Eure Vorgehensweise beim Erlernen eines neuen Stücks

Tinnitus

Tinnitus

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27. Sep. 2022
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Liebe Freunde des Elfenbeins,

trotz Hochfahren des Forencomputers, Anschmeißen der Kerosinpumpen und Öffnen der Zylinderzapfluftventile habe ich in diesem Forum noch keinen derartigen Faden gefunden, was ich hier nun "beheben" will. Sollte ich in meinem Noob-Übereifer etwas übersehen haben, bitte ich gnädigst um Nachsicht und Aushändigung eines Fallschirmes.

Wie geht ihr beim Einstudieren von neuen Stücken vor?
Was ist eure Strategie beim Erweitern eures Repertoires?


Mir ist klar, jeder hat da seine eigene Strategie, aber eben drum frage ich, manches könnte sich ja auch für Andere als nützlich erweisen.

Der Grund ist, ich hadere momentan mit mir, wie ich am effektivsten mein Repertoire bereichere.

Dazu müssen wir erst einmal eine wichtige Frage klären:

Wie haltet ihr es mit dem Auswendiglernen?
Findet ihr, es ist angemessen, zu behaupten, "I Like Chopin ist Teil meines Repertoires", auch wenn ihr noch das Notenblatt vor der Nase braucht?
Umgekehrt, wäret (oder seid) ihr mental in der Lage, ein Repertoire aus 30 Stücken komplett auswendig zu beherrschen?

Nun kann man sich mehrere Vorgehensweisen vorstellen.
Zum Beispiel: Linke und rechte Hand getrennt jeweils einen einzigen Takt in Endlosschleife wiederholen, bis die Passagiere die Spucktüten auspacken.
Oder: Das Ganze auf zwei oder gar vier Takte erweitern und so weniger oft, dafür größere "Brocken" verinnerlichen.
Oder: Am Anfang beginnen und – gesetz dem Fall, der Einfachheitsgrad lässt es zu – gleich beidhändig anfangen, ganz langsam und oft wiederholend, um ein Gefühl für das Wesen des Liedes zu erhalten.

Meine momentane Strategie:
Ich habe keine fixe Vorgehensweise, von der ich mich rühmen kann, sie sei mir dienlich gewesen. Es ist eher Trial & Error. Ich beginne zu spielen, natürlich fehlerhaft, doch ich entscheide willkürlich und ohne fixe Strategie oder bewährte Erfahrung, an welcher Stelle ich nicht weiterspiele, sondern das Bisherige festige.
Es ist ein wenig wie beim Sprachenlernen (was mir leicht fällt). Stoff A lernen. Pause. Stoff A wiederholen. Stoff B anschauen. Pause. Stoff A perfektionieren. Stoff B wiederholen. Pause. Stoff C anschauen. Stoff A und B wiederholen. Und so weiter und so fort.

Und so fahre ich auch am Klavier fort, mit dem nächsten Abschnitt des Songs, obwohl der erste nicht einmal annähernd perfekt ist – weil ich festgestellt habe, dass nach einer gesunden Pause einmal Gelerntes beim Wiederanschauen ungemein geboostert wird. Beispiel, 10 Takte Intro und Thema, die ich mit Papier vor mir ganz anständig hinklimpere. Diese 10 Takte so oft wiederholen, bis sich kein weiterer Fortschritt mehr einstellt. Dann irgendwas anderes tun – meinetwegen Geschirr abwaschen, Post erledigen oder auch die nächsten acht Takte des gerade zu erlernenden Stückes üben – und zwei, drei Stunden später nochmal in der Piano Lounge vorbeischauen. Und schwupps, sind die ersten 10 Takte weit jenseits von Geklimpere, sondern gefestigt und selbstsicher.

So, jetzt habe ich viele Worte bemüht, um meine Situation und mein Anliegen zu erklären.
Würde mich sehr freuen, wenn ihr mir in der Business Class Gesellschaft leisten könntet, bei einem Tomatensaft, um über das Thema Lernmethoden zu plaudern.

Turbulenzenfreien Flug wünscht
Kojote
 
Zu den Themen Übestrategien und Auswendiglernen gibts hier gefühlt tausend Beiträge....
 
