Kit Armstrong in Hamburg

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19. Jan. 2011
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Ins Konzert gehe ich nur noch selten. Ich habe eine Abneigung gegen Publikumsmassen, Zirkusatmosphäre, Lungenkranke, Zahnarztgattinnen in Kanal Nr. 5, Sitzriesen, Raschler, Schwätzer etc. Erzählt mir bitte nichts von "Liveatmosphäre" und "Kontakt zwischen Künstler und Publikum". Bullshit, wenn man mich fragt. Gut, ich lasse es mir gefallen, wenn ich alle Karten für mich habe, dann gerne live, bitte, Herr Kapellmeister, aufspielen! :-)

Nun gut, als vor ein paar Tagen ein Freund anrief und fragte, ob ich mit zu Kit Armstrong käme... da hab ich doch noch einmal eine Ausnahme gemacht. Die Schwätzer (die kümmern sich nicht drum, ob da vorn schon jemand klimpert oder nicht) jedenfalls gaben nach ein paar Minuten klein bei.

Kit Armstrong (jetzt 21 J.) spielte in der ersten Hälfte ein Programm aus eigenen Bach-Bearbeitungen, einer eigenen Fantasie über B-A-C-H. Mittels Fantasie und Fuge über B-A-C-H von Liszt ging es über in die zweite Hälfte mit Liszts Mephistowalzer Nr. 2, zwei Elegien, dann wieder einer Lisztschen Bach-Bearbeitung. Wir waren erstaunt! Was den Bach angeht, so war es seltsam zu hören, wie sehr Armstrong die Dynamik der Phrasen betonte, aus einem Forte kommend aufsteigend zum ff und wieder abfallend ins pp, sodass man den letzten Ton der Phrase kaum noch hörte. Dazu kamen kleine Rubati, eher zu viel des Guten. Mir kam der Gedanke an Wellen, in denen er die Musik spielte. Weniger Bach oder Liszt, aber viel Armstrong. Sollte ich ihn demnächst im Radio hören, ich vermute, dass er wiederzuerkennen ist. Ein ausgesprochen persönlicher Stil. Und deshalb wollte ich es nicht abtun, mir war, als habe dort jemand etwas zu sagen, als müsse man ihm genauer und öfter zuhören, um ihn zu verstehen.

Armstrongs eigene Fantasie war an den Gedanken des Choralvorspiels angelehnt, mit stark betonter Hauptstimme, gleichzeitig aber farbig und virtuos und erinnerte an die klassische Moderne zwischen Schönberg und Krenek - auch hier gilt, dass ich es nach einem Mal Hören nicht beurteilen will, aber das Gefühl hatte, dass hier nicht nur ein hochmusikalischer Virtuose, sondern auch ein hochtalentierter Komponist am Werk ist. (Hier übrigens ein Video, in dem Armstrong auf deutsch über diese Komposition spricht und sie erläutert:
http://www.youtube.com/watch?v=4EkE_veDfKU )

Dann also Liszt. Ich habe mich mit ihm viel beschäftigt – ich glaube, ich habe noch nie jemanden so Liszt spielen hören. Ich spreche nicht von Virtuosität, sondern von den Farben, der Dynamik, die Armstrong auf dem übrigens ausgezeichneten Instrument (S&S D) erzeugte. Eine Zartheit und Sanglichkeit im pp, die überirdisch wirkte. Ich war hingerissen! Ergriffen! Es ging eine Magie von diesem Spiel aus, die unbeschreiblich ist. Mein Begleiter äußerte auf dem Weg zum Italiener denselben Gedanken wie ich: So kann man sich Liszts Spiel vorstellen, des alten Zauberers!

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
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Danke für diesen ausführlichen Konzertbericht! Ich habe erst neulich eine sehenswerte Dokumentation über Brendels Arbeit mit diesem beeindruckenden Nachwuchskünstler gesehen:

 
Ins Konzert gehe ich nur noch selten. Ich habe eine Abneigung gegen Publikumsmassen, Zirkusatmosphäre, Lungenkranke, Zahnarztgattinnen in Kanal Nr. 5, Sitzriesen, Raschler, Schwätzer etc. Erzählt mir bitte nichts von "Liveatmosphäre" und "Kontakt zwischen Künstler und Publikum". Bullshit, wenn man mich fragt. Gut, ich lasse es mir gefallen, wenn ich alle Karten für mich habe, dann gerne live, bitte, Herr Kapellmeister, aufspielen! :-)

Nun gut, als vor ein paar Tagen ein Freund anrief und fragte, ob ich mit zu Kit Armstrong käme... da hab ich doch noch einmal eine Ausnahme gemacht. Die Schwätzer (die kümmern sich nicht drum, ob da vorn schon jemand klimpert oder nicht) jedenfalls gaben nach ein paar Minuten klein bei.

