Fehlerbehebung

Stilblüte

Super-Moderator
Mod
Dabei seit
21. Jan. 2007
Beiträge
11.407
Reaktionen
17.005
Die Frage ist, was tut man, wenn man übt und spielt, und eine Stelle funktioniert nicht.
Und das ist keine rhetorische Frage, sondern eine ernst gemeinte, um die man sich viel zu wenig kümmert.
Wenn der Fuß schmerzt und man die Treppe nur humpelnd hinaufsteigen kann, wird man nicht noch 20 mal rauf und runtergehen, um festzustellen, dass es davon auch nicht besser wird, sondern man geht zum Arzt, um das Problem zu beheben.
Beim Klavierspielen wendet man allerdings allzu leichtfertig die Formel "was nicht mit Gewalt geht, geht mit mehr Gewalt" (:D) an, wobei Gewalt hier für gedanken- und zielloses Repetieren einer ungelungenen Stelle steht.
Möglicherweise wirds sogar irgendwann besser; man kann aber auch das komplette Auto neu lakieren, wenn die Vordertür unten links einen kleinen Kratzer hat.

Ums mal auf den Punkt zu bringen (man verzeihe mir meine Beispiele...):
In diesem Faden soll es darum gehen, den Grund für Fehler herauszufinden.
Ich mache oft die Erfahrung, dass der Knackpunkt für das schlechte Gelingen einer Stelle selten da liegt, wo der falsche Ton herauskommt (man frage nach Ursache und Wirkung!).
Ganz banal: Wenn die rechte Hand falsch spielt, kann ich vielleicht die linke noch nicht richtig.
Es geht also nicht um Blackouts beim Vorspielen, sondern darum, scheinbar zu schwere Stellen spielen zu können.

Ich trage mal ein paar Bereiche zusammen, die man überprüfen kann:
  • Kann man beide Hände einzeln auswendig problemlos im Tempo spielen?
  • ist der Fingersatz gut gewählt? (Funktioniert er nicht nur langsam, sondern auch schnell, funktioniert er im Zusammenhang mit der anderen Hand (!!!), mit den Takten davor und danach, mit Parallelstellen, mit der allgemeinen und individuellen Beschaffenheit der Hand...)
  • Spiele ich eine Stelle aus den Fingern, aus dem Handgelenk, aus Unter- bzw. Oberarm, Schulter, mit ganzem Körpereinsatz; bzw. mit welcher Mischung daraus? Wie wird also der Ton produziert?
  • Bin ich an Fingern, Hand, Handgelenk, Ellbogen, Oberarm, Schultern, Nacken, Kopf, Kiefer, Rücken, Kopf, Füßen usw. verkrampft?
  • Wie ist die Handposition auf der Taste? Sowohl beim Anschlagen der Taste als auch danach. Berührt der Finger die Taste vor dem Anschlag? Wie steil ist der Finger? Wie nah am Deckel spielt er? Woher nimmt er den Schwung? Wie (lange) wird der Ton gehalten?
  • Habe ich Melodie / Rhythmus / Taktverteilung verstanden und kann sie nachsingen / klopfen /innerlich durchhören?
  • Wie möchte ich die Stelle Phrasieren, wo setze ich (gedanklich) ab?
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel eine kleinste, selbst nur gedankliche Änderung bewirken kann. Letztendlich haben ja alle ungefähr die gleichen Hände, der Fehler im System ist also immer der Vorstellung und dem Denken zuzuschreiben und damit auch einer ungünstigen Bewegung.
Die Frage ist nun, wie man sich dieser günstigsten, dynamischsten, anstrengungslostesten, geschmeidigsten Bewegung durch bewusstes Beobachten, Hinhören, Hinfühlen und Planen (Fingersatz; Gedankliche Vorbereitung usw.) annähern kann.
 
Eine sehr interessante Fragestellung, die mich auch immer wieder beschäftigt!
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel eine kleinste, selbst nur gedankliche Änderung bewirken kann.
Das scheint mir der Schlüssel zu sein. Eine Stelle, die noch nicht sicher funktioniert, auch wenn es stressig wird, ist vielleicht noch nicht ausreichend verinnerlicht. Deshalb spricht meine KL auch gern vom Perspektivwechsel, einer Veränderung der Sichtweise, um die Stelle von allen Seiten zu begreifen. Dabei ist sie ziemlich kreativ, um in Stellen, die eigentlich schon spielbar sind, kleine Gemeinheiten einzubauen. Motto: alles, was den Kopf anstrengt, hilft.

Im Buch Psychologie des Klavierspiels ist die Beobachtung beschrieben, daß häufig eine vorausschauende Verkrampfung den Ausstieg verursacht, wobei die eigentliche Problemstelle weiter hinten im Notentext liegt. Man würde dann also am Symptom herumüben und nicht die Ursache beseitigen, weil man die gar nicht bemerkt.
 
Ich trage mal ein paar Bereiche zusammen, die man überprüfen kann:
Kann man beide Hände einzeln auswendig problemlos im Tempo spielen?

Ich habe mal nur diese winzige Stelle aus deinem Post ausgewählt, weil dieses Bestreben oft zu hören und zu lesen ist, dass man jede Hand einzeln im Tempo spielen können sollte.

