Daniil Trifonov in der Kölner Philharmonie

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schmickus

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Lieber pianojayjay,

einem deiner Nebensätze entnahm ich den heutigen Konzerttermin. Danke! Bin froh, noch eine Karte bekommen zu haben.
Was sind wir doch in einer privilegierten Lage: Innerhalb weniger Tage Jose Cura in Tosca, eine Oper von Braunfels, Sokolov und Trifonov! In den meisten Winkeln der Welt völlig unvorstellbar.
 
Na, das wird dann wohl wieder ein "Mini-Clavio-Treffen". :-)
 
Wir machen uns jetzt auf den Weg :)
 
Schmickus, Du hast mir aus der Seele geredet: Auch ich sehe es als Privileg die schönen Konzerte besuchen zu dürfen und selber Untericht nehmen zu können. Am Montag Sokolov, am Dienstag Unterricht, am Mittwoch Trifonov, heute eine Orchesterprobe (von 10:00 – 16:00 h, Mozart c-moll Messe und Jupiter bei der Eschenbach leider verhindert ist), am Freitag Konstantin Semilakovs in Bonn. Ich bin sehr dankbar dafür dies alles erleben zu dürfen. Zum Glück ist nicht jede Woche musikalisch derart ausgefüllt, denn sonst wäre es ja nicht mehr so außergewöhnlich.

Weil hier ja in letzter Zeit viel über Kritiken und Kritiker debattiert wird (und ich mich frage, warum noch kein Thema darüber eröffnet wurde) versuche ich mich an einer „Laienkritik“. Habt also Nachsicht mit mir. ;-)

Der „Junge Wilde“ stürmt wie eine Naturgewalt auf die Bühne, verpasst fast die Treppe weil er – den Blick fest auf den Flügel geheftet - fast die Abkürzung über die zwei Podeste genommen hätte. Als könne er nicht schnell genug am Flügel sitzen verbeugt sich der schmächtige junge Mann, der den Eindruck erweckt zwischen den Übeeinheiten kaum Nahrung zu sich zu nehmen, spärlich. Die seinen Fans geschuldeten Verbeugungen holt er später ausgiebig nach. Auch die Besucher in der Chorempore werden gewürdigt, die für manche Musiker nur eine architektonische Ausbuchtung im Rund des Konzertsaals zu sein scheint. Dann nimmt Herr Trifonov zügig und sichtbar energiegeladen Besitz vom Instrument indem er sich in Igor Strawinsky Serenade in A stürzt. Herr Trifonov entfesselt eine Klanggewalt die - im Wechsel mit sanften und fast hypnotisch wirkenden Tönen – die Zuhörer in den Bann zieht.

Nachdem ich vor einigen Tagen hier schon Stravinskys „Petroushka“ von Grigory Sokolov angehört habe (und so fasziniert war, dass mir hin und wieder der Atem gestockt hat) hat mich Stravinskys Serenade davon überzeugt, dass ich keinen Bogen mehr um des Komponisten Musik machen muss. Zu dessen Musik, die mir noch vor einem Jahr unverständlich war, habe ich immer mehr einen Zugang und ich denke, dass der Grund darin liegt, dass ich im Unterricht eben auch jene Stücke spiele, die sich mir anfangs musikalisch nicht erschließen. Stravinskys Serenade und Herr Trifonovs Vortrag haben mich unglaublich fasziniert.

Mit den wundervollen Klängen von Claude Debussys „Reflets dans l'eau aus Images I L 110“, dem Mouvement aus Images I L 110 sowie Auszügen aus Ravels „Miroirs“ hat Herr Trifonov die gesamte Bandbreite seiner pianistischen Fähigkeiten ausgebreitet. Von sanften und perlenden Klängen bis hin zu drängenden und forderenden Klängen hat er die gesamte pianistische Klangpalette gezeigt. Die Hände des Piansiten haben sich in den ruhigen Passagen wie ein Hauch über die Tasten bewegt und man mag sich gefragt haben, wieso man überhaupt einen Klang gehört hat, denn es war kein „Anschlagen“ der Tasten sondern ein Liebkosten, eine Streicheln gleich der Berührung eines Seidentuchs, das jemand über die Tasten zieht (war das jetzt poetisch?! ;-)).

