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orgeljonny

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20. Apr. 2011
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Hallo Leute,

ich spielte bis zum Sommer letztes Jahr ca. 6 Jahre Keyboard. Anfang dieses Jahres habe ich mich entschieden Orgel zu lernen beim zuständigen Dekanatsmusiker, da das mich eigentlich schon immer sehr interessiert hat. Nun habe ich vor etwa 2 Monaten mit dem Unterricht begonnen. Es macht mir schon Spaß, ich übe 2-4 mal die Woche in der Kirche je 1-2 Stunden und mein Lehrer ist zum Großteil auch zufrieden mit mir.

So nun zu meinen Fragen:

1. Ich habe jetzt natürlich das "Problem", dass ich in etwa 3 Jahren wahrscheinlich zum studieren gehe und dann keinen Unterricht mehr bekomme. Bis jetzt spiele ich nur zweistimmige Choralintonationen oder zweistimmige Fugen auf den Manualen, da mein Lehrer meint, dass wir zuerst das Spiel mit der linken Hand ausbauen müssen, da dies beim Keyboard spielen ziemlich begrenzt sei.

Nun die eigentliche Frage: Glaubt ihr, dass ich es bis in 3 Jahren noch bis zu den drei- oder sogar vierstimmigen Chorälen schaffe? Und wie lange wird es wohl dauern bis ich eine Gemeinde (dreistimmig) begleiten kann?

2. Wie könnte man sich während des Studiums kostengünstig im Orgelspiel weiterbilden? Ist das Selbststudium in so einem Fall eine Alternative zum Unterricht wenn man bereits Erfahrung hat?

So das war es vorerst mal mit meinen Fragen:)

Schonmal jetzt Danke für die Antworten!!

MfG orgeljonny
 
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Hallo, Orgeljonny, Deine Frage ist ziemlich schwer zu beantworten, weil die Progression sowohl vom Fleiss und dem Faktor Zeit, als auch von Vorbildung und Begabung abhängig ist. Dein OL tut sehr gut daran, deine linke Hand zu trainieren, und die Zweistimmigkeit ist dazu der einzig vernünftige Weg. Du hast da offensichtlich jemanden als Lehrer, der wirklich Ahnung hat.
Es wäre aber auch seh von Vorteil, wenn Du Dir ein Klavier anschaffen würdest, um die Kraftentwicklung zu fördern. Die Keyboards haben ja i.A. keine gewichteten Tasten. Viele Orgeln aber sind unglaublich schwer im Anschlag, wenn man koppelt und die "Kiste" mechanische Koppeln hat. Spätestens , wenn Du an einer solchen Orgel sitzt, wirst du die Erfahrung machen, längere Achtel-oder Sechzehntelläufe nicht mehr zu bewältigen, allein, weil es an der Kraft fehlt. Ich würde Dir auch noch den Rat geben, unabhängig vom Manualspiel bald mit dem Pedalspiel zu beginnen. Eine ausführliche und hervorragende Orgelschule ist die dreibändige "Ars Organi" von Floor Peeters. Ich erinner mich an den ersten Satz des Orgelprofessors am Tag meiner Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule: "Kommt jemand von Ihnen vom Keyboard her? Derjenige möge bitte gleich wieder gehen"... Gemeindebegleitung sollte in der Zeit möglich sein! Sie erfolgt aber im vierstimmigen Satz, wobei der Baß im Pedal liegt, und meistens Sopran und Alt in der RH und der Tenor in der LH (mit einigen Ausnahmen natürlich)... Wünsche Dir viel Freude und Erfolg! Gruß! Stephan
 
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Danke für die schnelle Antowort...jetzt versteh ich auch wieso Organisten immer mit voller Wucht auf Orgeln mir mechanischer Traktur einhacken :D

Noch mal zur Sache mit dem Anschlag:

Die Orgel auf der ich übe ist eine kleine zweimanualige Orgel mit einer pneumatischen Traktur. Sie ist aber schon weit über 100 Jahre alt und der Anschlag ist nur noch teilweise oder im 2. Manual kaum noch wahrnehmbar.
Auf Rat meines Orgellehrers besorge ich mir nun den Schlüssel für die Orgel auf der ich Unterricht hab, da diese erst 30 Jahre alt und diese einen rechten Anschlag besitzt und auch größer ist.