Hallo Kojote

Im Grunde ist Dein Thema ideal für den Klavierunterricht, denn, wie Du schon schreibst: Übewege sind individuell, und wenn Du (noch) nicht so weit bist, den besten Weg für Dich selbst zu entwickeln, dann solltest Du auf die Hilfe Deines Klavierlehrers zurückgreifen: Der kennt Dich, weiß, was Dich motiviert und kann im Idealfall nicht nur eine starre Methode vermitteln.

Beste Grüße
Skrjabin
 
Zu den Themen Übestrategien und Auswendiglernen gibts hier gefühlt tausend Beiträge....

Das dachte ich mir auch, aber bei den Suchergebnissen hat nichts wirklich gepasst … vor allem aber habe ich mehrere miteinander verbundene Detailfragen, das wäre äußerst kompliziert geworden, diese in einem bestehenden Faden unterzubringen, ohne diesen zu hijacken.
Also, ich entschuldige mich für den überflüssigen Faden und warte geduldig, dass mir mein Fallschirm gereicht werden möge. :-D

Im Grunde ist Dein Thema ideal für den Klavierunterricht, denn, wie Du schon schreibst: Übewege sind individuell, und wenn Du (noch) nicht so weit bist, den besten Weg für Dich selbst zu entwickeln, dann solltest Du auf die Hilfe Deines Klavierlehrers zurückgreifen

Seit ich in Österreich wohne, ist professioneller Unterricht für mich unerschwinglich. Ich sitze mit meinem Yamaha-Synthesizer in der guten Stube und lerne autodidaktisch auf Grundlage meiner sechsjährigen Synthesizer-Vorgeschichte, als ich herrlich preisgünstigen Unterricht genießen durfte. Was damals ein ganzes Semester gekostet hat, dafür würde ich hier in Wien vielleicht eine halbe Stunde Gruppenunterricht bekommen. Ohne Spaß.
 
Hallo Kojote,

meine Herangehensweise an neue Stücke hängt vom jeweiligen Schwierigkeitsgrad ab. Wenn es annähernd flüssig und beidhändig vom Blatt (für mich) spielbar ist, spiele ich es immer wieder ganz durch, immer und immer wieder, bis es sitzt, dann erst kümmere ich mich um den Ausdruck.
Bei schwierigeren Stücken funktioniert das nur etappenweise, so ähnlich wie du es beschrieben hast. Natürlich kann ich dann irgendwann den Anfang besser als das Ende. Hierzu hat meine KL empfohlen, auch "von hinten" zu üben. Also zeilenweise von hinten, abwechselnd von vorne, um zu verhindern, dass man immer den Schluss verhaut und den Anfang perfekt kann.

Gezielt auswendig lerne ich nichts, aber nach vielen vielen vielen Wiederholungen kann ich das eine oder andere Stück dann irgendwann halt doch auswendig. Was natürlich sehr angenehm ist, weil ich mich dann viel besser auf den Ausdruck konzentrieren kann.

Zum auswendigen Repertoire, das immer abrufbereit ist, kann ich leider nur eine Handvoll Stücke zählen, da ich diese regelmässig spielen muss, um sie nicht "zu verlieren". Und die meiste Übezeit widme ich dann doch lieber dem aktuellen Stück. Wäre schön, wenn das anders wäre mit der Repertoirepflege!

Liebe Grüße aus OÖ in meine Heimatstadt Wien! :026:
 
Hallo Kojote,

wir haben hier im Forum einige sehr gute Klavierlehrer insbesondere @Stilblüte und @chiarina haben hier schon viele gute Tipps veröffentlicht und auch auf der Homepage von @chiarina kannst Du viele hilfreiche Artikel lesen.

