Ein Buch mit sieben Siegeln

H

Hacon

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28. Juli 2007
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Werte Freunde der Klaviermusik,
hiermit möchte ich versuchen, ein grundlegendes Thema, welches im Forum schon oft diskuttiert wurde, mal im Ganzen zu betrachten.

Es handelt sich hierbei um die Technik ( sorry für diese dezente Ausdrucksweise:floet:). Ich bin mir einfach noch etwas im Unklaren, wie man diese erlangt.

Ich will mal mit folgender Frage beginnen: Woran liegt es, dass man an einer manuel schwierigen Stelle verkrampft und wie wird man diese Verkrampfung wieder los?

Nun habe ich dazu zwei verschiedene Ideen im Kopf.
Einmal das, was ich bisher vor allem in Posts von klavigen, thepianist73 und rolf gelesen habe: Verkrampfungen entstehen dadurch, dass man nicht die richtigen Bewegungen ( Bewegungsimpulse) ausführt. Dabei sprachen rolf und klavigen demletzt von Ausgleichsbewegungen.
thepianist73 hat mal eine Definition abgeliefert, die etwa wie folgt lautete:
Technik sei nichts anderes, als das Resultat jahrelangen Studiums der Bewegungen des gesamten Oberkörpers.

Daraus schließe ich, dass, wenn ich bei einer Stelle immer verkrampfe, so lange verschiedene Bewegungen ( mit Armen und ganzem Körper) ausprobieren muss, bis ich die richte gefunden habe.

Dann gibts aber auf der anderen Seite Haydnspaß und Mindenblues, die vor allem Wert darauf legen, einfach " lockerzulassen". Das sieht mir dann aber nach einem rein mentalen Problem aus, und irgendwie ist es mir persönlich noch nicht ein einziges Mal gelungen, bei einer Stelle, an der ich verkrampfe, zu denken " lockerlassen" und ich lasse tatsächlich locker - nein, das scheint mir nicht die Lösung zu sein.

Ein weiterer Ansatz, den man immer wieder hört, ist, eine Stelle ganz oft langsam im lockeren Zustand zu üben, denn dann würde man sie auch im schnellen Tempo hinbekommen. Aber was ist, wenn man im schnellen Tempo nun andere Bewegungen ausführen muss?

Zu guterletzt noch eine Frage speziell an Klavigen ( der das hier hoffentlich ließt;)): Was genau meinst du immer mit Ausgleichbewegungen? Meinst du damit allgemein alle Bewegungen, die schließendlich die Technik ausmachen, oder sind diese Ausgleichbewegungen nur ein spezieller kleiner Teil der Technik?

So, jetzt ist das Ganze leider doch etwas unübersichtlich geworden, was ich eigentlich nicht wollte, aber daran sieht an ja schon, dass dieses Thema in meinem Kopf momentan aus ner Art Mindmap besteht:rolleyes:

Herzliche Grüße,
Hacon
 
Dann gibts aber auf der anderen Seite Haydnspaß und Mindenblues, die vor allem Wert darauf legen, einfach " lockerzulassen".


Also daß ich mich mal zusammen mit MIndenblues in einem Topf wiederfinden würde, hätte ich auch niemals für möglich gehalten... ^_^

Von meiner Seite aus ist das Lockerlassen extrem wichtig, und da gehe ich glaube ich sowohl mit Mindenblues als auch mit klavigen, pianist73, rolf etc. in dieselbe Richtung.

Man darf aber die Schwierigkeit, Lockerzulassen und Lockerzubleiben auf keinen Fall unterschätzen. Besonders wenn man sich eine Krampfhaltung (der Finger, der Hand, des Arms etc.) über längere Zeit angewöhnt hat, ist es extrem schwer , davon wieder wegzukommen.

Ansonsten kann ich mich nur immer wiederholen: langsamspielen hilft!

Natürlich ist es auch wichtig, die richtige Bewegung zu finden. Diese kann man aber erst finden, wenn man locker ist. Und dann ist diese "optimale Bewegung" für jede einzelne Stelle unterschiedlich. Also nix mit Oktavtremolo spielt man so und Terzentriller so... Es hängt immer auch vom Tempo, der Lautstärke, dem Charakter, von der Stellung im musikalischen Zusammenhang, von der Taktart etc. etc. ab.
 
