Gemeinde singt nicht

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Werschtfried

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9. Juli 2013
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Hallo Leute,
wie die Thread-Überschrift bereits andeutet, habe ich das Problem, dass in der evangelischen Kirche, in der ich Organist bin, kaum jemand mitsingt und wenn doch, dann eher verhalten. Ich weiß, das ist eigentlich ein alter Hut, der hier schon häufig diskutiert wurde. Ich habe auch schon viele mir bekannte Tricks ausprobiert, aber es bringt nichts. Ich dachte, ich beschreibe mal ganz genau, wie ich bisher vorgeganen bin. Vielleicht fällt euch etwas ein. Die Orgel hat folgende Disposition (II/P/15):

I Hauptwerk C-g3
1. Prinzipal 8'
2. Rohrflöte 8'
3. Oktave 4'
4. Flachflöte 2'
5. Mixtur 4 F.

II Schwellwerk C-g3
6. Gedackt 8'
7. Spitzflöte 4'
8. Prinzipal 2'
9. Nasat 1 1/3'
10. Zimbel 3 F.
11. Trompete 8'
12. Tremulant

III Pedal C–f1
13. Subbass 16'
14. Prinzipal 8'
15. Nachthorn 4'
16. Fagott 16'

Koppeln: II/I, I-P, II-P

Also beim Spielen versuche ich immer, jeden Melodieton zu harmonisieren, um den Melodierhythmus zu unterstützen. Meine Spielweise würde ich als non legato/portato bezeichnen. Manchmal ändere ich von Strophe zu Strophe die Artikulation und versuche, ob beim Legato jemand singt oder manchmal harmonisiere ich langsamer, z. B. zwei Akkorde pro Takt. Ich versuche, die Registrierung an die Zahl und Stimmkraft der Gottesdienstbesucher anzupassen, habe aber immer das Gefühl, dass sie unpassend ist. Wenn ich z. B. Grundstimmen zu 8' und 4' registriere, denke ich, es muss etwas deutlicher und zeichnender klingen. Dann nehme ich das Prinzipal 2' aus dem Schwellwerk dazu, aber dann höre ich die Gemeinde kaum noch. Wenn ich die Zungenstimmen oder Mixturen nehme, kann ich die Gemeinde so gut wie gar nicht mehr hören. Dann versuche ich obligates Spiel. Das Hauptwerk hat aber keine Solostimme, die Trompete aus dem Schwellwerk ist sehr leise, ich befürchte, dass das die Gemeinde noch mehr verunsichert. Also egal was ich mache, es fühlt sich immer falsch an.

Insgesamt gibt es in der katholischen und evangelischen Gemeinde sieben Kirchen. Gelegentlich spiele ich auch in den anderen Kirchen. Dort wird allerdings recht stark gesungen, egal wer orgelt. Ich habe immer das Gefühl, dass dort das Begleiten wie von allein geschieht, so als würden meine Hände alles automatisch machen. Der Gesang ist immer sehr gut zusammen mit der Gemeinde. In den katholischen Kirchen ist auch niemand irritiert, wenn obligat begleitet wird (unter den Organisten bin ich der einzige der das macht).

Also hat hier irgendeiner eine Idee, wie ich die Leute animieren kann? Registrierung? Artikulation? Satzstil? Oder irgendwie anders? Erpressen? =)
 
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Hallo Werschtfried,
spielst Du dort regelmäßig?
Wie viele Leute sind da durchschnittlich im Gottedienst?
Gibt es die Möglichkeit die Gemeinde an einem Klavier zu begleiten. [Korrektur] ?
Du wärst dann näher bei der Gemeinde und könntest von dort aus agieren.
Singt die/der Pfarrer/in mit?

Grüße

Toni
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz ehrlich, am besten nimmst du darauf gar keine Rücksicht. Wenn du dich komisch fühlst und so, dann sing einfach selber mit, während du spielst, und hören musst du die Gemeinde sowieso nicht.
In manchen Gemeinden macht einfach keiner seinen Schnabel auf, da kannst du nichts machen (außer einen Chor gründen und den immer mitnehmen...)

@toni: was genau spricht dagegen, an das Ende einer Frage ein Fragezeichen zu setzen? Weißt du, wie bescheuert es klingt, das hier "Gibt es die Möglichkeit die Gemeinde an einem Klavier zu begleiten." so zu lesen, wie es da steht?
...
 