Das ist garnicht erforderlich und eher hinderlich für die Komplette Ausführung.

sicher sollte man jede Hand für sich innerlich können (also auswendig spielen können) aber wenn beide Hände spielen ändert sich sofort der Schwerpunkt der gesamten Spielapparatur. Man übt also, wenn man einzeln übt und das im vollen Tempo etwas, was später wieder geändert werden muss und das ist eben ein Umweg.

einzeln im riochtigen Tempo darf ich nur stellen üben, die auch in der Komposition so vorkommen wie z.b. den Beginn der Kadenz im G.-dur Kl. Konzert von R'avel in der linken Hand.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das ist in der Tat ein sehr interessantes Thema.
Ich finde die meisten Ansätze hat Stilblüte ja bereits geliefert, ich könnte hier höchstens noch mit einem eigenen Beispiel dienlich sein.

Ich bin ebenfalls ein Anhänger davon, beide Hände ersteinmal separat in einem angemessenen Tempo spielen zu können. So habe ich letztens beispielsweise eine Invention von Bach geübt. Als es jedoch daran ging beide Hände zusammenzuführen stand ich plötzlich vor einer unüberwindbaren Hürde.
Sowas war mir noch nie passiert. Selbst im Schneckentempo konnte ich viele Teile partout nicht zusammenführen. Und es lag eventuell schlichtweg daran, dass man sich gar zu sehr darauf konzentrierte, die Hände zu synchronisieren.
Gerade bei der schwersten Stelle habe ich mir irgendwann gesagt "Ok, schalt jetzt einfach mal kurz ab. Du kannst die Stimmen sicher einzeln spielen. Höre nur darauf wie es klingen muss und lass die Hände erstmal einfach machen"
Und auf einmal gings. Die schlimmsten 8 Takte klappten. Im Tempo. Es war nur etwas seltsam, weil man seine Hände beobachtete, wie sie rumsprangen, aber man selbst keine direkte Kontrolle hatte.
Nachdem allein schon dieses Erfolgserlebnis da war und man gehört hatte, dass die Hände auf jedenfall in der Lage waren die Stelle fehlerfrei zu spielen, war das Eis gebrochen.
Dann muss man allerdings auch zusehen, diese Stelle beidhändig wieder etwas langsamer zu üben, also in einem Tempo, in dem man auch gedanklich mitkommt, um jeden Ton bewusst kontrollieren zu können.

Ich denke es ist also manchmal durchaus vom Vorteil, sich einfach "fallen zu lassen" und drauf loszuspielen und nur mit dem Ohr zu kontrollieren, ob es auch wirklich Musik ist, die dabei entsteht :)
Danach kann man praktisch auf diesem Fundament aufbauen.
 
Deshalb spricht meine KL auch gern vom Perspektivwechsel, einer Veränderung der Sichtweise, um die Stelle von allen Seiten zu begreifen.
So sehe ich das auch - sehr schön formuliert von deiner Lehrerin.
...daß häufig eine vorausschauende Verkrampfung den Ausstieg verursacht, wobei die eigentliche Problemstelle weiter hinten im Notentext liegt. Man würde dann also am Symptom herumüben und nicht die Ursache beseitigen, weil man die gar nicht bemerkt.
Das wäre auch so ein Aspekt der Fehlersuche, die in am falschen Symptom angreift.

@ Klavigen:
Ich kann nachvollziehen, was du meinst und gebe dir (wie ja so oft) Recht. Einzeln bis zum Erbrechen üben ist nicht immer hocheffektiv :p
Aber beachte trotzdem, unter welcher Überschrift ich diese Frage bzw. den Hinweis formuliert habe - nämlich unter der Überlegung, woher ein Fehler bzw. ein Nichtgelingen einer Stelle herrührt.
Ich habe doch schon erlebt, dass es mir geholfen hat, mich auch nach dem Zusammensetzen der Hände nochmal mit einer der beiden oder allen zweien einzeln auseinanderzusetzen, um besser zu begreifen (wörtlich und übertragen), was da zu tun ist.
Je weniger die einzelne Hand kann, desto mehr hat das Hirn beim Zusammenspielen zu denken, und wenn die Hand eben zu wenig kann, ist das Hirn möglicherweise überfordert. Also du verstehst, worauf ich hinauswill, denke ich?
Einzeln üben ist vielleicht auch dann sinnvoll, wenn eine Hand mehrstimmig ist (nicht mehrere Töne gleichzeitig, sondern tatsächlich mehr-stimmig), um sich daran zu gewöhnen, eine Stimme herauszuheben und beide als Einzelstimme hörbar zu machen.

EDIT
@ Raskolnikow:
Selbstverständlich, was die Hand einzeln kann, kann sie ja immernoch, wenn eine andere Hand dabei ist, es geht ums Hirn.
Was du beschreibst, ist das "Loslassen", was hier schon öfter diskutiert wurde.
Ich gebe zu, ich übe auch oft so, dass ich erst meine Hände dazu bringe, etwas zu können und das danach zu vertiefen, festigen, mir zu erklären und bewusst auswendig zu lernen. Diese Reihenfolge ist mir angenehmer...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi Stilblüte,

die Bereiche, die man abchecken muss, hast du meiner Meinung schon genannt.

