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Oft belächelt, schlimmer noch: veräppelt - der Gutmensch. Dabei sollten wir einmal genauer hinschauen und lernen, ihn in seinen Bedürfnissen und Abhängigkeiten zu verstehen - bevor man schließlich in seiner Manier ein vorschnelles Urteil fällt.
Den Gutmenschen bekümmert das Leid, wie es sich um ihm herum bemerkbar macht: als Filmausschnitt beim häuslichen Konsum der Fernsehnachrichten, während er das üppige Abendbrot in sich reinschiebt. Der Kontrast zwischen seinem angenehmen Leben und den Kriegs- und Elendsbildern auf dem Flachbildschirm ist zu gewaltig. Er verdirbt ihm fast schon den Appetit und erzeugt ein potentiell schlechtes Gewissen. Zur Wiederherstellung ungetrübter Essensfreude und zur Beseitigung des schlechten Gewissens muß dieser Kontrast verringert werden - ein guter Grund, die Weltverbesserung in Angriff zu nehmen.
Weltverbesserung ist schön, aber mit dem ersten Schritt in der Praxis aufreibend und häßlich: Man begegnet lauter unauflöslichen Widersprüchen, in sich und bei den Mitstreitern, und man erkennt die nicht zu harmonisierenden Interessen-Gegensätze zwischen Konfliktparteien. Es kann nicht jedermanns Aufgabe sein, dabei seine Kräfte zu verschleißen. Es muß auch Träumer geben, die den Rest der immer noch herzensträgen Menschheit von der großen Utopie der Weltverbesserung überzeugen: durch aufrüttelnde Worte, Spendenaufrufe, Fair-Trade-Basare, Demonstrationen, Mitgliedschaft bei einer NGO. Das aufrüttelnde Wort ist mindestens so wichtig wie die Aktion der Kollegen vor Ort.
Das aufrüttelnde Wort ist auch deshalb so wichtig, weil der Mensch ja prinzipiell gut ist und einzig durch miserable Lebensverhältnisse vom Ausleben seiner Gutheit abgehalten wird. Wenn die Menschheit nur auf die flammenden Appelle hörte - wi wont piss foa äffriboddi - wären längst alle Probleme beseitigt. Das goldene Zeitalter könnte anbrechen, ein säkulares Paradies ließe sich errichten - weshalb es verpflichtend ist, die andern immer aufs Neue zu belehren.
Das Wort allein ist für den Gutmenschen bereits schöpfungsmächtig (das verbindet ihn mit Gott, zu dem er sonst eher auf Distanz bleibt). Die allseits befriedete Welt kann schon vorweg Gestalt annehmen, durch Sprachregelungen und Denkverbote, deren Einhaltung dann umso dringlicher zu überwachen ist. Und weil das Private politisch ist und weil alles mit allem zusammenhängt wie der berühmte Schoppen Rotz, treibt es den Weltfrieden voran, wenn man seinen Nachbarn eines als falsch zu deklarierenden Wortgebrauchs überführt.
Sich so nah am Innersten zu bewegen, das die Welt zusammenhält, euphorisiert den Gutmenschen; das hehre Ziel färbt auf ihn ab, das Gute seiner Absichten durchdringt und prägt ihn. So von sich überzeugt sein zu können, ist eine Droge, auf deren Genuß er nicht mehr verzichten kann. Der mit nüchterner Selbstbegegnung verbundene Entzugsschmerz wäre unaushaltbar. Für den einmal angefixten Gutmenschen ist die Weltverbesserung nur noch Mittel zum Zweck; Ziel ist das Bedürfnis, sich selbst als gut erleben zu können.
Für die Selbststabilisierung so wichtig wie das Gefühl, gut zu sein, ist die Abgrenzung von dem noch unerleuchteten Rest der Menschheit. Der Gutmensch hält sich in puncto Weltverbesserung für allein legitimiert. Daß es neben seinen Zwangsgedanken andere - pragmatische, weniger belastete - Sicht- und Herangehensweisen gibt, paßt nicht ins dualistische Weltbild und wird entsprechend ignoriert oder bekämpft. Wer nicht dazugehört, muß sich vor dem Gutmenschen einer Gewissensprüfung unterziehen, und die Absolution wird Andersdenkenden nur zuteil, wenn sie dem Geßlerhut gutmenschlicher Tabus und Sprachregelungen ihre Reverenz erweisen.
In programmatischer Schärfe bekämpft der Gutmensch alle Formen von Intoleranz - wird aber selber intolerant gegenüber jedem, der sich nicht vor dem Geßlerhut gutmenschlicher Tabus und Sprachregelungen verneigt - wobei man anerkennen muß, daß diese Intoleranz des Gutmenschen im Dienst der edelsten Sache steht und deshalb gerechtfertigt ist: Abweichler werden ausgegrenzt, mit übler Nachrede bedacht, denunziert, um ihren Beruf gebracht - und in letzter Instanz wäre es angemessen, sie zu liquidieren - wenn, ja wenn sich dadurch das Unrecht nur ein für alle Mal aus der Welt schaffen ließe...
