Hohe Reibung in einer Basssaite

Dabei seit
17. Aug. 2009
Beiträge
2.188
Reaktionen
306
Hallo, liebe Klavierbauer,

Bei der Tonerhöhung meines Ibachs neulich bemerkte ich, dass eine Basssaite eine viel höhere Reibung hat als die restlichen. Beim Hochstimmen muss man ein höheres Drehmoment anlegen, und den Wirbel relativ weit drehen, bevor die Tonhöhe sich überhaupt ändert. Auch beim Herunterstimmen kommt erstmal ein "toter Bereich", und erst danach senkt sich die Tonhöhe.

Es ist die linke Saite eines zweichörigen Tons. Diese Saite liegt am rechten Wirbel (Saitenschlinge) des nächst-tieferen Tons an - aber das tun viele Saiten bei meinem Klavier - das scheint also erstmal normal zu sein. Auch am Umlenkstift auf der Silie sehe ich nichts abnormales im Vergleich zu den anderen Tönen.

Das gefühlte Drehmoment beim Hochstimmen ist ungefähr anderthalb, wenn nicht doppelt so hoch wie bei den Nachbartönen! (Mal ganz davon abgesehen, dass es mir unheimlich schwierig war, in so einem großen toten Bereich den richtigen Punkt zu finden, an dem der Wirbel die Stimmung genau halten wird.)

Ich möchte vor allem verhindern, dass diese Saite bei zukünftigen Stimmungen und/oder Tonerhöhungen reißt.

Wo die hohe Reibung genau herkommt, ist mir nicht klar, aber m.E. kommen nur zwei Punkte in Frage:
... Berührungspunkt mit dem Wirbel der Nachbarsaite und
... Umlenkpunkt auf der Silie.

Ich würde gerne etwas unternehmen. Habt ihr mir Rat?

1) Schmieren? Wenn ja, an welchen Punkten und womit?
2) Saite entspannen, Umlenk- und Kontaktpunkte untersuchen, reinigen, korrigieren, schmieren?

Ich will sehr vorsichtig sein, am oder beim Wirbelfeld mit irgendwelchem Schmiermitteln zu arbeiten - schon gar nicht mit irgendwelchem Öl - aber vielleicht mit Graphit?

Protek habe ich leider nicht, weil man das wegen Entzündlichkeit nicht verschicken kann.

Über jeden Rat wäre ich euch dankbar.

Mit Gruß,
Mark
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mark, jede Saite, vor allem im Bass, musst du vor dem Hochziehen erst so weit entspannen, dass du am Umlenkpunkt deutlich Bewegung sehen kannst. Sonst ist die Reißgefahr sehr groß.
Als Hilfsmittel kommt nötigenfalls sehr zähes und fest haftendes Fett oder ähnliches in Betracht. Selbstverständlich in minimaler Dosis, etwas mehr als homöopathisch. Dünnflüssiges bitte nicht, das könnte sogar gegenteilig wirken! Hier zu Lande gibt es von LiquiMoli einen Tubenstoff mit dem netten Namen "Schmierfix", der mir an kneifenden Umlenkungen schon oft gute Dienste erwiesen hat. Kontrolle über Jahre hat bislang noch nirgends Nachteile gezeigt.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Mark, jede Saite, vor allem im Bass, musst du vor dem Hochziehen erst so weit entspannen, dass du am Umlenkpunkt deutlich Bewegung sehen kannst. Sonst ist die Reißgefahr sehr groß.

Hallo Martin,

Das Obige "runter vor hoch" war (und ist) bei mir absolutes Pflichtprogramm, zumal die letzte Stimmung laut Inschrift auf den Tasten im Jahr 2000 stattfand. Ich habe also alle Saiten vor dem Hochziehen soweit entspannt, bis...
- der Ton sich merkbar senkte und/oder
- ein kleines "Ping" andeutete, dass minimale Rosthaftung an der Silie nun gebrochen war und/oder
- vor allem im Bass am Umlenkstift Bewegung sichtbar war.