MfG orgeljonny
 
Gemeindebegleitung sollte in der Zeit möglich sein! Sie erfolgt aber im vierstimmigen Satz, wobei der Baß im Pedal liegt, und meistens Sopran und Alt in der RH und der Tenor in der LH (mit einigen Ausnahmen natürlich)... Wünsche Dir viel Freude und Erfolg!

Also, die "normale" 4-stimmige Gemeindebegleitung ist bei mir so, dass in der RH nur die Sopranstimme als cantus firmus auf einem Manual liegt, in der LH die Alt- und Tenorstimme auf einem anderen schwächer registrierten Manual, und die Baßstimme im Pedal. Ich dachte auch, dass das die üblichste Form ist (das behalte ich auch bei, wenn beide Hände auf demselben Manual spielen, weil dadurch die Melodie einfacher artikuliert werden kann - finde ich).
 
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Hallo, Mindenblues, alle Wette, dass Du evangelisch bist? ;-) oder bei einem evangelischen KM gelernt hast? Ja? Nein?
Natürlich ist das auch richtig, die Oberstimme solistisch herauszuspielen, aber bei Orgeljonny geht es ja zunächst mal um die Basis-Begleitung. Und das schon hier, also bei 3 Stimmen auf einem Manual und Bass im Pedal auch die linke Hand mal Tenor und Alt bekommt, wird er dann schon feststellen. Aber wie heißt es in der Pädagogik so schön: Reduktion von Komplexität..;-) Gruß!
 
Hallo, Mindenblues, alle Wette, dass Du evangelisch bist? ;-) oder bei einem evangelischen KM gelernt hast? Ja? Nein?

Die Wette hast du gewonnen!

Aber, wieso, um jeden katholischen oder evangelischen Gott in der Welt, macht das einen Unterschied, ob man nun Gotteslob oder EG aufschlägt? Kenne mich bei den Katholens überhaupt nicht aus, von daher finde ich das höchst spannend!
 
Hallo, Mindenblues! Na, das war ja klar!..;-) Ja, ja, es gibt konfessionelle Traditionen! Es ist absolut typisch für die evangelische Kirchenmusik, bzw. Gemeindebegleitung, die Melodie auf einem anderen Manual herauszuspielen. Nicht, das wir Katholen das nicht könnten oder auch täten, aber es ist nicht die Norm. Ein anderes Beispiel: der Stellenwert der Improvisation in der KM-Ausbildung und dem Gottesdienst. Der katholische Kirchenmusiker improvisiert standardmäßig. Anders bei den evangelischen Kollegen: hier steht das Literaturspiel eindeutig im Vordergrund. Was ärgert Katholiken? Das Bach evangelisch war. Was ärgert Lutheraner? Das Reger katholisch war...;-) Gruß!
 
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Aber, wieso, um jeden katholischen oder evangelischen Gott in der Welt, macht das einen Unterschied, ob man nun Gotteslob oder EG aufschlägt? Kenne mich bei den Katholens überhaupt nicht aus, von daher finde ich das höchst spannend!
Na, dann könnte man die Spannung doch zu "heimlichen" Feldforschungen nutzen! Wer ist der lokal beste Organist der "Konkurrenz"? :-)
Nichts hilft in der Musik mehr als Zuhören bei der Konkurrenz!
Off-Topic: Wenn ich mich verirre fällt mir immer auf, was für ein Closed-Shop diese Veranstaltungen überall sind und habe keine Ahnung, woher die Insider die Informationen nehmen, was jetzt kommt, was die machen müssen usw. Von "Didaktik für Neueinsteiger" keine Spur...aber das ist ja ein anderes Thema. In der Regel kann man sich so gut verstecken, dass keiner merkt, dass man ein Spion ist.
 
ok das wusst ich jetzt auch nicht dass es in der Verteilung der Stimmen auf die Hände konfessionelle Unterschiede gibt:)
 
Was ärgert Katholiken? Das Bach evangelisch war. Was ärgert Lutheraner? Das Reger katholisch war...

