Latur
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- 19. Mai 2006
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Zur Auflockerung im Forum nun eine kleine Vorspielerfahrung von mir.
Und wieder einmal war es soweit, planmäßig zum Frühlingsfest meines Kollegs wurde ich wieder zum Vorspiel gezwungen ;.). Dieses Mal kein Prelude oder "Morning Mood", nein es wurde gleich etwas "Handfestes" verlangt. Wie wäre es mit einer Nocturne? Von Chopin? "Du spielst die Nummer zwei? Aus dem Opus neun? Sehr gut."
Erblassend senkte sich mein Haupt..."in vier Wochen? ", "Ähm, ja, wenns sein muss.."
Da war es wieder, das flaue Gefühl in der Magengegend. Ein Stück, welches ich eigentlich spielen kann, nur waren da noch die vielen "tricky" Stellen, viele Triller, die an ganz unpässlichen Stellen im Stück verlangt werden,
auch der Abschlusslauf, immerhin eine anspruchsvolle Koordinationsübung, ließ mich Böses ahnen. Wenn man im stillen Kämmerlein vor sich hin gestikuliert, ist das eine Sache. Zumindest aus der Sicht eines Anfängers.
Vor dem Lehrkörper und den Mitkollegiaten, die ja sozusagen meine Arbeitskollegen darstellen, ist das jedoch eine ganz andere Sache... .
Eine mögliche "Blamage" habe ich in diesem Umfeld schon immer als "Todesurteil" empfunden.
Da saß ich nun Zuhause, das Metronom konsquent auf 90 Schläge pro Minute geeicht, in den Werbepausen die verdammten Triller, die aus der Spielbewegung heraus mal klappten, und mal nicht, geeübt und gegen unangenehme Gefühlsregungen gekämpft, der Tag der "Hinrichtung" rückte schließlich immer näher.
Dann am Tag des Vorspiels, der mir beinahe erspart blieb, denn der Chor, der als Anlass der Zusammenkunft diente, war so uneinstudiert in seiner Darbietung, dass sich von Seiten des Verantwortlichen geweigert wurde, einen Auftritt zu wagen. Aber Druck von "oben" bewirkt manchmal so manche Schicksalswendung.
"Gut", dachte ich mir, "dann falle ich wenigstens nicht sonderlich auf..." Dennoch spendete mir dieser Gedanke wenig Trost, schließlich ging es ja um mich... .
Und ja, der Chor lag mit seiner Darbietung stimmlich teilweise etwas daneben, "Und nun ein Halbprofi am Klavier!". Ein verzweifelter Blick durch den Türbogen in meinen Raum, in dem ich mich versteckte. Eigentlich wollte ich mich unbeteilligt geben, mein Blick, ernst wie nach einem Todesfall in der Familie, war so ganz und gar nicht wie der eines Pianisten. Ein verzweifelter Blick zurück zum Verantwortlichen.
Raus in den Löwenkäfig. An das E-Piano gesetzt und erst einmal fachmänisch den Hocker richtig positioniert. Alle schauen mich an. War was? Achso, die Nocturne. Dies Irae schallt mir durch den Kopf. Ein Blick auf die Hände: sie zittern nicht, wie beim letzten Mal. Angefangen. Der Blick geht nicht über den Notenständer hinaus. Immer habe ich diese Apparatur verachtet, jetzt jedoch danke ich ihm für sein verständnisvolles
Hochgeklapptsein. Es läuft!!! Der Alptraum meiner schlaflosen Nächte bewahrheitet sich nicht, tatsächlich kann ich spielen, obwohl mir jemand zuhört. Auch die Triller klappen, andächtig lauscht die Menge meiner Darbietung.
Von meinem Nichtversagen angespornt, nehme ich den Schlusslauf in wahnsinnigem Tempo, und ach, werter Werther, du hast dich überschätzt.
Ein sehr falscher Ton verzerrt meine Mimik. Scheiße. Vorsichtig bringe ich das Stück zu Ende, der Rest klappt ohne Verfehlungen, mit dem Abschlussakkord glättet sich meine Miene.
Ich stehe auf und mache mich klein, unter Applaus verlasse ich den Ort meiner Darbietung.
Was nun? Schnell raus. Bevor es zu spät ist. Ich bahne meinen Weg durch die Menge.
Eine lobende Bemerkung löst die andere ab. Ein völlig Wildfremder schüttelt mir die Hand, "Herzlichen Glückwunsch!".
"Toll gespielt, diese Ausdrucksstärke..." schallt es von meiner Linken.
Mehr als einen "War was?"-Blick bringe ich gerade nicht zustande.
Der Stand mit den Fässern nähert sich.
Erst nach etwa drei Bier realisiere ich, dass ich vielleicht doch nicht ganz so schlecht war.
Langsam fühle ich mich gut, ich labe mich daran, Diabolos noch einmal ein Schnippchen geschlagen zu haben.
Ein fragender Kommentar des Verantwortlichen am späteren Abend bezüglich eines weiteren Vorspiels verdrängt das Bier wieder.
"Etwas von Liszt wäre schön, oder?"
Mein Blick wandert wieder zum Boden.
Ein lautes Atemgeräusch beantwortet die Frage.
Wo bleibt das Bier?
"Nach dem Vorspiel ist vor dem Vorspiel,
denn die Lämmer sind schließlich nicht zum Ansehen da...", schallt es mir durch den Kopf.
In Zufriedenheit und etwas Unbehagen wiege ich mich in den Schlaf... .
Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Und wieder einmal war es soweit, planmäßig zum Frühlingsfest meines Kollegs wurde ich wieder zum Vorspiel gezwungen ;.). Dieses Mal kein Prelude oder "Morning Mood", nein es wurde gleich etwas "Handfestes" verlangt. Wie wäre es mit einer Nocturne? Von Chopin? "Du spielst die Nummer zwei? Aus dem Opus neun? Sehr gut."
Erblassend senkte sich mein Haupt..."in vier Wochen? ", "Ähm, ja, wenns sein muss.."
Da war es wieder, das flaue Gefühl in der Magengegend. Ein Stück, welches ich eigentlich spielen kann, nur waren da noch die vielen "tricky" Stellen, viele Triller, die an ganz unpässlichen Stellen im Stück verlangt werden,
auch der Abschlusslauf, immerhin eine anspruchsvolle Koordinationsübung, ließ mich Böses ahnen. Wenn man im stillen Kämmerlein vor sich hin gestikuliert, ist das eine Sache. Zumindest aus der Sicht eines Anfängers.
Vor dem Lehrkörper und den Mitkollegiaten, die ja sozusagen meine Arbeitskollegen darstellen, ist das jedoch eine ganz andere Sache... .
Eine mögliche "Blamage" habe ich in diesem Umfeld schon immer als "Todesurteil" empfunden.
Da saß ich nun Zuhause, das Metronom konsquent auf 90 Schläge pro Minute geeicht, in den Werbepausen die verdammten Triller, die aus der Spielbewegung heraus mal klappten, und mal nicht, geeübt und gegen unangenehme Gefühlsregungen gekämpft, der Tag der "Hinrichtung" rückte schließlich immer näher.
Dann am Tag des Vorspiels, der mir beinahe erspart blieb, denn der Chor, der als Anlass der Zusammenkunft diente, war so uneinstudiert in seiner Darbietung, dass sich von Seiten des Verantwortlichen geweigert wurde, einen Auftritt zu wagen. Aber Druck von "oben" bewirkt manchmal so manche Schicksalswendung.
"Gut", dachte ich mir, "dann falle ich wenigstens nicht sonderlich auf..." Dennoch spendete mir dieser Gedanke wenig Trost, schließlich ging es ja um mich... .
Und ja, der Chor lag mit seiner Darbietung stimmlich teilweise etwas daneben, "Und nun ein Halbprofi am Klavier!". Ein verzweifelter Blick durch den Türbogen in meinen Raum, in dem ich mich versteckte. Eigentlich wollte ich mich unbeteilligt geben, mein Blick, ernst wie nach einem Todesfall in der Familie, war so ganz und gar nicht wie der eines Pianisten. Ein verzweifelter Blick zurück zum Verantwortlichen.
Raus in den Löwenkäfig. An das E-Piano gesetzt und erst einmal fachmänisch den Hocker richtig positioniert. Alle schauen mich an. War was? Achso, die Nocturne. Dies Irae schallt mir durch den Kopf. Ein Blick auf die Hände: sie zittern nicht, wie beim letzten Mal. Angefangen. Der Blick geht nicht über den Notenständer hinaus. Immer habe ich diese Apparatur verachtet, jetzt jedoch danke ich ihm für sein verständnisvolles
Hochgeklapptsein. Es läuft!!! Der Alptraum meiner schlaflosen Nächte bewahrheitet sich nicht, tatsächlich kann ich spielen, obwohl mir jemand zuhört. Auch die Triller klappen, andächtig lauscht die Menge meiner Darbietung.
Von meinem Nichtversagen angespornt, nehme ich den Schlusslauf in wahnsinnigem Tempo, und ach, werter Werther, du hast dich überschätzt.
Ein sehr falscher Ton verzerrt meine Mimik. Scheiße. Vorsichtig bringe ich das Stück zu Ende, der Rest klappt ohne Verfehlungen, mit dem Abschlussakkord glättet sich meine Miene.
Ich stehe auf und mache mich klein, unter Applaus verlasse ich den Ort meiner Darbietung.
Was nun? Schnell raus. Bevor es zu spät ist. Ich bahne meinen Weg durch die Menge.
Eine lobende Bemerkung löst die andere ab. Ein völlig Wildfremder schüttelt mir die Hand, "Herzlichen Glückwunsch!".
"Toll gespielt, diese Ausdrucksstärke..." schallt es von meiner Linken.
Mehr als einen "War was?"-Blick bringe ich gerade nicht zustande.
Der Stand mit den Fässern nähert sich.
Erst nach etwa drei Bier realisiere ich, dass ich vielleicht doch nicht ganz so schlecht war.
Langsam fühle ich mich gut, ich labe mich daran, Diabolos noch einmal ein Schnippchen geschlagen zu haben.
Ein fragender Kommentar des Verantwortlichen am späteren Abend bezüglich eines weiteren Vorspiels verdrängt das Bier wieder.
"Etwas von Liszt wäre schön, oder?"
Mein Blick wandert wieder zum Boden.
Ein lautes Atemgeräusch beantwortet die Frage.
Wo bleibt das Bier?
"Nach dem Vorspiel ist vor dem Vorspiel,
denn die Lämmer sind schließlich nicht zum Ansehen da...", schallt es mir durch den Kopf.
In Zufriedenheit und etwas Unbehagen wiege ich mich in den Schlaf... .
Ich verstehe die Welt nicht mehr.