Das hat auch gut geklappt, aber an der einen Bassaite war die Reibung trotz dieser Vorgehensweise so ungewohnt hoch. Ich habe drei, vier Male den Ton ein paar Cent runter- und wieder hochgestimmt, aber die Reibung blieb.

Zähes und fest haftendes Fett... da kommt mir das weiße Schmierfett von Audi/VW in den Sinn (für Türfangbänder u.dgl.m.), nur leider habe ich davon keines... Ich werde mal sehen, ob ich was entsprechendes besorgen kann.

Danke, und herzlichen Gruß!
Mark
 
Ja, TS, daran dachte ich auch schon, aber ich hatte wirklich den Eindruck, dass der Wirbel sich bewegt - nur halt die Saite (bzw. ihr klingender Teil) nicht. Und links herum ging es ja auch (relativ) leicht - ähnlich wie bei den anderen Wirbeln - was eigentlich gegen einen sehr festen Wirbel spricht, oder?

Ich werde die Stelle aber so-oder-so bei der nächsten Tonerhöhung nochmal genauer ins Auge fassen.

Ciao,
Mark
 
Hallo Mark,
könnte es sein, daß diese bewußte Saite schon einmal ersetzt wurde?
Möglicherweise mit Sechskant-Kern, der sich mit den Ecken in Stift und Silie eingräbt?
Gruß
Toni
 
Hallo Toni,

Interessant, dass du (indirekt) nach dem Kern fragst. Dass diese Saite schon mal ersetzt wurde, bezweifle ich, aber ich habe die Saiten neulich angeschaut, und dabei entdeckt, dass soweit ich das erkennen konnte, alle (!) Basssaiten einen Sechskantkern haben. Offensichtlich verwendete die hiesige Fabrik, die hierzulande allerhand Klaviere unter Lizenz herstellte (eben auch für Ibach) diese Saiten... Der Vorbesitzer hat nämlich bestimmt nicht den kompletten Bassbezug erneuern lassen - nein, das ist bestimmt original.

Wenn der Sechskantkern die Eigenart hat, sich in der Ecke der Umlenkung zu verkeilen, dann hätte ich schon mal eine (weitere?) Ursache des Problems gefunden - fragt sich, ob es da eine Lösung gibt, abgesehen von den obigen Antworten.

Ciao,
Mark
 
Es passiert auch schonmal, daß der Saitenspinner nicht 100%ig drauf ist, dann können manche Saiten taub klingen. Wenn man keine neue Saite machen will, oder zu Hand hat, dreht man die bewußte ein- zweimal in sich, um dadurch der Kupferwicklung mehr Anlegespannung zu geben. Dieser Drall könnte bei Sechskantdraht an Stift und Silie auch für mehr Reibung sorgen.:(
Gruß
Toni
 
Es passiert auch schonmal, daß der Saitenspinner nicht 100%ig drauf ist, dann können manche Saiten taub klingen. Wenn man keine neue Saite machen will, oder zu Hand hat, dreht man die bewußte ein- zweimal in sich, um dadurch der Kupferwicklung mehr Anlegespannung zu geben. Dieser Drall könnte bei Sechskantdraht an Stift und Silie auch für mehr Reibung sorgen.
Gruß
Toni

Das scheint in der Tat der Fall zu sein.

Beim dritten und letzten Durchgang zur Tonerhöhung ist gestern eine dieser Problemsaiten (es sind ein ganz paar) gerissen. (zweichörig)

Schon beim Linksdrehen zum Lockern musste ich den Wirbel viel weiter drehen, um die Tonhöhe zu senken. Dann habe ich die Saite bis fast auf den richtigen Ton hochgezogen bekommen, aber beim Feinstimmen hat's dann geknallt - trotz hartem Anschlag ("test blows").

Kleine Rechtsdrehung, mehrere Male hart angeschlagen - Ton bleibt konstant.
Zweite kleine Rechtsdrehung, mehrere Male hart angeschlagen - Ton bleibt konstant.
Dritte kleine Rechtsdrehung ... KNALL.

