Klavierüben bei Kindern:Perfektion bis zur Dressur, oder lieber nicht?

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Hallo,

ich unterrichte ja selber - zwar nicht Klavier sondern Gitarre, aber das macht in der Sache keinen Unterschied.

Eine meiner begabtesten Schüler ist meine eigene Tochter, :D und natürlich würde ich sie gerne bei Jugend musiziert sehen.

Aber dazu hat sie nicht den Ehrgeiz. Statt zu üben probiert sie lieber neue Akkorde aus und denkt sich kleine Melodien aus. Und vielleicht wird ja noch eine richtige Komponistin aus ihr. ;)
Das aber mit Sicherheit nur, wenn wir keinen Druck ausüben. Denn wenn ein Kind Musik nciht ausprobieren kann - ich nenn das jetzt mal so, denn es ist ein ausprobieren wie sich Melodien und Harmonien anhören, ohne theoretisches Hintergrundwissen, - dann blockiert man einen Fluss, der irgendwann auch versiegen kann.

Also wenn statt der geforderten Fingerübung ein kleines Liedchen mit drei Akkorden rauskommt, bin ich froh, weil ich ihr die Freiheit lasse, das zu tun, wobei sie sich gut fühlt. Und darauf kommt es bei Kindern an. Ansonsten werden dressierte Zirkushündchen aus ihnen.

Ciao
Elisabeth
 
Liebe Elisabeth,
es wäre trotzdem gut, wenn sie die Theorie lernen würde, und wenn auch nur
um die Regeln zu brechen... Sie wird später dankbar sein. Da bin ich mir sicher.
 
es soll ja Leute geben die behaupten, dass B. ein Österreicher war und der F. ein Deutscher - es war aber genau umgekehrt.

Wow das ändert mein komplettes Weltbild!

Spaß beiseite, niemand kann mir erzählen, dass der Drill den z.B. Mozart und Beethoven in ihrer Jugend erfahren sie zu schlechten Musikern gemacht hat.
Das sie keine sehr schöne Kindheit hatten, ist besonders bei Beethoven zu vermuten und da stellen sich natürlich heutzutage die Eltern die frage, ob sie ihren Kind solch ein Drill aussetzen möchten, wobei viele Eltern, wenn sie dies tun, nur eigene Erfolglosigkeit kompensieren wollen und von der eigentlich Thematik und der Erziehung des Kindes wenig Ahnung haben.
Ich denke, dass die moderne Larifarierziehung, wo das Kind alles mal ausprobiert hat, aber nie gelernt ein Ding durchzuziehen oder auch mal schwere Phasen durchzuhalten auch nicht das Wahre ist. Man muss ein guten Mix aus beiden finden und dieser Mix ist wahrscheinlich bei jedem gut unterschiedlich notwendig. Sobald das Kind darunter merkbar leidet, sollte man die Aktivität solange abbrechen bis das Kind von alleine darauf zurück kommt oder es ganz sein lassen.

Zu den vielen Chinakritikern will ich mal eins sage:
Die Eltern, die ihren Kindern dort so ein Druck aussetzen tun dies oft, dammit sie später eine gesichterte Zukunft haben. Es gibt viele die dort nach oben streben und die Konkurrenz ist riesig. Die Quote derer, die das "Abitur" dort nicht bestehen, ist im Vergleich zu Deutschland immens. Das ist nicht schön, aber nunmal die Realität und danach müssen die Leute sich dort richten.
 
Liebe Elisabeth,
es wäre trotzdem gut, wenn sie die Theorie lernen würde, und wenn auch nur
um die Regeln zu brechen... Sie wird später dankbar sein. Da bin ich mir sicher.

Oh ja, ich bin mir auch sicher.
Manchmal spielt sie mir was vor, und fragt, wie ich es finde. Dann kann ich ihr erklären, was ich anders machen würde und warum. Manchmal macht sie das dann auch. Oft nicht! :D

Und natürlich gibt es Kinder, die es lieben, zu üben und ihr Spiel zu perfektionieren. Die sind von Dressur weit entfernt. Aber es ist - soweit ich es feststellen konnte - nicht die Mehrheit. Und dieser Mehrheit sollte man die Freude an der Musik nicht verderben, indem sie zu einem Übungspensum gezwungen werden, zu dem sie nicht bereit sind!

