Das Loch nach einem Konzert - paradox!

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viennapianoplayer94

viennapianoplayer94

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Hallo Clavioaner, Clavioisten, Clavioniken, etc.

Auf das Risiko hin, mich vollends lächerlich zu machen, überwinde ich mich über das Folgende zu schreiben:
Gestern und Vorgestern spielte ich wie jedes Jahr in den obligatorischen Klassenabenden, von denen der Vorgestrige nicht weiter nennenswert ist und dem für diesen Text folglich auch keine weitere Bedeutung zukommt.

Der gestrige Auftritt also stieß auf so rege Begeisterung*); die hätte ich mir noch nicht einmal zu träumen "gekonnt".
*)Eine Begeisterung, die ich als notorische Selbstkritikerin selbstredend nicht nachvollziehen kann.
Da stand ich nun, um mich herum der tobende Applaus und als plötzlich eine nette Dame aus dem Publikum aus der hintersten Reihe aufstand, um mir, die sie noch nicht einmal näher kannte, einen Blumenstrauß zu überreichen, hätte mein Glück doch gar nicht größer sein können. Nach dem Konzert, dass ich als Letzte dran war, sei an dieser Stelle noch erwähnt, folgte ein Besucher auf den nächsten mit Glückwünschen, Lob und wohlwollend-strahlendem Lächeln.
______________________________

und jetzt?


Wo ich doch der glücklichste Pianist auf Erden sein müsste - und dass mich diese Sache nach wie vor auch freudig stimmt, will ich nicht bestreiten - fühle ich paradoxerweise neben der stetig abklingenden Euphorie eine Leere, die mich noch "paradoxerweiserer" etwas traurig, wehmütig ist hier wohl das bessere Wort, stimmt.
Wochenlang hat man sich eifrig auf diesen Tag vorbereitet und binnen weniger Stunden ist alles herum.
Von diesen solch im wahrsten Sinne des Wortes berauschenden Stunden wieder auf den Boden der Realität zu fallen, hat alsbald mit einem tiefen Loch mehr Ähnlickeit als tatsächlichem Boden.


Bange Frage: Kennt ihr das ? :???::-?:-?

dennoch einen schönen Tag wünschend verbleibt,
viennapianoplayer94



 
Und ob. Ganz gewiss gebt es dafür auch einen Fachbegriff. Nach größeren Projekten falle ich regelmäßig in ein solches Loch - je erfolgreicher, je triumphaler, desto tiefer. Die monatelange Anspannung weicht und schafft Platz für irgendwelche Botenstoffe, die zur Entspannung "zwingen", nehme ich mal an. Erlebe ich gerade auch bei den Töchtern noch erfolgreichem Abschluss... und mein allertiefstes Loch war nach dem Studienabschluss...
 
Ich kenne das ebenfalls - aus dem Sport. Letztes Jahr habe ich meinen ersten Ironman (3,8km Schwimmen, 180km Radfahren, 42km Laufen) gefinished. Es war der emotionalste Tag in meinem Leben. Eine riesige Euphorie... Und dann kam das schwarze Loch. Ich hatte keinerlei Motivation mehr. Es hat dann eine Weile gedauert und dann kam die Motivation zurück.
 
Warte mal ab, bis du Abitur und Aufnahmeprüfung (innerhalb weniger Wochen / Monate) hinter dich gebracht hast. Dann wirst du wieder zum Loch zurückfinden... ;)

"Vor dem Loch" ist man angespannt und zielorientiert, und die Anspannung trägt einen immer weiter. Die Gedanken fokussieren sich auf diesen Zeitpunkt; das Danach wird nicht bedacht, außer vielleicht mit dem Vorbei-Sein des fokussierten Zeitpunkts.

Ins Loch fallen ist erlaubt. Wenn du kannst, lass dich ein bisschen hängen und gehen, üb ein paar Tage nicht, wenn du keine Lust hast, langweile dich, lieg in der Sonne rum, guck Fernsehn, lese, schlafe... Alles, was du vorher nicht getan hast, vermutlich, oder zumindest unter Anspannung.

