Flügel-Sound

F

Fred

Guest
Diese Aufnahme von Olaf Polziehn wurde in einer alten Kirche gemacht.
Für ein Live-Konzert ist es ein erstaunlich guter Aufnahme Sound. Ich liebe diese Nähe und Transparenz des Sounds. Es scheint, als stünde man direkt neben dem Flügel.
Da waren wirklich gute Aufnahmetechniker am Werk.
 
Ich könnte mir für eine CD keinen besseren Klang wünschen, aber ich will dich noch darin ergänzen, dass die Klangqualität nicht das einzige ist, das dort wunderbar klingt :)
 
Ich könnte mir für eine CD keinen besseren Klang wünschen, aber ich will dich noch darin ergänzen, dass die Klangqualität nicht das einzige ist, das dort wunderbar klingt :)

Hi,

schön zu wissen. Ich dachte schon ich liege total daneben, :D
da bisher niemand drauf reagiert hat.
Der Sound dieser Aufnahme ist das Beste was ich bei Youtube bisher gehört habe. All diese klassischen Aufnahmen haben meist einen dermaßen unpersönlichen Sound, dass das Zuhören oft dadurch negativ beeinflußt wird. Ich bin nun kein Soundfetischist, aber hier wird Direktheit und Präsenz vom Feinsten geboten. Und das in einer Kirche! was ja akustisch gesehen immer ein Problem darstellt.
Hier eine Aufnahme von Jon Weber, der am gleichen Flügel spielt wie Polziehn - nur zum Vergleich.
Diese Transparenz und Wucht des Anschlages macht einfach beim Zuhören unheimlich Spass.

Was nun die beiden Spielen ist mit unter Weltspitze. Polziehn hat bei dieser Ballade sehr glückliche Momente und wirklich kein Ton ist zuviel. Er spielt mit einer selten gehörten harmonischen Rafinesse.
Jon Webers Chelsea Brigde kann man sich bedenkenlos mehrmals reinziehen. Sein Wissen über harmonische Durchgänge ist gigantisch und die Anwendung perfekt. Das ist kaum zu überbieten. Er spielt den Lefthand Stride in Tatum-Manier, Duodezime mit integrietem zusätzlichen Guidetone. Das macht das Ganze unheimlich fett. Meine Lieblingsstelle bei Chelsea ist 2:26. Da klingt der Diskant nach Diskant.
Wie groß ist der Weber eigentlich? 2,20m ? :D
 
Hallo Fred,

ein paar Anmerkungen zu dieser Aufnahme. Ich habe auch im Jazz-Faden Deinen Eintrag gelesen und schreibe jetzt aus Zeitgründen hier, weshalb ich mich zu den musikalischen Fragen heute nicht mehr auslassen möchte, ich gerate hier beim Analysieren auch an Grenzen, die ich erstmal überwinden müsste (habe mir Chelsea Bridge mehrmals angehört).

Eine Kirche bietet für Aufnahmen weder eine schlechte noch eine gute Akustik. Ganz generell. Die Frage ist immer die Balance. Gehe ich mit den Mikrofonen dicht an die Schallquelle, klingt es zu direkt, gehe ich zu weit weg, so klingt es zu verwaschen. In einer Kirche ist das Problem, das bei großer Entfernung zw. Mikrofon und Schallquelle der Hall den Direktschall überlagert, ein Instrument ist aber gebaut für Projektion und benötigt daher eine gewissen Mindestabstand von Mikrofonen (die Ohren sind beim Flügel ja auch nicht über den Saiten). Wenn nun ein Klavier in einer Kirche mit Kleinmembrankondesatormikrofonen relativ dicht abgenommen wird (wie hier im Beispiel), so hat man einen direkten Klang mit im Hintergrund (positiv) warnehmbaren räumlichen Effekten. Geht man mit den Mikros zu dicht an die Saiten, werden Geräusche des Anschlags und der Mechanik zu stark hörbar. Ganz frei sind diese Aufnahmen von Jon Weber davon auch nicht, man hört das Ausheben und Aufsetzen der Dämpfung z.B. sehr stark. Geht man zu weit weg, klingt das Instrument sogar natürlicher, aber der Raum reflektiert dann zu viel unerwünschte Schallanteile ins Mikrofon, so dass die Klarheit verloren geht und die Aufnahme verwaschen klingt.

Das Mikrofon kann (im Gegensatz zum Ohr (.... + Gehirn)) nicht intelligent hören. Es kann sich nicht auf erwünschte Klänge konzentrieren und unerwünschte Klänge ausblenden....

Klang bei Youtube: Die Audio-Spuren sind beim Hochladen in der Video-Datei enthalten. Um Platz zu sparen (Upload-Limit bei Youtube) wird sehr viel Material übermäßig komprimiert (verlustbehaftete Datenreduktion --> die Datei wird kleiner, der Klang wird schlechter). Zudem stammen viele Youtube-Aufnahmen aus Fotoapparaten mit Videorecorder-Funktion und eingebautem Mikrofon. Der Unterschied zu einer guten Aufnahme ist natürlich gravierend. Man muss hier unterscheiden zwischen miesem Klang durch Datenreduktion (sog. Codierungsartefakte) und miesem Klang durch schlechte oder falsche Mikrofonpositionierung bzw. falsche Mikrofone oder minderwertige Geräte.