Ciao
Elisabeth
 
Und dieser Mehrheit sollte man die Freude an der Musik nicht verderben, indem sie zu einem Übungspensum gezwungen werden, zu dem sie nicht bereit sind!

Ja, genau, die armen Kleinen, immer schön Schnuller geben! Ja nicht anstrengen, ist nicht gut fürs Herz! Lieber 3 Stunden an' PC setzen, das ist nicht so laut und für Eltern echt bequemer. Für Lehrer auch, sie sparen sich damit, sich Gedanken über weiterführenden Unterrichtsstoff zu machen usw. usf. Man findet viel Gutes, wenn man will. :cool:
 
Ich hänge mich mal als nicht klavierspielende Mutter mal mit rein in diesen Faden;).
Nach meiner Erfahrung hängt es weniger von der Qualität des vorhandenen Instrumentes ab,sondern eher von der musikalischen Reife die ein Kind erwirbt.Ein Klavierstück wurde von meinem Kind immer nach dem technischen Aufwand beurteilt.Ist es schwer?Traue ich mir das zu?Wie es sich letztendlich anhörte war weniger wichtig,solange es technisch machbar war.Nach vier Jahren stelle ich fest das sie seit einigen Monaten anders an die Stücke herangeht.Sie hört!! die Musik,stellt Fragen,wundert sich,freut sich.Feilt mitunter tagelang an einigen Takten weil sie den für sie! richtigen Ausdruck noch nicht erreicht hat.Traktiert den Klavierlehrer mit SMS oder Anrufen wenn sie alleine nicht weiterkommt.:D

Jetzt steht die Tatsache im Vordergrund das sie musiziert,Musik erlebt als komplexes Erfahren.
Das hat aber auch damit zu tun das ihr KL sie immer wieder ermuntert sich auseinanderzusetzen mit dem thema des STückes,seine eigene Begeisterung zu zeigen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ja, genau, die armen Kleinen, immer schön Schnuller geben! Ja nicht anstrengen, ist nicht gut fürs Herz! Lieber 3 Stunden an' PC setzen, das ist nicht so laut und für Eltern echt bequemer. Für Lehrer auch, sie sparen sich damit, sich Gedanken über weiterführenden Unterrichtsstoff zu machen usw. usf. Man findet viel Gutes, wenn man will. :cool:


Was genau meinst du jetzt damit?

Dass jedes kind dazu gezwungen werden soll, mehrere Stunden am Tag zu üben, auch wenn es nicht möchte, dass es zu einem Wunderkind dressiert werden soll, dass die Eltern partout den Namen des Sprösslings groß auf dem Veranstaltungsplakat und später in der Zeitung zu lesen verlangen können, besser gesagt, die Eltern haben ein Recht darauf, denn schließlich kostet der Musikunterricht ein Schweinegeld und imemrhin wollen wir später was davon wieder haben.

Ist es das was du von Kindern verlangst?

Wohin denn mit all den Bühnenmusikern, die als Kind darauf gedrillt wurden, die Luft ist doch ohnehin schon sehr dünn, oben, wo der wirkliche Ruhm beginnt...

Wenn das Kind das selber möchte, dann wird es das auch ohne viel Drill machen. Und nicht nur im Bereich der Musik. Da wird es für die Schule lernen, oder für seinen Sport trainieren.

Aber als Pädagoge muss ich mich schon manchmal fragen: was will ich eigentlich; ein Kind, (oder einen Schüler) der Höchstleistungen bringt, und dabei nicht unbedingt glücklich ist, aber es ist gut für mich und mein Selbstwertgefühl, oder ein Kind, das eben mittelmäßig ist (womöglich wie ich selber) aber mit sich und seiner Umwelt im Reinen.