Kit Armstrong (jetzt 21 J.) spielte in der ersten Hälfte ein Programm aus eigenen Bach-Bearbeitungen, einer eigenen Fantasie über B-A-C-H. Mittels Fantasie und Fuge über B-A-C-H von Liszt ging es über in die zweite Hälfte mit Liszts Mephistowalzer Nr. 2, zwei Elegien, dann wieder einer Lisztschen Bach-Bearbeitung. Wir waren erstaunt! Was den Bach angeht, so war es seltsam zu hören, wie sehr Armstrong die Dynamik der Phrasen betonte, aus einem Forte kommend aufsteigend zum ff und wieder abfallend ins pp, sodass man den letzten Ton der Phrase kaum noch hörte. Dazu kamen kleine Rubati, eher zu viel des Guten. Mir kam der Gedanke an Wellen, in denen er die Musik spielte. Weniger Bach oder Liszt, aber viel Armstrong. Sollte ich ihn demnächst im Radio hören, ich vermute, dass er wiederzuerkennen ist. Ein ausgesprochen persönlicher Stil. Und deshalb wollte ich es nicht abtun, mir war, als habe dort jemand etwas zu sagen, als müsse man ihm genauer und öfter zuhören, um ihn zu verstehen.

Armstrongs eigene Fantasie war an den Gedanken des Choralvorspiels angelehnt, mit stark betonter Hauptstimme, gleichzeitig aber farbig und virtuos und erinnerte an die klassische Moderne zwischen Schönberg und Krenek - auch hier gilt, dass ich es nach einem Mal Hören nicht beurteilen will, aber das Gefühl hatte, dass hier nicht nur ein hochmusikalischer Virtuose, sondern auch ein hochtalentierter Komponist am Werk ist. (Hier übrigens ein Video, in dem Armstrong auf deutsch über diese Komposition spricht und sie erläutert:
Kit Armstrong talks about his Fantasy on B-A-C-H - Interview with musical examples - YouTube )

Dann also Liszt. Ich habe mich mit ihm viel beschäftigt – ich glaube, ich habe noch nie jemanden so Liszt spielen hören. Ich spreche nicht von Virtuosität, sondern von den Farben, der Dynamik, die Armstrong auf dem übrigens ausgezeichneten Instrument (S&S D) erzeugte. Eine Zartheit und Sanglichkeit im pp, die überirdisch wirkte. Ich war hingerissen! Ergriffen! Es ging eine Magie von diesem Spiel aus, die unbeschreiblich ist. Mein Begleiter äußerte auf dem Weg zum Italiener denselben Gedanken wie ich: So kann man sich Liszts Spiel vorstellen, des alten Zauberers!

Es grüßt
Die Drahtkommode

Oh neee ! Was hast Du denn gegen Zahnarztgattinnen, die können doch nichts dazu , dass dir dein Zahnarzt eine dicke Rechnung aufs Brot gestrichen hat :rolleyes::D:D
 
Ins Konzert gehe ich nur noch selten. Ich habe eine Abneigung gegen Publikumsmassen, Zirkusatmosphäre, Lungenkranke, Zahnarztgattinnen in Kanal Nr. 5, Sitzriesen, Raschler, Schwätzer etc. Erzählt mir bitte nichts von "Liveatmosphäre" und "Kontakt zwischen Künstler und Publikum". Bullshit, wenn man mich fragt. Gut, ich lasse es mir gefallen, wenn ich alle Karten für mich habe, dann gerne live, bitte, Herr Kapellmeister, aufspielen! :-)

Pööh..., dem lässt sich doch ganz einfach Abhilfe schaffen. Warum buchst du Kit Armstrong nicht einfach für dein Wohnzimmer? Nur du als Zuschauer. So müsstest du den ganzen Pöbel nicht ertragen.
 
Warum buchst du Kit Armstrong nicht einfach für dein Wohnzimmer?
Leute, die mit neun Monaten anfingen zu sprechen, mit sechs Jahren ihr Konzertdebut gaben und die als Teenager ein Musikstudium und noch ein Mathestudium abgeschlossen haben, kämen mir nicht in mein Haus. Da müsste ich befürchten, sie wandelten schließlich noch über den Gartenteich.......

Was sollen denn dann die Nachbarn denken??