...
Die Frage ist nun, wie man sich dieser günstigsten, dynamischsten, anstrengungslostesten, geschmeidigsten Bewegung durch bewusstes Beobachten, Hinhören, Hinfühlen und Planen (Fingersatz; Gedankliche Vorbereitung usw.) annähern kann.
Hier hab' ich noch einen Ansatz, der bei dir nicht so direkt vorkommt:

Durch Experimente.

Damit meine ich die Stelle (und natürlich den Kontext) in ganz verschiedenen extremen Arten/Ausführungen und ihren Kombinationen zu spielen:

  • ganz laut/leise
  • ganz schnell/langsam
  • verschiedene Artikulationen
  • ganz hohes/tiefes Handgelenk
  • aufsteigendes/absteigendes Handgelenk
  • mit ganz viel/ohne Rotation
  • etc.

Aber ich denke das Prinzip kennst du schon, du hast es nur nicht genannt.

Gruß
 
Hallo Stilblüte,

...wobei Gewalt hier für gedanken- und zielloses Repetieren einer ungelungenen Stelle steht.

Da liegt in meinen Augen der Knackpunkt. Üben heißt, gezielt richtig machen.
Um etwas gezielt richtig machen zu können, braucht man zum Einen eine zielführende Vorstellung. Die Vorstellung umfasst hier sowohl die musikalische Vorstellung als auch die Bewegungsvorstellung.
Zum Anderen braucht man aber auch die pianistische wie musikalische Erfahrung, die eine Stelle bewältigbar macht.
Beides Zusammen ist die Voraussetzung, um etwas richtig machen zu können.
Gezielt beinhaltet die Methode, das Wie. Das Wie ist
ebenso wichtig wie das Was (das Richtig machen).
Wie bringe ich meinem Gehirn von Anfang an das Richtige bei.
Hierfür gibt es mehrere Methoden. Die genannten: Experiment und Wiederholung sind nur einige der möglichen.
Das ist aber ein weiteres Thema...
Zu diesen Fragen kann man in den Veröffentlichungen von Gerhard Mantel
viele Informationen finden.

•Spiele ich eine Stelle aus den Fingern, aus dem Handgelenk, aus Unter- bzw. Oberarm, Schulter, mit ganzem Körpereinsatz; bzw. mit welcher Mischung daraus? Wie wird also der Ton produziert?

Ich steche mal in ein Wespennest:
Dieses Statement finde ich sehr fragwürdig, weil es eine nicht zutreffende, überkommene Vorstellung von "Technik" wiedergibt. Man spielt im Idealfall nicht aus den Fingern, aus dem Handgelenk... aus der Schulter oder mit ganzem Körpereinsatz. Eine isolierte Wahrnehmung einzelner Körperpartien führt eher zu Schwierigkeiten. Alle Glieder des Körpers sind dynamisch miteinander verbunden und kein "Einzelteil" kann etwas isoliert tun. Es geht eben um
die Koordination, nicht um die Isolation.
Schon Liszt hat betont, dass die Körperteile nicht unabhängig sondern abhängig (!!!) voneinander sind.
Sinngemäß zitiert:
"Der Klavierlehrer ist noch nicht geboren, der wüsste, dass die Finger zu einer
Hand, die Hand zu einem Arm, der Arm zu einer Schulter und die Schulter zu einem Rumpf gehört."

Die Betrachtungen von "Fingertechnik" oder "Gewichtstechnik" usw... entstammen dem 19. Jahrhundert und reduzieren die Beschreibung und Wahrnehmung des Klavierspiels auf einzelne, oft ausschließlich sichtbare Merkmale. Diese falsche Fokussierung führt oft zu "Fehlhaltungen" und Verkrampfungen, was also Teil des Problems ist, das Du eigentlich hier hinterfragen willst.

Beste Grüße
Claudius​
 
•Spiele ich eine Stelle aus den Fingern, aus dem Handgelenk, aus Unter- bzw. Oberarm, Schulter, mit ganzem Körpereinsatz; bzw. mit welcher Mischung daraus? Wie wird also der Ton produziert?

Ich steche mal in ein Wespennest:
Dieses Statement finde ich sehr fragwürdig, ... Man spielt im Idealfall nicht aus den Fingern, aus dem Handgelenk... Eine isolierte Wahrnehmung einzelner Körperpartien führt eher zu Schwierigkeiten.
Ich hab schon drauf gewartet, dass so ein Kommentar kommt, und natürlich gebe ich dir Recht, wenn du beschreisbt, dass alles zusammenhängt, sämtliche Körperteile miteinander in Wechselwirkung stehen und man nicht "nur mit dem Finger /..." Klavierspielt und auch nicht Klavierspielen kann!
Ok ich gebe zu, mein Satz oben ist schlecht formuliert!
Vielleicht sollte ich besser sagen:
Welchen "Bewegungsansatz" verfolge ich an einer bestimmten Stelle, welches Körperteil ist impulsgebend, führend, lenkend, stützend, welches eher passiv, welches entspannt und welches angespannt?

