Meine Klavierlehrerin meinte, dass nicht allein die Bequemlichkeit des Fingersatzes entscheident ist, sondern auch der pianistische Faktor, sprich, dass wenn man immer zu einfache Fingersätze spielt, man später bei komplizierteren Stücken Probleme bekommt.
Naja, so _ähnlich_ denke ich auch: "einfach" ist das, was man gewohnt ist. Bei mir zu großem Teil (Job) geprägt von Computertastatur, programmieren und andere Texte. Manche vorgegebene Fingersätze kommen mir daher _zunächst_ unbequem vor. Wenn ich mich aber trotzdem dazu durchringe ("Profis spielen das wohl so"), merke ich manchmal, daß diese Bewegung plötzlich "elegant" (flüssig, einfach) wird. Anfänger sollten also nicht von vornherein sich auf das festlegen, was ihnen "einfach" erscheint, vielleicht ist es nur - durch anderen Zusammenhang - "gewohnt".
Noch ein Gedanke habe ich zum Fingersatz, den ich hier bisher nicht fand:
Die Tücke des antizipatorischen Fingersatzes
Die "Bequemlichkeit" eines Fingersatzes kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden:
- gewohnt:
"mit welchem Finger komme ich in der aktuellen Situation, die von der Vorgeschichte geprägt ist, am mühelosesten zur nächsten Note?"
und
- antizipatorisch (vorwegnehmend):
"wie positioniere ich aktuell meine Finger, damit das Folgende 'wie von selbst' geht?"
Die antizipatorische Variante ist raffiniert, was anfangs vielleicht blödsinnig erschien, erweist sich in der Folge als genial. Einmal auf's Gleis gesetzt, spielen die Finger wie von selbst.
Aber: nach einem Vierteljahr habe ich die Tonabfolge vielleicht noch im Hirn, aber nicht mehr so gut das Bewegungsmuster, jedenfalls nicht mehr an den Stellen, wo es ziemlich beliebig war. Jemand schrieb hier schon, daß diese Bewegungsmuster bei hektischen Stellen automatisch ablaufen (und tatsächlich lerne ich hektische Stellen leichter auswendig als langsame, andere Lerninhalte: Bewegungsablauf oder Klangfolge).
Kurzum: nach einem Vierteljahr hangel ich mich erinnerungstechnisch durch die Klangfolge und nehme grad den Finger, der in der aktuellen Situation für den nächsten Ton am praktischsten ist - und lande im Wald.
Denn gelernt hatte ich in dieser Situation den antizipatorischen Fingersatz und da war ein ganz anderer Finger angesprochen. Da ich aber diese hektische Stelle per automatisiertem Bewegungsablauf zu spielen gewohnt bin, merke ich sehr bald, daß nicht die Töne kommen, die ich erwarte :D
Und wenn ich dann erstmal im Wald bin, gucke ich und sehe meine Hände mit den Daumen, und die Tastatur mit den C's und freue mich, daß alles so übersichtlich angeordnet ist, und habe eine Klangfolge im Kopf, die ich höchsten singen kann, wenn ich's könnte, aber nicht spielen.
Kurzum: so elegant wie der antizipatorische Fingersatz daherkommt - die Finger spielen quasi "wie von selbst", ich bin da mittlerweile mißtrauisch. Sicher macht es Sinn, am Anfang einer "Phrase" die Finger günstig zu positionieren. Aber sie am Ende einer Phrase zu verbiegen, nur damit der Übergang zur nächsten möglichst mühelos geht, erweist sich später als böse Falle.
Just my 2 cents.
LG Hanfred