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Hallo,

gib doch mal einen typischen Liederzettel eines beliebigen Gottesdienstes an, welche Lieder da vorkommen.
Es kann an den Liedern liegen, unsangliches Zeug, das der Gemeinde praktisch nicht bekannt ist. Zum Beispiel die Sachen aus den Regionalteilen kommen nicht oft vor und enthalten auch manche merkwürdigen Wendungen.
Was mir sonst noch einfällt: sind da viele Männer im Gottesdienst? Falls ja, versuch mal, den cantus im Bass zu spielen. Das ist für die Herren einfacher, weil sie nicht oktaviert mitsingen müssen :-D
 
an das Ende einer Frage ein Fragezeichen zu setzen?

Also würd ich die Orgel mal auf hohe Lautstärke einstellen? Könnte es nicht sein, dass sich die Leute fürchten, wenn sie sich zu deutlich selbst singen hören;

Wie wäre es, wenn man laut und ermutigend auf der Orgel begonnen hat, und die Leute dann in diesem Deckmantel angefangen haben, mitzusingen, allmählich leiser zu spielen!

LG, Olli ;);)
 
ach, den Evangelen fehlt doch seit jeher die Katholenfeierlichkeit. Letztere habens gerne laut & prächtig. Gegen Jahrhunderte "Erziehung" kannste kaum anstinken.

Was ich tun würde: Vor der Messe eine kleine Ansprache und gemeinsames Singen (nicht die Lieder aus dem Gottesdienst) - erst mal nur 3 Minuten. Und dann zeitlich steigern. Kommen dann immer mehr Leute früher, biste auf dem richtigen Weg. Und natürlich den Chef des Hauses mit einbeziehen!
 
gemeinsames Singen (nicht die Lieder aus dem Gottesdienst)
Ja, was denn? "Oh Happy Day"?
Den obersten?

Hab' aus meinen Konfirmationsgottesdiensten die Erfahrung gemacht, dass immer nur ein kleiner Teil, eine Minderheit, mitsingt. Die anderen wollen eben nicht. Genau wie beim Vaterunser, da betet ein Teil mit und die anderen nicht.

Ich wollte auch nie mitsingen, da hätte die perfekteste Orgelregistrierung nichts dran geändert. Der Wunsch zum SIngen oder Nichtsingen ist wohl kaum zu beeinflussen.

CW
 
Der Wunsch zum SIngen oder Nichtsingen ist wohl kaum zu beeinflussen.
aber sicher doch! Es gibt Lieder, die liegen in einer ungünstigen Tonhöhe, es gibt Lieder zum Schnarchen und es gibt auch in der Kirche "Gassenhauer". Die armseligen Neukompositionen (ich glaube die haben wir von den Evangelen übernommen ;-)) führten bei uns (anno 1990 vielleicht) nur zu höchst verhaltener Singerei, während z.B. "Tochter Zion" orkanartige Lautstärken "provozierte". Schon damals gabs nicht wenige Leute, für die Kirche nur WEGEN des Singens erträglich war.
 
Höre ich da ganz leise unterschwellige, latente Animositäten gegen uns Protestanten?

Der größte Kirchenmusiker von allen war evangelisch. Das hat sich positiv auf seine Vermehrungsrate und auf seine musikalische Kreativität ausgewirkt.

CW
 
"Die Leute in x-Dorf singen mit, die in y-Dorf nicht": ein äonenaltes Problem, gegen das man wohl nicht viel grundsätzliches ausrichten kann. Ich würde sicherheitshalber mal Kontakt zum Kirchenvorstand suchen und fragen, wie er die Sache sieht. Vielleicht kommt dabei ja doch was zu Tage (oft: "du spielst zu viel schnell! Wir wollen unsere Pause nach jeder Zeile, unsere Großeltern hatten sie schließlich auch ...."). Im Idealfall gibt es da aber jemand, der sich für das Problem interessiert und ab und zu mit dem Segen einer pädagogisch gesinnten Pfarrerin ein paar Übeminuten direkt im Gottesdienst ermöglich. Ich habe das vor langer Zeit einmal erfolgreich ausprobiert, allerdings begünstigt durch das Faktum, daß links die x-Dörfler und rechts die y-Dörfler saßen, die bei getrennter "performance" jeweils nicht hinter den anderen zurückstehen wollten.

Viel Erfolg beim Probieren!
 
Zuletzt bearbeitet:

ach, den Evangelen fehlt doch seit jeher die Katholenfeierlichkeit. Letztere habens gerne laut & prächtig. Gegen Jahrhunderte "Erziehung" kannste kaum anstinken.