Wohlgemerkt, Reger spielte Jahrelang an der EVANGELISCHEN Marktkirche Wiesbaden ;) nur mal so, als kleine Info

Albert Schweitzer spielte dort auch, und half bei den Umbaumasnahmen der Orgel
 

Ja, Jonny, ich glaube auch, wenn Luther diese erschütternden Folgen vorausgesehen hätte, hätte er seine 95 Thesen von der Tür der Wittenberger Schlosskirche sicher schnell wieder abgeknibbelt, und sich die Hände abgehackt ... :-)
 
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..jetzt wird auch klar, warum Reger nie Seelig-und Heiligsprechung erfahren hat, geschweige denn ein beschleunigtes Verfahren...
 
Es ist absolut typisch für die evangelische Kirchenmusik, bzw. Gemeindebegleitung, die Melodie auf einem anderen Manual herauszuspielen. Nicht, das wir Katholen das nicht könnten oder auch täten, aber es ist nicht die Norm. Ein anderes Beispiel: der Stellenwert der Improvisation in der KM-Ausbildung und dem Gottesdienst. Der katholische Kirchenmusiker improvisiert standardmäßig. Anders bei den evangelischen Kollegen: hier steht das Literaturspiel eindeutig im Vordergrund. Was ärgert Katholiken? Das Bach evangelisch war. Was ärgert Lutheraner? Das Reger katholisch war...;-)

:D
Also ehrlich gesagt, mir ist es ziemlich schnuppe, ob Bach evangelisch war und Reger katholisch oder anders herum, oder ob beide Buddhisten waren (natürlich nur auf deren "private" Konfession bezogen und nicht auf die geistlichen Stücke, die uns entgangen wären). :D
Und hat Bach nicht auch die Katholiken bedacht mit einem seiner größten Kunstwerke, der h-moll-Messe, und anderen Stücken wie z.B. Magnificat?

Das einzige, was ich extrem schade fände, wenn ich ein Literaturstück abbrechen müßte aus irgendwelchen anderen Dingen. Wenn das Abendmahl zu Ende ist, aber z.B. "Schmücke dich, o liebe Seele" noch lange nicht, dann spiele ich es selbstverständlich zu Ende, auch wenn die Leute schon ein paar Minuten wieder sitzen. Analog für die Stücke zu Beginn oder Ende des Gottesdienstes...

Bzgl. Gemeindebegleitung finde ich jedoch, dass es, egal welche Konfession, sinnvoll sein kann, der Gemeinde duch klar herausgespielte Melodie auf separatem Manual Hilfe zu geben - wenn ich z.B. an die Einspielung von Orgler87 mit "Lobe den Herrn" denke (bei der Akustik und dem Spielstil hatte die Gemeinde ja wohl kaum eine faire Chance, ordentlich dazu singen zu können).

Im übrigen finde ich es ziemlich albern, irgendwelches "Konkurrenzdenken" etc. zwischen beiden Konfessionen zu haben (wie Neronick geäußert hat).
Zumindest in meinem Kirchenkreis haben wir als protestantische C-Kursler z.B. auch beim katholischen Domorganisten Peter Wagner ein Improvisationsseminar belegt (ja, Stephan, hast ganz recht, Improvisationsseminar...) und er hat auch die schwierigsten Varianten seiner im übrigen sehr empfehlenswerten 2-teiligen Lehrbücher "Orgelimprovisation mit Pfiff" selber eindrucksvoll vorgespielt. Und bei seiner Amtseinführung hat der evang. Chor zusammen mit der kathol. Domkantorei gesungen. Keinerlei Konkurrenz, stattdessen gegenseitige Hilfe und Anerkennung der jeweils gegenseitigen Leistungen, wie es ja wohl sein sollte!
 