Die Motivation wird zurückkommen, der Alltag auch. Früh genug ;)

ganz liebe Grüße
Stilblüte
(die jetzt gleich auch eine Prüfung hat :) )
 
Die Wahrscheinlichkeit in jenes "Loch" zu fallen ist vermutlich umso höher, je größer die vorherige "Übertreibung" war. Man weiß ja, dass man diese nicht mehr so schnell "toppen" kann, außerdem sind körperliche, emotionale und psychische Batterien leergesaugt - dann braucht man etwas Zeit und Abstand, um sich neu aufzuladen. Wenn man dieses Symptom kennt (aus eigener Erfahrung oder Erfahrungsberichten), kann man sich ja drauf einstellen (Sagt sich leicht, tut sich schwer!). In der Musik ist mir aufgefallen, dass sich Bands gerne nach den größten Erfolgen (=größte innere Anspannungen) auflösen; das ist einerseits paradox, auf der anderen Seite zeigt dies aber auch, dass der emotionale Preis, den Mitmusiker gefordert haben, für den "Erfolg" wohl zu hoch gewesen ist.
Nachtrag: Ich glaube im Prinzip sprichst Du mit dieser post-Bühnentraurigkeit sogar eine verbreitete Berufskrankheit an, über die oft in Medien berichtet wird.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Kenne ich auch, habt ihr auch klasse beschrieben.
Vielleicht kommt bei Klavierspielern nach einem Konzert noch anderes hinzu.

Man war nicht nur Zielorientiert und danach ziellos, sondern man hat auch etwas von sich gegeben bei dem Konzert. Man hat etwas sehr intimes mit dem Publikumgeteilt, kein wunder, wenn man sich danach leer fühlt.(Mal ab von der körperlichen Anspannung ;) )

Vielleicht helfen Freunde und Entspannung am besten drüber hinweg, du musst dich emotional neu auffüllen; auf eine nicht anstrengende art und weise.

Ich kenne es auch vom Sport, bei meinen tae kwon do Prüfungen habe ich das auch; Man arbeitet zielgerichtet WOCHEn lang auf diesen Tag zu, verausgabt sich bis zum letzten, man möchte ja alles zeigen udn geben und gerät an seine äußersten köerplichen Grenzen( Beim Klavier eben eher die emotionalen), danach hat man Tagelang Muskelkater, egal wie durchtrainiert man ist. Diese Zeit macht man keinen Sport, ruht sich aus und startet dann wieder ins Training(nächste prüfung ;) )

Also bei dir vielleicht wirklich mal nicht üben, sondern nur spielen, Freunde treffen, mit der Familie entspannen, wie stilblüte schon beschrieben hat.

Sei dir einfach bewusst, es sind keine negativen Gefühle, sondern das Fehlen der vorherigen Zielstrebigkeit und das Gefühl sich anderen Menschen geöffnet zu haben.

liebste Grüße

Makannyik
 
Liebe VPP,

ja, kenne ich ebenfalls. Unser Musikpsychologie-Dozent hat zu dem Thema übrigens interessanterweise gesagt, dass es völlig normal (und zudem äußerst wichtig für die Regeneration des Körpers und Geistes) sei, dass man sich ständig im Wechsel Spannung-Entspannung befindet. Unmittelbar vorm Konzert (die Woche, die Tage, die Stunden davor), steht man unter Strom, man ist auf einmal auch unglaublich leistungsfähig, was effektives Üben angeht - danach, wenn das Ziel erreicht ist, geht dieser Zustand der überhöhten Spannung nicht selten erstmal in einen der erniedrigten Spannung über, sozusagen als Ausgleich. Schließlich sollte es sich aber wieder auf der normalen Spannung einpendeln.

Das größte mir bekannte und real durchlebte musikalische Loch ist übrigens im Film "Shine" thematisiert - seit der Kindheit gab es DAS Zielstück Rachmaninov 3.Klavierkonzert und in dem Moment, wo das Ziel erreicht ist, geschieht der totale Absturz:
Shine (film) - Wikipedia, the free encyclopedia

So schlimm ist es bei dir hoffentlich nicht :)

Liebe Grüße,
Partita
 
Liebe VPP,

in Anwandlung eines ursprünglich böswilligen Kritikerwortes hat jemand
mal beim späten Brahms von der "Melancholie des Vermögens" gesprochen.
Was Du beschreibst, ist also völlig normal - was nicht heißt, daß es schön sei,
in dieses Loch zu fallen. Du lebst wochen-, monatelang auf ein bestimmtes Ereignis hin,
und nachdem dieses Ereignis eingetreten und für Dich erfolgreich gewesen ist,
spürst Du plötzlich Empfindungen wie Leere oder sogar Trauer .

Nun eines gibt es, das noch schlimmer wäre als diese Empfindungen,
nämlich, sie in diesem Augenblick n i c h t zu verspüren.

Stell Dir vor, Du wärst jetzt rundum zufrieden und hättest das Gefühl,
Dein Ziel erreicht zu haben - das wäre die eigentliche Katastrophe.
Es gäbe für Dich nach der jetzigen Ermattungsphase kein Ziel mehr,
das Du noch vor Augen hättest. Sei froh, wenn Dich ein beständiges
produktives Mißvergnügen an Dir selbst leitet, das Dich immer weiter voranführt.

