Beim Lernen hatte ich einige Tage lang einen schlechten Fingersatz, dann kriegte ich einen guten. Ab da ging alles monatelang gut - zu Hause. Dann - es war in einem Klaviergeschäft und ich probierte ein Instrument aus. Peng - aus heiterem Himmer der ganz alte Fingersatz- Aus!
Lieber Debösi,
das sind ganz normale Erfahrungen, die jeder Spieler macht. Auch Profis, nur haben die sowas meistens schon hinter sich.
Aus neurologischer Sicht - Altenmüller hat in seinen Vorträgen sich zu dem Thema geäußert - kann man nichts "verlernen". Man kann nur etwas Neues lernen. Es ist vergleichbar mit einer Rille, die sich bildlich gesprochen ins Gehirn gräbt, wenn wir etwas lernen (neue Synapsen, Verbindungen etc.).
Wenn sich nun nach einigen Tagen dein Fingersatz als schlecht herausstellt, bleibt die Rille, aber es wird daneben eine neue gegraben. Es ist nicht so, dass die zweite die erste quasi überschreibt.
Normalerweise wird nun wie die Nadel einer Schallplatte immer die tiefere zweite Rille angespielt. In Stresssituationen oder Situationen, die anders sind als die, die du normalerweise erlebst, kann die Nadel aber ins Wanken geraten und schwupps - schon ist sie in der ersten Rille, die ja immer noch da ist.
Deswegen ist es so wichtig, wie man übt und wie man gerade zu Beginn des Erlernens eines Stücks sein Üben gestaltet.
Je routinierter du wirst, desto besser wirst du mit solchen veränderten Situationen umgehen können. Du wirst wissen, dass so etwas passieren kann und wirst dich bewusst entspannen und vielleicht in Gedanken vorher nochmal die besagte Stelle durchgehen o.ä..
Was deine Frage betrifft: ich bin ein Fan davon, beim Kontakt mit einem neuen Stück sich erstmal nur mit dem Notentext zu beschäftigen. Ohne Klavier. Wie könnte er klingen, welche Strukturen, welche Entwicklungen gibt es, was ist gleich, was ist unterschiedlich etc.
Dann kann man versuchen, das Stück nach den eigenen Möglichkeiten vom Blatt zu spielen. Gerade bei Anfängern finde ich das sinnvoll, aber es muss nicht sein. Nicht für jeden ist alles gut.
Aus lerntechnischer Sicht machst du da nichts falsch! Egal was du da spielst und welche Fingersätze du nimmst - sie werden nicht abgespeichert, weil die Wiederholungen dafür viel zu wenig sind. Im Gegenteil kann das Durchspielen sinnvoll sein, weil du ein Gefühl für das Stück, für Fingersätze etc. bekommst. Du überprüfst, ob das, was du dir vorher beim Anschauen des Notentextes gedacht oder innerlich gehört hast, mit dem gespielten Klang so einigermaßen übereinstimmt.
Bei dir hat sich ja auch erst nach einigen Tagen der schlechte Fingersatz festgesetzt - einmaliges Durchspielen ist kein Problem!
Auch wenn man ein Stück schon gut kann, lohnt es sich, es immer VOR DEM ÜBEN durchzuspielen. Dann speichern sich Fehler nicht ab, man weiß, was man noch üben muss und man übt auch das "Durchspielen". Wenn man danach Stellen etc. übt und man mit dem "Richtigen" endet, ist alles bestens - das Letzte und Richtige wird abgespeichert.
Blöd ist es umgekehrt: erst alles akribisch üben und dann im Tempo durchspielen. Wenn man ein Stück noch nicht im Tempo durchgehend kann, passieren Fehler und die werden, da am Schluss der Übeeinheit passiert, abgespeichert. Das Üben vorher ist für die Katz. :) Manchmal kann man das Stück langsam durchspielen - es sollten aber keine grundlegenden Fehler passieren.
Liebe Grüße
chiarina