Aus musikalischer Sicht (will das aber nur kurz anreißen) ist der gute Klang auch noch auf weitere Umstände zurückzuführen: Steinway D ..... dieser ermöglicht auch Voicings, die sehr tief liegen, bei sehr engem Intervallabstand, ohne dass dies verwaschen klingt, insgesamt hat dieser Flügel eine sehr große Transparenz und Tragfähigkeit. Spiel dieselben Läufe auf einem 102cm Klavier ----> es wird gar nicht im geringsten(!) klingen....

Ein gut regulierter und intonierter Steinway D ist der Inbegriff des Instrumentes, was praktisch nicht als "Hürde" überwunden werden muss. D.h. der Flügel spielt praktisch von selbst, wenn man ihn nur anschaut und eine musikalische Idee im Kopf hat. Ich weiß, das klingt absurd, aber ich hatte mit diesen Instrumenten schon solche Erlebnise.

Aber wenn ich das Gegenbeispiel konstruiere, von einem Instrument, von dem man praktisch immer das Gefühl hat, dass man "dagegen" arbeitet und ständig Unzulänglichkeiten des Instrumentes kompensieren muss, so wird dies wohl vielen Pianisten aus eigenem Erleben bekannt vorkommen.

Ein inspirierter musikalischer Moment ist für mich, wenn ich mein Instrument vergessen kann und nur noch in der Musik bin (ich spiele nicht auf dem Instrument, sondern ich mache Musik). Aus meiner Erfahrung funktioniert gerade improvisierte Musik nur gut mit exzellenten Instrumenten, weil man sich nicht auf vorgefertigte Bewegungsabläufe verlassen kann, die erprobt sind, und immer funktionieren, sondern weil man sich ohnehin in eine Situation der Unsicherheit begibt, da jeder Bewegungsablauf erst entsteht, wobei jede Hemmung die Entfaltung der Improvisation unterbinden kann.
 
Hi jensen1,

das ist ja interessant was Du schreibst. Beim Sound gehen ja bekanntlich die Geschmäcker weit auseinander. Geräusche des Anschlags und der Mechanik finde ich, natürlich in Maßen, sehr reizvoll. Die Liszt-Aufnahme die Pitt gepostet hat, hat davon gar nichts. Sie ist klangtechnisch für Youtube Verhältnisse natürlich auch überdurchschnittlich gut, kann meines Erachtens aber nicht die Lebendigkeit des Sounds rüberbringen.
Deine Einschätzungen über Klang und Aufnahmetechnik finde ich sehr gut und gehe damit konform.

Sprachst Du anfänglich etwa von einer Analyse von Chelsea Brigde? Da würde ich mich sehr darauf freuen.
Die wäre aber dann sicherlich besser im Jazz-Faden aufgehoben.

Danke Pitt für den Vergleich.
 
Vielen Dank, Fred (und Pitt) für die Links und großen Dank an Jensen1 für die tolle Analyse der Aufnahme aus Recording-Sicht! Ich finde den Klang der Einspielungen aus der Kirche auch ganz großartig!

Allerdings, zur Aussage von Jensen1 "Eine Kirche bietet für Aufnahmen weder eine schlechte noch eine gute Akustik" möchte ich nur anmerken, dass man sowas nicht nur aus Sicht des Aufnahmeingenieurs sehen sollte, sondern auch aus der Sicht des Performers. Es ist doch total wichtig, dass man sich wohl fühlt bei einer Aufnahme. Ich war zwar schonmal in einem Aufnahmestudio, habe dort aber nie Klavier gespielt. Aber im stillen gedacht, dass es in dieser trockenen Akustik wahrscheinlich schwerer fällt als wenn es nicht ganz so trocken ist. Allerdings schon mehrfach in einer Kirche, und jedesmal habe ich mich sehr wohlgefühlt dort, gerade wegen des Raumklanges. Und finde es auch in den Aufnahmen reizvoll, dass ein Teil des Raumklanges der Kirche erfasst wird in den Aufnahmen. Manchmal wird leider zuviel des Guten getan. Zum Beispiel die berühmten Aufnahmen des WTK1/2 von S. Richter wurden wohl leider in einer Kirche gemacht, ohne dass die Mikros direkt am Flügel waren - sehr verwaschener Klang, leider. Allerdings auch schon 40? oder 50? Jahre her.

Also, meine kleine Anmerkung, wenn sich der Performer wohlfühlt bei der Aufnahme, bekommt das durchaus auch die Aufnahme mit und wird zum Hörer transportiert. Aus diesem Sichtwinkel finde ich nicht zu große Kirchen für sehr, sehr geeignete Aufnahmeräume.
 

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