Durststrecke

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DerJungePianist

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14. Dez. 2012
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Hallo zusammen,

mein Sohn ist 10 und spielt nun seit gut vier Jahren Klavier. Es scheint talentiert zu sein. Ich selbst kann das mangels Expertise nicht beurteilen, aber ich höre ihm gerne zu, wenn er spielt, und ich glaube, die Stücke, die er spielt, sind für sein Alter schon recht anspruchsvoll (derzeit z. B. "Knecht Ruprecht" von Schumann, eine Sonatine von Clementi, "Le Coucou" von Daquin, irgendetwas Langes von Bach).

Klavierunterricht erhält er einmal pro Woche zu Hause, da bekomme ich immer ein wenig mit. In letzter Zeit scheint sein Klavierlehrer viel intensiver als zuvor die Technik mit ihm zu trainieren. Es geht dann darum, bestimmte Stimmungen beim Spiel nachzuempfinden und rüberzubringen. Im Klavierunterricht selbst ist mein Sohn dann immer hochkonzentriert dabei, hat nachher meist rote Wangen und bekundet, dass ihm diese intensive Arbeit unter Anleitung richtig Spaß macht ("Das war supercool heute!").

ABER: Er kann das beim Üben allein offensichtlich nicht richtig umsetzen bzw. ihm fehlt dann die Geduld, kleine, kurze Passagen so intensiv zu üben. Er scheint dann gar nicht so "einzutauchen", wie ich das in den Klavierstunden bei ihm wahrnehme, sondern er bleibt oberflächlich. Wenn es dann nicht so klappt, wie er sich das vorstellt, wird er ganz schnell ganz wütend. Seine Wut treibt ihm manchmal sogar die Tränen in die Augen. Natürlich ist dann alles "doof" und schlimmer.

Auf Nachfrage sagt er, dass ihm die derzeitigen Stücke zum Hals raushängen, dass er sich über sich selbst ärgert, dass er so schnell die Geduld verliert, dass er nicht weiß, wie er "besser" üben kann, oder - wenn er ganz mies drauf ist - dass er das Klavierspielen an den Nagel hängen will. Das geht (mal mehr, mal weniger) so seit ca. zwei Monaten.

Ist so etwas normal? Gibt es Motivationstricks für solche Phasen? Woran würde ich als Außenstehende erkennen, dass es tatsächlich angebracht wäre, den Klavierunterricht (für eine Weile/endgültig) abzusetzen? Wir bauen keinen Druck auf, das Hobby ist seins, ich fände es nur schade, wenn er aus einer Laune heraus alles hinwirft. Bisher hat er schlussendlich nach Gesprächen darüber doch immer weitermachen wollen. Sein Klavierlehrer sieht das Problem nicht - wie auch, in den Stunden ist er ja hochkonzentriert und meistens Feuer und Flamme und er kommt seiner Aussage nach toll voran.

Ach so, besonders motiviert ist er übrigens vor dem jährlich stattfindenden Klassenvorspiel (immer November). Da wächst er über sich selbst hinaus, das spornt ihn richtig an und er hat Riesenspaß dabei. Wenn ich aber z. B. vorschlage, dass er z. B. für das Frühlingsfest in der Schule ein oder zwei Stücke einstudieren könnte, um sie dort vorzuspielen, wimmelt er immer ab - das wäre ihm wohl zu peinlich, vor den Schulfreunden und Eltern zu spielen. Er schätzt das anonyme Publikum.

Sorry, dass es so lang geworden ist. Habt ihr einen Rat?
 
Rat wofür? Für mich klingt das doch alles eher normal, eigentlich doch sogar ganz gut. Mehr als mit viel Geduld immer wieder gut zureden kann man nicht. Der Rest muss von selbst kommen. Spielst Du selbst Klavier oder hast Du mal Klavier gespielt? Wenn JA, wie war das denn bei Dir? Wenn NEIN, Dann sollte man immer darauf achten, dass die eigenen Ansprüche nicht zu hoch sind. Ist für einen Nichtklavierspielfer zugegebenermaßen auch schwerere einzuschätzen.
Auch das mit dem Inderschulenichvorspielenwollen. Das ist den Kindern wirklich peinlich und man sollte sie auch nicht dazu zwingen.
 