Nach der Pause erklangen Schumanns „12 Études symphoniques op. 13“ in der ersten Fassung und auch hier hat Herr Trifonov keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die gesamte Bandbreite der Tastenklänge beherrscht. In den ppp gespielten Passagen schienen die Zuhörer den Atem angehalten zu haben, man hätte eine Stecknadel fallen hören, und sogar die hier und dort penetrant hörbaren Huster sind vertummt.

Mit drei Zugaben hat sich her Trifonov von seinen Anhängern verabschiedet um später am Signiertisch begeistert gefeiert zu werden.

Fazit: Es war ein wundervolles Konzerterlebnis.
 
Liebe Marlene,

ich finde, Du hast das schön ge- bzw. beschrieben. Du führst den Leser mit Deiner Schilderung sehr angenehm und plastisch durch das erlebte Konzert. Dabei verzichtest Du auf "reißerische Superlative" (weder in die positive, noch die negative Richtung) oder gar Seitenhiebe auf andere Pianisten (so etwas gehört auch nicht in eine Kritik, finde ich).

Viele Grüße
Dreiklang
(p.s. übrigens, ich selbst wäre wohl ein ziemlich lausiger Konzertkritik-Schreiber :-) von mir gäb's wahrscheinlich nur zu hören "Jawoll - ich war begeistert!" oder "Ne - hat sich nicht unbedingt gelohnt." :rauchen: Das kannst Du schon etwas besser)
 
Viel besser hätte man es nicht beschreiben können, es war der beste Ravel, den ich je gehört habe. Aber bei Strawinski geht es mir genau anders, ich mag Petrushka nicht und die Serenade gestern hat mir auch überhaupt nicht gefallen. die Musik war für mich absolut ohne Aussage und so geht es mir ständig! Vielleicht werden mich einige hier steinigen, aber sein Sacre ist für mich eines der furchtbarsten Werke die ich kenne, es wird zu keiner zeit den Weg in meine Sammlung finden!
 
Vielleicht werden mich einige hier steinigen, aber sein Sacre ist für mich eines der furchtbarsten Werke die ich kenne, es wird zu keiner zeit den Weg in meine Sammlung finden!

Das geht wohl vielen so, weswegen sich etwa der Bayerische Rundfunk verpflichtet fühlte, seine letzten Übertragung mit einem halb entschuldigenden, halb erklärenden Vorspann zu garnieren.
Und ich hätte es vor 20 Jahren auch noch so gesagt wie Du, heute nicht mehr. Ich denke, man muß von Zeit zu Zeit seine Einstellung zu ungeliebten Stücken überprüfen, denn auch das ist ein Weg, den Wunsch nach Entdeckung von Neuem zu erfüllen. Als ich 30 war, konnte ich übrigens Wagner auch nicht ausstehen ... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, ich mochte das Sacre schon zu schulzeiten nicht, ich habe es einmal in der Klavierversion von fazil Say live gehört, da mochte ich es nicht und neulich kam es im Radio, ich habe nach kurzer Zeit ausgeschaltet weil ich es unerträglich fand ;)
 
Jeremias, spring über Deinen Schatten und nähere Dich dem Frühlingsopfer nochmal mit Hilfe des Films "Rhythm is it" mit den Berliner Philharmonikern und Schülern aus Berlin. Ich fand den Sacre immer schon toll aber seitdem ich diesen bewegenden Film gesehen habe liebe ich ihn:-).

