Schmickus, Du hast mir aus der Seele geredet: Auch ich sehe es als Privileg die schönen Konzerte besuchen zu dürfen und selber Untericht nehmen zu können. Am Montag Sokolov, am Dienstag Unterricht, am Mittwoch Trifonov, heute eine Orchesterprobe (von 10:00 – 16:00 h, Mozart c-moll Messe und Jupiter bei der Eschenbach leider verhindert ist), am Freitag Konstantin Semilakovs in Bonn. Ich bin sehr dankbar dafür dies alles erleben zu dürfen. Zum Glück ist nicht jede Woche musikalisch derart ausgefüllt, denn sonst wäre es ja nicht mehr so außergewöhnlich.
Weil hier ja in letzter Zeit viel über Kritiken und Kritiker debattiert wird (und ich mich frage, warum noch kein Thema darüber eröffnet wurde) versuche ich mich an einer „Laienkritik“. Habt also Nachsicht mit mir.
Der „Junge Wilde“ stürmt wie eine Naturgewalt auf die Bühne, verpasst fast die Treppe weil er – den Blick fest auf den Flügel geheftet - fast die Abkürzung über die zwei Podeste genommen hätte. Als könne er nicht schnell genug am Flügel sitzen verbeugt sich der schmächtige junge Mann, der den Eindruck erweckt zwischen den Übeeinheiten kaum Nahrung zu sich zu nehmen, spärlich. Die seinen Fans geschuldeten Verbeugungen holt er später ausgiebig nach. Auch die Besucher in der Chorempore werden gewürdigt, die für manche Musiker nur eine architektonische Ausbuchtung im Rund des Konzertsaals zu sein scheint. Dann nimmt Herr Trifonov zügig und sichtbar energiegeladen Besitz vom Instrument indem er sich in Igor Strawinsky Serenade in A stürzt. Herr Trifonov entfesselt eine Klanggewalt die - im Wechsel mit sanften und fast hypnotisch wirkenden Tönen – die Zuhörer in den Bann zieht.
Nachdem ich vor einigen Tagen hier schon Stravinskys „Petroushka“ von Grigory Sokolov angehört habe (und so fasziniert war, dass mir hin und wieder der Atem gestockt hat) hat mich Stravinskys Serenade davon überzeugt, dass ich keinen Bogen mehr um des Komponisten Musik machen muss. Zu dessen Musik, die mir noch vor einem Jahr unverständlich war, habe ich immer mehr einen Zugang und ich denke, dass der Grund darin liegt, dass ich im Unterricht eben auch jene Stücke spiele, die sich mir anfangs musikalisch nicht erschließen. Stravinskys Serenade und Herr Trifonovs Vortrag haben mich unglaublich fasziniert.
Mit den wundervollen Klängen von Claude Debussys „Reflets dans l'eau aus Images I L 110“, dem Mouvement aus Images I L 110 sowie Auszügen aus Ravels „Miroirs“ hat Herr Trifonov die gesamte Bandbreite seiner pianistischen Fähigkeiten ausgebreitet. Von sanften und perlenden Klängen bis hin zu drängenden und forderenden Klängen hat er die gesamte pianistische Klangpalette gezeigt. Die Hände des Piansiten haben sich in den ruhigen Passagen wie ein Hauch über die Tasten bewegt und man mag sich gefragt haben, wieso man überhaupt einen Klang gehört hat, denn es war kein „Anschlagen“ der Tasten sondern ein Liebkosten, eine Streicheln gleich der Berührung eines Seidentuchs, das jemand über die Tasten zieht (war das jetzt poetisch?!

).
Nach der Pause erklangen Schumanns „12 Études symphoniques op. 13“ in der ersten Fassung und auch hier hat Herr Trifonov keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die gesamte Bandbreite der Tastenklänge beherrscht. In den ppp gespielten Passagen schienen die Zuhörer den Atem angehalten zu haben, man hätte eine Stecknadel fallen hören, und sogar die hier und dort penetrant hörbaren Huster sind vertummt.
Mit drei Zugaben hat sich her Trifonov von seinen Anhängern verabschiedet um später am Signiertisch begeistert gefeiert zu werden.
Fazit: Es war ein wundervolles Konzerterlebnis.