Man kann doch nicht abstreiten, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Klaviertasten anzuschlagen, allein schon bei dem Unterschied legato-Staccato. Wenn man gleich anschlagen würde, würde es auch gleich klingen.
Natürlich kann kein Muskel allein irgendetwas bewirken, aber man braucht halt ein sprachliches Medium, um Bewegungen zu beschreiben, damit jemand versteht, was er machen soll.

Da gibts (mindestens) zwei Wege:
Die Beschreibung des Klangergebnisses (z.B. bei Staccato "kurz, prägnant, genau artikuliert, spitz, exakt im Rhythmus, akzentuiert", was einem immer noch zu einer Stelle einfällt)
oder die Beschreibung der Bewegung (in dem Fall z.B. je nach Staccatoform mit Armschwung in die Taste spielen, die Hand aber nicht wie einen nassen Sack fallen lassen, sondern gerichtet den besten Anschlagspunkt finden und sich wieder von der Taste abstoßen).

Wenn wir mal beim Staccato bleiben: Da kommt es z.B. drauf an, wo man sich den "Bewegungshebel" hindenkt - man kann den ganzen Unterarm auf und ab bewegen, funktioniert, ist aber umständlich, kraftraubend und langsam. Man kann auch aus dem Handgelenk ein Staccato herausschütteln oder hauptsächlich die Finger arbeiten lassen.
Natürlich sind dann auch andere Körperteile beteiligt, aber das Hauptaugenmerk, die am ehesten (auch von außen) wahrgenommene, beachtete Bewegung liegt eben an einer bestimmten Stelle.

Und wenn die ungünstig ist, kann man sie doch ändern! Deshalb schreibe ich, man soll auf die Art und Weise der Tonproduktion in Verbindung mit der ausgeführten Bewegung achten.
 
Hallo Stilblüte,
was Du in Deinem letzten Beitrag schreibst, verstehe ich.
Du beschreibst den dynamischen Fokus:
Meine Aufmerksamkeit in einer schnellen Passage einer Mozart
Sonate liegt an einem anderen Punkt als bei den Akkorden am Anfang
des Tschaikowsky Klavierkonzertes. Das ist aber etwas Anderes als "aus den
Fingern" oder "aus dem Arm spielen".
Es geht also wiederum um die Bewegungswahrnehmung, nicht um "Bewegungsformen" wie sie im 19. Jahrhundert reichlich erfunden worden sind, wie etwa der "Armschwung"...
Aber jetzt ärgere ich Dich;)
Ich mach noch ein wenig weiter:
Staccato heißt nicht "kurz"! :cool:

Beste Grüße
Claudius
 
Hallo Claudius,

Bewegungsform, Bewegungswahrnehung - wo genau ist da die Trennlinie? Mal abgesehen davon, dass das eine eine aktive Bewegung und das andere die Kenntnisnahme der Ausführung derselben ist.
Wenn ich eine Bewegung wahrnehme, muss ich sie beschreiben können, und um eine Beschreibung von der anderen zu unterscheiden und sie in ein Verhältnis zu setzen, muss ich sie benennen - in unterschiedliche Bewegungsformen...!!?!
Das ist wie bei der Fortbewegung auf zwei Füßen: Ich kann hüpfen auf einem Bein, zwei Beinen, gleichzeitig oder nacheinander, ich kann gehen, schleichen, rennen, trampeln. Man kann das (Geräusch- /Bewegungs- ) Ergebnis benennen oder die Art und Weise der Ausführung.
Da es beim Musizieren nur ersteres gibt (Staccato, piano, leggiero) und auf eine Benennung spezifischer Bewegungen verzichtet wird, muss man sie eben umschreiben...

Zitat von PianoAktiv:
Lieber Claudius, nirgends habe ich behauptet, dass "Staccato kurz heißt". :D
Ich würde genauso wenig sagen, dass Staccato kurz heißt, wie ich sagen würde, dass Autos schnell sind, Häuser hoch sind oder Schokolade süß ist.
Sinnvoller wäre vermutlich die Behauptung, dass Staccato kürzer ist als irgendetwas anderes, Autos schneller sind, Häuser höher sind und Schokolade süßer ist...
Was ich schrieb:
Die Beschreibung des Klangergebnisses (z.B. bei Staccato "kurz, ...
Also ich habe keine Definition von Staccato aufgestellt, sondern das Klangergebnis so beschrieben, wie man es möglicherweise an manchen Staccatostellen Wahrnehmen kann. "Kurz" stellt hier die Beziehung zur sonstigen Klaviermusik-Wahrnehmung dar, die der Klavierschüler gewohnt ist, und die ist in der Regel legato-mäßig länger als Staccato. Somit ist Staccato kürzer, kurz, es ist kurz :D
 

Schönes Thema.

Ich hab bei mir selbt schon des öfteren festgestellt, dass ich bei kritischen Stellen 'weghöre', sozusagen auf Autopilot schalte, und dann froh bin, wenn sie hinter mir liegt ^^
Logischerweise werde ich dann um einiges sicherer, wenn ich das Zuhören an dieser Stelle ganz besonders mitübe, und auch versuche, sie gerne zu spielen, bzw. sie auch zu erfühlen, damit sie mir auch etwas sagt und ich wiederum etwas durch sie aussagen kann.
Funktioniert sehr gut bei mir.