Nicht dass auch beides möglich wäre, aber ich glaube nicht, dass wir uns die Beethovens und Mozarts zum Vorbild nehmen sollten, damals war Pädagogik kein Thema. Und von all jenen, die kein Beethoven wurden und die daran zerbrachen weil sie dressiert wurden, einer zu werden, weiß man heute eben nichts.

Ich halte auch nicht viel von dem schrecklichen heute grassierenden "was möchtest du denn jetzt machen mein Kind" - Ich hab keine Angst vor meiner eigenen Autorität. Dennoch muss ich die Sensibilität aufbringen und nachfühlen, was das Kind denn wirklich gerne macht und wofür es begabt ist, und es entsprechend fördern. Wenn ich das herausgefunden habe, dann ist auch kein Drill mehr nötig weil das Kind von ganz alleine den Weg gehen möchte.

Aber mir stellt sich eher die Frage: Wer hat Angst vor der Mittelmäßigkeit?
 
Dass jedes kind dazu gezwungen werden soll, mehrere Stunden am Tag zu üben, auch wenn es nicht möchte, dass es zu einem Wunderkind dressiert werden soll, dass die Eltern partout den Namen des Sprösslings groß auf dem Veranstaltungsplakat und später in der Zeitung zu lesen verlangen können, besser gesagt, die Eltern haben ein Recht darauf, denn schließlich kostet der Musikunterricht ein Schweinegeld und imemrhin wollen wir später was davon wieder haben.
Mal langsam mit den jungen Pferden, der Reihe nach! Üben: Ja! Mehrere Stunden??? Aber (fast) jeden tag ein paar Minuten, ne halbe Stunde können doch unbeschadet abfallen, oder ist das auch zuviel verlangt? Klar kostet das Geld. Je weniger geübt wird, umso mehr, ne?

Kennste den Witz, in dem ein Vater zu seinem Sohn, der nach mehrjährigem Gitarrenunterricht (auch wenig oder nicht geübt) nur 1 Lied kann, sagt: "Spiel mal das Lied, was mich Tausende gekostet hat!", sagt!?

Also, wenns Feuer nicht brennt, lasses weg!

Oder geht zum Sport oder zum Lesezirkel oder was weiß ich. Aber dort wirds auch nicht mit der Schnullermethode klappen!

Aber als Pädagoge muss ich mich schon manchmal fragen: was will ich eigentlich; ein Kind, (oder einen Schüler) der Höchstleistungen bringt, und dabei nicht unbedingt glücklich ist, aber es ist gut für mich und mein Selbstwertgefühl, oder ein Kind, das eben mittelmäßig ist (womöglich wie ich selber) aber mit sich und seiner Umwelt im Reinen.
Ich seh da immer ein ODER ... Kann ein Kind nicht mit Höchstleistungen glücklich sein, und als unterfordertes mittelmäßiges Schnullerkind unglücklich (weil es eben immer nur "gelassen" wurde, immer das machen durfte, wasses grad wollte)?

Und ich glaube, dass man ein Kind nicht dressieren kann.

Ich halte auch nicht viel von dem schrecklichen heute grassierenden "was möchtest du denn jetzt machen mein Kind" - Ich hab keine Angst vor meiner eigenen Autorität. Dennoch muss ich die Sensibilität aufbringen und nachfühlen, was das Kind denn wirklich gerne macht und wofür es begabt ist, und es entsprechend fördern. Wenn ich das herausgefunden habe, dann ist auch kein Drill mehr nötig weil das Kind von ganz alleine den Weg gehen möchte.
Right! So gehts.

Aber mir stellt sich eher die Frage: Wer hat Angst vor der Mittelmäßigkeit?
Klingt so, als hättest Du's.

Klavirus
 
Hallo Elisabeth,

...Denn wenn ein Kind Musik nciht ausprobieren kann - ich nenn das jetzt mal so, denn es ist ein ausprobieren wie sich Melodien und Harmonien anhören, ohne theoretisches Hintergrundwissen, - dann blockiert man einen Fluss, der irgendwann auch versiegen kann.

Also wenn statt der geforderten Fingerübung ein kleines Liedchen mit drei Akkorden rauskommt, bin ich froh, weil ich ihr die Freiheit lasse, das zu tun, wobei sie sich gut fühlt. Und darauf kommt es bei Kindern an. Ansonsten werden dressierte Zirkushündchen aus ihnen.

