Die Wiege der Jazzharmonik

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Wu Wei

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Ja das meint auch mein Jazzlehrer. Ich vermute das liegt daran, dass im Impressionismus schon viele Elemente des Jazz vorweggenommen sind. Beispielweise Ganztonskalen, alterierte Akkorde etc. Schau dir mal "La plus que lente" von Debussy an. Am Anfang wird ein Akkord mit hochalterierter Qunite genommen, wie ich das im Kopf habe, eher Jazztypisch.

Wobei ich meine, dass die heutige Jazzharmonik auch eine Weiterentwicklung der Harmonielehre Bartòks ist.
 
ursprung

Vielleicht muss man noch unterscheiden zwischen Wiege und Wurzel.

Die wurzeln des Jazz sehe ich spätestens bei Bach spriessen. Damals war das aber noch kein Jazz, erst in der Wiege, also in den Cottonfields wurden diese Wurzeln sozusagen bewässert und zu den Jazzpflanzen herangezogen, die sie dann im Ursprungsland des Jazz wurden, nämlich in den Südstaaten.
 
Und was, wenn die Jazzharmonik mehrere Wurzeln/Wiegen hätte?

Wo kommen z.B. die Bluenotes her? Im Orient gibt's mehr als 12 Halbtöne...

Stümperle, wenig Ahnung aber Neugier ;-)

Nachtrag:
Die Blue Notes stammen aus dem westafrikanischen deklamatorischen Sprechgesang. Sie sind aber auch annähernd in der Naturtonreihe (Obertonreihe) enthalten, so dass sie vermutlich einst auch in der europäischen Musik vorhanden waren.
Wikipedia sei Dank ;-)
 
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Dazu gibt es sicher bei Berendt ("Nada Brahma-Die Welt ist Klang" etc.) Ausführliches nachzulesen. Habe ich mir schon lange vorgenommen, falls ich mal viel Zeit ... Hast du was davon gelesen?
 
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Bedeutungsanschein

Es geht aber speziell um die Jazzharmonik.
eben drum! Zwei anscheinend gleiche vorgänge haben in anderen Zusammenhängen eben unterschiedliche Bedeutungen. Mag in dern Wurzeln z.b. bei Schumann häufiger ein Akkord auftauchen, der auch später im Jazz weiterlebt, so hat er aber hie und da ganz unterschiedliche Wirkungen bzw Feelings.

Aus diesen bei den Klassiker (natürlich alle Eprochen von Barock bis heute)vorkommenden, an exponenter Stelle dargestellten Harmonien, hat der Jazz eine ihm eigene Lehre entwickelt. Deshalb empfinde ich auch Jazz immer als inflationär, was die Harmonik betrifft. Eine Musik, die grundsätzlich als Basis den vierklang einfordert, gibt nach meiner Meinung nach wesentliche Elemente auf.
Sehr amüsiert hat mich Haydnspaß Bemerkung über das Weiterwachsen im Rotlichtmilieu. Da ist was dran:D
 
Ich werfe mal eine Bemerkung ein, die ich irgendwo aufgeschnappt habe - meine Meinung ist es nicht, aber bei mancher Musik mag man es glauben:

"Jazz ist zu kopflastig für simple Dreiklänge"
 
Aber kam hier nicht die erste Dur-Moll-Vermischung auf? Ist doch sehr innovativ. :)

Die haupsächlich moll-pentatonischen Gesänge der Afrikaner + der Einfluß der westlichen dur-geprägten Musik.

Genau darin besteht ja auch der Reiz im Blues, der extreme Gegensatz zwischen Harmonik und Melodik.

Gruß
 

Das klingt einleuchtend. Da ich mich mit dieser Materie überhaupt noch nicht groß beschäftigt habe, denke ich bei Harmonik automatisch an artifiziellere, vielschichtige Musik - und der Blues der Baumwollfelder ist einfache pure Melodik ... Wie stark beides zusammenhängt, hätte mir auch mal einer sagen können. ;) Allerdings, was verstehst du unter einem "Gegensatz von Harmonik und Melodik"?
 
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Der Ausgangspunkt des Jazz, besser gesagt des Blues, sind die Baumwollfelder. Später hat sich der Jazz mehr in Richtung Varieté und Rotlichtmilieu verlagert. Und Hollywood hat auch noch seinen Teil dazu beigetragen.

