Der Franz Liszt C. Bechstein von 1862 - restauriert

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Der eine oder andere wird ihn in Berlin schon einmal gesehen haben, es kursieren einige Videos von ihm und auch eine von Bechstein beauftragte Dokumentation über das Instrument:



Von Kit Armstrong gibt es ein schönes Video mit den Cloches de Genève:



Zuletzt ist der Flügel 1983 überholt worden, allerdings nicht unbedingt als historisch akkurate Restaurierung. Das wurde nun nachgeholt und ich hatte das Glück, gestern in der Werkstatt das von Gert Hecher überholte Instrument zu sehen und auch kurz anzuspielen Man sieht schon, dass da optisch einiges passiert ist, sowohl was die Oberflächen angeht, als auch die Gestaltung in de Akustikanlage. Die Filze wurden optisch wieder mit den Originalfarben ausgewählt, die Streben "entgoldet" und noch einiges mehr.

Es kamen auch noch einige Reparaturen hinzu, zum Beispiel ein neuer Saitenbezug, weil der alte viel zu straff war und schon den Stimmstock beschädigt hatten. Neu Filze für die Hämmer kamen von Abel und auch die Dämpfung bekam eine Neubefilzung. Es sind noch sehr viele Details, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufführen kann; vielleicht gibt es dazu irgendwann mal eine ausführliche Dokumentation.

Ein wenig Restarbeit steckt noch drin, z.B. mehrfaches Stimmen und Nachintonieren, Nachregulieren der Dämpfung und Mechanik, aber das wird in den nächsten Wochen fertig gemacht.

Hier ein paar Eindrücke von dem Schmuckstück in aktuellem Zustand:

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@OE1FEU Danke dir für diesen Beitrag! Ich habe diesen Flügel mehrfach im Stilwerk in Berlin bewundert. Umso mehr freut es mich, dass er jetzt eine Erfrischungskur erfahren hat.

Heraus ragendes Merkmal (im sprichwörtlichsten Sinn) ist die "Beule" an der Basswand. Bei geradsaitigen Flügeln gerät der Basssteg zwangsläufig sehr dicht an die Basswand. Durch die Verleimung mit dem Bodenlager ist der Resonanzboden in diesem Bereich nicht sehr schwingfähig. Deshalb klingen die Basstöne dann oft nicht sonderlich voll. Durch die Beule in der Basswand konnte dies aber hier vermieden werden. Der Basssteg befindet sich auf einem Teil des Resonanzbodens, der noch recht gut schwingen kann, da die Verleimung mit dem Bodenlager weiter außen (in der Beule) erfolgt. Ein Beispiel für die Innovationskraft von Carl Bechstein.
 
Duysen ließ in diesem Bereich den Resonanzboden unverleimt/frei. Super Bassklang!
 
Die Geschichte derer "Liszt"-Bechsteins ist ja eh eine lisztige... Carl Bechstein ließ in den 1860er und 70er Jahren dem Franz Liszt in der Weimarer Hofpfisterei jährlich !!! einen neuen Konzertflügel zukommen.

Der ein Jahr lang gespielt gewesene Flügel wurde hierbei gleich abgeholt - und dann in Berlin vertickt an irgendeinen wohlhabenden Liszt-Aficionado, unter Hinweis auf des Meisters heilige Finger zu einem anzunehmen sehr erheblichen Aufschlag...

Was mich daran interessiert, wären speziell die Hämmer und deren Authentizität. Ab wann Bechstein mit den Dolge-Zweifilzlagen-Hämmern arbeitete, ob schon von Anfang an, 1853, oder ob er in seinen ersten "Flügeljahren" erst noch mehrlagige Hämmer nach französischem Muster nutzte. Und ob das Saitenmaterial früher Bechstein-Flügel schon Stahldraht war, oder noch schmiedeeisern.

Begann Bechstein auch gleich 1853 mit Flügeln? Oder war es ähnlich wie bei Steinway, dass da paar Jährchen (Steinway ab 1856) vergingen, bevor er dann Flügel baute?

Eine richtige Geschichte derer Bechsteins scheint mir irgendwie noch geschrieben werden zu müssen...- unabhängig von dem, was Berenice Küppers, Ehefrau von Karl Schulze, mal zum 150. Jubiläum herausgab.
 
Ahh danke für den Literaturtip. Hatte ich noch nicht gesehen.

Ob das brauchbar ist, weiß ich dann in einigen Tagen. ;)
 

Ich habe den Titel seinerzeit nach Lektüre umgehend ins Book Crossing Regal gestellt. Gewiss erfährt man da allerlei historische Fakten, die aber leider garniert mit einer ranzelnden Portion Hymnik und, was die Nazi-Zeit angeht, einer die Grenze der Peinlichkeit streifenden Neigung zur Apologetik. Als ein historisches Werk im engeren Sinne würde ich es nicht bezeichnen.


Nachtrag: Folgende Rezension der SWR-Redaktion scheint mir das wesentliche zu treffen:
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Friedrich,

die Autorin brauchte wohl, anzunehmen, die bechsteinsche Verstattung zum Sichten der Archive. Das geht oft einher mit gewissen Kompromissen und Randbedingungen, zu denen eine Art "imprimatur" gehören dürfte, dass Bechstein dieses Buch gut, wichtig und richtig finde, dass im Vorwort vermutlich die gute Zusammenarbeit mit dem Bechstein-Archiv gelobt wird, und vice versa eine Empfehlung auf Buchkauf auf Bechstein-Webseiten zu finden ist.