Lieber Hacon!

Ich kann einen kleinen Beitrag aus dem Bereich der "Motorikforschung" leisten, der sich insbesondere auf das Zustandekommen solcher Verkrampfungen bezieht.

An Menschen, deren Fähigkeit zur "normalen" Muskelkoordination verlorengegangen ist (z.B. durch einen Schlaganfall mit anschließenden Lähmungserscheinungen) kann man regelmäßig beobachten, dass sie im Falle erhöhter körperlicher oder geistiger Anstrengung zunehmend eine Tonuserhöhung v.a. der gelähmten Extremitäten zeigen. Das nennt man auch Spastizität bzw. assoziierte Reaktion. Bei gesunden Menschen sieht man solche Bewegungsformen auch, beispielsweise das Beissen auf die Zunge beim Einfädeln eines Fadens oder das Zusammenkneifen der Augen dabei. Beliebtes Beispiel auch das Einparken. In solchen Fällen spricht man jedoch nicht von assoziierten Reaktionen (=unkontrollierbar), sondern von assoziierten Bewegungen (= können im "Notfall" gelassen werden)
Zurück zu den Schlaganfällen: wenn man nun die erforderte Anstrengung dadurch minimiert, indem man beispeilsweise in der Therapie den Übungsaufbau so wählt, dass man immer nur kurz vor der Grenze des Machbaren bleibt, so dass zwar etwas Neues gelernt wird, jedoch ohne zu überfordern, zeigen sich diese assoziierten Reaktionen nicht.
Übertragen auf uns Klavierspieler könnte man daraus den (vielleicht zu naheliegenden) Schluss ziehen, dass technisch schwierige Stellen durch "Ent-schwierigung" vorbereitet werden müssen. Das heißt also nicht nur laaaaangsaaaaaam üben und gut zureden, sondern wirklich die betreffende Stelle analysieren, was motorisch oder künstlerisch das Schwierige ausmacht und dann sozusagen didaktisch neu aufbereiten in steigender Schwierigkeit, bis man eben das Original erreicht. Einfach ist so ein Unterfangen bestimmt nicht und da ist schon ein richtig guter, kreativer KL vonnöten. Ja und man selber braucht halt eine Menge Geduld, denn wer mag sich schon wochenlang mit der Geburtstags-Version eines Stückes bzw. einer bestimmten Stelle befassen. Andererseits ist so glaube ich am ehesten gewährleistet, dass sich gar nicht erst eine Scheu vor entsprechenden Takten einstellt. Das ist nämlich auch so was mit der berühmten self-fullfilling prophecy....
Das waren meine Gedanken zu deinem schönen Thema.

Lieben Gruß, Sesam
 
Hi,

absolutes Superthema.

(Ich sag trotzdem mal was dazu, obwohl andere Leute angesprochen sind ;-) )

Es ist eigentlich ganz einfach:
Wer etwas verkrampft lernt/übt, lernt es verkrampft zu spielen.

Wer etwas unverkrampft lernt/übt, lernt es eben unverkrampft, locker, etc. zu spielen.

Das Problem ist aber, die Verkrampfung oder die unnötigen (Ausgleichs-) Bewegungen rechtzeitig zu erkennen. Dazu habe ich eine konkrete Hilfe:
Man kann, wenn man nur mit einer Hand übt, mit der anderen Hand die nicht betroffenen Finger (Handgelenk, Unter/Oberarm, Schulter, etc.) auf ihre Lockerheit prüfen. Sie müssen sich ganz leicht bewegen lassen und dürfen keinen Wiederstand zeigen.

Eine wichtige Übung in der Art ist auch die Feuchtwanger "Quick Release"- oder die "schlafende Finger"-Übung von Steinbach.

