Neben der Suche nach allgemeinen Kritiken habe ich diesmal jedoch ein besonderes Anliegen: Sind die offenen Quintparallelen zwischen Bass und Tenor beim "Propter quod et Deus" erlaubt? Und wenn nicht, sind sie irgendwie vermeidbar? Und wenn wir schon mal dabei sind: Findet Ihr andere nicht regelkonforme Stellen, die ihr ändern würdet? =D
Nach der eher frühklassisch angelegten Sinfonie liegt hier eine zur vorösterlichen Zeit passende Motette vor, die stilistisch (oder sollte ich stilisztisch sagen?) zum Namensgeber passt. Die Schreibweise ist im spätromantischen Idiom der Liszt'schen Chormusik anzusiedeln - es lohnt sich also, bei etwaigem Unbehagen in chorklanglichen Fragen mal einen Blick auf entsprechende Partituren von Liszt oder Brahms zu werfen und zu erforschen, ob dort ähnliche Stimmführungsprobleme (Parallelen, dissonante Reibungen) auftreten und wie die vom Komponisten vorgesehene Abhilfe aussieht. Und wenn wir schon Verdi-Jahr haben: Die späten Quattro Pezzi Sacri bieten auch plausible Antworten.
Im Vorgriff folgende Überlegung: Vor- und nachklassische Komponisten vermeiden offene Quintparallelen nicht etwa, weil ein Regelwerk sie dazu auffordert, sondern aus klanglichen Gründen. In den frühen Entwicklungsstadien der Musikgeschichte zur "echten" Mehrstimmigkeit hin dominiert das Parallelorganum als Satzmodell (Ars Antiqua, Ars Nova). Eine Unabhängigkeit der Stimmen unter Vermeidung von parallelgeführten perfekten Konsonanzen (Prime, Quinte, Oktave) war kennzeichnend für spätere Zeiten, in denen ein gänzlich anderer Zusammenklang mehrerer Stimmen beabsichtigt war. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert sollte sich das wiederum ändern - oft unter Berufung auf historische Stile (Distler, Fortner, Pepping...) oder in Gegenrichtung hin zur "Emanzipation der Dissonanz" (Schönberg).
Das von Dir erwähnte Unbehagen angesichts der Parallelführungen beruht darauf, dass sich alle Stimmen zur gleichen Zeit aufwärts bewegen - bei Chorwerken nach 1900 findest Du das öfter, vorher eher nicht. Es ist also eine Überlegung wert, etwa eine von den vier Stimmen liegen zu lassen oder in Gegenbewegung zu führen. Da Du mit Deinem im ganzen sehr ansprechenden Satz Klangsinn beweist, möchte ich Dir nicht eine subjektive Liste mit Änderungsvorschlägen vorhalten, sondern Dich selbst auf die (keineswegs zahlreichen) Optimierungsmöglichkeiten kommen lassen. Manchmal springst Du schon mal mit der Stimme in dissonante Reibungen hinein oder schreibst einen Tritonusschritt vor - das könnte beim Einstudieren mit einer aufgeschlossenen Kantorei schon mal Intonationsprobleme verursachen. Aber trotzdem bedauere ich, kein hauptamtlicher Kirchenmusiker zu sein, der das Stück mit seinem eigenen Chor einstudieren könnte. Meine Chöre agieren überwiegend in weltlichen Gefilden und treten nur sporadisch in der Kirche auf. Also: Kompliment für das Stück und weiterhin frohes Schaffen
wünscht Rheinkultur