Ansonsten lege ich bei solchen Sachen auch gerne mal das Augenmerk auf den Ellenbogen und alles, was danach kommt ;) Ich denke, je schwieriger die Stelle, desto mehr bietet es sich an, den Körper möglichst ruhig zu halten, um den Händen einen sicheren Bezugspunkt zu geben. Großes Herumgewedel mit den Armen dagegen ist oft sehr hinderlich...
 
Dem Titel nach geht es ja um Fehler, die bereits vorhanden, also eingeübt sind. Z.B., daß man immer an der selben Stelle rauskommt, einen falschen Ton spielt, dynamisch ausrutscht oder solange holpert, bis man sich entweder wieder gefangen hat oder tatsächlich etwas falsch spielt.

Ich habe zwei Strategien, um dagegen vorzugehen.

Zum einen überlege ich mir, wie es richtig sein sollte und spiele das dann im Idealfall spontan richtig. Dazu mache ich mir noch eine gedankliche Notiz (z.B. "Oktave" oder "Es") oder schreibe sogar etwas in die Noten. Mit letzterem bin ich allerdings vorsichtig, denn wenn zuviel da steht, ist das schon wieder eine Fehlerquelle.

Wenn das nicht geht, schaue ich mir genau an, was ich an der betreffenden Stelle mache und wie es zu dem Fehler kommt. Das kann erstaunlich schwer sein, denn beim genauen Hinsehen verschwinden Fehler manchmal und tauchen erst wieder auf, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Aber dann kann ich gelegentlich auch die Fehlersuche aufgeben und einfach das fest einüben, was ich da - fehlerfrei - sehe :) Ansonsten muß ich mir halt etwas neues überlegen.

Am schwersten finde ich den Kampf gegen Präzisionsmangel. Ich glaube, das ist in erster Linie eine Angelegenheit von Konzentration, Routine und Kondition. Also Dinge, die man sich langfristig erarbeiten muß.

PS: Ich finde es immer wieder beachtlich, wie manche sich eine Stelle aus einem Beitrag herauspicken, um irgendeine unnötige Bemerkung zu machen. Wenn das eine Profilneurose ist, frage ich mich allerdings, was für ein Profil diejenigen anstreben.
 
Ich hab bei mir selbt schon des öfteren festgestellt, dass ich bei kritischen Stellen 'weghöre', sozusagen auf Autopilot schalte, und dann froh bin, wenn sie hinter mir liegt ^^
Wer ist das nicht... Ich beobachte bei mir leider auch noch, daß ich an kritischen Stellen schneller werde, vielleicht um schneller durch zu sein ("Augen zu und durch") oder um Ungenauigkeiten schwerer hörbar zu machen? Auf jeden Fall eine doofe Angewohnheit, denn besser lernen tut man die Stelle dadurch nicht.

Aber später tauchen die Probleme dort für gewöhnlich wieder auf, dann kann ich mich nochmal damit beschäftigen. :(
 
Mir ist heute wieder aufgefallen, dass man, sobald man eine Stelle durch intensive Beschäftigung besser begreift, auf einmal interpretatorische Hinweise entdeckt, wie Akzente, Bögen, cresc etc...

Ich glaube, das kommt daher, dass man diese Anweisungen auch realisieren kann ohne ihren Sinn zu begreifen. Und damit sind sie eben "abgehakt" :) Heute erst wieder habe ich ein älteres Stück aufgearbeitet und dabei zuerst die Musik einer Stelle neu entdeckt und dann gesehen, dass ja Hinweise darauf die ganze Zeit im Notentext standen. Schon verrückt.

Seymour Bernstein gibt in seinem Buch "Mit eigenen Händen" den Übetipp nur mit den Noten das Stück durchzugehen und jedes einzelne Vortragszeichen wirklich zu erleben, sich vorzustellen und zu fühlen. Halte ich für wirklich probierenswert :)

lg marcus
 
Ich habe doch schon erlebt, dass es mir geholfen hat, mich auch nach dem Zusammensetzen der Hände nochmal mit einer der beiden oder allen zweien einzeln auseinanderzusetzen, um besser zu begreifen (wörtlich und übertragen), was da zu tun ist.
Je weniger die einzelne Hand kann, desto mehr hat das Hirn beim Zusammenspielen zu denken, und wenn die Hand eben zu wenig kann, ist das Hirn möglicherweise überfordert.
(...)
Einzeln üben ist vielleicht auch dann sinnvoll, wenn eine Hand mehrstimmig ist (nicht mehrere Töne gleichzeitig, sondern tatsächlich mehr-stimmig), um sich daran zu gewöhnen, eine Stimme herauszuheben und beide als Einzelstimme hörbar zu machen.

