Der Dichter spricht - Formanalyse - Hilfe!!

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chiarina

Guest
Hallo,

ich brauche mal euer gesammeltes Fachwissen.:) Im Moment erteile ich einem Gymnasiasten der 12. Klasse Nachhilfe in Musik (Grundkurs).
Nun nehmen sie gerade "Der Dichter spricht" von Schumann durch und erstellen eine Formanalyse etc..
Ich war nun völlig geplättet, als nun Teil A bis Takt 12 gehen und Teil B erst mit dem Rezitativ beginnen soll. Teil A' dann natürlich ab Takt 14.
Meiner Meinung nach beginnt Teil B schon in Takt 9:confused: und zwar aus folgenden Gründen:

1. Takt 9 beginnt wieder mit dem Anfang, wenn auch mit Achtelbewegung.

2. Das Rezitativ ergibt sich zwingend aus den vorhergehenden Takten 9 bis 12
- einmal aus den verminderten Akkorden und Fermaten heraus, die quasi den Eindruck entstehen lassen, der Dichter verliert sich, sucht, versucht es wieder, bleibt nochmals stehen und lässt seinen Gedanken im Rezitativ freien Lauf ( oder sucht weiter).
- dann auch harmonisch, denn die ersten Takte des Rezitativs beziehen sich harmonisch auf den verminderten Akkord der letzten Fermate.

3. Teil A' ist aus der fast naturgetreuen Wiederholung der Takte 1-8 aufgebaut mit anschließender Wiederholung des pp-Motivs und auskomponiertem (und tatsächlichen) ritardando bis zum Schluss (Tonika).

Was meint ihr???

Vielen Dank und viele Grüße

chiarina
 

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Da würde ich dir zustimmen, das ergibt mehr Sinn. Man bedenke auch, dass die Kadenz in Takt 8 eine sehr starke Schlusswirkung hat. Also wenn es Teile gibt: Da ist einer aus! :D
 
Man bedenke auch, dass die Kadenz in Takt 8 eine sehr starke Schlusswirkung hat. Also wenn es Teile gibt: Da ist einer aus! :D

hallo,

rhythmisch bietet Takt 8 dieselbe "schwache" Variante wie der Halbschluß in Takt 4, sodass ich die Schlußwirkung als nicht allzu hoch veranschlage (trotz der stockenden Kadenzwendung nach a-Moll)

gerade diese Wendung bringt den "Dichter" ja dazu, weiter zu machen :)

man kann den Verlauf präzisieren:
Takt 1-4 Thema mit Halbschluß auf der Dominante
Takt 5-8 Themavariante mit Kadenz zur Subdominantparallele (a-Moll)
Takt 9-10 verkürzte Themavariante (Halbschluß auf verminderter D79 )
Takt 11-12 verkürzte Themavariante (Halbschluß auf verminderter Dominantparalle bzw. verminderter Dominante zu e-Moll)
Takt 12 zweite Hälfte: ausnotiertes Rezitativ (harmonisch um e-Moll gelagert, spielt mit der verminderten Doppeldominante zu e-Moll, also Fis79, leitet sich thematisch aus den Verzierungen von Takt 5-8 ab)
Takt 13-16 Wiederholung von 1-4
Takt 17-20 Wiederholung von 5-8
Takt 21-25 ersetzt 9-12 durch eine retardierende Schlußfindung, die am Ende tatsächlich rhythmisch bestätigend auf der ersten Zählzeit dieses Gedich abschließt.

Soweit ich weiss, findet sich am Ende des in Takt 12 eingearbeiteten (wundervollen!!!) "Rezitativs" ein Doppelstrich - allein dieser teilt das Tongedicht schon in zwei Hälften.

Was die Proportionen betrifft:
4+4+4 Takte plus Rezitativ von 1-12
4+4+5 (!) Takte von 13-25

Ab Takt 13 finden wir eine Wiederholung, also ein Neuansetzen mit dem schon bekannten Material.

Auch das spricht für eine Zweiteilung.

der erste Großteil vermag keine Schlußkadenz zu finden und gerät wie meditierend in immer entferntetere Halbschlüsse (immer entlegenere Akkorde), so entlegen und fernab, dass sogar das rhythmische Taktgerüst aufgegeben wird (im freien Rezitativ)
der zweite Großteil findet einen Ausweg aus der stockenden Kadenzformel nach a-Moll und findet "dichterisch" auch zurück in die Grundtonart.

erster Teil: führt in eine Meditation in Abweichungen (Takt, Harmonik)
zweiter Teil: führt in eine Meditation über beruhigend abschließende Klänge (findet quasi heim)

Prinzipiell liegt eine zweiteilige Form vor, aber die geniale Ausweitung der formalen Proportionen (12 zu 13 Takten) durch das Rezitativ legt für das Empfinden eine Dreiteiligkeit nahe:
1. Teil 1-8
2. Teil 9-12
3.Teil 13-25