Hey Pescatore,

das ist historisch aber grundfalsch! Der volkssprachliche Gemeindegesang ist eine Erfindung der Reformation, die von den Katholen, nachdem sich ihr Erfolg erwies, nur abgekupfert wurde (wobei Übernahmen aus ketzerischer Quelle in den kath. Gesangbüchern in der Regel vornehm verschwiegen wurden).

Freundliche Dorforglergrüße!

Friedrich
 
Olli, du Scherzkeks!

Also, ich finde, man kann nicht so pauschal urteilen, ob die Katholiken besser mitsingen oder die Protestanten. Ich kenne bei beiden sowohl Gemeinden, die mitsingen, als auch welche, die mucksmäuschenstill bleiben.
Manchmal liegt es auch einfach an der Zahl der Kirchenbesucher, wenn die gering ist, werden alle Anwesenden leicht schüchtern ;)

Ich habe ja die Theorie, dass es sich auch um ein Generationsproblem handelt, und zwar singen die Leute, die jetzt so um die 50 sind (und ihre Kinder und Kindeskinder) generell wenig! Bei den "ganz alten" ist es noch anders, aber leider leider... das wurde auch schon an anderer Stelle beobachtet als Kirchengemeinden.

In der Schule singen sowohl Schüler als auch (nichtausgebildete) Lehrer heutzutage eher ungern, leider! Singen kann man entweder bei DSDS oder es ist gleich uncool, wie es scheint.
Angeblich singen bei uns in Deutschland auch signifikant weniger Mütter Wiegenlieder für ihre Brut, als es in sämtlichen anderen Kulturen der Welt der Fall ist. Wenn das stimmt, dann wundert mich nichts mehr...
 
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@toni: was genau spricht dagegen, an das Ende einer Frage ein Fragezeichen zu setzen? Weißt du, wie bescheuert es klingt, das hier "Gibt es die Möglichkeit die Gemeinde an einem Klavier zu begleiten." so zu lesen, wie es da steht?
...
@Rebecca
Da spricht überhaupt nichts dagegen, - habe ich halt übersehen.
Warum es allerdings deswegen gleich bescheuert klingen sollte, erschließt sich mir nicht so ganz.
Grüße
Toni
P.S. Habe es korrigiert.
P.S. II. Nachdem Barbie momentan gesperrt ist, hast Du wohl das Bedürftnis für Unruhe zu sorgen...
 
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das ist historisch aber grundfalsch! Der volkssprachliche Gemeindegesang ist eine Erfindung der Reformation, die von den Katholen, nachdem sich ihr Erfolg erwies, nur abgekupfert wurde (wobei Übernahmen aus ketzerischer Quelle in den kath. Gesangbüchern in der Regel vornehm verschwiegen wurden).
Und "Tochter Zion" ist auch nicht so richtig katholischen Ursprungs.
 
Leut! Ich kann doch nicht immerzu "Ironie-Smilies" machen! Und @CW: Mir sind beide recht, solange sie nicht missionieren. Und nicht nur die, sondern alle Sinnsucher, die an erster Stelle den Menschen sehen und nicht ein Diktum. Nota bene: Als ehemaliger Altkatholik bin ich schon des öfteren über die Tristesse in evangelischen Landgemeinden überrascht gewesen. Kann aber daran liegen, dass sie in unserer Ecke ein Schattendasein fristen müssen/mussten.
 
Hey Pescatore,

das ist historisch aber grundfalsch! Der volkssprachliche Gemeindegesang ist eine Erfindung der Reformation, die von den Katholen, nachdem sich ihr Erfolg erwies, nur abgekupfert wurde (wobei Übernahmen aus ketzerischer Quelle in den kath. Gesangbüchern in der Regel vornehm verschwiegen wurden).

Freundliche Dorforglergrüße!

Friedrich

Das ist nun aber auch ein bisschen verkürzt - die Praxis des Deutschen Liturgiegesanges ist deutlich älter, als die Reformation und somit "katholischen" - in meinen Augen jedoch eher "ökumenischen" Ursprunges...;-)

Das prominenteste Beispiel hierfür ist immer noch das wunderbare Lied "Christ ist erstanden":

http://de.wikipedia.org/wiki/Christ_ist_erstanden

Herzliche Grüße

Dein Lisztomanie

der am 07.07.2014 unter anderen eine Prüfung im Fach "Deutschen Liturgiegesang" abzulegen hat :heilig:;-)
 
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