Das ist ein sehr interessantes Thema! Ich bin ja der vom Blatt-Spiel Typ und es ist beim ersten Spiel tatsächlich so, dass ich nur spiele, was ich sehe, aber nicht gleich immer verstehe, was ich überhaupt spiele. Es ist nur eine Art Übertrag vom Visuellen zum Gespielten. Ich merke es ganz extrem, wenn ich Orgel spiele und die einzelnen Stimmen aufteile, dass ich dann erst verstehe, was ich überhaupt spiele. D.h. je nach Schwierigkeitsgrad übe ich linke Hand mit Pedal, rechte Hand mit Pedal, beide Hände zusammen, Pedal alleine, selten eine Hand alleine, weil mir das für das spätere Zusammenspiel nicht hilfreich ist, AUSSER es ist mehrstimmig in einer Hand.

Beim Klavier hilft es mir ausserordentlich wenn ich mehrstimmige Teile in einer Hand aufteile, dass ich also nur die Oberstimme spiele, oder nur die Akzente, oder nur die Melodie, oder nur den Daumen, oder nur die Mittelstimmen, dann entsprechend die andere Hand dazu nehmen - Melodie und Bass, nur Mittelstimmen....

Zu Verstehen, was ich überhaupt spiele ist für mich wahnsinnig wichtig, um ein Stück ruhig und fehlerlos spielen zu können. (Daher mache ich auch immer soviele Fehler, weil ich nicht richtig übe, sondern einfach immer nur von vorne bis hinten durchspiele, weil ich zu wenig Zeit habe :rolleyes:).

Wenn ich etwas automatisiert habe, dann passiert es manchmal, dass ich überhaupt nicht mehr weiss wie ich von Takt sowieso bis Takt sowieso gekommen bin, so wie wenn man mit dem Auto von A nach B fährt und sich nicht mehr erinnern kann, wie man nach B gekommen ist.

Manchmal ist es auch so, dass durch Automatisieren plötzlich eine Stelle fliesst, an der man Stunden zuvor verzweifelt ist, meist -wie oft angesprochen- in dem Moment, in dem man vielleicht mit den Gedanken abgeschweift ist, losgelassen hat, einfach gespielt hat, und flutsch - läuft es und man denkt - poahhh! hab ich das jetzt grad gespielt???

Wie spiele ich fehlerfrei? Meistens garnicht, aber ich tue immer so, als gehörts zum Stück :D
Erstmal muss man das Stück technisch spielen können. Wenn ich schon Angst habe, bevor der Lauf kommt, dann verkrampfe ich und mach erst recht Fehler. Ich übe den Lauf also von hinten bis vorne, durch alle Lagen, von unten bis oben, mit Rhythmus, vorwärts und rückwärts und wenn ich dann dabei noch Fernseh gucken kann, dann läuft der Lauf. Wichtig ist - ich darf dabei nicht verkrampfen. Wenn ich merke, dass ich verkrampfe, was immer in Fehlern resultiert übe ich meistens mit hängenden Armen, Arme wie von Fäden gezogen auf die Tasten und die schwierige Stelle locker spielen, dann Arme wieder locker hängen lassen, oder mit geschlossenen Augen. Ich konzentriere mich immer mental auf die Stelle BEVOR ich sie spiele.

Wichtig ist bei mir auch die Konzentration und Müdigkeit. Wenn ich zu müde bin, dann häufen sich die Fehler. Auch bei mangelnder Konzentration. Gerade bei langen Stücken muss man auch das Durchhalten üben.

Ich komme leider beim Orgeln immer leicht aus dem Konzept, wenn z.B. Kinder auf der Empore neben mir während meinem Spiel herumkaspern, sich Geschichten erzählen, mit Papierschnipseln schiessen, oder irgendjemand mitten im Spiel mit Stöckelschuhen aus der Kirche stöckelt - klack - klack -
Da passieren mir leider Fehler, weil ich abgelenkt werde, mich nicht mehr richtig konzentriere und mich über den "Lärm" ärgere. Und je mehr Fehler ich dann mache, desto mehr rege ich mich auf und desto mehr und mehr Fehler mache ich :mad:

Ganz fies finde ich verschiedene Ausgaben von Stücken, die sich im Notentext unterscheiden, wie zum Beispiel bei der Tarantelle von Chopin. Ich habe sie letzt mit einer anderen Ausgabe gespielt, die nicht so übereinstimmte wie ich sie mal auswendig konnte (leider habe ich ein miserables Langzeitgedächtnis) und genau an der abweichenden Stelle haspelt es. Mein Kopf will das spielen, was da geschrieben steht und meine Hände wollen das spielen, was sie mal automatisiert hatten und das führt zu einem Konflikt, der nicht so einfach zu lösen ist, weil ich mich noch nicht entschieden habe, welche Version mir besser gefällt...
 
Vor die Behebung des Fehlers hat der Tastengott die Erenntnis des Fehlers gesetzt.. und bei mir hapert es schon da. :rolleyes:

Ich rede hier nicht von falschen Tönen sondern von schlampiger Intonation, nicht beachteten Bindungen und Stakkati und all dem, was aus den Noten eine Musik macht. Ich bin oft schon so froh, wenn die Finger ihren Weg finden, dass ich den Rest glatt ausblende.
Zum Glück bringt mich meine KL immer wieder auf den Pfad der Tugend.