Streng formal zweiteilig, miterlebend/fühlend dreiteilig - und genau das hat der "Dichter" auch gewollt (versteckte Dreiteiligkeit)

Gruß, Rolf
 
Hallo Rolf,

tausend Dank für deine schnelle Antwort (und auch natürlich dir, kleines cis!)! Ich kann dir nur in allen Punkten zustimmen ( übrigens war A' ab Takt 14 ein Druckfehler, es muss natürlich Takt 13 heissen:D ).
Auch wenn man dieses Stück interpretiert, muss man, um das Rezitativ gut zu spielen, doch UNBEDINGT den Bogen vom Anfang der Phrase in Takt 9 spannen, finde ich. Nur dann ergibt das Rezitativ einen Sinn.
Nur blöd, das die Musiklehrerin meines Schülers offensichtlich ganz anderer Meinung ist, was die Form angeht:(.Mir ist es ein absolutes Rätsel, wie man Teil A bis zu Takt 12 (Fermate) denken kann.

Viele Grüße

chiarina
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mir ist es ein absolutes Rätsel, wie man Teil A bis zu Takt 12 (Fermate) denken kann.

hallo,

habe ich das nicht ausführlich erklärt?

Die Proportionen dieses Klavierstücks zeigen eine Zweiteiligkeit, die auch vom Verlauf bestätigt wird - aber diese Proportionen sind konstruktionsbedingt. Sie zeigen sich in der Anordnung:
Takt 1-12 führt in unentschlossene, sogar den Rhythmus außer Kraft setzende Bereiche (Rezitativ)
Takt 13-Schluß findet eine Lösung, die begütigend zur Tonika führt.

hinter dieser zweiteiligen Konstruktion verbirgt sich eine emotional wahrnehmbare Dreiteiligkeit, welche nicht zuletzt auf der Dauer der Formteile beruht: das Rezitativ (notiert als halber Takt) sprengt die zeitlichen Proportionen, dehnt sie aus - dehalb empfinden wir (und sollen das auch!) den Abschnitt mit dem Rezitativ als einen eigenen Teil - - also empfunden wird eine Dreiteiligkeit.

prinzipiell ist lesend und damit kompositorisch konstruiert eine Zweiteiligkeit richtig.

Gruß, Rolf
 
Hallo Rolf,

vielleicht (sicher!) habe ich mich nicht klar ausgedrückt.;). Denn die Musiklehrerin macht die Einteilung durchaus dreiteilig, aber eben Teil A bis zur Fermate Takt 12, dann ausschließlich das Rezitativ als Teil B :confused:und dann A' ab Takt 13.
Deine Begründung der zweiteiligen Form finde ich total überzeugend, aber du zählst dann das Rezitativ ja wohl zu Teil A, was den einzig möglichen Sinn ergibt.

Viele Grüße

chiarina
 
Denn die Musiklehrerin macht die Einteilung durchaus dreiteilig, aber eben Teil A bis zur Fermate Takt 12, dann ausschließlich das Rezitativ als Teil B :confused:und dann A' ab Takt 13.

hallo,

das ist merkwürdig - ich betrachte das Rezitativ nicht als gesonderten, sondern als einen integrativen Teil.

formal zweiteilig:
1. Teil Takt 1-12 - der erste Themengang führt ins Rezitativ
2. Teil Takt 13 -25 - die Wiederholung der Takte 1-8 führt zum G-Dur Schluß

emotional dreiteilig:
Takt 1-8 Themenvorstellung, akkordisch
Takt 9-12 Themavariante "in Bewegung begracht" (Achtelbewegung) bis ins Rezitativ
Takt 13-25 Themawiederholung mit Ritardando Rückleitung in die Tonika auf schwerer Zählzeit.

Die harmonische Offenheit von Takt 1-4 (Halbschluß) und 5-8 (Kadenz in die Subdominantparallele a-Moll) provoziert ein "weitermachen" - und genau dieses geschieht auf zweierlei Weise.

was den Verlauf betrifft:
das "in Bewegung setzen" führt in immer entlegenere Bereiche, sowohl harmonisch als auch rhythmisch (der Takt löst sich ja quasi auf) - die Wiederholung nach dem pianissimo "zerstäubtem" Rezitativ findet dann einen Ausweg.

Gruß, Rolf
 
Hallo Rolf,

ich bin wirklich froh, dass du es auch so siehst. Dann muss sich mein Schüler eben mit seiner Lehrerin auseinandersetzen oder auch nicht.

Vielen Dank noch mal und viele Grüße

chiarina
 
Also ohne jetzt so genau ins Detail zu gehen, ist es doch offensichtlich, daß es sich um eine ABA-Form handelt. B (Takt 9-12) ist ein improvisatorischer Teil, der zwar Motive und Harmonien des A-Teils verwendet, aber nicht im Sinne einer Wiederholung, sondern im Sinn einer freien Fantasie.
 

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