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Den Gutmenschen bekümmert das Leid, wie es sich um ihm herum bemerkbar macht: als Filmausschnitt beim häuslichen Konsum der Fernsehnachrichten, während er das üppige Abendbrot in sich reinschiebt. Der Kontrast zwischen seinem angenehmen Leben und den Kriegs- und Elendsbildern auf dem Flachbildschirm ist zu gewaltig. Er verdirbt ihm fast schon den Appetit und erzeugt ein potentiell schlechtes Gewissen. Zur Wiederherstellung ungetrübter Essensfreude und zur Beseitigung des schlechten Gewissens muß dieser Kontrast verringert werden - ein guter Grund, die Weltverbesserung in Angriff zu nehmen.
Weltverbesserung ist schön, aber mit dem ersten Schritt in der Praxis aufreibend und häßlich: Man begegnet lauter unauflöslichen Widersprüchen, in sich und bei den Mitstreitern, und man erkennt die nicht zu harmonisierenden Interessen-Gegensätze zwischen Konfliktparteien. Es kann nicht jedermanns Aufgabe sein, dabei seine Kräfte zu verschleißen. Es muß auch Träumer geben, die den Rest der immer noch herzensträgen Menschheit von der großen Utopie der Weltverbesserung überzeugen: durch aufrüttelnde Worte, Spendenaufrufe, Fair-Trade-Basare, Demonstrationen, Mitgliedschaft bei einer NGO. Das aufrüttelnde Wort ist mindestens so wichtig wie die Aktion der Kollegen vor Ort.
Das aufrüttelnde Wort ist auch deshalb so wichtig, weil der Mensch ja prinzipiell gut ist und einzig durch miserable Lebensverhältnisse vom Ausleben seiner Gutheit abgehalten wird. Wenn die Menschheit nur auf die flammenden Appelle hörte - wi wont piss foa äffriboddi - wären längst alle Probleme beseitigt. Das goldene Zeitalter könnte anbrechen, ein säkulares Paradies ließe sich errichten - weshalb es verpflichtend ist, die andern immer aufs Neue zu belehren.
Das Wort allein ist für den Gutmenschen bereits schöpfungsmächtig (das verbindet ihn mit Gott, zu dem er sonst eher auf Distanz bleibt). Die allseits befriedete Welt kann schon vorweg Gestalt annehmen, durch Sprachregelungen und Denkverbote, deren Einhaltung dann umso dringlicher zu überwachen ist. Und weil das Private politisch ist und weil alles mit allem zusammenhängt wie der berühmte Schoppen Rotz, treibt es den Weltfrieden voran, wenn man seinen Nachbarn eines als falsch zu deklarierenden Wortgebrauchs überführt.
Sich so nah am Innersten zu bewegen, das die Welt zusammenhält, euphorisiert den Gutmenschen; das hehre Ziel färbt auf ihn ab, das Gute seiner Absichten durchdringt und prägt ihn. So von sich überzeugt sein zu können, ist eine Droge, auf deren Genuß er nicht mehr verzichten kann. Der mit nüchterner Selbstbegegnung verbundene Entzugsschmerz wäre unaushaltbar. Für den einmal angefixten Gutmenschen ist die Weltverbesserung nur noch Mittel zum Zweck; Ziel ist das Bedürfnis, sich selbst als gut erleben zu können.
Für die Selbststabilisierung so wichtig wie das Gefühl, gut zu sein, ist die Abgrenzung von dem noch unerleuchteten Rest der Menschheit. Der Gutmensch hält sich in puncto Weltverbesserung für allein legitimiert. Daß es neben seinen Zwangsgedanken andere - pragmatische, weniger belastete - Sicht- und Herangehensweisen gibt, paßt nicht ins dualistische Weltbild und wird entsprechend ignoriert oder bekämpft. Wer nicht dazugehört, muß sich vor dem Gutmenschen einer Gewissensprüfung unterziehen, und die Absolution wird Andersdenkenden nur zuteil, wenn sie dem Geßlerhut gutmenschlicher Tabus und Sprachregelungen ihre Reverenz erweisen.
In programmatischer Schärfe bekämpft der Gutmensch alle Formen von Intoleranz - wird aber selber intolerant gegenüber jedem, der sich nicht vor dem Geßlerhut gutmenschlicher Tabus und Sprachregelungen verneigt - wobei man anerkennen muß, daß diese Intoleranz des Gutmenschen im Dienst der edelsten Sache steht und deshalb gerechtfertigt ist: Abweichler werden ausgegrenzt, mit übler Nachrede bedacht, denunziert, um ihren Beruf gebracht - und in letzter Instanz wäre es angemessen, sie zu liquidieren - wenn, ja wenn sich dadurch das Unrecht nur ein für alle Mal aus der Welt schaffen ließe...
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