Tja, nun weiß ich, wie es sich anhört und -fühlt, und werde versuchen, die Saite zu knoten. Ansonsten muss ich die beiden Saiten des Chors ersetzen (lassen)...

EDIT:
Hier ein paar Bilder der Basssaiten. Im dritten Bild ist die vierte Saite von rechts gerissen, direkt am Wirbel.
BassStrings1.jpg

BassStrings2.jpg

BassStrings3.jpg

BassStrings4.jpg


Deine Theorie, dass der Drall den Sechskantkern am Stift verkeilt, ist interessant, aber komischerweise stimmen sich die untersten paar Saiten (siehe viertes Bild), die wirklich verdrallt sind, problemlos.

Ende EDIT.

Ciao,
Mark
P.S.: Ja, Martin, ich hätte wohl fetten müssen... Hinterher ist man schlauer.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
aber beim Feinstimmen hat's dann geknallt - trotz hartem Anschlag ("test blows").

Vielleicht gerade deswegen? ;)

Im ersten Lehrjahr hab ich das auch übertrieben mit dem festen Anschlag. Hab ich immer mit 2 Fingern gemacht. Mir sind dabei auch schon mal Hammerstiele gebrochen bei Neuklavieren, bis der Chef sich dann über den zu harten Anschlag beschwerte (ich solle seine Klaviere nicht kaputt hauen :D ) Bei älteren Instrumenten könnte ich mir auch vorstellen, dass da Basssaiten dran glauben können....
 
Hallo Mark/Klimperer,
willkommen im Club der Adrenalin-Produzenten ;) auch wenn du den Schreck wohl inzwischen verdaut hast...
Im dritten Bild die Vierte von rechts?
Da steht der Silienstift schiefer als bei den anderen. Womöglich liegt dort die Sechskantsaite zweimal flächig an, an der Silie und am Stift, und hat dadurch viel mehr Reibung als günstigenfalls nötig. In der Tat, Gleitmittelverwendung ist ratsam. Wenigstens bei den noch verbleibenden Saiten, und auf jeden Fall bei den neu aufzuziehenden. Und vor dem Neuaufziehen kannst du noch die Umlenkstellen ein bisschen nachfinishen.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus KRACH! wird wieder Klang
 


Meinst du? Ich glaube das nicht, zumal
... ich ein relativ kurzes, strammes Fortissimo mit einem Finger (eher aus dem Handgelenk) spiele, nicht mehr, und
... die Saite ja nicht am Umlenkstift gerissen ist, sondern am Wirbel.

willkommen im Club der Adrenalin-Produzenten ;) auch wenn du den Schreck wohl inzwischen verdaut hast...

Das schon - was allerdings bleibt, ist der Ärger.

Im dritten Bild die Vierte von rechts?
Da steht der Silienstift schiefer als bei den anderen. Womöglich liegt dort die Sechskantsaite zweimal flächig an, an der Silie und am Stift, und hat dadurch viel mehr Reibung als günstigenfalls nötig.

Ja, das fiel mir auch auf. Die Stifte sind überhaupt ziemlich wirr gesetzt. (Am Schwesterinstrument meiner Eltern, 4 Jahre älter, noch schlimmer.)

In der Tat, Gleitmittelverwendung ist ratsam. Wenigstens bei den noch verbleibenden Saiten, und auf jeden Fall bei den neu aufzuziehenden. Und vor dem Neuaufziehen kannst du noch die Umlenkstellen ein bisschen nachfinishen.

Auf dem vierten Bild sieht man an den Stiften der tiefsten Saiten rechts Kerben. Ich frage mich, ob die schon mal umgedreht wurden? (Wäre mir aber neu, zumal die Vorbesitzerin sagte, mehr als Stimmung sei nie gemacht worden.)