CW
 
Pööh..., dem lässt sich doch ganz einfach Abhilfe schaffen. Warum buchst du Kit Armstrong nicht einfach für dein Wohnzimmer? Nur du als Zuschauer. So müsstest du den ganzen Pöbel nicht ertragen.

trotz allem , ist mir dieses Pöbel lieber, als das wirkliche Pöbel. Die unterstützen nichts was mit klassischer Musik zu tun hat, sind wir dankbar , dass es diese Leute gibt. ;):D
 
Ach, ihr wisst schon, was für Typen ich meine, die, die ins Konzert gehen, weil man eben das Abo hat und dort sicher auf Dr. Bums, den Vorstandsvorsitzenden der Dings AG, trifft usw. Na gut, sollen sie ihr Geld gern für teuere Karten ausgeben. Ich fühle mich halt von den ganzen Geräuschen, Geflüster während des Konzerts und Gerüchen belästigt. Ich war in Hunderten Konzerten und habe NIE geniest... Höchstens genossen :-)

Es grüßt
Die Drahtkommode

PS schreibt doch lieber mal was zu Armstrong ;)
 

Ich war ja nicht da. Ich esse immer Chips bei Konzerten :D

Gar nicht abwegig. Ich hatte mal in der Oper eine Nachbarin (leider ein paar Sitze weiter, sodass ich keinen Einfluss nehmen konnte), die hatte ein Bonbonpapier in den Händen, mit dem sie die ganze Zeit hochnervös herumknisterte.

Übrigens alles relativ, die Anbetung der hehren Kunst in absoluter Stille gab es in der Frühzeit der Oper eh nicht, da wurde gegessen, Karten gespielt, sich unterhalten... ;)
 
(leider ein paar Sitze weiter, sodass ich keinen Einfluss nehmen konnte)

Für solche Fälle empfiehlt es sich ggf. eine kleine Zwille dabei zu haben. Noch besser ist vielleicht ein kleines Spuckröhrchen mit Giftpfeilen. Ich glaube, südamerikanische Indianer verwenden so etwas. Da müsste man nur das geräuschlose Spucken trainieren. :-)

Ach ja.., dran denken: Zeugen mit ausschalten ;-)
 
Gar nicht abwegig. Ich hatte mal in der Oper eine Nachbarin (leider ein paar Sitze weiter, sodass ich keinen Einfluss nehmen konnte), die hatte ein Bonbonpapier in den Händen, mit dem sie die ganze Zeit hochnervös herumknisterte.

Übrigens alles relativ, die Anbetung der hehren Kunst in absoluter Stille gab es in der Frühzeit der Oper eh nicht, da wurde gegessen, Karten gespielt, sich unterhalten... ;)

auch heute noch, als ich das erste mal in der Royal Albert Hall in London war, traute ich meinen Augen nicht, unten auf den Stehplätzen frassen die Leute, Hühnchen und Dosenfutter und hingen an den Cola flaschen. Ein vornehmer Engländer erklärte mir dies sei der Patz des billigen unerziehbaren Fussvolkes. :shock::)
 
Leute, die mit neun Monaten anfingen zu sprechen, mit sechs Jahren ihr Konzertdebut gaben und die als Teenager ein Musikstudium und noch ein Mathestudium abgeschlossen haben, kämen mir nicht in mein Haus. Da müsste ich befürchten, sie wandelten schließlich noch über den Gartenteich.......


Es liegt wohl in unserer Natur, dass wir schnell Vorurteile walten lassen, wenn es um Personen geht, die wir nicht persönlich kennen und die in ihrem Verhalten vermeintlich von der Norm abweichen. Schade eigentlich.

Zu Armstrong: Gebt ihm eine Chance, ihn kennen zu lernen, schaut zumindest diverse Einspielungen und Interviews mit ihm an! Er ist absolut kein Alien, sieht aus und redet wie ein ganz normaler Mensch, besitzt lediglich eine wohl angeborene Fähigkeit, schneller, gezielter und verknüpfter zu denken als die meisten von uns. Dazu ist er jemand, der es schon in jungen Jahren geschafft hat, einen eigenen Stil bei der Gestaltung klassischer Stücke zu entwickeln. Er ist, zumindest in meinen Augen, kein Virtuose sondern Musiker!

Schreibt doch mal was zu seinen Interpretationen, was haltet ihr von seiner Musik?
 