Ich sehe das nicht ganz so, da kann man sicher was tun.

1. Übeproblem: Er merkt, dass gerade etwas spannendes im Unterricht passiert und ist begeistert, ärgert sich aber umso mehr, weil er das allein nicht nachmachen kann. Er weiß also nicht, wie er üben soll oder was. Das bedeutet: Der Lehrer muss genau das mit ihm besprechen und "das Üben üben" bzw. planen und anleiten. Bisheriges Notenzusammensetzen ist nun eben nicht mehr allein angesagt. Da das Kind erst 10 ist, müssen das die Eltern anleihern. Also. Lehrer anrufen, Problem beschreiben, Lösung besprechen, Geduld haben.

2. Motivation durch Konzerte ist prima und sollte gefördert werden. Auch das kann man mit dem Lehrer besprechen. Warum nicht mal ein Hauskonzert veranstalten oder bei der Stadt nachfragen, ob es kleine Gelegenheiten gibt, mal bei irgendeiner Veranstaltung 5-10 Minuten ein Stück zu spielen?
 
Mein Mann und ich spielen kein Instrument (ich kann nicht einmal Noten lesen :)). Daher kann ich ihm auch keine hilfreichen Ratschläge geben. Ich suche Rat für hauptsächlich folgende Frage:

Wie lange darf so eine Durststrecke dauern, bevor man ernsthaft über das Aufgeben nachdenken sollte? Ist der Punkt womöglich jetzt erreicht? Das Üben läuft seit zwei Monaten überwiegend frustrierend ab.

@Stilblüte: Der Klavierlehrer schreibt ihm seit zwei, drei Wochen recht konkret auf, wie er üben soll. Z. B. steht für diese Woche im Plan: Zwei Stücke zum Warmwerden runterspielen, dann bestimmte Ausschnitte aus zwei oder drei Stücken intensiv üben (z. B. irgendein Crescendo aus der Sonatine über sechs Takte mit einer bestimmten Vorstellung). Aber genau dazu fehlt meinem Sohn beim normalen Üben die Geduld/Lust, im Unterricht hingegen macht er gerade das total gerne, er bekommt dann auch eine unmittelbare Rückmeldung. Ich werde aber noch einmal mit dem Lehrer sprechen. Zu deinem zweiten Tipp: Ich werde meinen Sohn mal fragen, ob er sich das vorstellen könnte.
 
2 Monate sind für eine Durststrecke jetzt noch nicht so wahnsinnig lange, v.a., wenn es erst seit 2 Wochen Abhilfe gibt. Wenn das nicht klappt, würde ich erst den Lehrer bitten, noch etwas anderes auszprobieren, dann den Lehrer wechseln und frühestens dann aufgeben. Denn ich höre heraus, dass der Junge eigentlich gern Klavier spielt.

Vielleicht kann man auch noch andere Dinge einbauen oder ergänzen - mal neue Stile spielen (zb mal ein Popstück...), Kammermusik, Schulchor begleiten, kleinen Wettbewerb spielen, "Auftragsstück" z.B. für Freunde oder Bekannte, die dann eine kleine Belohnung bieten?...
Abwechslung schaffen also und weitere Möglichkeiten aufzeigen.
 
Sag mal, wie sieht denn das Üben Eures Kindes zuhause aus? Laßt ihr ihn da einfach selber machen, oder sitzt eines der Eltern mit daneben? Vielleicht ist es ja einfach so, dass ihm die Aufmerksamkeit fehlt, die er im Klavierunterricht natürlich bekommt. Und wie lange übt er denn so pro Tag?
Meine Erfahrung war schon die, dass die Kinder in diesem Alter durchaus noch wollten, dass sich auch die Eltern ein wenig mit den Instrumenten mit beschäftigen. Gerade wenn der Klavierlehrer ja sehr genau aufschreibt, was gemacht werden soll, dann kann man auch als Nicht-Klvierspieler noch viel zum Gelingen des Übens beitragen.
 