Gruß

Referenz:
Falko Steinbach, Klaviertechnisches Kompendium.
Peter Feuchtwanger, Klavierübungen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Grenzen und Geduld

Ich bin auch der Meinung, dass man etwas, was man langsam gut und flüssig spielen kann, prinzipiell auch schnell spielen kann. Deshalb bin ich wie Haydnspaß ein Verfechter des Langsam-Übens. Ich kenne das sehr gut, dass ich mich verkrampfe und immer im selben Takt rausfliege, wenn ich ein Stück schneller spiele als ich es eigentlich kann. Dieses Immer-wieder-rausfliegen wird dann leider auch gelernt und führt dazu, dass man nur noch schwer n i c h t rausfliegen kann. Abhilfe schafft das Langsam-üben, immer wieder, bis man die schwierige Stelle in langsamem Tempo flüssig spielen kann. Dann kann man dazu übergehen, die Stelle ein bißchen schneller zu spielen. Aber immer so, dass man die Lockerheit des langsamen Spielens beibehalten kann. Das Metronom ist dabei eine gute Hilfe, weil man das Tempo in bestimmten Stufen erhöhen kann.
Verkrampfungen entstehen immer dann, wenn man nicht auf die Grenze achtet, die einem der eigene Körper vorgibt, also z.B. flüssiges, schnelles Spiel von sich fordert, obwohl man von der Übung her noch nicht so weit ist. Geduld ist eine Tugend... So sehe ich das zumindest.

Womit ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe, ist, das Langsam-Üben zu einer Art Meditation zu machen. Das heißt, ich übe langsam und schaue meinen Fingern dabei mit voller Aufmerksamkeit zu. Dabei mache ich die Bewegungen ganz bewusst und bin voll bei der Sache. Dieser genau ausgeführte Bewegungsablauf wird vom Gehirn gelernt und mit zunehmender Übung verinnerlicht, so dass er irgendwann auch im Ganzen und in schnellem Tempo abgerufen werden kann. Wenn ich in der Tempo-Steigerung immer schön knapp unterhalb meiner Grenze bleibe, entstehen auch keine Verkrapfungen oder Angst vor der 'bösen' Stelle.
 
Hi Fips7,
Womit ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe, ist, das Langsam-Üben zu einer Art Meditation zu machen. Das heißt, ich übe langsam und schaue meinen Fingern dabei mit voller Aufmerksamkeit zu. Dabei mache ich die Bewegungen ganz bewusst und bin voll bei der Sache.

kleine Anmerkung zu deiner Kontrolle mit den Augen:

Die unbewusste Bewegungs-Steuerung (darum geht es beim Klavierspielen) benötigt möglichst intensive sensorische Inputs (Ohren, Tastsinn, Augen) zur Kontrolle und Rückmeldung der Bewegung. Beim KL muss man unbedingt die sensorischen Inputs von Ohren (Klang) und Tastsinn stärken (benützen) und nicht von den Augen.

Gruß

PS: Also eher mit geschlossenen Augen üben.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Bachopin,
kleines Missverständnis (ich habs wohl zu ungenau beschrieben). Ich beschränke mich nicht nur auf die Augen und konzentriere mich auch nicht aufs Sehen. Die Augen helfen mir lediglich, ganz bei der Sache zu bleiben. Ich stimme dir zu, dass die möglichst intensive sensorische Wahrnehmung von Ohren, Tastsinn und Augen wichtig ist, also die Verbindung dieser Sinnesmodalitäten. Darum geht es bei dem, was ich Meditation genannt habe. Die Betonung liegt hier auf 'möglichst intensiv' und das heißt für mich: mit ganzer Aufmerksamkeit. Ich mache damit viel bessere Erfahrungen, als wenn ich das einfach so runterübe.

Vielleicht drückt es das hier noch besser aus: Ich schaue mir ein neues Stück zunächst nach dem Motto 'Diese Note, dieser Finger, dieser Ton' an und mache die notwendigen Bezeichnungen. Aber danach versuche ich beim Üben meine Distanz aufzugeben und mich ganz auf das Stück einzulassen. Und das geht am besten beim langsamen Üben mit voller Konzentration.
 
