinnere mich an eine Harmonielehrestunde, wo Diether de la Motte einer Gesangsstudentin mit Engelsgeduld die Geheimnisse des Tonsatzes erklären wollte und sich den trotzigen Kommentar anhören musste. " Ach was, das brauche ich doch gar nicht !" Die Dame hatte nichts verstanden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Theorie ist also angewandte Paxis, soso.....
 
In der Musik zumindest praxisbezogen.
 
Ich erinnere mich an eine Harmonielehrestunde, wo Diether de la Motte einer Gesangsstudentin mit Engelsgeduld die Geheimnisse des Tonsatzes erklären wollte und sich den trotzigen Kommentar anhören musste. " Ach was, das brauche ich doch gar nicht !" Die Dame hatte nichts verstanden.
Solche Gesangsstudent(inn)en gibt es sicherlich an allen Musikhochschulen. Eine Vertreterin dieser Spezies gab bei uns seinerzeit im Kontrapunkt-Seminar dem Kursleiter unmissverständlich zu verstehen, man möge sie mit diesem Theorie-Sch*** verschonen, sie wolle schließlich singen. Andererseits betonten andere Mitstudierende angesichts dieser Klischees bei verschiedenen Gelegenheiten, sie seien ganz sicher keine typischen Sänger - vor allem, wenn man mal wieder etwas aus dem reichen Fundus von Sängerwitzen zum besten gab. Beispiel: Was ist der Unterschied zwischen einer Sängerin und einer Kuh? Erstere hat eine Gehirnwindung mehr. Und warum? Damit sie nicht auf die Bühne sch***t...!

LG von Rheinkultur
 
Theorie hat oft noch den Ruf, langweilig und trocken zu sein, woran die Lehrer nicht ganz unschuldig sind.Es kommt nicht darauf an, Theorie als Baukasten zu verstehen, wo irgendwelche Teile zusammengefügt werden, sodass die Statik irgendwie stimmt. Auf- und anregend wird die Geschichte, wenn man erfassen kann, welche Besonderheiten das jeweilige Werk so besonders und einzigartig machen.
Ich erinnere mich an eine Harmonielehrestunde, wo Diether de la Motte einer Gesangsstudentin mit Engelsgeduld die Geheimnisse des Tonsatzes erklären wollte und sich den trotzigen Kommentar anhören musste. " Ach was, das brauche ich doch gar nicht !" Die Dame hatte nichts verstanden.
Prof. Diether de la Motte durfte ich selbst als Vermittler musiktheoretischer Inhalte in Aktion erleben: Trocken und verstaubt kam da absolut nichts herüber - und gerade seine Publikationen mit dem Untertitel "ein Arbeitsbuch" machen den theoretischen Überbau analysierter Werke lebendig. Da wurde nicht einfach in schulmeisterlicher Gestalt ein Regelwerk abgearbeitet, sondern vorrangig stilistisches Bewusstsein vermittelt, aus dem heraus sich die Komponisten ja letztlich schöpferisch artikulieren - und nicht aus dem Bedürfnis heraus, beispielsweise die Vermeidung parallel geführter Primen, Quinten und Oktaven zu dokumentieren. Eine solche Satzweise kennzeichnete als Parallelorganum ein Klangbild, das im Zeitalter des Hoch- und Spätbarock als unzeitgemäß und uncharakteristisch angesehen wurde. Deshalb erfolgten solche Parallelführungen von Stimmen nur in einem ganz bestimmten Kontext. Entsprechende Kontexte zu verstehen ist Grundlage einer interpretatorischen Auffassung - diesbezüglich kann es die erwähnte Gesangsstudentin unter professionellen Bedingungen nicht allzu weit gebracht haben. Wer ernst genommen werden möchte, möge einen vorliegenden musikalischen Kontext aus fremder Feder seinerseits ernst nehmen und mit Verständnis durchdringen. Dazu muss man nicht selbst komponieren wollen.

LG von Rheinkultur
 
Und da dachte ich Laie doch, eine Sängerin zeichnet insbesondere eine ausgezeichnete Stimme und Empathie in das Werk aus. Alle anderen Spezifikationen muss der Dirigent des zu interpretierenden Werkes herausarbeiten und in Diskussion mit der Sängerin erarbeiten, Wobei wir uns einig sind, dass werkgetreue Aufführungen keinen Markt haben, allenfalls vertrocknete Musikwissenschaftler mögen an so was Freude findenl. Noch immer gilt, die Sängerin muss super singen und den Geschmacksnerv der Zeit treffen, in dem sich die Zuhörer befinden.

Und im Übrigen finde ich Verblödungswitze von angeblich dummen Sängerinnen einfach daneben. Sängerinnen werden so gut wie ausschließlich wegen ihrer Stimme berühmt, nicht wegen ihres theoretischen Wissens, insbesondere da klassische Sängerinnen so gut wie gar nicht Werke ohne Dirigenten aufführen.
 