LG
Christian
 
Vielleicht werden mich einige hier steinigen, aber sein Sacre ist für mich eines der furchtbarsten Werke die ich kenne, es wird zu keiner zeit den Weg in meine Sammlung finden!
Zu diesen Werken gehört sicherlich auch Stockhausens Helikopter-Streichquartett... :dizzy:;-):-D

Weil ich mit "Sacre" auch noch fremdele werde ich mir heute Abend dies hier ansehen:

http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/programmkalender/sendung-524626.html
 
Jeremias, spring über Deinen Schatten und nähere Dich dem Frühlingsopfer nochmal mit Hilfe des Films "Rhythm is it" mit den Berliner Philharmonikern und Schülern aus Berlin. Ich fand den Sacre immer schon toll aber seitdem ich diesen bewegenden Film gesehen habe liebe ich ihn:-).

LG
Christian

Keine Chance! Im Schulunterricht gemacht, später nochmal im Konzert gehört (Version Fazil Say)... Ich mag Stravinsky einfach nicht. Ich mag weder das Sacre, noch Petrushka, egal in welcher Fassung.... wenn es anderen gefällt, gerne! Mir nicht ;)
 

Strawinsky hat sehr unterschiedliche kompositorische Phasen gehabt - Le Sacre du Printemps gehört sicherlich zu den progressivsten Werken des Meisters. Eine etwas leichtere Einstiegsdroge könnte vielleicht der Feuervogel sein, der noch viele spätromantische Züge aufweist:



3 Sätze daraus gibt es auch in einer sehr wirkungsvollen (leider exorbitant schwierigen) Klaviertranskription von Guido Agusti:



Vielleicht wird Pianojayjay ja doch noch ein Strawinsky-Anhänger?

LG, Mick
 
Keine Chance! Im Schulunterricht gemacht, später nochmal im Konzert gehört (Version Fazil Say)... Ich mag Stravinsky einfach nicht. Ich mag weder das Sacre, noch Petrushka, egal in welcher Fassung.... wenn es anderen gefällt, gerne! Mir nicht ;)

Der Film ist trotzdem sehenswert:-). Nach dem, was ich bisher von Dir hören durfte, habe ich vermutet, dass Dir die stark rhythmisch geprägte Musik von Stravinsky gefällt, so kann man sich irren. Eventuell kommt ja später noch die Lust auf ein Tänzchen:-):

http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=VcXTFRXenwI#t=0
 
Ich finde den Feuervogel unglaublich spannend - ich mag ihn, besonders den Anfang.

So, und nun wieder zurück zu Trifonovs Konzert am vorigen Mittwoch. Beim Lesen der Profikritik konnte ich mich eines Schmunzelns nicht erwehren.

Aus der Kölnischen Rundschau von Christoph Zimmermann:

Schon der Zwei-Tages-Abstand von Grigory Sokolovs und Daniil Trifonovs Köln-Recitals animiert zum Vergleich. Die Geburtsdaten beider Pianisten (1950 und 1991) liegen um fast zwei Generationen auseinander, in der außergewöhnlichen Wertschätzung durch Publikum und Kritik sind die beiden aber sehr nahe beieinander aufgestellt. Das Temperament trennt sie dann wieder. Sokolov gibt sich introvertiert und abgeschottet. Trifonov publikumszugewandt.

Bei seinem jüngsten Auftritt (nach dem Januar-Konzert mit Chopins zweitem Klavierkonzert) spurtete er zielstrebig aufs Podium und stürze sich geradezu auf sein Instrument, um Igor Strawinskys Serenade in A zu entflammen. Auch wenn sich Daniil Trifonov meditativer Musik mit aufrechter Haltung hingibt, scheint er unter Strom zu stehen. Bei Strawinskys oft sehr motorisch furios und sogar etwas aggressiv klingender Serenade konnte er sich so richtig austoben und tat dies auch.

Bei Claude Debussys „Reflets dans l’eau“ wie auch bei Maurice Ravels „Miroirs“ (ohne Schlusssatz) erlebte man keinen weichzeichnenden Sfumato-Ausdruck, sondern ein kühl glitzerndes Glasperlenspiel. Bestens getroffen wurden die sehr unterschiedlichen Stimmungen bei Ravel.