Wir bekannt, bin ich ja auch ein "Frischling". Ich hatte am Montag erst die 3te Unterrichtsstunde.
Bereits in der ersten Stunde (an meinem Schimmel, Lehrer ist begeistert vom Klang!)) hat er meine Sitzhaltung und -höhe korrigiert. Also wurde z.B. die Klavierbank höher gestellt. Außerdem meine Schulterhaltung korigiert..."locker halten"!
In der zweiten Stunde (am Bechsteinflügel) die Armhaltung "mit dem Gefühl, daß das Armgewicht von der Fingerkuppe getragen wird" , "jeden Finger einzeln in die Taste fallen lassen, langsam den Arm mit der Fingerkuppe hochziehen" mit der Aufforderung insgesamt "langsam" (!) zu spielen.
Die dritte Stunde (wiederum an meinem Schimmel) u.a. noch einmal die Demonstration - seinerseits - mit den Fingerkuppen, Armen und Schultern. Außerdem der Hinweis, das die Fingernägel nicht über die Fingerkuppe hinausragen sollten, also kurz, kurz, kurz!:D

Ich finde es sehr gut, dass er das alles demonstriert und auch begründet, warum es so und nicht anders sein soll (Technik).
Die Art und Weise wie er mir das "beibiegt" gefällt mir, alles im ruhigen Ton und herrlich unkonventionell. So soll ich u.a. mitsingen und ruhig nach Gehör üben. Ich befolge seine "Anweisungen/Hausaufgaben" - die er übrigens in ein kleines Notenheft einträgt - sehr gerne. Mir macht es Freude zu üben.
 
Vielen Dank für eure Antworten!
Also daß ich mich mal zusammen mit MIndenblues in einem Topf wiederfinden würde, hätte ich auch niemals für möglich gehalten... ^_^
Hallo Haydnspaß, an der Stelle musste ich ganz schön lachen - weiß gar nicht, was ihr immer miteinander habt;)

Natürlich ist es auch wichtig, die richtige Bewegung zu finden. Diese kann man aber erst finden, wenn man locker ist. Und dann ist diese "optimale Bewegung" für jede einzelne Stelle unterschiedlich. Also nix mit Oktavtremolo spielt man so und Terzentriller so... Es hängt immer auch vom Tempo, der Lautstärke, dem Charakter, von der Stellung im musikalischen Zusammenhang, von der Taktart etc. etc. ab.
Ich finde, an dieser Stelle ergibt sich doch ein ganz deutliches Problem: Du sagst, die Bewegungen sehen in hohem Tempo anders aus als im langsamen Tempo. Das würde aber heißen, dass man, sobald man eine Stelle, die man im langsamen Tempo kann, im schnellen Tempo zu spielen versucht,sofort verkrampft, denn im schnellen Tempo benötigt man ja andere Bewegungen. Aber wie soll man die Bewegungen nun herausfinden, wenn man sofort verkrampft;)?

Übertragen auf uns Klavierspieler könnte man daraus den (vielleicht zu naheliegenden) Schluss ziehen, dass technisch schwierige Stellen durch "Ent-schwierigung" vorbereitet werden müssen. Das heißt also nicht nur laaaaangsaaaaaam üben und gut zureden, sondern wirklich die betreffende Stelle analysieren, was motorisch oder künstlerisch das Schwierige ausmacht und dann sozusagen didaktisch neu aufbereiten in steigender Schwierigkeit, bis man eben das Original erreicht. Einfach ist so ein Unterfangen bestimmt nicht und da ist schon ein richtig guter, kreativer KL vonnöten. Ja und man selber braucht halt eine Menge Geduld, denn wer mag sich schon wochenlang mit der Geburtstags-Version eines Stückes bzw. einer bestimmten Stelle befassen. Andererseits ist so glaube ich am ehesten gewährleistet, dass sich gar nicht erst eine Scheu vor entsprechenden Takten einstellt. Das ist nämlich auch so was mit der berühmten self-fullfilling prophecy....
Danke für diesen Beitrag, Sesam. Blöd ist nur, dass das ja wirklich einen irren Aufwand bedeutet, und ein Lehrer will sich nicht nur mit Technik befassen;)
Und solche Vereinfachungen selbst zu schaffen ist eigentlich kaum möglich, da man ja erst mal das Prinzip der Schwierigkeit erkennen muss.
 
