Einführung Steinway Spirio

Im Curtis Institute gibt es auch einen Diskflügel. Von den Pianisten benutzt den niemand (wozu auch?), aber es gibt ein paar Freaks, die für das Gerät Stücke komponieren, die man rein manuell nicht spielen kann (20 gleichzeitig angeschlagene Töne etc.). Wer's braucht ...
 
Ich denke, das Selbstspielsystem richtet sich vor allem an einen Kundenkreis, den wir uns als Klavierspieler kaum vorstellen können: Den „Prestigekäufer“ der sich einen neuen Steinwayflügel in sein Luxushaus zur Dekoration / Repräsentation als Statussymbol stellt aber keine Note darauf spielen kann.
Das Phänomen gibt es ja auch bei Herstellern teurer Automobile. Wenn dieser allerdings nur noch solche Kunden zu den Käufern der eigenen Produkte zählen kann, dann färbt das auch auf den Ruf der Marke ab.

Die Luxus-Autohersteller sind deshalb schlau genug, ihren Profis nicht in den Rücken zu fallen. Im Gegenteil, je leistungsstärker und "sportlicher" es zugeht, desto weniger Assistenzsysteme findet man üblicherweise.

Das kann also auch nach hinten losgehen. Sollte sich der reine Selbstspieler bei o. g. Zielgruppe erfolgreich durchsetzen, dann ist ist der Markenname irgendwann fest verknüpft mit "kann nicht Klavier spielen".
 
@ Pianojayjay wie war die Präsentation? Hat es dich umgehauen?


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@Pianojayjay Wie ist das System so im Vergleich mit Welte-Mignon?
 
Der Thread ist zwar etwas älter, aber dennoch: Letztes Jahr war ich zu einem Vortrag in der Steinway Galerie Stuttgart eingeladen, wonach sie auch stolz ihre Spirio Flügel präsentiert haben. Das Geschäft damit scheint zu blühen, was auch in einem Piano News Artikel vor einiger Zeit so geschrieben wurde. Zielgruppe sind wohl die Reichen und Schönen, sowie Luxushotels, Firmen... Es gibt zum einen immer neue Einspielungen der aktuellen Steinway Artists und zum anderen Einspielungen der Altmeister zu erwerben. So kann man Horowitz virtuell zu sich ins Wohnzimmer einladen. Das macht sich natürlich was her, wenn man in den entsprechenden Kreisen verkehrt :drink:;-)

Allerdings klang Horowitz Träumerei nicht gerade beeindruckend am Spirio...
 

Der ganz spezielle Klang des Flügels gehört einfach zu den Horowitzaufnahmen dazu.
 
Kann der reproduzierte Horowitz nur an seinem eigenen Flügel gut klingen?
Nein, das sicher nicht - aber zur Hälfte ist dein Satz doch richtig. Das Spirio-Prinzip ist nicht zu Ende gedacht - bzw., nicht zu Ende erklärt. Dass das "Einspeisen" alter Aufnahmen auf jeden Spirio ein nur teilweise plausibles Ergebnis liefert steht auf dem selben Blatt, auf dem auch unterschiedliche Flügelmarken und -qualitäten berechtigt sind, auch wenn man "gar keinen Unterschied im Klang hört".

Weil:

Folgende Faktoren beeinflussen einen erfahrenen, professionellen, guten Pianisten:

a) Mechanische und klangliche Voraussetzungen bzw. Beschränkungen des Flügels geben vor, wie der Pianist spielen kann
[Schwergängige / leichte Mechanik, Auslösepunkt, Repetitionsfähigkeit, Intonation, Regulierung, Tonkurve, Länge des Flügels,..................]

b) "Umweltfaktoren", vor allem räumliche, personelle und situative, beeinflussen, wie der Pianist spielen will bzw. sinnvollerweise spielt
[Raumgröße / Hall, Entfernung zum Publikum, rein Akustische Rückmeldung, "Rückmeldung" aus dem Publikum, Situation des Vorspielens, persönliche Befindlichkeit, Uhrzeit, geographische Lage......]

Aus a) und b) ergibt sich ein individuelles Ergebnis, das ein Mensch in einem Raum auf einem Flügel zu einer Zeit ein einziges Mal erzeugt.


Destilliere ich nun aus diesen Faktoren das reine Ergebnis heraus (die Anschlagsgeschwindigkeit) und setze dieses Ergebnis hinter eine Gleichung mit gänzlich anderen Faktoren, stimmt die Gleichung nicht mehr. Es versteht sich von selbst, dass man in einem 50qm Wohnzimmer mit schweren Samtvorhängen auf einem uneingespielten Steinway B völlig anders spielt, als in einem Konzertsaal mit 2000 Sitzen auf einem 15 Jahre alten Steinway D.
Genau diese Faktoren ignoriert der Spirio, weil es gar nicht anders möglich ist. Dazu kommt natürlich noch, dass man die genaue Anschlagsgeschwindigkeit (sowie Pedalgebrauch etc.) gar nicht im Detail kennt und "erraten" muss. Eine Behauptung wie "Rubinstein spielt in Ihrem Wohnzimmer" wäre also mit äußerster Vorsicht zu genießen.
Einspielungen, die extra auf dem Spirio von Steinway-Artists getätigt werden, funktionieren natürlich etwas besser als nachträglich aufgespielte. Dennoch funktioniert das System nicht zu 100%.
Für Hintergrundmusik und Showeinlagen spielt das aber natürlich nur eine untergeordnete Rolle.
 
Doch, das geht mit den Piano-Rollen vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts.
Es gibt im Netz eine vielzahl solcher Midi-Files zum Herunterladen.
Ah, ok, das geht natürlich, aber die Piano-Rollen enthalten, soweit ich weiß, nicht genügend Informationen um das Klavierspiel von damals korrekt zu reproduzieren. So gibt es glaube ich bei vielen Piano-Rollen nicht einmal Aufzeichnungen der Dynamik, und die Präzision der Zeitdauern ist sicherlich auch nicht überragend. Insofern würde es mich sehr wundern, wenn das Material aus den Pianorollen sich wirklich gut anhören würde. Es ist wohl eher aus historischen Gründen interessant.
 
@Stilblüte
Das hast Du sehr treffend analysiert. Genauso war mein Eindruck bei der Präsentation.
Wie Steinway damit wirbt, zeigt letzten Endes noch deutlicher, was die Zielgruppe ist.

Man kann doch nicht aus einer analogen Aufnahme zurück zum digitalen "MIDI-File"
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es da Möglichkeiten gäbe, eine Aufnahme mit aufwendigen Programmen so zu analysiere, dass man letzten Endes ein Midifile erstellen kann. Wie nah das Ergebnis dann am Original wäre, ist eine andere Frage.
 

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