Als meine Tochter 10 war, war das GANZ normal! Ich habe dann in diesen Phasen immer sehr darauf geachtet, hin und wieder unerwartet aufzutauchen und (falls angebracht!!!!) MÄCHTIG viel Applaus zu geben und "Boah, ey, geil - das könnte ich nie, spiels nochmal ..." usw. Mehr hat es nicht gebraucht. Bitte nicht übertreiben. Auch Vorspielbitten der Großeltern mit anschließendem "Honorar" waren sehr motivierend. ;-) Als die Tochter dann in die Pubertät kam, war darüber hinaus die "indirekte" Einmischung über die KL - und zwar bei der Auswahl der Stücke" - sehr wichtig. Ab einem bestimmten Alter braucht es einfach auch Literatur, mit der man die Schulkameraden beeindrucken kann!
 
Schmarrn. Da sind die Kinder doch durchaus unterschiedlich. Meine Tochter hat sich z.B. darin gesonnt, Ihren Freunden erst irgendso eine Schmonzette von TEY vorzunudeln, bevor es mit Gonzales (später dann Mussorgsky) etwas anspruchsvoller wurde. Und dann gabs zur Irritation immer noch einen Bartock obendrauf ;-)
 
Will sagen: Wenn das Kind TEY will, dann lass ihm TEY - Qualität erkennt ein Klavierspieler in der Regel von alleine nach gewisser Zeit. Meine Tochter hat oft genug mit sich selbst getobt, weil sie nicht immer die gleichen Passagen üben wollte. Wenn sie das Stück aber "gefangen hatte", dann waren auch 100 Wiederholungen kein Thema.
 

Hallo liebe Threaderstellerin,

das hier klingt doch gut: Ein Klavierlehrer, der seinen Schüler fördert und fordert:
Im Klavierunterricht selbst ist mein Sohn dann immer hochkonzentriert dabei, hat nachher meist rote Wangen und bekundet, dass ihm diese intensive Arbeit unter Anleitung richtig Spaß macht ("Das war supercool heute!").
jedoch:
ihm fehlt dann die Geduld, kleine, kurze Passagen so intensiv zu üben.
Das überrascht mich nicht. Nach meiner Erfahrung sind die meisten 10-Jährigen damit überfordert, 6-taktige Passagen immer wieder einzeln zu üben. Das hätte mich in dem Alter auch frustriert. Da geht dann oft das "Gefühl fürs ganze Stück" verloren. Hier ein bissl zurückschrauben, wäre mein Rat.
Natürlich ist es gut, wenn ein 10-Jähriger auch mal ein bissl gefordert wird, aber überwiegend sollte Klavierspielen ja Spaß machen!
Also: den Spaß- und Freudefaktor nicht zu kurz kommen lassen!
Zum Beispiel:
  • mal mit dem Lehrer was Vierhändiges spielen
  • bissl was Poppiges/Jazziges spielen,
  • auch mal "weg von den Noten", also was improvisieren, zum Beispiel eine einfache Liedbegleitung
Es ist möglich, dass der Klavierlehrer auf solche Ideen mit Unverständnis reagiert. In dem Fall könnte man über einen Lehrerwechsel nachdenken. Mit dem Klavierspiel aufhören, halte ich für die schlechteste "Lösung".

Vielleicht hilft es auch, wenn Du und Dein Mann dem Klavierspiel Eures Sohnes mehr Interesse entgegenbringt. Formulierungen wie diese:
haben mich darauf gebracht.

(Wobei ich gestehen muss, dass ich als 10-Jähriger Bach doof und langweilig fand ;). Bach habe ich erst mit 14 oder 15 angefangen zu mögen.)
 