Trifonovs manuelle Konzentration und Anschlagsvaribilität musste bei einem so reich strukturierten Werk wie Robert Schumanns „Etude symphoniques“ zwangsläufig besondere Wirkung entfalten. Die an zwölfter Stelle platzierte fünfte „Anhang-Variation“ gelang unendlich zart. Auch der den Zugabenteil beschließende Chopin-Walzer besaß Delikatesse und Charme.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir hatten gestern auch das Trifonov#sche Vergnügen, in Schwetzingen im Barocktheater. Debussy, Chopin und der oben erwähnte Schumann. Bei Debussy und Chopin hatten wir den Eindruck, dass er's etwas auf die leichte Schulter nimmt... sogar das Pedal hat ganz oft ge'boingt'.
Aber der Schuman und die Zugaben waren allerstärkster Tobak. Immer toll, wenn man erleben darf, wie volltönig leise Passagen klingen können.
Er hängt aber am Flügel wie Frankenstein Junior, bei allem Respekt, aber.....

Na, es war ein wunderbarer Abend und den jungen Mann sehen wir hoffentlich wieder!
 

Danach hat mich @Barratt besorgt (im Thema Schmerzen beim Befolgen der Oktavierungszeichen) gefragt.

Gestern Abend - in der Kölner Philharmonie, kurz vor der Pause - sind die letzten Töne der Kreisleriana verklungen (mit ihr habe ich bis gestern Abend gefremdelt) als meine Sitznachbarin zur Rechten mich fragt, ob es mir gut geht. Die gleiche Frage habe ich wenige Minuten später in einer kleinen Gruppe von Clavionisten vernommen. Aber es war alles in bester Ordnung mit mir. Ich war fassungslos und überwältigt von diesen Klängen, von dieser Kreisleriana wie ich sie nie zuvor gehört habe. Diese Klänge, die Daniil Trifonov soeben dem Flügel entlockt hat, ließen mich die Kreisleriana wie neu komponiert erscheinen.

Ich könnte noch Stunden darüber erzählen, was gestern Abend in der Philharmonie passiert ist und jeder Superlativ wäre angemessen für Daniil Trifonovs Tastenkunst. Nicht nur ich habe mich gefragt, ob wir gerade den derzeit vermutlich weltbesten Pianisten erlebt haben.
 
Wow, dann freue ich mich umso mehr auf ihn am 29.4. in Heidelberg - leider zu Ungunsten des Claviotreffens in Zwickau...
 
Zu große Vergötterung sollte man aber nicht betreiben. Trifonov ist jemand, der sehr gut Klavier spielt. Aber er ist nicht Mozart. Auch nicht Horowitz (noch nicht...).
 
Auch ich war gestern Abend in Köln,begleitet von Violina, die bis gestern Mittag noch nichts von ihrem Glück wusste. Da meine Frau aber krank war bzw. Noch ist, hatte ich eine Karte übrig.

Die Kinderszenen waren für mich etwas unausgewogen. Teilweise wurden sie dann doch wie kleine Virtuosenstücke gespielt, mir fehlte auch etwas Ruhe und klangliche Variabilität. Die toccata war mein Highlight vor der Pause, das macht ihm so schnell keiner nach. Die Kreisleriana hat mir indes nicht so gut gefallen. Ich habe die Tempi nicht verstanden, auch hier fehlte mir ein wenig das Besondere. Mittendrin kam bei mir auch etwas wie Langeweile auf, kein gutes Zeichen.

Highlight waren für mich die 5 Präludien und Fugen von schostakowitsch. Diese gerieten grandios und waren eine absolut runde Sache. Petrushka war natürlich grandios gespielt, mit ihr kann ich mich nur leider nicht anfreunden. Eine Zugabe, vermutlich Medtner, standing ovations!
 

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