=> das IST es! Ich denke da steckt die Antwort drin auf die im Thread gestellte Frage (die mich auch schon lange beschäftigt und ins Grübeln gebracht hat...).
Die Frage war: wie weit sollen wir mit Kindern gehen: bis zur Dressur/zum Drill, oder nicht, und wenn ja: wie soll und kann man dieses Vorgehen moralisch einordnen und bewerten?
Und die Antwort darauf ist: den inneren Impuls, der im Kind vorhanden ist, erkennen, ganz behutsam fordern und fördern. Egal in welche Richtung er geht. Den inneren Fluß des Kindes nicht antasten oder gefährden. Ihn vielleicht auf das Kind "zurückspiegeln". Und das deckt sich auch mit dem was Rolf so schön beschrieben hat:

es ist ohne Drill, ohne Druck etc. durchaus möglich, Kindern den Wahrnehmungshorizont zu erweitern, und das in einem Bereich, der ihre kognitive Reflexion übersteigt: zeigen, hören, erfahren lassen, bestärken usw - - so kann ein 6-7 jähriges Kind, welches das auch tun will, durchaus eine zweistimmige Invention von Bach sehr schön zu spielen lernen. Es bedarf eigentlich nicht viel mehr, als die entsprechenden Sinne zu wecken - sind die geweckt, kann es sein, dass das Kind weiter machen und mehr machen will. In so einem Fall führt verständiger Unterricht zu großen Fortschritten...

(bin ich jetzt ganz frech, wenn ich sage: ich vermute, seine Aussage trägt autobiografische Züge :) ?)

Das heißt aber im Umkehrschluß: man KANN aus einem Kind nicht etwas machen, das seinem inneren Fluß nicht entspricht. Bzw., man kann schon, aber dann entstehen genau diese psychischen und moralischen "Katastrophen", die wir wohl befürchten. Und dann lieber: viele seelisch gesunde Kinder mehr, und ein paar Klaivervirtuosen weniger. War das nicht grad erst gestern wo ich auf youtube diesen Beitrag über "New Mozart" gesehen habe, dieses 6-jährige Mädchen, flankiert von Mutter und Flügel spielender Großmutter, und musizierenden Geschwistern...? Mir kam spontan der Gedanke: wenn die Großmutter da auch noch mitmacht, hat das arme Kind ja wirklich gar keine Chance mehr (sich frei zu entfalten). Das Kind schien mir nicht mehr "in seinem Fluß" zu sein, und ich reagier bei sowas schon mal schnell irrational und emotional... aber wie soll man eine konkrete Situation aus einem kurzen Fernsehreport heraus beurteilen. Ich kann mich da sehr gut auch irren.
 
...das liebe Internet macht es möglich, Dutzende von Kindern im Grundschulalter beim spielen von Inventionen etc. zu sehen - selten trifft man dabei auf verhärmte Gesichter, womöglich gar mit Spuren der Übungszwangspeitsche, auch Ketten an den Füßen sieht man nur selten...

...wer aus seinem Kind etwas machen will, wofür es nicht geeignet ist, der wird zwangsläufig irgendwann Druck ausüben - das bringt im Bereich freiwilliger Angelegenheiten (Geige, Tennis, Klavier, Schach usw.) meistens nichts...

...wer die Freude hat, dass das eigene Kind will und darum (!!!) auch schnell lernt, der wird recht bald die Freude kleiner Hauskonzerte, die Freude über Preise bei JuMu usw. haben und vielleicht sogar eines Tags die Kosten tragen, um ein Instrumentalstudium zu finanzieren... aber erzwingen lässt sich das nicht!

eigentlich nicht so schwer, das einzusehen, oder?
 
Hallo Rolf,

...das liebe Internet macht es möglich, Dutzende von Kindern im Grundschulalter beim spielen von Inventionen etc. zu sehen - selten trifft man dabei auf verhärmte Gesichter, womöglich gar mit Spuren der Übungszwangspeitsche, auch Ketten an den Füßen sieht man nur selten...