Und bei mir hilft es, wenn ich eine Vorstellung vom Klang bekommen (durch Nachmachen, meistens).
Hände einzeln üben klappt nicht gut.... ich kriege die zwei Puzzleteile nur schwer wieder zusammengesetzt. Außer bei Läufen und Fingersatzproblemen, da muss man natürlich mal einzeln genau hinschauen.

Ganz böse sind jahrealte Fehler.... meine gute alte Für Elise wird immer klingen wir bei der damals 10-jährigen.... so gesehen hält sie mich jung :D
 
Wenn ich etwas automatisiert habe, dann passiert es manchmal, dass ich überhaupt nicht mehr weiss wie ich von Takt sowieso bis Takt sowieso gekommen bin, so wie wenn man mit dem Auto von A nach B fährt und sich nicht mehr erinnern kann, wie man nach B gekommen ist.

Das kann aber auch zu einer üblen Fehlerquelle werden, wenn sich z.B. irgendein Schelm aus den ersten fehlerhaften Versuchen wieder zurückmeldet oder wenn man gestört wird (soll in Konzerten häufig passieren ;) ). Mir sind jedenfalls solche Stellen immer suspekt und wenn sie mir auffallen, schaue ich mir früher oder später ganz genau an, wie und was ich da spiele. Das kann zwar auch Probleme schaffen, aber die wären dann meiner Meinung nach früher oder sowieso aufgetreten. Aber man hat gleich ein Erfolgserlebnis (Fehlerquelle entdeckt) und kann sich sofort daran machen, die auszumerzen.
 
Ich habe mal nur diese winzige Stelle aus deinem Post ausgewählt, weil dieses Bestreben oft zu hören und zu lesen ist, dass man jede Hand einzeln im Tempo spielen können sollte.

Das ist garnicht erforderlich und eher hinderlich für die Komplette Ausführung.

sicher sollte man jede Hand für sich innerlich können (also auswendig spielen können) aber wenn beide Hände spielen ändert sich sofort der Schwerpunkt der gesamten Spielapparatur. Man übt also, wenn man einzeln übt und das im vollen Tempo etwas, was später wieder geändert werden muss und das ist eben ein Umweg.

einzeln im riochtigen Tempo darf ich nur stellen üben, die auch in der Komposition so vorkommen wie z.b. den Beginn der Kadenz im G.-dur Kl. Konzert von R'avel in der linken Hand.


Lieber klavigen,

ich bin wirklich total verblüfft!

Als ich dein Statement (leider erst jetzt) gelesen habe, habe ich zunächst gestutzt, denn deine Argumentation erschien mir zunächst einleuchtend. Dann aber widersprach dem meine gesammelte pianistische und klavierpädagogische Erfahrung: ohne jede Hand einzeln im Tempo spielen zu können ( ich lass mal jetzt die musikalische Seite ganz außen vor - da sind wir, glaube ich, einer Meinung) könnte ich rein von den Bewegungsabläufen her die Stücke gar nicht spielen!!! Für mich gibt es tatsächlich für jede Hand eine (horizontale) Ebene bzw. einen Bewegungsweg/-ablauf, der dann zusammengefügt wird. Bei mir ändert sich beim Zusammenfügen der Hände überhaupt kein Schwerpunkt, weil ja die Mitte zwischen den Armen/Händen der eigene Körper/Rumpf ist und der die Stabilität beim Klavierspielen gibt! :confused:.

Auch bei meinen Schülern lassen sich viele Probleme beheben, wenn man sie auffordert, noch einmal einzeln zu spielen (wenn sie schon lange zusammen spielen, vergessen sie das manchmal :rolleyes: )

Insofern bin ich wirklich überrascht und erwarte gespannt deine Antwort! Für mich sind die Bewegungsabläufe der einzelnen Hände ein bisschen wie zwei Balletttänzer, die einen Pas de deux aufführen (wobei solche Vergleiche meist nicht vollständig sind und falsch interpretiert werden können) - wenn ich nicht weiss, wie die Bewegungsabläufe der einzelnen Hände im regulären Tempo sind, wie können sie dann möglichst unabhängig voneinander sein??

Viele gespannte Grüße

chiarina


[*] Wie ist die Handposition auf der Taste? Sowohl beim Anschlagen der Taste als auch danach.



Hallo Stilblüte,

ich finde deine Liste sehr umfassend und klasse! Nur noch eine Ergänzung: meiner Meinung ist auch sehr wichtig, welche Position die Hand vor dem Anschlag einnimmt und auf welchem Weg sie vorher zu dieser Position kommt. Dort liegt ein sehr weites Feld der Fehlerbehebung - es liegt zu großen Teilen auch an einer schlechten oder ungünstigen Position der Hand, wenn etwas nicht klappt!

Außerdem finde ich, dass die Hand oft zu schwer ist und dadurch Bewegungsabläufe behindert. Eine leichte Hand macht das Leben leichter :klavier:

Viele Grüße

chiarina
 
mit der Bitte, nicht in Zorn zu geraten

Dem Titel nach geht es ja um Fehler, die bereits vorhanden, also eingeübt sind. Z.B., daß man immer an der selben Stelle rauskommt, einen falschen Ton spielt, dynamisch ausrutscht oder solange holpert, bis man sich entweder wieder gefangen hat oder tatsächlich etwas falsch spielt.

hallo Guendola,

genau diese Fehler sind die besonders problematischen, denn sie können sich - da eingeübt! - als sehr zäh und widerspenstig, also als korrigierresistent erweisen.

