Hallo Fred,
ein paar Anmerkungen zu dieser Aufnahme. Ich habe auch im Jazz-Faden Deinen Eintrag gelesen und schreibe jetzt aus Zeitgründen hier, weshalb ich mich zu den musikalischen Fragen heute nicht mehr auslassen möchte, ich gerate hier beim Analysieren auch an Grenzen, die ich erstmal überwinden müsste (habe mir Chelsea Bridge mehrmals angehört).
Eine Kirche bietet für Aufnahmen weder eine schlechte noch eine gute Akustik. Ganz generell. Die Frage ist immer die Balance. Gehe ich mit den Mikrofonen dicht an die Schallquelle, klingt es zu direkt, gehe ich zu weit weg, so klingt es zu verwaschen. In einer Kirche ist das Problem, das bei großer Entfernung zw. Mikrofon und Schallquelle der Hall den Direktschall überlagert, ein Instrument ist aber gebaut für Projektion und benötigt daher eine gewissen Mindestabstand von Mikrofonen (die Ohren sind beim Flügel ja auch nicht über den Saiten). Wenn nun ein Klavier in einer Kirche mit Kleinmembrankondesatormikrofonen relativ dicht abgenommen wird (wie hier im Beispiel), so hat man einen direkten Klang mit im Hintergrund (positiv) warnehmbaren räumlichen Effekten. Geht man mit den Mikros zu dicht an die Saiten, werden Geräusche des Anschlags und der Mechanik zu stark hörbar. Ganz frei sind diese Aufnahmen von Jon Weber davon auch nicht, man hört das Ausheben und Aufsetzen der Dämpfung z.B. sehr stark. Geht man zu weit weg, klingt das Instrument sogar natürlicher, aber der Raum reflektiert dann zu viel unerwünschte Schallanteile ins Mikrofon, so dass die Klarheit verloren geht und die Aufnahme verwaschen klingt.
Das Mikrofon kann (im Gegensatz zum Ohr (.... + Gehirn)) nicht intelligent hören. Es kann sich nicht auf erwünschte Klänge konzentrieren und unerwünschte Klänge ausblenden....
Klang bei Youtube: Die Audio-Spuren sind beim Hochladen in der Video-Datei enthalten. Um Platz zu sparen (Upload-Limit bei Youtube) wird sehr viel Material übermäßig komprimiert (verlustbehaftete Datenreduktion --> die Datei wird kleiner, der Klang wird schlechter). Zudem stammen viele Youtube-Aufnahmen aus Fotoapparaten mit Videorecorder-Funktion und eingebautem Mikrofon. Der Unterschied zu einer guten Aufnahme ist natürlich gravierend. Man muss hier unterscheiden zwischen miesem Klang durch Datenreduktion (sog. Codierungsartefakte) und miesem Klang durch schlechte oder falsche Mikrofonpositionierung bzw. falsche Mikrofone oder minderwertige Geräte.
Aus musikalischer Sicht (will das aber nur kurz anreißen) ist der gute Klang auch noch auf weitere Umstände zurückzuführen: Steinway D ..... dieser ermöglicht auch Voicings, die sehr tief liegen, bei sehr engem Intervallabstand, ohne dass dies verwaschen klingt, insgesamt hat dieser Flügel eine sehr große Transparenz und Tragfähigkeit. Spiel dieselben Läufe auf einem 102cm Klavier ----> es wird gar nicht im geringsten(!) klingen....
Ein gut regulierter und intonierter Steinway D ist der Inbegriff des Instrumentes, was praktisch nicht als "Hürde" überwunden werden muss. D.h. der Flügel spielt praktisch von selbst, wenn man ihn nur anschaut und eine musikalische Idee im Kopf hat. Ich weiß, das klingt absurd, aber ich hatte mit diesen Instrumenten schon solche Erlebnise.
Aber wenn ich das Gegenbeispiel konstruiere, von einem Instrument, von dem man praktisch immer das Gefühl hat, dass man "dagegen" arbeitet und ständig Unzulänglichkeiten des Instrumentes kompensieren muss, so wird dies wohl vielen Pianisten aus eigenem Erleben bekannt vorkommen.
Ein inspirierter musikalischer Moment ist für mich, wenn ich mein Instrument vergessen kann und nur noch in der Musik bin (ich spiele nicht auf dem Instrument, sondern ich mache Musik). Aus meiner Erfahrung funktioniert gerade improvisierte Musik nur gut mit exzellenten Instrumenten, weil man sich nicht auf vorgefertigte Bewegungsabläufe verlassen kann, die erprobt sind, und immer funktionieren, sondern weil man sich ohnehin in eine Situation der Unsicherheit begibt, da jeder Bewegungsablauf erst entsteht, wobei jede Hemmung die Entfaltung der Improvisation unterbinden kann.