Ja. Ich glaub ich hab etwas überreagiert in meinem Post.


...wer aus seinem Kind etwas machen will, wofür es nicht geeignet ist, der wird zwangsläufig irgendwann Druck ausüben - das bringt im Bereich freiwilliger Angelegenheiten (Geige, Tennis, Klavier, Schach usw.) meistens nichts...

Genau dieses "meistens" macht mir so schwere Kopfzerbrechen gerade. Wenn es nicht genau der richtige Thread wäre, um dieses Thema zu dikutieren, würde ich schnell abbiegen...
Wie viele gibt es, die genau durch Druck und evtl. auch (subtilen) Zwang den musikalischen Weg eingeschlagen haben? Gibt es viele? Und die lesen jetzt was ich so schreib...? vielleicht stecken sie überdies gerade in einer Frustphase oder Krise ... und ich als Hobbyspieler rede munter über "Übungszwang in der Kindheit" und was ich davon halte.
Nicht taktvoll. Gut überlegt, lieber Dreiklang......

... mehmen wirs nicht so tragisch.

...wer die Freude hat, dass das eigene Kind will und darum (!!!) auch schnell lernt, der wird recht bald die Freude kleiner Hauskonzerte (haben)...,

So ein Vorspielen, das konnte ich nie gescheit. Das klappte immer nur mäßig :)
Weil es vielleicht auch reinpaßt: ich hab dann in der Jugend irgendwann den KL-Unterricht aufgehört, die näheren Umstände weiß ich nicht mehr. Aber weil meine Mutter ein Schallplatten-Doppelalbum von Claudio Arrau hatte (Beethoven - die Meistersonaten für Klavier) und ich davon so begeistert war, und genau das und nichts anderes spielen und lernen wollte - hab ich mir die Noten gekauft und das gespielt. Weit, weit unter meinem Können (s.u.) - aber es hat mir irre Spaß gemacht und das tuts noch heute. Und da steh ich jetzt, und freu mich über und an meinem Hobby.

Grüße
Chris

::Edit:: ich meinte natürlich: die Noten liegen "weit über meinem Können" - Gruß, Ch.
 
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Mensch ihr wisst ja alle soviel über die chinesischen Lernmethoden und den Drill, der dort ausgeübt wird... wart ihr schon alle mal vor Ort und habt Euch die Lernmethoden wirklich angeschaut und versucht zu begreifen?

Ich war auch lange "gegen" diese "Methoden" - ohne sie genau zu kennen! Dann habe ich darüber geforscht und: oh Wunder, dahinter steckt sehr viel mehr als das, was der gemeine Europäer dahinter meint vermuten zu müssen. Leute, ihr habt einfach keine Ahnung. Ein wenig Lektüre und ihr würdet nicht so einen Quatsch über die "bösen" Drill-Methoden schreiben. Rolf hat ganz recht: kein Kind lässt sich gegen seinen Willen sehr lange in irgend eine Richtung zwingen. Was machen denn die anderen Babys aus China, Japan und Korea, die es NICHT schaffen bei Youtube in ihren Windeln eine Mozart-Sonatine zu spielen?!? Bringen die sich jetzt alle um? Nein! Natürlich nicht.

Ich empfehle allen Gegner der asiatischen Drill-Methoden dieses Buch:

Erziehung ist Liebe - von Suzuki


eigentlich auch mal eine Empfehlung hier für den Shop!!

Es ist eine kurzweilige Lektüre, die die Augen öffnet und das ein oder andere Vorurteil aus dem Weg räumt. Jeder, der dieses Buch NICHT liest, will an seinem Vorurteil festhalten.