All das erst nach Abfassung des Manuskriptes, Sichtung durch die Firmenleitung. Zu vermuten. So würde ich das tun, hieße ich Bechstein, oder Karl Schulze, oder Berenice Küppers, oder die Vertreter der von den Schulzes gekauft habenden heutigen Inhaber.

ich sehe das auch etwas kritisch, zumal ich "nebenan der Hochklasse-Hersteller" einen Zugang zu Steinway pflege, der der geschriebenen Firmenhistorie zwar nicht entgegensteht, aber in der Lage ist, einige Facetten beizutragen, die der Firmenjustitiar wohl nicht so gut fände, hätte ich im Steinway-Archiv kontrahiert, dass deren Inhalte nur mit päpstlicher Verstattung an die Öffentlichkeit dürften.

Dass Helene Bechstein den Adolf H aus B mit Kaviar und Schampus im Knast auf der Feste Landsberg versorgte, derweilen der sein übles Buch verzapfte, ist ja nun auch nichts Neues.

Es verbleibt meine damalige Wahl, in einem einzigen kleinen Hinterhofladen in Hannovers Bahnhofsgegend zwischen gleich zwei Konzertflügeln wählen gekonnt zu haben, einem Bechstein für 10.000 EUR und einem Steinway für knapp das Doppelte.

Wie ich wählte, weiß man. ;-)

Dennoch aber interessiert mich, unter welchen Bedingungen, irrungen und Wirren ein Klavierhersteller gut 150 Jahre jung werden konnte. Das waren durchgehend keine kleinen Doofen, die das schafften. Wozu zu bestimmten Zeiten leider auch eine gewisse Nähe zu den Herrschenden gehörte.

Was das Unternehmen böse bezahlte, indem in den letzten Kriegsjahren die wichtigste Ressource außer dem Knowhow, der Holzbestand, abfackelte...

Freundliche Grüße gen Franken
vom WEAS
 
PS NB nicht nur die Flügel sind damals ca. doppelt so teuer gewesen - die relevante Firmenhistorien-Bücher sind es auch. Selten mal was unter 50 EUR über Steinway zu bekommen....

Vielleicht stelle ich 25 EUR dann auch ins Book Crossing, glaube das aber nicht. Eher stibitzt es mir meine Madame, und schiebt es den Momox oder so unter... Sie mistet zZt. intensiv aus, alle zweidrei Wochen darf ich ein mächtiges Bücherpaket zum Versand schleppen, und muss immer fein aufpassen, dass sich meine Lieblingsliteratur darin nicht findet... Die war schon mächtig teuer... ;-) ,..,., was ihr alles so für lau zu lesen bekommt aus meinen frechen Fingern.
 

Seltsam für eine Produktion bei der Aufnahmetechniker und Klavierstimmer genannt werden.
 
Ich bin einigermaßen erstaunt darüber, wie anders der Flügel klingt, verglichen mit dem, wie ich es in Erinnerung habe:



Da kam er frisch aus der Werkstatt, einmal gestimmt und praktisch nicht intoniert, was man vor allem im Diskant bei Nutzung von una corda hört. Aber den Charakter des sehr hammerflügelhaften in der Mittellage bei Kits Aufnahme, den höre ich in meiner Aufnahme nicht, sondern ganz im Gegenteil wirklich rund, tragend und durchaus eher modern als historisch anmutend. Keine Ahnung, ob da was verändert wurde oder nur die Aufnahmetechnik die ausschlaggebende Rolle spielt und die meinige in dieser Hinsicht zu sehr beschönigend war.
 
Vielleicht, ich finde dass die Mittellage besser mit Diskant und Bässen harmoniert. Bei Kits Aufnahme finde ich Diskant und Bässe etwas dünn im Vergleich.
Also klanglich so, wie von Peter beschrieben.
 
Ich bin einigermaßen erstaunt darüber, wie anders der Flügel klingt, verglichen mit dem, wie ich es in Erinnerung habe:



Da kam er frisch aus der Werkstatt, einmal gestimmt und praktisch nicht intoniert, was man vor allem im Diskant bei Nutzung von una corda hört. Aber den Charakter des sehr hammerflügelhaften in der Mittellage bei Kits Aufnahme, den höre ich in meiner Aufnahme nicht, sondern ganz im Gegenteil wirklich rund, tragend und durchaus eher modern als historisch anmutend. Keine Ahnung, ob da was verändert wurde oder nur die Aufnahmetechnik die ausschlaggebende Rolle spielt und die meinige in dieser Hinsicht zu sehr beschönigend war.


Vom Klang her, würde ich jetzt nicht unbedingt einen Geradsaiter heraushören.

Aber generell hatte ich auch von sonstigen alten geradsaitigen Bechstein Instrumenten einen recht positiven Eindruck.

Wegen meiner, dürfte Bechstein die Produktion entsprechender Geradsaiter wieder aufnehmen.
 

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