Französische Suiten Bach - Tempoangabe der Courante

Dabei seit
13. Jan. 2012
Beiträge
2.501
Reaktionen
2.374
Hallo,
ich spiele gerade die "Französische Suite Nr. 5 in G-Dur" von Bach und hoffe, dass jemand mir helfen kann:
Da in meiner Ausgabe (Ullstein, 1926) keine Angaben über das Tempo der Courante gesetzt sind, bräuchte ich eine Tempoangabe einer Courante. Am besten in Zahlen (z.B. 60-80 bpm).

Viele Grüße
euer Digedag
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Digedag,

Bach hat kaum direkte Tempobezeichnungen in seinen Stücken verwendet (siehe z. B. Urtexte von Henle). Er war der Überzeugung, dass man das Tempo und den Charakter des Stückes alleine aus dem Text herauslesen und -hören kann. Eine Courante ist ein zügiger Barock-Tanz. Stelle Dir Körperbewegungen dazu vor, Dein Körper muss sich dabei schon eifrig bewegen!

Nimm' es daher als Aufforderung (und Freiheit!), selbst ein Tempo zu finden, in dem Du diesen Charakter darstellen kannst. Da jeder dafür eine etwas andere Lösung findet, sind sicherlich auch berühmte Aufnahmen (auch wenn mir nun gerade keine im Ohr klingt) im Tempo recht unterschiedlich. Übe erst einmal eine Zeit lang, also so einige Wochen, und warte, dass eine Klangvorstellung entsteht.

Vielleicht teilst Du uns dann Deine ersten Ergebnisse in bpm (weil objektivierbar) mit? Das Tempo wird sich im Laufe der Zeit durchaus verändern, je nach Sonneneinstrahlung, Laune, Lebensalter, Hörgewohnheiten, Fingertemperatur, Raumklang, Instrument etc.. Daher kann es sein, dass Du ältere Aufnahmen von Dir später zu schnell oder zu langsam findest. Nicht jedes Tempo ist passend, klar. Es geht um den Charakter des Stücks, den Du finden musst.

Also: versuche, im Text das Tempo zu "entdecken"! (Erst danach nimmst Du per Metronom ein Tempo ab, damit Du eine Idee in Zahlen hast.)

Bis dahin!
 
Danke für den ausgiebigen Tipp.
Werde ich bald mal ausprobieren ;-)

Grüße
Digedag
 
Heute habe das Tempo (so, wie ich das immer spiele) herausgefunden:
ca. 80 bpm (Viertel)
 
Daniel Barenboim hat im März in einem sehr schönen SPIEGEL-Interview auf die Frage "Wie findet man das richtige Tempo" folgendes (wie ich finde sehr Richtiges) geantwortet:
Alle Leute, die über Musik sprechen und schreiben, sind fasziniert von der Geschwindigkeit.
Das ist totaler Schwachsinn. Ich habe in Bayreuth den "Ring" dirigiert, danach übernahm ihn mein Freund James Levine. Ich fragte Leute, die ihn gehört hatten, wie es gewesen sei. Sie sagten: "Ach, es ist so langsam." Was sagt mir das? Nichts.
Die Entscheidung über das Tempo ist vielleicht eine der wichtigsten Entscheidungen, die ein Musiker treffen muss, aber es muss die letzte Entscheidung sein. Erst muss er den Inhalt verstehen. Es geht beim Musizieren um Spannung. Wer Spannung aufbauen kann, der wird sich auch erlauben können, langsamer zu dirigieren. Wenn keine Spannung da ist, wird es langweilig, selbst wenn das Tempo schnell ist.

Das kann ich nur unterschreiben. Wer das ganze Gespräch nachlesen möchte:
Quelle
 
Heute habe das Tempo (so, wie ich das immer spiele) herausgefunden:
ca. 80 bpm (Viertel)
Ich persönlich finde das für eine Courante im allgemeinen (und auch für die G-Dur-Courante im besonderen) schon relativ langsam.
Aber wie sagt der alte Mattheson:
Soll aber diese Melodie dem Clavier dienen, so wird ihr mehr Freiheit vergönnet; auf der Geige (die Viol da Gamba nicht ausgeschlossen) hat sie fast keine Schrancken, sondern suchet ihrem Nahmen, durch immerwährendes Lauffen, ein völliges Recht zu thun: doch so, daß es lieblich und zärtlich zugehe.
http://www.koelnklavier.de/quellen/matth-1739/kap2-13-32.html
 
Hier mal einige Metronomangaben, die ich in Notenausgaben und Kommentarbänden für die Courante der 5. franz. Suite gefunden habe:
  • Bodky: Viertel = 120
  • Keller: Viertel =104
  • Czerny: Viertel =132
  • Bischoff: Viertel = 120
Die Angaben von Palmer und Röntgen liefere ich den nächsten Tagen nach
 
Hier mal einige Metronomangaben, die ich in Notenausgaben und Kommentarbänden für die Courante der 5. franz. Suite gefunden habe:
  • Bodky: Viertel = 120
  • Keller: Viertel =104
  • Czerny: Viertel =132
  • Bischoff: Viertel = 120
Die Angaben von Palmer und Röntgen liefere ich den nächsten Tagen nach

120 oder gar 132 finde ich schon sehr rasant.
Habe die Tempi eben mal auf dem Cembalo ausprobiert. Da ist man schon beim berüchtigten Nähmaschinengeratter; mit "lieblich und zärtlich" hat das wenig zu tun.
 
120 oder gar 132 finde ich schon sehr rasant.
Das sehe ich ähnlich. Aber offensichtlich gibt / gab es Musiker, die diese Tempi für angemessen hielten. Aufschlußreich wäre es, bei Einspielungen die Spieldauer auf die Metronomzahl herunterzurechnen. Ich schätze, man wird auch da Überraschungen erleben ...

(Im Falle des Wohltemperierten Klaviers und der Inventionen hat Palmer in seiner bei "Alfred" erschienenen Ausgabe eine solche Synopsis erstellt. Die Spannweiten des Tempos sind enorm.)
 
Soeben habe ich gelernt, dass es sogar Unterschiede in Bezug auf die Zeit gibt zu der die Courante getanzt wurde:

Zitat von klassik-heute.com:
... war die Courante anfangs ein schneller Tanz im 3/8- oder 6/8-Takt, wandelte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts aber zu einem gemessenen Schreittanz im 3/2- oder 6/4-Takt

Eine Courante ist ein zügiger Barock-Tanz. Stelle Dir Körperbewegungen dazu vor, Dein Körper muss sich dabei schon eifrig bewegen!

Würde man Tänzer finden welche die alten Tänze beherrschen, dann würden sich die zahlreichen voneinander abweichenden Hinweise vermutlich erübrigen. Aber solche Tänzer zu finden dürfte wohl um einiges schwieriger sein als das Herausfinden des angemessenen Tempos aufgrund der Notation.
 





Aber ob das so richtig ist kann wohl niemand überprüfen.
 

Zurück
Top Bottom