Hat von euch jemand Erfahrung mit Knoten? Es geht mir darum, dass ich wahrscheinlich nur schwierig einen Ersatz mit Sechskantkern finde. Wenn also eine neue Saite hineinkommt, dann muss ich wohl beide Saiten dieses zweichörigen Tons ersetzen... Daher die Frage nach dem Knoten. Zwischen Silie und Wirbel (obere Wirbelreihe) ist ca. 4 cm Platz, und dies Stück ist ja an der alten Saite noch dran.

Ich vermute, dass das Knoten gerissener Saiten in Deutschland ziemlich verpönt ist, aber ich wollte trotzdem mal fragen. Ich würde nämlich überlegen, in ein neues Stück Saitendraht Schlingen zu machen und dies an die alte Saite zu knoten.

Ciao,
Mark
 
Hallo,

Ich wollte nochmal ein, zwei Fotos vom Umlenkstift nachreichen. Die Stifte sind offensichtlich recht weich, und die Sechskantkerne beißen sich im Laufe der Jahre darin ein. Denn alle (!) Stifte haben solche Kerben. Bei einigen führt das offensichtlich zu erhöhter Reibung.

d:
TerminationsD3.jpg


d und dis:
TerminationsD3D%233.jpg


Kennt ihr dies Phänomen?

Erst gedachte ich, den Stift etwas aufzubiegen, zumal er einen schärferen Winkel mit der Silie macht. Aber im engl. Forum warnte mich ein Stimmer, dass der Stift durch's Biegen geschwächt werden könnte. Also werde ich eher versuchen, die Kerbe etwas glattzufeilen und zu polieren, dann leicht zu schmieren, wie oben besprochen. Dasselbe dann ggf. bei den 4 oder 5 anderen Saiten, die ähnliche Probleme haben (zumindest schmieren). Oder wenn jemand sonst einen Rat hat...

[EDIT: im Dezember sah ich übrigens am Ibach meiner Eltern (praktisch identisch mit meinem, 4 Jahre älter, dass ca. 5 der Umlenkstifte schon ersetzt wurden. Damals sah ich das mit etwas Verwunderung; heute kann ich mir denken, warum...]

Mit Gruß,
Mark
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Danke für die schönen Fotos, ich habe was gelernt! Ich verstehe zwar von Fahrrädern mehr als von Pianotechnik, aber auf den Bildern wimmelt es wohl von Sollbruchstellen. Da kann man ja nur froh sein, dass das keine Bremszüge sind, von denen das Leben abhängt, sondern nur Klaviersaiten, aus denen Töne kommen sollen. Grundsätzlich ist ja die Stimmung einer Saite nichts anderes als die Definition, wieviele Prozent der Zerreißgrenze zur Klangerzeugung genutzt werden sollen. Aber bei solchen Sollbruchstellen hat man wohl auch mit Fett keine Chance mehr...wenn es zu spät aufgetragen wird. Egal, um welchen "Zug" es sich handelt.
 
... mit dem feinen Unterschied, dass beim Bremszug bzw. jedem Bowdenzug die Bewegung möglichst reibungsfrei vom Griff auf die Bremszange übertragen werden soll, aber bei der Klaviersaite nach meinem Verständnis eine gewisse Reibung durchaus erwünscht ist, damit die Stimmung länger als nur bis zur nächsten Kaffeepause hält...

Ciao,
Mark
P.S.: danke für die Blumen - hat sich das Makro-feature an der Kamera doch mal gelohnt.
 
Toll fotografiert und gut gefinisht, Mark!
Und nun das Unabweisliche: Da muss wirklich Gleitmittel dran. Ein zähvisköses Zeug was fest auf dem Untergrund haftet, wie das vordem einmal erwähnte "Schmierfix" von LiquiMoli. Und das möglichst an alle Bass-Umlenkstifte...

Besten Gruß nach Pretoria
Martin
PianoCandle

... Freiheit Glück und Abenteuer
 
Danke!

Ich werde mich hier mal nach Schmierfix oder etwas entsprechendem umsehen. Molybdändisulfidschmiere und Graphitpulver hätte ich, aber beide sind m.W. als EP-Schmiermittel (extreme pressure) nicht so geeignet.

Ciao,
Mark
 

Zurück
Top Bottom