"Andererseits ist Steinway wieder für einen Klavierstimmer angenehmer zu stimmen, weil die Wirbel nicht ganz so fest sitzen wie bei anderen Fabrikaten und daher auch weniger Wirbeltorsion auftritt."
Da kenne ich andere Aussagen von Stimmern (und "Pianoservice" hat ja auch gerade das Gegenteil mitgeteilt), und auch eigene Erfahrungen belegen das nicht. Steinway's Stimmstock, der aus wenigen Schichten besteht, bedingt festen Wirbelsitz. Solchen Instrumenten ist mit reinen Drehbewegungen des Wirbels beim Stimmen gar nicht beizukommen, und zusätzliches Ausdübeln der Plattenbohrungen würde die Elastizität des Wirbels weiter einschränken, was die Stimmbarkeit eher erschwert.
Man kann einen Steinway recht haltbar stimmen, wenn man es richtig macht. Leider gehört dazu sehr viel Übung. Meiner Meinung nach gehört dazu ZU VIEL Übung. Die Stimmechanik des Klaviers -- wenn man einen Nagel in einem Brett denn Stimmechanik nennen möchte -- entstammt Cembalo-Tagen. Geändert hat sich seither der Aufbau des Stimmstocks und das Aussehen der Wirbel, aber nichts am Prinzip. Alternativen sind versucht worden, aber wurden nie zuende entwickelt. Eine ernstzunehmende Entwicklung gibt es meines Wissens nicht, obwohl ich sie für nötig und überfällig halte.
Aber wenn Petz demnächst seine Mechanik mit Schneckengetriebe vorstellt, werden wir ein Problem endlich gelöst wissen. Die Frage ist allerdings, wie man so ca. 200 Schneckengetriebe auf ungefähr demselben Platz unterbringt wie bei bisheriger Wirbelanordnung. Statt bisher einer einzigen Achse, dem Wirbel, bräuchte man ja zwei. Der Teufel steckt leider im Detail.
"...so ein Klavier auch dadurch stimmstabiler wäre, weil die thermisch und hygroskopisch bedingten Stimmstockbewegungen wegfielen."
Das ist sicher der geringste Grund für mangelhafte Stimmhaltung, falls es überhaupt eine Rolle spielt. Der erste Grund sind falsche Spannungsverhältnisse zwischen vorderem und klingendem Saitenende -- das ist eine Frage der Stimmtechnik des Stimmers. Der zweite Grund sind Bewegungen des Resonanzbodens, die gar nicht vermeidbar sind bei Schwankungen der Luftfeuchtigkeit. Aber wenn du uns ein Klavier konstruierst, das ein leicht bedienbares Stimm-Schneckengetriebe mit hygroskopisch neutralem Carbonfaser-Resonanzboden kombiniert, werden wir dir dankbar sein. Wenn es dann auch noch wie ein Steinway klingt...
Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de