Wir bekannt, bin ich ja auch ein "Frischling". Ich hatte am Montag erst die 3te Unterrichtsstunde.
Bereits in der ersten Stunde (an meinem Schimmel, Lehrer ist begeistert vom Klang!)) hat er meine Sitzhaltung und -höhe korrigiert. Also wurde z.B. die Klavierbank höher gestellt. Außerdem meine Schulterhaltung korigiert..."locker halten"!
In der zweiten Stunde (am Bechsteinflügel) die Armhaltung "mit dem Gefühl, daß das Armgewicht von der Fingerkuppe getragen wird" , "jeden Finger einzeln in die Taste fallen lassen, langsam den Arm mit der Fingerkuppe hochziehen" mit der Aufforderung insgesamt "langsam" (!) zu spielen.
Die dritte Stunde (wiederum an meinem Schimmel) u.a. noch einmal die Demonstration - seinerseits - mit den Fingerkuppen, Armen und Schultern. Außerdem der Hinweis, das die Fingernägel nicht über die Fingerkuppe hinausragen sollten, also kurz, kurz, kurz!:D

Ich finde es sehr gut, dass er das alles demonstriert und auch begründet, warum es so und nicht anders sein soll (Technik).
Die Art und Weise wie er mir das "beibiegt" gefällt mir, alles im ruhigen Ton und herrlich unkonventionell. So soll ich u.a. mitsingen und ruhig nach Gehör üben. Ich befolge seine "Anweisungen/Hausaufgaben" - die er übrigens in ein kleines Notenheft einträgt - sehr gerne. Mir macht es Freude zu üben.

Ich finde, auf genau das sollte irgendwie viel mehr geachtet werden. Aber genau das ist der Teil des Klavierspiels, der im Unterricht irgendwie zu kurz kommt ( wohl eben, weil ein Lehrer sich nicht mit Körperhaltung sondern Musik beschäftigen will)

Das Problem ist aber, die Verkrampfung oder die unnötigen (Ausgleichs-) Bewegungen rechtzeitig zu erkennen
Wieder was, was mich komplett verwirrt. Klavigen spricht immer wieder davon, dass man diese Ausgleichungsbewegungen erlernen muss, da sie notwendig sind, damit man nicht verkrampft. Ich habe momentan eher die Vorstellung, dass man sich eher mehr bewegen. Was denn nun?

Liebe Grüße,
Hacon
 

Ich finde, an dieser Stelle ergibt sich doch ein ganz deutliches Problem: Du sagst, die Bewegungen sehen in hohem Tempo anders aus als im langsamen Tempo. Das würde aber heißen, dass man, sobald man eine Stelle, die man im langsamen Tempo kann, im schnellen Tempo zu spielen versucht,sofort verkrampft, denn im schnellen Tempo benötigt man ja andere Bewegungen. Aber wie soll man die Bewegungen nun herausfinden, wenn man sofort verkrampft;)?

Das ist tatsächlich ein großes Problem.
Um zu entscheiden, welche Art von Bewegung man an einer speziellen Stelle verwendet, welchen Fingersatz, welche Agogik, müßte man eigentlich das Stück schon spielen können.
Um zu wissen, wohin man fahren muß, müßte man eigentlich schonmal dortgewesen sein.

Ein grundsätzliches Lebensproblem :rolleyes:


Man behilft sich da beim Reisen mit Landkarten, die Leute angefertigt haben, die schonmal dort waren.

Soll heißen, die Leute, die ein Stück spielen können, wissen normalerweise auch, wie sie's machen und sie können es denen, die es erst lernen, zeigen und erklären. Solche Leute nennt man Klavierlehrer :D

Leute, die nur behaupten, sie wüßten wie's geht, ohne es selbst vormachen zu können, nennt man Hochstapler ^_^
 
Hi Hacon,
Wieder was, was mich komplett verwirrt. Klavigen spricht immer wieder davon, dass man diese Ausgleichungsbewegungen erlernen muss, da sie notwendig sind, damit man nicht verkrampft. Ich habe momentan eher die Vorstellung, dass man sich eher mehr bewegen. Was denn nun?

ich kenne den orginal Beitrag von Klavigen nicht, aber ich denke er meint damit die Aktio/Reaktio-Bewegungen.
Diese Bewegungen sind bei (wahrscheinlich) jeder Körperbewegung notwendig, damit das Gesamtsystem (Körper) im Gleichgewicht bleibt.
Typisches Beispiel:
Wenn du dich im Stehen mit geradem Oberkörper nach rechts neigst (ohne Verdrehung), dann muss sich die Hüfte zum Ausgleich nach links bewegen.