zum Komponieren:
Seitdem es dafür Gelder gibt fängt dieser Bereich an zu boomen, nicht immer aus Überzeugung im übrigen, denn die vorherrschende Meinung in unserer Gesellschaft ist, das Kinder das noch nicht können. Eine Kompositionspädagogik ist nach meinem Wissen weder entwickelt noch wird sie an Hochschulen erarbeitet. Erste Bemühungen sind allerdings schon zu bemerken. In diesem Jahr war ich in Osnabrück auf einen Symposium für Kompositionspädagogik mit sehr vielen Vorträgen und: Hörbeispielen! Drei Tage lang wurde über Kinderkomposition und die Vermittlung von Kompositionstechniken gesprochen - und über Kompositionsdidaktik, Kompositionspädagoigik. Leider waren fast alle einhellig der Meinung, dass man die Kinder und Jugendliche an Kompositionstechniken des 20. Jahrhundert heranführen muss (Bildungsauftrag), andere Haltungen dazu gab es nicht auf dem Podium. Auf die Idee, dass die Beatles u.a. doch auch für eine Kompositionstechnik des 20. Jahrhunderts stehen würde, kam niemand, bzw ich erntete böse Blicke bei diesen provokativen Ansichten, die eigentlich eher meiner großen Toleranz und meiner musikalischen Bandbreite entspricht. Mich interessiert eben selbst auch ALLES, wirklich JEDE Musikrichtung! Ich respektiere und achte auch die Leute, die sich mit Zither und Akkordeon auf der Alm zum Musizieren zusammenfinden (und sich dabei vom örtlichen Sender live übertragen lassen). Ich finde es immer spannend, wenn Menschen zusammen tönen, egal welche Musik-Richtung das ist. Irgend etwas finden sie eben in dieser Musik! Untolerant ist es, Sängerinnen wie Ch. Lauterbach aus dem Schweizer Jodelverband auszuschließen, weil sie politische Texte jodelte (ca. 1990).

Ein Mensch, der sich schon vor Jahren mit Kompositionspädagogik im Rahmen des Klavierunterrichts beschäftigt hat und dazu auch Material veröffentlicht hat ist: Peter Heilbut!
"Komponierbuch für junge Klavierspieler" 1985 - leider nur noch antiquarisch erhältlich. Ein Lichtblick seinerzeit, dass es jemanden gibt, der den Kindern zugesteht, Musik selbst zu erfinden! Es muss ja nicht immer direkt große Kunst sein, oder? Es reicht durchaus, wenn man am eigenen Tun Freude hat. Beglückt man dann noch einige Leute darüber hinaus ist das doch wunderbar!

Heilbut hat auch ein Buch mit Improvisationsvorschlägen herausgegeben. Da meine Ideen für das Improvisieren und Komponieren im Klavierunterricht einfach sehr umfangreich sind habe ich mich damit noch nicht befasst, was ich tun würde, wenn ich in dieser Richtung mal etwas veröffentlichen würde.

Das angesprochene "Problem" des eröffneten Fadens gibt es m.E. nicht. Jeder Mensch gibt zu jedem Zeitpunkt seines Lebens das Beste, was er leisten kann. Man muss die Kinder nicht "erziehen", sie wachsen von alleine. Aber man kann sie dabei begleiten und ihnen helfen einen eingeschlagenen Weg über Hindernisse hinweg weiter zu gehen. Meine begabteste Schülerin (8 Jahre) will jetzt gerade aufhören, weil es ihr keinen Spaß macht... Blockflöte macht ihr gerade mehr Spaß... mal sehen, wie das ausgeht. Soll man jemandem zwingen etwas zu tun, was er nicht will? Allerdings war SIE es, die Klavier lernen wollte! Ihr älterer Bruder kam einfach mal mit und wollte sich das nur anschauen. Im Moment stiehlt er seiner kleinen Schwester die Show, weil er schon Oktaven greifen kann und sich seine Stücke einfach doller anhören. Aber der ältere Bruder ist völlig unbegabt, doch aus irgend einem Grund hängt er sich voll rein und übt wie bescheuert. Inzwischen spielt er ganz leidlich, aber am Ausdruck fehlt es ihm völlig (was bei Rock/Pop nicht so sehr auffällt). Nur das zarte, begabte Mädel, 3 Jahre jünger, ist ein wenig frustriert. Jetzt machen wir gerade viel mit 4 Händen, was erstaunlich gut geht. Nicht immer können Geschwister 4-händig spielen.

