Mit Ruhe und Bedacht kommst du schneller zum Ziel.
Ich weiß nicht, wie lange du schon spielst, aber allem Anschein nach bist du eher Anfänger. Die Außenfinger 3-4-5 sind eh' von ihren anatomischen Voraussetzungen her gehandicapt: Damit sie sich halbwegs unabhängig voneinander bewegen, bedarf es viel Geduld und sinnvoller (!) Übung.
Zunächst einmal: Fingerübungen sollten immer ohne Noten gemacht werden, um den Fokus ausschließlich auf die Muskulatur und die Bewegungsabläufe zu richten. Ohr, Finger und Gehirn sind Dir dankbar, wenn Du immer andere Lagen wählst (z.B. auf weißen Tasten auch mal a-h-c-d-e), damit nicht unterbewußt eine einseitige Zuordnung von Klang und Bewegung einsetzt.
Kennst du Übungen, um zu einer entspannten (lockeren) Haltung von Schulter, Arm, Handgelenk und Fingern zu gelangen. Hier die "Fallschirm"-Übung, die ich meinen Schülern empfehle (ich versuche einmal, den Ablauf mit Worten zu beschreiben):
- Der Arm wird langsam soweit gehoben, daß sich die Finger etwa in Höhe der Schulter befinden. Die Hand hängt entspannt am Handgelenk.
- Der Arm schwebt nun nach unten auf die weißen Tasten. Der dritte Finger setzt als erster auf der Tastatur auf und drückt die Taste nieder.
- Wichtig - an diesem Punkt innehalten: Du mußt spüren, daß das ganze Gewicht des Armes vom "gestreckten" dritten Finger abgefangen wird. Die anderen Finger locker lassen und nicht versuchen, sie "einzurollen".
- Der dritte Finger knickt nun im äußersten Fingerglied ein (d.h. er rollt über den Fingernagel ab). Dadurch drücken auch zweiter und vierter Finger die benachbarten Tasten nach unten. (Die Schwierigkeit liegt anfangs darin, daß der dritte Finger keinen stabilen Halt mehr auf der Taste findet und über den Fingernagel nach hinten wegrutscht.) Auch hier ist es wichtig, innezuhalten und zu spüren, wie sich das Armgewicht auf die Finger 2-3-4 verteilt.
- Nun erst langsam das Handgelenk absenken. Daumen und fünfter Finger dürfen die Tasten nicht aktiv anschlagen, sondern werden über die stetige Abwärtsbewegung des Handgelenks geführt. (Wichtig: Der Bewegungsfluß des Handgelenks darf in keinem Augenblick stoppen, und es darf keine aktive Bewegung aus den Fingergelenken erfolgen!)
- Am Ende hängt das Handgelenk schwer und tief ("wie ein nasser Mehlsack"). Die Finger drücken nun in wahrscheinlich flacher Haltung die Tasten nach unten.
- Versuche nun, die vorderen Fingerglieder so aufzustellen, daß nur die Fingerkuppen das Armgewicht abstützen.
Dies also eine Übung, um ein Gespür für die Lockerheit des Bewegungsapparates zu bekommen. Die Übung läßt sich "verfeinern", indem dritter, zweiter und vierter Finger die Tasten beim Hinabschweben nur berühren und nicht nach unten drücken. Erst Daumen und fünfter Finger werden durch das Absenken des Handgelenks mitgenommen und nehmen das Gewicht des Armes auf. (Auch hier unbedingt darauf achten daß der Bewegungsfluß des Handgelenks in keinem Augenblick unterbrochen wird und
keine aktive Bewegung aus den Fingergelenken erfolgt!) Wenn die Hand entspannt ist, "fällt" der dritte Finger hinterher ("Fallschirm in nachschagenden Dreiklängen").
Letzte Stufe der Verrfeinerung: alle Finger bauen beim Hinabschweben
nur Tastenkontakt auf. Wenn das Handgelenk auf der Höhe der Tastatur ist, werden Daumen, dritter und kleiner Finger durch die Abwärtsbewegung des Handgelenks mitgeführt.
Hier nun zwei Übungen, um die Unabhängigkeit der Finger zu trainieren (ohne daß es dabei zu Verspannungen kommt):
1. Variante:
- Wähle eine Lage, in der der Arm bequem neben dem Oberkörper hängt. Vermeide Positionen vor dem Oberkörper, in denen Du das Handgelenk abwinkeln mußt ("Judo-Griffe"). Lege die Hand entspannt auf die weißen Tasten, daß alle Fingerkuppen die Tasten berühren.
- Nun mit einem Finger eine Taste antippen. Als Klang müßte ein leichtes, nicht zu spitzes Staccato erklingen (vergleichbar dem "Plopp" beim Öffnen einer Bierflasche).
- Nutze zum Lösen den "Auftrieb" der Taste. Die Taste trägt den Finger nach oben, d.h. der Tastenkontakt ist nie unterbrochen.
- Es kann durchaus passieren, daß beim Antippen des dritten, vierten oder fünften Fingers andere Finger aus "Solidarität" mitgehen oder nach oben schnellen. Das ist erst einmal so! Wichtig ist, daß alle Finger nach der Aktion möglichst rasch wieder in ihre entspannte Haltung zurückfinden.
Zweite Variante:
- Alle fünf Finger drücken die Tasten nach unten - mit gerade dem Druck, der nötig ist, die Tasten unten zu halten. Wenn die äußersten Fingerglieder einknicken oder sich weiß verfärben, ist der Druck zu groß.
- Nun läßt sich jeder Finger von der Taste hochtragen (nicht hochreißen, an den Tastenkontakt denken!) und schlägt die Taste kräftig an.
Es geht nicht darum, wie schnell du bist, sondern wie gut Du in der Lage bist, nach jeder (!) Aktion die Muskulatur wieder zu entspannen.
Zu guter Letzt: Ich halte überhaupt nichts davon, "stundenlang" den vierten und fünften Finger abwechselnd zu maltraitieren. Erst einmal solltest Du Kombinationen wählen, die leichter von der Hand gehen (z.B. 2-4 oder 2-5) und die "gemeinen" Kobinationen zwischendurch einstreuen.