Diese Bewegungen sind nicht mit den unnötigen Bewegungen zu verwechseln, die bei einer Klavierbewegung auftreten können und die nicht zum Ausgleich notwendig sind.
Beispiel:
Ein Finger drückt eine Taste und ein nicht aktiver Finger (typisch kleiner Finger) macht auch eine Bewegung oder verspannt sich.

Das korrekte Klavierspielen besteht aus Bewegungs-Kombinationen, die notwendig sind, um entsprechende Tasten in einer korrekten Reihenfolge und Stärke (Artikulation) zu drücken, damit der gewünschte Klang entsteht.

Um diese Bewegungs-Kombinationen zu lernen wird hauptsächlich die Methode der mehrfachen bewussten Wiederholung der Bewegungen benützt, bis die Bewegungs-Kombinationen von der unbewussten Bewegungssteuerung gelernt/aufgenommen worden ist.
Wenn jetzt bei diesem Lernvorgang (Wiederholungen) unnötige oder schädliche Bewegungen zusätzlich ausgeführt werden, dann werden diese mit gelernt/gespeichert. Deswegen muss von Anfang an darauf geachtet werden nur die korrekten Bewegungen auszuführen.

Beispiel aus meiner Praxis:
Bei einer schnellen schwierigen Passage, habe ich, ohne es zu merken, jedesmal die Bauchmuskeln mit angespannt. Dieses Anspannen wurde dann mitgelernt und jedesmal dann beim Spielen der Passage mit ausgeführt.
Ich musste dann mühsam dieses unnötige Anspannen wieder entlernen (aus der unbewussten Bewegungssteuerung entfernen).

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Soll heißen, die Leute, die ein Stück spielen können, wissen normalerweise auch, wie sie's machen und sie können es denen, die es erst lernen, zeigen und erklären. Solche Leute nennt man Klavierlehrer :D

Wir sind uns doch darüber einig, dass es sich um Bewegungen minimaler Art und von absoluter Feinheit handelt. Bei Bewegungen wie zum Beispiel die der linken Hand im d-moll Prélude ( No.24) von Chopin kann ich mir das ja noch vorstellen. Das ist ja im Prinzip immer ein und dieselbe Bewegung. Somit hat man eine Grundbewegung, die ein Lehrer einem vielleicht beibringen kann.
Aber in fast allen Stücken muss man doch unterschiedlichste Bewegungen ausführen, und die müssen im allerfeinsten stimmen. Wie soll einem das ein Lehrer beibringen?
 
@ Bachopin: Danke für deine Erläuterung. Jetzt weiß ich, was du mit den Ausgleichsbewegungen gemeint hast. War halt verwirrend, da du und Klavigen beide das Gegenteil gemeint habt;).
 
Wir sind uns doch darüber einig, dass es sich um Bewegungen minimaler Art und von absoluter Feinheit handelt. Bei Bewegungen wie zum Beispiel die der linken Hand im d-moll Prélude ( No.24) von Chopin kann ich mir das ja noch vorstellen. Das ist ja im Prinzip immer ein und dieselbe Bewegung. Somit hat man eine Grundbewegung, die ein Lehrer einem vielleicht beibringen kann.
Aber in fast allen Stücken muss man doch unterschiedlichste Bewegungen ausführen, und die müssen im allerfeinsten stimmen. Wie soll einem das ein Lehrer beibringen?

