Interpretationsfrage Bach d-moll Konzert 1. Satz

G

Glenngulda

Registriert
15.08.2025
Beiträge
8
Reaktionen
25
Liebe Forumsmitglieder,
vor ein paar Monaten hatte ich das seltene Glück mit einem kleinen Profiensemble den ersten Satz vom d-moll Konzert zu spielen. Es ist damit ein langer Traum in Erfüllung gegangen. Ich konnte eine Aufnahme davon machen und auch wenn es weit davon entfernt ist, perfekt zu sein, bin ich froh dieses Dokument zu haben. Leider habe ich von meinem ehemaligen Professor, bei dem ich studiert habe eine ziemlich negative Rückmeldung dazu bekommen. Was ihn extrem gestört hat, ist die zweite Kadenz gegen Ende des Stücks (die mit der langen Orgelpunktpassage). Er hat sich sehr darüber gestört, dass ich dort langsamer werde und fand, dass ich dort die ganze Energie zerstöre, weil es ein Höhepunkt des Werks sei. Ich wollte es aber eigentlich so, dass in diesem Moment des Stückes eine Art persönliche Klage entsteht und eine Art emotionaler introvertierte r Rückzug, um danach wieder Dramatik aufzubauen, wenn das Orchester wieder einsetzt und die schnelle Passage beginnt. Das Stück basiert ja 1:1 auf einer Kantate mit dem Thema „Wir müssen durch viel Trübsal“ und ich wollte da den persönlichen Schmerz zeigen. Diese Passage wird aber oftmals nicht so gespielt und tatsächlich wie ein energetischer Höhepunkt genutzt. Es würde mich sehr interessieren, was Ihr darüber denkt und wie ihr diese Passage deutet und versteht und meine Interpretation dieser Passage wahrnehmt.

 
Das Decrescendo finde ich ok, aber das Langsamerwerden nicht, das raubt mE Energie.
 
Insgesamt eine gelungene Aufnahme.
Aber auch ich finde das Rit. In der Kadenz zu „romantisch“ und wenig überzeugend (im Vergleich zum Rest).

Aber habe ruhig den Mut, Dinge auch so zu spielen, wie sie nicht „jeder“ spielt - sofern Du Dur etwas dabei denkst (was Du hier ja getan hast).

Deine Namensgeber gingen ja manchmal auch neue Wege 😉
 
Mir gefällts! Ich finde den Effekt viel stärker durch den Rückzug. Unqualifizierte Meinung: Das mit dem Energieverlust kommt meiner Meinung nach nicht durch den Rückzug zustande sondern dass die Kurve nach unten schön „angebremst“ aber nicht mehr gut rausbeschleunigt wurde. Schneller abbremsen und aus dem Schwung wieder anziehen hätte das evtl abgemildert. Das Orchester klingt als wären sie ungeduldig schnell zurück ins tempo zu kommen. Ich finde die Aufnahme aber wirklich rundum gelungen!
 
Das Stück basiert ja 1:1 auf einer Kantate mit dem Thema „Wir müssen durch viel Trübsal“ und ich wollte da den persönlichen Schmerz zeigen.
Das ist zum einen eine sehr romantische Herangehensweise, denn Schmerz, und erst recht individueller Schmerz kann kaum das bestimmende Thema einer barocken Kantate zum Jubilate-Sonntag sein. Den Charakter des Satzes würde ich als heroisch und leidenschaftlich bezeichnen.

Zum anderen basiert die Sinfonia der Kantate auf dem Konzertsatz - nicht umgekehrt! Das Cembalokonzert ist zwar nach der Kantate entstanden, das zugrundeliegende (verschollene) Violinkonzert aber deutlich früher, vermutlich sogar noch in der Weimarer Zeit, worauf die wenig ausgeprägte Kontrapunktik hindeutet.

Ich finde das insgesamt gut gespielt, aber der Kritik deines ehemaligen Professors muss ich mich leider voll und ganz anschließen.
 

Zurück
Oben Unten