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Für solche Fälle empfiehlt es sich ggf. eine kleine Zwille dabei zu haben. Noch besser ist vielleicht ein kleines Spuckröhrchen mit Giftpfeilen. Ich glaube, südamerikanische Indianer verwenden so etwas. Da müsste man nur das geräuschlose Spucken trainieren. :-)

Ach ja.., dran denken: Zeugen mit ausschalten ;-)

Zeugen ausschalten ! als Geschäftsmann gehört dies zum ersten Gebot :rolleyes::D
 
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Gar nicht abwegig. Ich hatte mal in der Oper eine Nachbarin (leider ein paar Sitze weiter, sodass ich keinen Einfluss nehmen konnte), die hatte ein Bonbonpapier in den Händen, mit dem sie die ganze Zeit hochnervös herumknisterte.

Übrigens alles relativ, die Anbetung der hehren Kunst in absoluter Stille gab es in der Frühzeit der Oper eh nicht, da wurde gegessen, Karten gespielt, sich unterhalten... ;)

Die Fürsten hielten sich Musiker als Domestiken. Bessere Butler, Kammerdiener. Fürst hat immer recht, Musiker hat nix.

Die hatten es hinzunehmen, wen n Fürst oder Fürstin bei der Musik lärmten, ihr Tun war nur Begleit des Abends.

Bis dann Beethoven in Wien (um 1815?) einen in der Türe laut labernden Grafen auf die Neue Zeit einnordete, mittendrin die Tastenklappe zuwarf und lauthals rief: "Für solche Schweine spiele ich nicht!"

Der Mund stand Fürstens offen.

Das wars dann mit der Laberei und impliziten Missachtung im Concerto...

Seither ist Klassik mit Stille, verpflichtend für die Zuhörer, verbunden.

Alles andere ist Honky Tonk, Ragtime, Dixieland, Blues, Boogie Woogie, Pop, Rock, Heavy Metal, House etc.

Jazz kann grenzwertig sein, in den "richtigen" oder "falschen" Jazzkonzertern kann der Huster, Raschler, Laberer sich ein DICKES Problem fangen..

Der Elektroniker kann seine 14.000 Watt Lautsprechertürme fürs Publikum hinstellen, ich habe hier einen Nachbarn, der das Profi tut. Der Musiker hat Monitorboxen, die ihm sein eigenes Spiel spiegeln, der kriegt das Geratsche des Publikums dann auch nicht mit. Das stört ihn nicht in der Konzentration.

Aber 2.500 Leute in der Konzerthalle, kein Mikro, und mein Nachbar knistert unentwegt mit dem Papier von MonCheri?

Ich werde zum Totschläger, wenn der das nicht unterlässt.

Juya Wang hatte mal in Dortmund konzertiert. Ganz vorn standen mehrere Schwerbehinderten -Rollstühle. Einer brauchte eine Beatmung. Dieses stöhnende "Atmen" der Technik am Rollstuhl störte Juya Wang - und einen Teil der vorderen Konzertbesucher. Sie hatte es in Absprache zunächst probiert zu spielen, deutete dann aber nach dem ersten Stück, nachdem fünf-sechsmal die Maschinerie sehr hörbar Luft geholt hatte, so Orgelblasebalg, an, dass das für sie nicht gehe. Der beatmete Rollstuhlfahrer musste den Saal verlassen.

Sehr zweischneidig. Politvollkorrekte könnten nun etwas von "Behindertenfeindlichkeit!" faseln. ... Aber wenn es um feinste Nuancen eines unverstärkten Spieles geht..?..

Das ist was anderes, als von 14.000 Watt aus lastwagengroßen Boxentürmen beschallt zu werden.
 
Es liegt wohl in unserer Natur, dass wir schnell entweder Vorurteile walten lassen, wenn es um Personen geht, die wir nicht persönlich kennen und die in ihrem Verhalten vermeintlich von der Norm abweichen. Schade eigentlich.

Zu Armstrong: Gebt ihm eine Chance, in kennen zu lernen, schaut zumindest diverse Einspielungen und Interviews mit ihm an! Er ist absolut kein Alien, sieht aus und redet wie ein ganz normaler Mensch, besitzt lediglich eine wohl angeborene Fähigkeit, schneller, gezielter und verknüpfter zu denken als die meisten von uns. Dazu ist er jemand, der es schon in jungen Jahren geschafft hat, einen eigenen Stil bei der Gestaltung klassischer Stücke zu entwickeln. Er ist, zumindest in meinen Augen, kein Virtuose sondern Musiker!

Schreibt doch mal was zu seinen Interpretationen, was haltet ihr von seiner Musik?
ein hochinteressanter Musiker, denn man im Auge behalten sollte, er ist ein Virtuose, der dies aber nicht zum Vorschein kommen lässt, Kapriolen hat er nicht nötig. ;)
 

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