Ich muss meinerseits leider zugeben, dass je mehr ich Klavier spiele, desto mehr werde ich davon überzeugt, dass man das Klavierspielen eigentlich leider gar nicht beibringen kann. Also irgendwie scheint es mir so zu sein. Man lernt es selbst und der Lehrer kann irgendwie höchstens nur den Klang, Rhytmus oder Ähnliches kontrollieren. Genau deinen Punkt meine ich: da gibt es an jeder Stelle bei einem halbwegs anspruchsvollen Stück eine Million kleine Details, die man gar nicht einem anderen vermitteln kann. Keine Ahnung wie das gehen soll.
Ich glaube jeder Klavierspieler kommt nicht daran vorbei alles wirklich immer für sich neu zu entdecken und versuchen alles sich selbst zu erklären und auf seine eigene Weise zu verstehen. Überhaupt scheint das Klavierspielen ein sehr komplexer Prozess der Selbsterkennung zu sein.
Mir haben Ratschläge, wie einfach "locker lassen" leider noch nie geholfen. Was etwas hilft ist mit dem Klavier zu meditieren. Das heißt es gibt dich und es gibt Klavier und du versuchst halt einfach an jeder Stelle selbstkritisch zu verstehen was du da erreichen möchtest und wenn es nicht geht, dann probierst du es so und so oder halt auch eben anders, vielleicht klingt es irgendwann mal richtig. Mir scheint es aber auch offensichtlich zu sein, dass es auch mal bei einem oder anderen "nie richtig klingen wird", sonst wären ja alle Konzertpianisten oder? Ich meine schon alleine weil alle Hände verschieden sind, schon alleine deswegen sind doch die ganzen winzigen Details bei der Bewegung total anders, oder? Vielleicht sollte man sich einfach nach dem Klang orientieren und dabei aufpassen, dass man es noch ausführen kann, während es so klingt, wie man will und welche technik man dabei verwendet - ich weiss nicht ob es dafür wirklich auch nur annährend ein Rezept gibt :)
 
Aber in fast allen Stücken muss man doch unterschiedlichste Bewegungen ausführen, und die müssen im allerfeinsten stimmen. Wie soll einem das ein Lehrer beibringen?

Also unser Ausgangspunkt war ja, wie man Verkrampfungen vermeiden kann. Wenn du eine Bewegungsform gefunden hast, bei der du locker bleiben kannst, ist es ja egal, welche Bewegungsform das nun im jeweiligen Fall ist.
Es geht also nur um die Problemfälle. Und die Ursache dieser Problemfälle muß ja irgendwie behoben werden. Natürlich soll der Schüler erstmal selber eine bequeme Bewegungsform finden. Falls ihm das aber nicht gelingt, ist der Lehrer gefordert. Dazu ist er schließlich da. Und meist sind es tatsächlich nur kleine Änderungen, manchmal auch ein anderer Fingersatz, und schon funktioniert es. Wenn der Schüler sich total ungeschickt anstellt, ist es oft auch eine gute Idee, erstmal ein anderes Stück zu lernen, um sich nicht sinnlos an einem bestimmten, scheinbar unlösbaren, Pröblem festzubeißen. Mit Gewalt wird man bei der Beseitung von Verkrampfungen keinen Erfolg haben.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn der Schüler sich total ungeschickt anstellt, ist es oft auch eine gute Idee, erstmal ein anderes Stück zu lernen, um sich nicht sinnlos an einem bestimmten, scheinbar unlösbaren, Problem festzubeißen. Mit Gewalt wird man bei der Beseitung von Verkrampfungen keinen Erfolg haben.
Das deutet wieder auf das Problem der eigenen Grenzen hin. Man muss auch mental locker lassen können, um körperlich entspannt zu sein. Das heißt, man darf von sich nicht etwas fordern, was über die (derzeitigen) eigenen Fähigkeiten geht. Ich hab hier im Forum einen Beitrag von jemandem gelesen, der sich, schon kurz nachdem er mit Klavierspielen angefangen hatte, das Fantaisie-Impromptu von Chopin vorgenommen hat. In so einem Fall ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sich verkrampft.
 