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Und bei seiner Amtseinführung hat der evang. Chor zusammen mit der kathol. Domkantorei gesungen. Keinerlei Konkurrenz, stattdessen gegenseitige Hilfe und Anerkennung der jeweils gegenseitigen Leistungen, wie es ja wohl sein sollte!
...dass die Musiker eher ökumenisch veranlagt sind als die eher doktrinären Pfaffen, wundert mich nicht - denken wir mal nur an Rossinis Kirchenmusik und den Vatikan... :D:D
 
Und hat Bach nicht auch die Katholiken bedacht mit einem seiner größten Kunstwerke, der h-moll-Messe, und anderen Stücken wie z.B. Magnificat?
Die lutherische Messe unterscheidet sich nur wenig von der katholischen. Was heute landläufig als evangelisch festgemacht wird ist die mehr oder weniger reformierte evangelische Tradition. Es gibt in der evangelischen Kirche auch Messen mit Gregorianik...
Kirchenmusikprogramm siehe 15.5.
Grüße
Toni
 
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Die lutherische Messe unterscheidet sich nur wenig von der katholischen. Was heute landläufig als evangelisch festgemacht wird ist die mehr oder wenig reformierte evangelische Tradition. Es gibt in der evangelischen Kirche auch Messen mit Gregorianik...

In Bach's h-moll-Messe ist im Credo die Rede von "... et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam".
Das heißt übersetzt in etwa: "Und ich glaube ... an eine heilige katholische und apostolische Kirche".

Klingt für mich schon ziemlich katholisch...;)
 
In Bach's h-moll-Messe ist im Credo die Rede von "... et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam".
Das heißt übersetzt in etwa: "Und ich glaube ... an eine heilige katholische und apostolische Kirche".

Klingt für mich schon ziemlich katholisch...;)

Lieber Mindenblues,

vor etwa einem Jahr sang ich die h-moll Messe in einer evangelischen Kirche und einige alte Damen in der dritten Reihe haben sich auch verdutzt angeschaut, als der wunderbare Bass-Solist diesen von dir oben zitierten Satz absolut schönst sang! (Es is glaube ich im Teil, der auf Aufnahmen gerne mit "Et in spiritum sanctum" genannt wird).

Ohne viel liturgisches Gerede kläre ich ganz einfach auf: katholisch (und natürlich auch die latinisierte Form des eigentlich griechischen Wortes) heißt: Die gesamte Welt umfassend, allgemein. So ist die christliche Kirche, da die EINE Kirche, eben katholisch, nämlich weltumspannend, allgemein. In deinem Zitat sollte also lieber das Wort EINE fett gedruckt sein, denn katholisch ist sozusagen eine andere Umschreibung für DIE EINE Kirche.

Und dieser Satz kommt eben im Nizäno-Konstantinopolitanum, DEM wichtigsten CHRISTLICHEN Glaubenbekenntis (das schon laaaaange vor aller Spaltung entstandt, in meinen Unterlagen aus Liturgik in meinem Studium ist vom Jahre 450 n. Chr. die Rede, seit es unverändert exisitert), und das wir Katholischen an jedem Sonntag bzw. Hochfest als sog. "Credo" (= "Ich glaube") beten. "Ihr" Evangelischen (bitte bitte bitte entschuldige meine Wortwahl!) heißt es (korrigiere mich!) Bekenntnis.
Auch alle anderen Christlichen Kirchen kennen dieses Nizänische-Glaubensbekenntnis, genauso wie das auch von der erwähnte (und von Bach vertonte) Apostolikum.

Noch fragen? =)
 
Liebe(r) TiNte,

ich denke, es geht nicht nur deinen alten Damen in der dritten Reihe so, dass das Wort "katholisch" statt mit "allgemein" oder "die gesamte Welt umfassend" eher mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht wird: Aus historischen Gründen und heute auch um eine Verwechslung mit dem konfessionellen Verständnis des Wortes zu vermeiden, übersetzen Kirchen reformatorischer Tradition diese Stelle oft „die eine, heilige, allgemeine (bzw. christliche) und apostolische Kirche“ ins Deutsche (so Wikipedia).