Herzliche Grüße,

Gomez
 
Noch eine Frage meiner Seits:

Was machen Konzertpianisten? Die nahezu jeden Tag auf der Bühne stehen könnten?

Nehmen sie sich wochenlangen Urlaub? Stumpfen sie dem absolutem musikempfinden gegenüber ab? Distanziert man sich vom Konzerterlebnis und spult sein programm ab?

Ich glaub ich hab mal ein Interview Mit kissin gesehen, woer genau das beschreibt, dass man dem nicht verfallen dürfe.


gruß
 
Vorweg einen herzlichen Dank für die raschen (ei, das ging ja auch wirklich schnell!) Antworten, die bestätigen, dass ich n/doch nicht wahnsinnig geworden bin.
- je erfolgreicher, je triumphaler, desto tiefer.
Du sagst es!

Recht muss ich Euch natürlich allen geben!
Demotiviert bin ich allerdings, nur was das Klavier betrifft (!), nicht.
Im Gegenteil, ich kann mich noch weniger als sonst vom Instrument losreißen (und zuvor war dies schon schwer :)); vermutlich ebenso wie Künstler jeder Art sich in "Krisenzeiten" noch stärker in ihre Kunst vertiefen.

Laus Clavio, Seltsamerweise geht es mir bereits etwas besser!

LG,
VPP

EDIT: @Stilblüte, viel Glück!!!
 
Schnell die Gunst der Stunde (=nach etlichen Stunden wieder leichtes Hungergefühl) genutzt und etwas gegessen, erlaube ich mir jetzt meinen Senf, den ich nicht gegessen habe, sonst wäre er ja weg, zu Makannyik's Frage zu geben:
@Makannyik:
Ich kann Dir nur von mir berichten. Bei mir kommt es darauf an, wann das nächste Konzert stattfinden soll--> Je später ein Solches sein soll, desto verstimmter wird mir (ich habe also bereits etwas Erfahrung mit diesem leidigen Loch und wusste, was auf mich zukommen würde. Verhindern ließ es sich trotzdem nicht, gerade ob des reichlichem Beifalls.)
Letztes Jahr beispielsweise verlief der Klassenabend ebenfalls nach Bilderbuch, wiewohl den gestrigen Abend kaum mehr etwas zu übertrumpfen vermag, allerdings, stand mir 1 1/2 Monate danach der nächste Auftritt bevor, was mir doch sehr willlkommen war, aber nicht heißen will, dass mir die Misslaune gänzlich erspart blieb.
Vorrausgesetzt ich wäre eine weltberühmte Konzertpianistin, so ließen die Konzerte wohl nicht lange auf sich warten, ergo das Loch schrumpft kläglich dahin :D

So viel zu mir, der irren VPP (oder auch "tollen VPP"; der gerade so passenden Zweideutigkeit halber), die sich erneut mit einem Gruß verabschiedet:
Gruß!
 

Herzliche Gratulation zu Deinem gelungenen Konzert!

Die Intensität mit der Du das Loch erlebst zeigt Dir, wie emotional zu empfinden Du imstande bist. Freue Dich darüber, denn die Alternative wäre oberflächlich und ohne Höhen und Tiefen zu leben. Es wäre ein Tag wie der andere, ein Jahr wie das andere - vom Anfang bis zum Ende. Genieße die notwendige Entspannung als Gegenpol.

Grüße
Thomas
 
Hallo VPP,
mir sind derartige Löcher ebenfalls bekannt.
Ich glaube, man merkt daran auch, dass die Vorbereitung doch sehr anstrengend war.
Es ist auch gut, hin und wieder mal in ein Loch zu fallen, sofern es nicht zu tief ist.;)
Schützt es doch den erfolgreichen Spieler davor, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen- oder auch, sich zu sehr zu übernehmen, sollte das Loch zu tief sein!:)

Was hast du denn gespielt?

LG
violapiano
VP
 
Was machen Konzertpianisten? Die nahezu jeden Tag auf der Bühne stehen könnten?
je erfolgreicher, je triumphaler, desto tiefer.
Ich vermute, fisherman meint nicht den objektiven Erfolg, sondern den subjektiven. Je größer der subjektive Erfolg, also je größer das Ziel war, das man nun erreicht hat, desto tiefer. Konzertpianisten haben sicher nach einem Konzert ein anderes Gefühl, als ein Klavierstudent es nach selbigem Konzert hätte. Für den Studenten wäre es eine Meisterleistung, für den erfahrenen Pianisten quasi Alltag. Der Weg zum Konzert war für den Pianisten [(un-)mittelbar] nicht so weit, darum war weniger Spannung vorhanden, also fällt auch weniger Spannung ab. Große Spannung geht auch mit großen Neuerungen und großen, ungewohnten Belastungen einher.