Und im Übrigen finde ich Verblödungswitze von angeblich dummen Sängerinnen einfach daneben. Sängerinnen werden so gut wie ausschließlich wegen ihrer Stimme berühmt, nicht wegen ihres theoretischen Wissens, insbesondere da klassische Sängerinnen so gut wie gar nicht Werke ohne Dirigenten aufführen.
auf den Wunschzettel für das nächste Weihnachtsfest könntest du die Autobiografie von Birgit Nilsson notieren, da stehen sehr ...hm... empirische Sachen über Sängerinnen...
(nb. die Nilsson war eine von denen, und was für eine!) ;-):-)
 
Sängerinnen werden so gut wie ausschließlich wegen ihrer Stimme berühmt, nicht wegen ihres theoretischen Wissens, insbesondere da klassische Sängerinnen so gut wie gar nicht Werke ohne Dirigenten aufführen.
Da würden vermutlich auch die mir persönlich bekannten Sängerinnen sofort widersprechen. Wer beispielsweise auf der Opernbühne einen bestimmten Charakter verkörpert, pflegt sich durchaus mit der Frage zu befassen, wie dieser Charakter musikalisiert wird, zumal die Instrumentalisten über weite Strecken begleitend und unterstützend agieren. Für konzertante Aufgaben gilt Vergleichbares - da begegnen sich Kapellmeister und Solisten in der Regel auf Augenhöhe. Dumme Sängerinnen gibt es nach meinen Beobachtungen nur in den vielerorts kursierenden Witzen - nicht aber in der professionellen Praxis, in der unsere Gesangssolist(inn)en sehr klare Vorstellungen von den Inhalten haben, die sie durch ihre Interpretation vermitteln möchten. Im Engagement befindliche Solistinnen oder erfahrene Gesangspädagoginnen würden es sich strikt verbitten, dass ihnen ein Kapellmeister das Denken und Wissen abnehmen wollte. Die deftigsten Sängerwitze kenne ich übrigens aus der Theaterpraxis - warum wohl?

In den vergangenen Jahren ist unter Männergesangvereinen (in denen in der Regel Laiensänger als aktive Mitglieder vertreten sind) eine parodistische Nummer unter dem Titel "Wir sind die alten Säcke" populär geworden. Wenn sich in einem durch Mitgliederschwund und Überalterung bedrohten Verein Widerspruch regt, kann man als Chorleiter ein wirkungsvolles Argument bemühen in der Gestalt einer Gegenfrage: "Glaubt Ihr, dass ich diesen Satz mit Euch singen würde, wenn Ihr wirklich alte Säcke wärt?". Eben - das Stück will gekonnt vorgetragen werden, dann stellt sich der gewünschte Erfolg beim Publikum ein. Mehr als einmal habe ich Chorkonzerte erlebt, bei dem das Publikum brüllte vor Begeisterung - während der Chor zeitnah beweisen konnte, dass er auch einen klassischen Chorsatz sauber und klangschön vorzutragen imstande ist.

LG von Rheinkultur
 
Und da dachte ich Laie doch, eine Sängerin zeichnet insbesondere eine ausgezeichnete Stimme und Empathie in das Werk aus. Alle anderen Spezifikationen muss der Dirigent des zu interpretierenden Werkes herausarbeiten und in Diskussion mit der Sängerin erarbeiten, Wobei wir uns einig sind, dass werkgetreue Aufführungen keinen Markt haben, allenfalls vertrocknete Musikwissenschaftler mögen an so was Freude findenl. Noch immer gilt, die Sängerin muss super singen und den Geschmacksnerv der Zeit treffen, in dem sich die Zuhörer befinden.

Und im Übrigen finde ich Verblödungswitze von angeblich dummen Sängerinnen einfach daneben. Sängerinnen werden so gut wie ausschließlich wegen ihrer Stimme berühmt, nicht wegen ihres theoretischen Wissens, insbesondere da klassische Sängerinnen so gut wie gar nicht Werke ohne Dirigenten aufführen.
Du verwechselst da etwas. Das, was dir als Laie das wichtigste ist, erklärst du automatisch auch zum wichtigsten für den Sänger. Mit welchen künstlerischen Mitteln dieser aber seine Wirkung hervorbringt, das ist einem Laien in der Regel nicht geläufig und braucht ihn auch nichts anzugehen. Die Sänger tun aber wohl, wenn sie sich alle Fähigkeiten, die ihnen beim Vortrag nützlich sind, aneignen.

lg marcus
 
Es gibt m.E. viele Stücke, wo Sängerinnen ( und Sänger ) beteiligt sind, und wo Dirigenten vorhanden sind. Solche wurden ja schon genannt.

Aber es gibt auch den Bereich, wo Sängerinnen und Sänger beteiligt sind, und wo KEIN Dirigent vorhanden ist, zum Beispiel bei Kunstliedern.

Da kommts auf hervorragendes Verständnis zwischen der Person am Klavier und der Sängerin ( oder dem Sänger ) an, damit das ansprechend über die Bühne geht. Beide müssen aufeinander eingehen, und sich auch notfalls helfen können und blitzschnell reagieren. Da muss man geistig auf Draht sein, sonst kommt leider nur nicht so gutes Zeug bei raus.

Gute Stimme und Empathie ggü. dem Werk selbst sind da die Basics, die auf jeden Fall vorhanden sein müssen. Aber darüberhinaus gibts eben noch alle die Faktoren, die das ZUSAMMENwirken betreffen. Und die sind, wie gesagt, nicht von Pappe..und obliegen, wie gesagt, im teis sehr schwierigen und komplexen Kunstlied-Bereich, nicht dem Dirigenten, sondern einem 2-Mann-Team verantwortlich Ausübender Künstler.

LG, Olli!
 

Sängerinnen werden so gut wie ausschließlich wegen ihrer Stimme berühmt, nicht wegen ihres theoretischen Wissens,

Die Stimme ist das Instrument eines Sängers. Dieses Instrument muß genau so erlernt werden wie wir hier Klavier lernen. Zum Erlernen gehört immer auch Theorie.

Eventuell erkennst Du die zwingende Logik?

Ohne Theorie keine Stimme. Und schon gar nicht auf erwähnenswertem Niveau.
 

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