Ich wünsche Dir viel Freude beim Durchstöbern und grüße Dich herzlich

Ursula
 
Wie haltet ihr es mit dem Auswendiglernen?
Findet ihr, es ist angemessen, zu behaupten, "I Like Chopin ist Teil meines Repertoires", auch wenn ihr noch das Notenblatt vor der Nase braucht?
Umgekehrt, wäret (oder seid) ihr mental in der Lage, ein Repertoire aus 30 Stücken komplett auswendig zu beherrschen?
Nein. Ganz klare Antwort. Aber die Frage, die sich mir da stellt, ist auch: Wozu braucht man das? Gibst Du Konzerte? Bist Du Alleinunterhalter? Denn ansonsten braucht man sicherlich keine 30 Stück parat zu haben. Und man kann immer sein Tablet mit sich führen, sodass man für den Notfall alle Noten immer dabei hat und spielen kann, was gerade gewünscht wird oder was man sich selbst wünscht.

Nun kann man sich mehrere Vorgehensweisen vorstellen.
Zum Beispiel: Linke und rechte Hand getrennt jeweils einen einzigen Takt in Endlosschleife wiederholen, bis die Passagiere die Spucktüten auspacken.
Oder: Das Ganze auf zwei oder gar vier Takte erweitern und so weniger oft, dafür größere "Brocken" verinnerlichen.
Da hast Du doch schon die ganze Methode. Ich bin mir nicht ganz klar, was Deine Fragestellung ist. Mir scheint, Du hast schon eine ganze Menge Antworten.

Meine momentane Strategie:
Ich habe keine fixe Vorgehensweise, von der ich mich rühmen kann, sie sei mir dienlich gewesen. Es ist eher Trial & Error. Ich beginne zu spielen, natürlich fehlerhaft, doch ich entscheide willkürlich und ohne fixe Strategie oder bewährte Erfahrung, an welcher Stelle ich nicht weiterspiele, sondern das Bisherige festige.
Es ist ein wenig wie beim Sprachenlernen (was mir leicht fällt). Stoff A lernen. Pause. Stoff A wiederholen. Stoff B anschauen. Pause. Stoff A perfektionieren. Stoff B wiederholen. Pause. Stoff C anschauen. Stoff A und B wiederholen. Und so weiter und so fort.

Und so fahre ich auch am Klavier fort, mit dem nächsten Abschnitt des Songs, obwohl der erste nicht einmal annähernd perfekt ist – weil ich festgestellt habe, dass nach einer gesunden Pause einmal Gelerntes beim Wiederanschauen ungemein geboostert wird. Beispiel, 10 Takte Intro und Thema, die ich mit Papier vor mir ganz anständig hinklimpere. Diese 10 Takte so oft wiederholen, bis sich kein weiterer Fortschritt mehr einstellt. Dann irgendwas anderes tun – meinetwegen Geschirr abwaschen, Post erledigen oder auch die nächsten acht Takte des gerade zu erlernenden Stückes üben – und zwei, drei Stunden später nochmal in der Piano Lounge vorbeischauen. Und schwupps, sind die ersten 10 Takte weit jenseits von Geklimpere, sondern gefestigt und selbstsicher.
Das funktioniert manchmal, das ist wahr. Manchmal aber auch nicht so. Dennoch: Wie oben schon frage ich mich, was eigentlich Deine Frage ist. Du hast doch schon eine Menge Methoden, und die sind auch gut. Sogar schon einen Haufen Tricks, die die Sache noch verbessern. Was für eine Methode suchst Du, wenn Du schon so gute Methoden hast? Was willst Du verbessern? Wo willst Du hin? Was stört Dich, sodass Du es verbessern willst?
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

erstmal herzlichen Dank an euch alle für eure Antworten, Ideen und Impulse, besonders an @Annaklena!

Was für eine Methode suchst Du, wenn Du schon so gute Methoden hast? Was willst Du verbessern? Wo willst Du hin? Was stört Dich, sodass Du es verbessern willst?

Du hast völlig recht. Ich habe mich etwas schwammig ausgedrückt.
"So gute Methoden" – ich weiß nicht, ob ich es so ausdrücken würde. Eher nicht. Sonst, in der Tat, bräuchte es diesen Faden nicht.
Wo es momentan hakt? In erster Linie am Sitzfleisch. Am sinnbildlichen natürlich.
Meine Motivation, am Piano dranzubleiben, hat sich jüngst deutlich erhöht, knock on wood, woran dieses Forum nicht unmaßgeblich beteiligt ist. Dennoch, wenn ich am dritten Tag des Studiums einer Nummer meinen derzeitigen Stand reüssiere, von Anfang an spiele und schon im zweiten Takt den gleichen dummen Flüchtigkeitsfehler unterbringe, nagt das an der Motivation.