Meine allerbegabteste Schüleren aller Zeiten habe ich nach 3 Jahren rausgeschmissen. Sie spielte mit 6 Jahren nach 3 Monaten die Elise, Notenlesen war für sie kein Problem, Oktaven wischte sie geschickt hin mit ihren Mini-Händchen. Alle fanden sie entzückend, waren begeistert. Mit 8 Jahren dann konnte sie richtig Oktaven greifen, jaja und wir spielten dies und das, u.a. Impromtus von Schumann... was irgendwie immer hölzern klang. Alles klang hölzern, seelenlos. Klar, sie übte: NIE. Töne hatten für sie keine Bedeutung. Sie ratze einfach alles vom Blatt. Ich versuchte es auf die kindliche Tour: "Knecht Ruprecht" - da klopft er an die Tür, hier sagen die Kinder ihr Gedicht auf, und dort freuen sie sich über die Geschenke... es blieb hölzern. Sie verstand nicht, was ich meinte. Irgendwie kein Gefühl - obwohl sonst war sie ein ganz normales Mädchen. Irgendwann gestand sie mir, dass sie niemals Musik machen wollte und dass das bestimmt nie in ihrem Leben eine Bedeutung haben würde. Aha. Ihre jüngere Schwester war Notenlegasthenikerin, die habe ich dann 10 Jahre im Unterricht begleitet und sie ist voll in der Musik aufgegangen. Schon in der allerstersten Klavierstunde legte dieser 5-jährige Zwerg mit der Linken einen Groove hin, den ich nie in dieser Art gehört hatte! Mit 15 Jahren gestand sie mir, dass sie nie Klavier spielen wollte sondern immer Bass lernen wollte, nur kann man als 5 Jährige nicht Bass lernen, da hätten die Eltern ihr eben das Klavier aufgeschwatzt. Sie hat dann gespart und sich vom eigenen Geld einen Bass gekauft mit 15! Das war völlig ihre Welt! Nun ja, heute ist sie am Finanzmarkt tätig und rockt mit ihren 3 Kindern in einer Family-Band. Happy End würde ich mal so sagen. Man kann den Eltern keinen Vorwurf machen, sie wollten wirklich ihren Mädels nur einen Weg öffnen. Das ist nie falsch. Aber gehen müssen die Kinder ihn dann schon alleine und die Richtung ist manchmal eine andere, als die Eltern sich das gewünscht oder gedacht haben!

Also die Wichtigkeit und Bedeutung, die Musik für ein Kind hat, ist einfach gegeben oder auch nicht. Manchmal kann man ein wenig den Horizont erweitern, auf jeden Fall. Ich begreife mich als liebevolle Wegbegleitung, die die Lernenden in ihren Wegen wahrnimmt und nicht gegen diverse Entscheidungen arbeitet. Klar kann man auch mal ein wenig fordern, von Pampern (oder Schnullern) halte ich überhaupt nichts. Das will kein Kind wirklich! Aber Fordern um des Forderns willen - das muss nicht sein.

Soviel von mir zu diesem Thema.

Alles Liebe

Viola
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Sehr schön geschrieben, Rolf und Viola!!! Ich kann mich da nur anschließen!!!

Liebe Grüße

chiarina
 
Hast du eine wissenschaftliche Arbeit verfasst? Die würde ich gerne lesen.
(oder meinst du forschen als "ich hab mal genauer nachgeguckt"... sollte dem so sein, dann lass gut sein)

Rolf hat ganz recht: kein Kind lässt sich gegen seinen Willen sehr lange in irgend eine Richtung zwingen.
Diese Aussage ist falsch. Ein Kind lässt sich sehr leicht brechen, danach kann man mit dem Erziehen anfangen. Ich bin auf keinen Fall für so eine Methode, ich möchte nur verdeutlichen, dass es kein Problem ist den Willen eines Kindes zu brechen und es in eine Rolle zu zwingen. Die Auswirkungen für das Kind und seine Psych sind, meiner Meinung nach "unschön". Unterwürfigkeit lässt sich mit genügend Druck erzwingen, manchmal kann das aber auch einen Knall geben.
 

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