Um auf Bachs h-moll-Messe zurückzukommen, sollte erwähnt werden, dass Bach sie gezielt dafür verwendet hat, um beim sächsischen Kurfürsten am katholischen Hof um den Titel eines Hofcompositeurs zu betteln. In diesem Artikel wird etwas näher auf diesen Sachverhalt der h-moll-Messe im Kontext katholischer<->protestantische Kirchenmusik eingegangen.

Interessant auch, dass C.P.E.Bach bzgl. der h-moll-Messe seines Vaters von der "großen catholischen Messe" schrieb, und, TiNte, ob er mit dem Wort "catholisch" in diesem Kontext "allgemein" oder "die ganze Welt umfassend" meinte, wage ich zu bezweifeln - obwohl es gerechtfertigt wäre bei der Musik.

Quintessenz: der liebe Herr Hofcompositeur Bach hat nicht nur die Protestanten, sondern auch die Katholiken mit erbaulicher Kirchen-Musique bedacht...
 
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Also, mit Verlaub,

wenn Lutheraner/Reformierte den Begriff καθολικός als Angabe einer Konfessionszugehörigkeit
mißverstehen, belegen sie vorallem mangelhafte Kenntnis ihrer eigenen Glaubensgrundlagen.
Das lateinische "Credo" geht wortwörtlich auf das Nicaeno-Konstantinopolitanum zurück.
Der Text wurde auf dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 schriftlich fixiert und ist seitdem
unverändert geblieben (vom berühmt-berüchtigten Zusatz "filioque" abgesehen, der den Hl.Geist
Vater und Sohn unterordnet und zum Schisma zwischen Ost- und Westkirche führte,
von den lutherischen und reformierten Christen aber mit übernommen wurde).
Die entsprechende Zeile auf Griechisch: Εἰς μίαν, Ἁγίαν, Καθολικὴν καὶ Ἀποστολικὴν Ἐκκλησίαν.

Wer immer bei dem Wort allergisch reagiert, müßte bedenken, daß die orthodoxen Kirchen,
die gegenüber den "Römern" auf ihrer Eigenständigkeit beharren und das filioque im "Credo"
weglassen, mit dem Begriff Καθολικὴν nicht die geringsten Schwierigkeiten haben.

Und was den Entstehungshintergrund der h-Moll-Messe betrifft, so ist es eine unzulässige Reduktion,
sich das Werk als auskomponiertes Bewerbungsschreiben für den sächsischen Hof vorzustellen
(nach einer jüngeren, noch etwas abenteuerlich anmutenden Theorie könnte es auch für
eine 1749 anvisierte Aufführung im Wiener Stephansdom vervollständigt worden sein).
Es erstaunt mich schon sehr, wenn einem Lutheraner die Ordinariumsteile des Meßtextes
so unvertraut sind, daß er sie als "katholisch"* empfindet. Die vollständige lutherische Messe,
i.e. Wortgottesdienst plus Abendmahl, enthält alle fünf Meßteile, wobei "Credo", "Sanctus (Benedictus)"
und "Agnus Dei" durch landessprachlichen Gemeindegesang vertreten sind: im Deutschen
z.B. durch "Wir glauben Gott im höchsten Thron", "Heilig, heilig..." und "Christe, Du Lamm Gottes".
Für einen Lutheraner steht die h-Moll-Messe auf theologisch festem Boden.

Bachs Intention, den vollständigen lateinischen Meßtext zu vertonen, geht weit über
den äußeren Anlaß wie auch über liturgische Bedürfnisse hinaus. Sie ist nur kompositionsgeschichtlich
zu verstehen. Mit ihr krönt Bach seine lebenslangen Bemühungen, die kadenzierende,
von der Funktionstonalität beherrschte Musiksprache seiner Zeit satztechnisch mit der Polyphonie
der franko-flämischen Musik des 16.Jahrhunderts zu verknüpfen, deren meistvertonter Text
das Meßordinarium ist.

Gruß, Gomez

*im konfessionellen Sinn

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