Leute, die nur behaupten, sie wüßten wie's geht, ohne es selbst vormachen zu können, nennt man Hochstapler ^_^
Einspruch Euer Ehren - in anderen Disziplinen heißen die Trainer ;) - und wenn beide Seiten die Souveränität haben, das anzuerkennen, was der andere besser kann oder weiß, wird´s auch was - z.B. die Erkenntnis, dass man definitiv nicht locker sein kann, sobald man seine eigenen Grenzen überschritten hat - da hilft nix, außer ein, zwei Schritte zurück in eine einfachere Variante und parallel dazu an den Sachen zu feilen, die einem Grenzen setzen - und da sind diese aus Sicht des Lernenden natürlich immer hochstapelnden Besserwisser einfach unersetzlich, auch wenn sie keine Besserkönner sein müssen.
 
hallo,
leider habe ich erst gerade eben dieses interessante Thema hier gefunden, und leider - pardon voraus - drängt es mich, auch hier meinen Senf dazu zu geben :)

was ist denn wirklich das große Problem am schnellen spielen? es ist dreierlei: erstens eine Art ängstlicher Befangen (also was mentales)
zweitens der von mir oft erwähnte "Kontrollzwang"
drittens grundlegend falsches, d.h. unergonomisches üben

...klingt jetzt nach einem "Allheilrezept", ist aber keines - ich erkläre es der Reihe nach:
zu 1: mit einer "das pack ich eh nie" Haltung (self fullfilling prophezy) kann es sowieso nicht gelingen, man erwartet das scheitern und es wird eintreffen...
zu 2: wer nicht akzeptiert, dass das eigene Denkgehäuse schlichtweg zu träge ist, um schnellen Tönen bzw. Bewegungsgruppen en detail folgen zu können, der "denkt" immer hinter der Musik her, der kommt quasi immer zu spät - das summiert sich und führt zu verkrampften Reaktionen (Wut, Zorn, Druck, erzwungenes spielen etc etc)
zu 3: (sicher der interessanteste Aspekt) nehmen wir einen staccatissimo gespielten Ton, danach noch einen: also zweimal die maximal schnellste Bewegung/Ausführung von je einem Ton/Anschlag - - wie entsteht nun die Geschwindigkeit bei der Aufeinanderfolge von ZWEI Tönen? GANZ EINFACH: durch das verkürzen bzw. minimieren der Zeit zwischen diesen beiden.

staccatissimo ist banal - so kurz wie möglich! das kann prinzipiell jeder!

ABER das träge Denkgehäuse muss überlistet werden: Konzentration bedeutet hier, alles hinderliche und hemmende ausblenden

JETZT erklärt sich das grundlegend optimale "trainieren" oder "üben" ganz von allein: wenn ich einen Griff berühre, dann muss mein Ziel sein, BEVOR ich den ersten (schon berührten) Griff anschlage AUTOMATISCH und UNAUSWEICHLICH in den Folgegriff hinein zu fallen.

bevor es Schelte hagelt: das gilt ebenso im legato (da "fällt" automatisch der Folgefinger auf seine Taste, während der erste Ton gepielt wird)

---diese Trainingsweise vermeidet Fehler und automatisiert schnellstmögliche Bewegungen; zwar erst mal nur von Ton zu Ton bzw. von Griff zu Griff, aber wenn man sich mal daran gewöhnt hat, dann werden die Einheiten schon größer werden.

ideale Stücke für diese Übungsweise sind z.B. Mussorgskis Kükenballett, die Sprungsequenz aus dem Mephistowalzer, suggestion diabolique

Ich habe das grundlegende Übungsweise genannt: man kann hier für den Begriff "Einzelton" natürlich auch "Bewegungsgruppe" (z.B. 4 Sechzehntel oder sonstwas) einsetzen und auf dieselbe Art und Weise vorgehen.

------es geht um das internalisieren von Bewegungen, welche dann ohne Kontrolle des Denkens en detail ablaufen.

ich hoffe, das hilft ein wenig

ansonsten würde ich raten, anders als bisher (wo Verkrampfungen auftraten) eben ein anderes Stück zu üben - - - der Teufel steckt ja darin, dass man schlechte Angewohnheiten kaum los wird: unsere Nerven haben ein bösartig exaktes "Gedächtnis": wer das nicht glaubt, sollte mal bei Heisshunger Messer und Gabel anders als gewohnt halten...

richtig geübt gibt es keine motorischen Unterschiede, ob man eine heikle Passage nun schnell oder langsam spielt! macht man da doch Unterschiede, dann übt man falsch. Es ist die zeit zwischen den Tönen, die nicht mit nutzlosen Bewegungen ausgefüllt sein soll !!!!

Gruß, Rolf
 

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