Andres Beispiel: Wenn ein Gärtner einen Vortrag über Pflanzenkunde halten soll, bereitet er sich sicher intensiv darauf vor und ist aufgeregt. Hält denselben Vortrag ein Biologielehrer, sieht die Sache ganz anders aus, denn der tut das jeden Tag fünf Stunden lang.

@ VPP:
Ich kenne auch die fast zwanghafte Motivation, nach solchem Gelingen zu üben. Mir ging es so nach bestandener Aufnahmeprüfung, ich wollte auf Teufel komm raus ein bestimmtes, für mich damals wirklich schweres und ein bisschen unangemessenes Stück üben.
Nachdem ich wochenlang kaum (oder jedenfalls nicht befreit und guten Gewissens) etwas anderes üben konnte, als mein AP-Programm, bei dir dein Konzertprogramm, packt einen das Verlangen danach mit aller Kraft, oder es lässt eine Weile ganz nach.
Ich bin sogar mal früher aus einem Konzert rausgegangen, wo ich ein kleines Stück begleitet habe, und habe auf die obligatorische Rose am Ende verzichtet, weil ich so süchtig nach dem Weiterüben war.
Wenn du es nun hast, evtl. nach einem bestimmten Stück, nutze das unbedingt, denn solche Motivation bringt die größte Frucht. Innerhalb kürzester Zeit kann man das schwerste Zeug draufkriegen!
Wenns dir gut tut, sag deinem Lehrer, du willst mal drei Wochen deine Ruhe haben und nur für dich üben, ohne jede Woche etwas vorspielbereit zu haben.

Von mir auch ganz herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Konzert! Schreib mir doch mal per PN, wenn du magst, was du gespielt hast.

viele liebe Grüße!
Stilblüte

ps: Prüfung rum und ich fands gut. Mal sehen, wie die Profs das sehen :D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Guten Abend, alle,

Nochmals vielen lieben Dank für die Beiträge! Bevor ich wieder üben gehe (ich kann's kaum noch erwarten, so viel zu "zwanghafter Motivation"), sei noch schnell mein Konzertprogramm abgetippt:
Bach: Sinfonia #8 in F-Dur (BWV 794)
Schumann: Novellette #1 Op.21 in F-Dur
Beethoven: Sonate #7 Op.10 No.3 in D-Dur, davon allerdings nur den ersten Satz: Presto
Debussy: Claire de Lune

Jetzt aber versuche ich mich an Bachs Präludium und Fuge in d-moll,
liebe Grüße einstweilen,
vpp
 
... Bange Frage: Kennt ihr das ? :???::-?:-?


Hallo VPP, nein, kennen tue ich diesen Effekt nicht. Ich durchlebe aber auch keine analogen Situationen.
Vielleicht hängt alles damit zusammen, daß man "vorher" ein zwingendes Ziel und eine zwingende Motivation hatte - und all dieses fällt nach dem "Burst" (engl., damit meine ich das Konzert) auf einen Schlag weg. Es ist eben "vorbei"...

Und dem Menschen scheint es sehr gutzutun, starke Ziele und starke Motivationen zu spüren - vielleicht sogar mehr, als der rauschende Erfolg am Ende solcher Bemühungen (gewagte These)....?

Ansonsten:
schöne Grüße, Dreiklang

P.S. daß Klavierüben eine solche Magnetwirkung ausüben kann, war mir neu und hätte ich auch so nicht gedacht...
 
Ich vermute, fisherman meint nicht den objektiven Erfolg, sondern den subjektiven. Je größer der subjektive Erfolg, also je größer das Ziel war, das man nun erreicht hat, desto tiefer. Konzertpianisten haben sicher nach einem Konzert ein anderes Gefühl, als ein Klavierstudent es nach selbigem Konzert hätte.
So ähnlich ... Es ist keine Frage von Objektivität vs. Subjektivität, sondern der Häufigkeit des "Events".
 
Ähm, Klavirus, wie soll ich das verstehen? Ich habe das natürlich nicht auf meine zahlreichen Konzerte ;-) bezogen, sondern auf tolle Projekte im Berufsleben...
und das Abnehmen der "Löcher" mit zunehmender Häufgkeit der "Highs" (die dann aber auch Höhe verlieren!) - Es gibt im Leben nichts umsonst.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ach so, ich dacht...

bin auch grad von sonem Event rein und wart jetzt auf das Loch...
 

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