An Freizeit, Klavier zu üben, mangelt es mir nicht. (Knock on teak.) Aber es ist entmutigend, dass wenn man ein Loch flickt, an anderer Stelle ein anderes, bereits geflicktes, erneut aufbricht. Das ist das Dilemma. Das stört mich, und deshalb frug ich hier nach.
Zusammenfassung: Ich finde, bei mir ist in der Effektivität des Lernens noch Luft nach oben. Ich lege immer wieder Pausen zwischen Lerneinheiten ein, aber das könnten deutlich weniger sein – weil die Hälfte aller Pausen aufgrund von Entnervung entstehen, wenn ich vorm Blatt sitze und die Augen über meine eigene Unfähigkeit verdrehe, weil ich Takt 9 jetzt schon zum x-ten Mal spiele und immer noch den gleichen Flüchtigkeitsfehler einbaue.

Ich hoffe, ich konnte mein Anliegen deutlich genug erläutern!

Liebe Grüße
Kojote
 
Wenn bei mir ein Fehler immer an der gleichen Stelle auftaucht, dann frage ich mich ganz gezielt: Woran kann das liegen? Meistens ist der Klavierlehrer ja nicht zur Hand, wenn man übt, und man kann ihm erst beim nächsten Unterricht die Frage stellen. Also versuche ich selbst auch ein Ursache zu finden. Ich nehme mir die Stelle vor und versuche beim Spielen meine Hände, meinen ganzen Körper zu beobachten. Was tue ich da eigentlich gerade? Sehr oft finde ich dann eine Möglichkeit oder einen Grund, woran der Fehler liegen könnte und probiere aus, etwa anders zu machen. Beispielsweise den Arm/Ellbogen/Oberkörper anders zu bewegen um der Hand/den Fingern eine bessere Position zu geben. Und siehe, auf einmal funktioniert es! Oft ist es dann so, dass ich in der nächsten Unterrichtsstunden meiner Lehrerin erzähle, wo ich ein Problem hatte und wie ich es gelöst habe. Da diskutieren wir dann darüber oder sie hat noch andere Vorschläge. Aber als lernender Erwachsener bin ich immer wieder positiv überrascht, wie ich durch eigenes Nachdenken auch Fehler beheben kann :003:
 
Wenn es wirklich Flüchtigkeitsfehler sind, dann hast du die Stelle nicht mit dem Kopf geübt. Ich bin auch gern mal ein bisschen überheblich, so in der Art "diese Pillepalle Stelle brauch ich nicht zu üben ". Wenn ich die aber beim 5. Mal immer noch nicht sicher spielen kann muss ich mich halt damit beschäftigen. Langsam, Bewegungen/Fingersätze bewusst machen (vielleicht auch zum ersten Mal darüber nachdenken). Wenn ich eine (zugegebenermaßen längere) Passage nicht hinkriege hilft es mir, sie harmonisch zu verstehen. Das kann ich leider nicht ad hoc sondern muss mir das wirklich anschauen.
 
Üben kann man ja auch ohne Instrument - das Stück durchdenken, durchlesen, in Gedanken spielen/singen, Harmonien erkennen/reinschreiben, all das kann man ohne Tastatur tun und kann helfen, nicht immer wieder von vorne anzufangen beim Üben am Instrument.
Beim Üben selbst: Phrasen üben; mal mit der Artikulation spielen; einzelne Teile auch mal transponieren (in einer anderen Tonart spielen); "rückwärts" üben... es gibt so viele Wege - und was für Person A taugt, klappt bei Person B vielleicht überhaupt nicht.

Lies vielleicht auch mal die Ideen von @chiarina über kreative Herangehensweisen an ein neues Stück: https://www.clavio.de/threads/kreative-herangehensweisen-an-ein-neues-stueck.29609/
 

Mein Guide zum neuen Stück, dem hier ist eigentlich nichts hinzuzufügen, ausser dass ich es selbst auch mal wieder lesen sollte. Man wird ja schnell wieder schlampig.

 

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