Ich kann mich da nur meinem Vorredner anschließen (Dimo) redet mit dem KL. Der sollte auch in der Lage sein, den Jungen zu motivieren und ihm neue Erfolgserlebnisse zu geben. Aber auch ich mit 52 Jahren auf dem Buckel, verzweifel manchmal und könnte alles an den Nagel hängen. :confused:
 
Der Klavierlehrer schreibt ihm seit zwei, drei Wochen recht konkret auf, wie er üben soll. Z. B. steht für diese Woche im Plan: Zwei Stücke zum Warmwerden runterspielen, ....

Vielleicht ist es ja Wortklauberei meinerseits. Aber Musik ist Musik, sie soll schön klingen und man soll sie – meiner Ansicht nach – nicht „runterspielen“ – auch nicht zum warmmachen. Ich finde diese Wortwahl ungünstig und es mag eine Ausnahme sein. Aber das ist wie mit versteckter Werbung - sie kann sich im Hirn (unbewusst) festsetzen.
 
Ich finde, es hört sich alles sehr gut an! Wir hatten auch einen lehrer dieser Art, er hat uns immer und immer mehr gefordert. Einzelne Takte oder Passagen üben habe ich aber gleichwohl gehasst! Schau nur, dass er auf jeden Fall täglich übt, mindestens 30 bis 45 Minuten!
 
Danke euch allen für euren Input! Da sind viele wertvolle Anregungen und Gedanken für meine Gespräche mit Sohn und Klavierlehrer dabei!

Seinen manchmal spontan geäußerten Aufgebewünschen jetzt nachzugeben, würde ihn vermutlich auch nicht glücklich machen. Er spielt glaube ich viel zu gerne. Vielleicht entscheidet sich derzeit einfach, wie intensiv er dieses Hobby weiter betreiben kann und will.
 
Ein guter Lehrer schafft es ihn auch in der Phase, in der er aufgeben möchte, bei der Stange zu halten ;)
 
Natürlich ist es gut, wenn ein 10-Jähriger auch mal ein bissl gefordert wird, aber überwiegend sollte Klavierspielen ja Spaß machen!
Genau diese Haltung verdirbt den Kindas den Spaß. Den "Spaß" gegen den "Ernst" des Lernens auszuspielen ist die deutsche Bildungsbürger-Unsitte Nr. 1. Ja, was sollen die Kleinen denn denken, wenn die Eltern ihnen vermitteln: "hömma, üben ist scheiße und macht keinen Spaß, aber du musst das tun, weil wir das so möchten. Und zur Belohnung darfst du dann auch noch 5 min. Spaß am Klavier haben - aber nicht übertreiben."? Ich würde solchen Eltern sagen: "fack ju göthe".
 
Hallo,

ganz wichtig finde ich es, dem Lehrer das zu sagen.
Ich hatte schon Gespräche mit Eltern, die mir verraten haben, dass der Schüler zu Hause geflucht hat und kurz davor war das Handtuch zu werfen, in der Stunde aber war er immer ganz lieb und auch konzertriert.
Ich war diesen Eltern immer sehr dankbar, denn Sie haben mir die Chance gegeben, den Schüler bei der Stange zu halten, was ich ohne diese Information gar nicht gekonnt häte, da ich davon ausgegangen wäre, dass alles ok ist.
Ich glaube dein Sohn ist mit der vom Lehrer vorgeschlagenen Übeweise überfordert.
Besser wäre es, das Feilen am Ausdruck dann zu üben, wenn er den Notentext beherrscht. Dein Sohn ist frustriert, weil er sehr wohl hört, dass er es nicht so spielt wie es klingen soll, aber noch mit dem Notentext hadert.
Er versucht den Notentext richtg zu lernen und gleichzeitig ein Crescendo umzusetzen-da es nicht beides auf einmal klappt, wird er wütend. Verständlich.

Rede mit dem Lehrer und schlage ihm vor, ihn zunächst nur den Notentext lernen zu lassen.
Des Ausdruck soll er dann als 2. Schritt rein bringen, wenn er sich sicher fühlt.
Vielleicht auch kindgerechter arbeiten und zu den Stücken eine Geschichte erfinden lassen, um die unterschiedlichen Ausdrucksweisen noch verständlicher zu machen-es darf nicht abstrakt sein.
Viele Grüße
SC
 

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