Frage an die Intonier-Profis

J

Jakob

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25. Jan. 2008
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Hallo!
Mein Klavier ist jetzt zweimal innerhalb eines Jahres intoniert worden, weil es mir zu hart klang. Nach dem ersten Mal war es sehr schön, eben wieder angenehmer für meine Ohren und die meiner Familie. Doch die Freude dauerte nur kurz (ca. 10 Spielstunden). Der harte Klang kam schnell zurück. Beim zweiten Mal ist der Klavierstimmer etwas "heftiger" vorgegangen, hat mehr gestochen. Danach dachte ich: Oh, weicher darf es aber nicht werden. Der Klang wurde jedoch nicht nur weicher, sondern auch irgendwie kraftloser und leiser. Nach jetzt einigen Wochen kommt die Härte wiederum zurück, jedoch ist der Ton blaß geblieben. Klarheit und Fülle fehlen irgendwie. Ich habe auch das Gefühl, daß der Ton nicht lange genug nachklingt. Nun habe ich Angst, noch einmal auf gleiche Art intonieren zu lassen, weil es möglicherweise in die falsche Richtung geht. Hat der Stimmer vielleicht zu viel gestochen oder zu tief oder im falschen Winkel? Ich weiß, es ist schwierig das mit Worten zu beschreiben, aber vielleicht kann jemand, der täglich damit zu tun hat, mit der Frage etwas anfangen und mir helfen. Mechanik und Hammerköpfe sind von Renner.
Danke schonmal und Gruß, Jakob
 
Deine Fragen werfen zunächst weitere Fragen auf.

Ist das ein neues Instrument? Welche Marke? Beschreib mal das Zimmer, in dem es steht. Groß klein, Bodenbelag, viele Möbel, wenige Möbel? Wie klang das Klavier beim Händler(?), wie klang es nach Anlieferung (anders als beim Händler oder war da alles OK)? Hast du gesehen, wo der Klavierstimmer beim Intonieren gestochen hat (mehr auf dem Hammerscheitel, oder auch die Flanken)? Wieviel Zeit hat er für die Arbeit aufgewandt? Sind alle Lagen des Instrumentes betroffen, oder nur bestimmte Bereiche?
 
Was du beschreibst, klingt nach "Weichmachen", nicht nach fachgerechter Intonation. Der Unterschied ist: Man kann die Hämmer direkt an den Anschlagsflächen stechen, dann macht man den Klang weicher, aber gleichzeitiger auch flauer, obertonärmer, nimmt ihm also die Substanz und den Kern, und der Hammer spielt sich schnell wieder hart. Bei fachgerechter Intonation sticht man weniger in die Anschlagsflächen, sondern so in die Flanken des Filzkopfes, daß ein tropfenförmiger Keil verbleibt, der auf den weicher gemachten Schultern federt. Man nimmt dem Ton die Unreinheiten und gibt dem Klavier Gleichmäßigkeit von Ton zu Ton, schmälert aber seine Dynamik nicht, macht den Klang weder "kraftloser", "leiser" noch "blasser".
Wenn der Klang nach der Intonation blasser und kraftloser, dumpfer ist und wenn sich nach nur zehn Stunden Spiel der Klang dramatisch verschlechtert, hat der Intonierer etwas falsch gemacht. Aus der Ferne, und ohne den Klang und das Klavier zu kennen, ist das allerdings schwer zu beurteilen. Aber deiner Beschreibung nach hat da jemand die Hämmer nur weich und matschig gemacht statt fachgerecht intoniert. Ich würde ihn nicht noch ein drittes Mal dranlassen.
Aber Vorsicht: diese Einschätzung kann falsch sein, sie gründet sich nur auf deine Beschreibungen, nicht auf tatsächliche Kenntnis des Klaviers und der Arbeit des Stimmers. Und wahrscheinlich kann dir auch nur jemand vor Ort weiterhelfen -- Meinungen aus dem WWW einzuholen ist ungefähr so nützlich wie Kaffesatzlesen ...
__________
Jörg Gedan
http://www.pian-e-forte.de
 
... Dann will ich mal auf die aufgeworfenen Fragen eingehen:

Das Klavier ist etwa 3 Jahre alt und von Förster. Beim Händler und auch danach zu Hause klang es wunderbar. Nach dem Einspielen wurde es härter und unausgewogener. Das Zimmer ist eher wenig möbliert und hat einen Holzfußboden, was sicherlich nicht zu einem weichen Klang beiträgt.

Soweit ich gesehen habe hat der Stimmer nicht in den Scheitel sondern in die Flanken so schräg zum Kern hin gestochen. Für die Intonationsarbeit hat er etwa 1,5 Std. gebraucht. Die Klangverschlechterung fällt mir besonders in der oberen Mittellage auf, aber es sind eigentlich alle Lagen betroffen.

Jakob
 
Was du beschreibst, klingt nach "Weichmachen", nicht nach fachgerechter Intonation. Der Unterschied ist: Man kann die Hämmer direkt an den Anschlagsflächen stechen, dann macht man den Klang weicher, aber gleichzeitiger auch flauer, obertonärmer, nimmt ihm also die Substanz und den Kern, und der Hammer spielt sich schnell wieder hart. Bei fachgerechter Intonation sticht man weniger in die Anschlagsflächen, sondern so in die Flanken des Filzkopfes, daß ein tropfenförmiger Keil verbleibt, der auf den weicher gemachten Schultern federt. Man nimmt dem Ton die Unreinheiten und gibt dem Klavier Gleichmäßigkeit von Ton zu Ton, schmälert aber seine Dynamik nicht, macht den Klang weder "kraftloser", "leiser" noch "blasser".(....)

Danke J. Gedan, perfekt formuliert, das liegt mir auch immer am Herzen.
Schlechte Intonation nimmt die Vielfältigkeit des Klanges und die Obertöne. Dann klingt es nur noch mulmig.
 

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