Meiner Erfahrung nach (ich höre solche Sachen oft, auch bei den "begabten") zählen schon manche Unebenheiten im Klang bzw. in den Klangverhältnissen zu solchen grundlegenden "Fehlern" oder vielleicht besser gesagt oft unbemerkten partiellen Mängeln.
z.B.:
- - - da spielt jemand flüssig, fehlerfrei, man sieht und hört die Begeisterung und den guten Willen - und man hört leider, was der Spieler selber gar nicht wahrnimmt: die Begleitungen (oder Nebenstimmen) sind zu laut etc, kurzum Mängel (wenn nicht gar Unvermögen) in der Differenzierung der Klangschichten
das wäre ein gravierender Fehler, der nur schwer wegzukriegen ist, weil der Spieler ja während des Spielens ihn nicht wahrnimmt und überzeugt ist, alles richtig und schön zu machen
- - - da spielt jemand mit differenziertem Klang, flüssig, fehlerfrei, man sieht und hört die Begeisterung - und man hört leider, dass die Differenzierung schwindet, sowie es zu manuell schwierigen Abschnitten kommt (J. Kaiser nennt das "ein trübes Grau des Gelingens")
beide sind ja auf den ersten Blick "technisch" völlig ok, also flüssig und fehlerfrei (kein Gemurkse, kein Verlangsamen/stocken etc.) - aber trotzdem liegt in mehrfacher Hinsicht ein gravierender und nur sehr langsam und unter recht schmerzlichen Erfahrungen/Erkenntnissen korrigierbarer (gottlob in Maßen korrigierbarer!) grundlegender Fehler vor: die in den Hintergrund gedrängte Befähigung, sich selber zuhören zu können.

mal ein Beispiel, das man sich auf auf Youtube anschauen kann: eine Meisterklasse mit dem uralten, schwer krebskranken und total erblindeten Artur Rubinstein
ein junger (angehender?) Pianist spielt den Beginn des Moderato (Hauptteil) der Ballade op.23 von Chopin, auf den "ersten Blick" ganz gut, aber der Greis ist nicht zufrieden damit: es fehlt ihm an klanglichers Transparenz (Differenzierung) und an melodischer Gestaltung. Und dann hört man das Wunder: wenn der Blinde die Hände auf die richtigen Tasten legt, blüht der Klang und die Melodie hat Größe, Gefühl und vor allem - einen erschütternd schönen Klang.
...nun könnte man sagen: ok, das ist Rubinstein, der ist eh eine Sonderklasse für sich - sicher! Andererseits aber wird da gerade an einer manuell nun wirklich unproblematischen, ja geradezu leichten Stelle der genannte Fehler demonstriert: er resultiert aus dem zu unkritischen sich selbst zuhören.

das Hören, der Klangsinn - daran sollte man auch ständig arbeiten oder diesen bei der Beschäftigung mit dem Training schwieriger Bewegungsabläufe nicht aus den Augen (pardon: aus den Ohren :)) verlieren - - aber das kann weh tun, vor allem, wenn man schon weit fortgeschritten ist und "manuell" die Erfahrung gemcht hat, dass man doch eigentlich das meiste richtig macht.

und ein trauriger Umstand:
manche haben den Klangsinn von Anfang an
manche erwerben ihn recht rasch und früh
(in beiden Fällen ist dann das Differenzieren auch an schwierigen Stellen schon vorhanden)
viele müssen hart auch daran arbeiten

Ich erspare mir Hinweise darauf, wie man das motorisch umsetzt (denn Fragestellungen dieser Art bzw. Erklärungen zur Lösung werden erfahrungsgemäß mit Zorn und Dogmatismus behandelt) - aber ganz allgemein rate ich, danach zu streben, dass das Klangempfinden und damit das Klangdifferenzieren in Fleisch und Blut übergeht. Leider ist das nicht leicht und auch nicht selbstverständlich, leider.

meiner persönlichen Ansicht nach sind die tatsächlich rein manuellen Fehler eher korrigierbar als die musikalischen & klanglichen Mängel. sicher resultieren bei speziellen technischen Mängeln (z.B. plumpes Okavenspiel) die dann entstehende Klangmängel auch aus der falschen Bewegung, aber der falschen oder ungschickten Bewegung kann man, sofern sie eindeutig sichtbar/erkennbar sind, auf die Schliche kommen, jedenfalls gelegentlich... allzu fest sitzende Fehlhaltungen aber werden immer und lange Zeit ein Problem sein, manchmal auch ein unlösbares.

Gruß, Rolf

ach ja: bemüht man sich, ein Musikstück zu verstehen, dann zählt nicht nur das verstandesmäßige Begreifen, sondern auch das alle Details hören können zu diesem Verstehen dazu, und beides zusammen ist dann die Grundlage für die Umsetzung des Begriffenen und "Erlebten" am Instrument (die schwierigen Stellen sind dann nur noch Hürden - wenn die Voraussetzungen stimmen)
 

Zurück
Top Bottom