Ausgangspunkt Nr.1 war sicher Westafrika.
Aber warum hat sich Jazz nur in den Südstaaten der U.S.A. entwickelt und nicht z.B. in Brasilien oder Cuba, wo es mindestens ebenso viele Sklaven aus Westafrika gab?
Wahrscheinlich war es die soziale Stellung der Sklaven in den Südstaaten. Die war etwas "großzügiger" und deßhalb kam es dort zu einem viel intensiveren Kontakt der Sklaven mit europäischer Musikkultur.
Tatsache ist, dass um 1910 -1920 viele schwarze Musiker in New Orleans aus finanziellen Gründen im Vergnügungsviertel Storryville Ragtime spielten. Ragtime wiederum gilt nicht als Jazz, da es wie klassische Musik vollkommen ausnotiert ist. Jazz hat sich aber zu jener Zeit daraus entwickelt, da das Element Improvisation dazu kam.
Der Terminus "Jazz", damals "Jass" geschrieben, war übrigens dort der vulgäre Ausdruck für Geschlechtsverkehr.
 
... Aber warum hat sich Jazz nur in den Südstaaten der U.S.A. entwickelt und nicht z.B. in Brasilien oder Cuba, wo es mindestens ebenso viele Sklaven aus Westafrika gab?
Wahrscheinlich war es die soziale Stellung der Sklaven in den Südstaaten. Die war etwas "großzügiger" und deßhalb kam es dort zu einem viel intensiveren Kontakt der Sklaven mit europäischer Musikkultur. ...
Kann es sein, dass Einflüsse der Kirchenmusik in den Südstaaten auch eine größere Rolle gespielt haben?
 
Kann es sein, dass Einflüsse der Kirchenmusik in den Südstaaten auch eine größere Rolle gespielt haben?

Ja, es waren verschiedene Einflüsse.
Die Gesänge bei der Arbeit auf dem Feld und bei Beerdigungsprozessionen, die Arbeiterlieder beim Eisenbahnbau, diverse Hymnen und natürlich auch die Spirituals & Gospels.
Zwei Formen stachen dann Ende des 19. Jahrhunderts besonders hervor. Zum einen der 12-bar Blues (machmal auch 8-taktig) und die 32-taktige Liedform. Alles war überwiegend im 4/4, bzw. 2/4 Takt.
 
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Ich dachte dabei vor allem daran, dass in den Südstaaten wahrscheinlich wesentlich mehr protestantische Kirchenmusikpraxis gepflegt wurde als in den lateinamerikanischen Staaten und dass dies eine Rolle bei der weiteren Entwicklung gespielt haben könnte. Ist aber nur eine sehr frei aus der Luft gegriffenen Hypothese.
 
Ich dachte dabei vor allem daran, dass in den Südstaaten wahrscheinlich wesentlich mehr protestantische Kirchenmusikpraxis gepflegt wurde als in den lateinamerikanischen Staaten und dass dies eine Rolle bei der weiteren Entwicklung gespielt haben könnte. Ist aber nur eine sehr frei aus der Luft gegriffenen Hypothese.

Hallo Wu,

hatte gerade eine Diskussion über unser Thema mit einem sehr renommierten Tenor-Saxophonisten.

Hier seine These, die ähnliche Ansätze wie die Deine hat.

Durch den Protestantismus in den Südstaaten, der wesentlich strenger als der Katholizismus war, wurden den Sklaven dort ihre ursprünglichen Instrumente, nämlich hauptsächlich Perkussionsinstrumente, entzogen, um "heidnischen" Bräuchen Einhalt zu gebieten. Hingegen in den katholisch geprägten Ländern, wie z.B. Cuba, Brasilien etc., behielten die Sklaven weitestgehend ihre traditionellen afrikanischen Instrumente und hatten somit die Möglichkeitt ihre afrikanisch geprägte Musik weiter zu entwickeln.
 
Genau darin besteht ja auch der Reiz im Blues, der extreme Gegensatz zwischen Harmonik und Melodik.

Weiss nicht, also ich sehe keine extremen Gegensätze zwischen Harmonik und Melodik. Blues bedeutet mir eine ganze Menge, und ich sehe sowohl Harmonik als auch Melodik als ziemlich schlicht an im Blues.

Das besonders Reizvolle am Blues ist für mich das bedingungslose Einbringen von Gefühlen in die Musik, also das expressive Element. Mit einer einzige Note auf der Gitarre kann man schon sehr viel ausdrücken.

Ich kenne keine andere Musikrichtung, bei der man so stark "seine Seele auskotzt" wie beim Blues.

Sorry wegen OT.
 
Seele

Ich kenne keine andere Musikrichtung, bei der man so stark "seine Seele auskotzt" wie beim Blues.

mit Verlaub, mir gelingt das doch wesentlich besser bei Musik mit Tiefgang, wobei ich es dann aber anders ausdrücken würde. richtung starke innere Ergriffenheit, die auch eine "Verdrehung" der Seele auslöst und entsprechende körperliche Symtome: Rückenschauer, Gänsehaut, tränen, unfassbares Glück, Visionen, verbundenheitsgefühle mit der Schöpfung usw.
 
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Nun gut, für diese erhabenen Kategorien ist wahrscheinlich der Blues auch nicht zuständig.
 

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