Continuo

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Gibt es hier jemanden, der Interesse am Austausch über Continuospiel hat? In der nächsten Zeit geht es mir vor allem darum, jenseits der Grundlagen des "lehrbuchmäßigen" vierstimmigen Spiels einen freieren Stil zu lernen, wie er ja nachweislich praktiziert wurde, hier z.B. von Daube 1756 als "dritte Art" des Generallbassspiels bezeichnet, neben der konventionellen Art und der Rezitativbegleitung:

"Der vortreffliche J.S. Bach besaß diese dritte Art im höchsten Grad. Durch ihn musste die Oberstimme brilliren. Er gab ihr durch sein grundgeschicktes Accompagniren das Leben, wenn sie keines hatte. Er wusste sie, entweder mit der rechten oder lincken Hand so geschickt nachzuahmen, oder ihr unversehens ein Gegenthema anzubringen, daß der Zuhörer schwören sollte, es wäre mit allem Fleiß so gesetzt worden [...] Ueberhaupt sein Accompagniren war allezeit wie eine mit dem größten Fleiße ausgearbeitete, und der Oberstimme an die Seite gesetzte concertirende Stimme" (zitiert nach S. Rampe: "Generalbasspraxis 1600-1800").

Virtuose Continuospieler improvisieren das ganz oder in Teilen. Aber mein Lehrer meinte, ich solle dafür am Anfang möglichst viele Übungen ganz oder zumindest teilweise ausschreiben; auch von anderen sehr guten Continuospielern habe ich gehört, dass das Ausarbeiten ein wichtiger Teil ihres Lernens war. Auf der Basis von Geschriebenem könnte man sich ja auch über den Unterricht hinaus gelegentlich mit anderen austauschen. Das ist natürlich nur sinnvoll, wenn sich mehrere Interessierte auch tatsächlich aktiv an so einem Austausch beteiligen. Ich stelle es hier einmal in den Raum...
 
Das ist ein schönes Thema.
Continio habe ich in Bach-Kantaten und WO , Messias von Händel, und vieles mehr gespielt.
Ich glaube kaum, dass du hier noch jemanden triffst der darin Erfahrung hat.
Eventuell @mick. Der lässt aber jede Orgel abreissen, wenn der Bratscher die anderen Mitwirkenden nicht mehr sieht oder hört. Oder so.
Bis demnächst.

Gauf! :017:
 
Ja, gibt es. Ich habe mal Kirchenmusik und Cembalo studiert, da gehörte das zum Lehrplan.

Schön!
Erste Aufgabe.
Am 3. Advent führe ich mit meiner Enkeltochter im Gottesdienst u. A. "Erwach, frohlocke" von Händel im Gottesdienst auf. Zur Verfügung stehen eine vorzügliche Eule-Orgel von 1986 mit 2 Manualen und Pedal, 23 Register, der Klavierauszug von Händel, meine Enkeltochter und ich altermann.
Die linke Hand und das Pedal würde ich als Continuo betreiben. Da ist der Klavierauszug schon mal dürftig. Die rechte Hand spielt auf einem anderen Manual die Läufer, oder so. Jetzt geht es los. Wie fülle ich die Mittelstimmen auf, ohne die Kritik von @mick zu Recht ertragen zu müssen. Ich muss nochmals erwähnen, dass ich keinerlei Abschluss als Kirchenmusiker in Form von Schein vorlegen kann. Trotzdem versuche das Beste draus zu machen. Ob immer Alles richtig ist, weiß der Geier.
Es wäre sehr schön, wenn ihr Profis (oder so) euch den Klavierauszug hernehmt und mir per PN oder auch hier öffentlich eure Vorschläge zum Werkle sendet.

Gauf! :017:
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie fülle ich die Mittelstimmen auf, ohne die Kritik von @mick zu Recht ertragen zu müssen.

1. Füll nicht zuviel auf. Oft reicht es schon, wenn die linke Hand einen oder zwei Töne zu greifen hat.
2. Versuche, parallele Quinten zwischen linker Hand und Baßstimme zu vermeiden.
3. Spiele es Mick nicht vor. Der wird immer etwas zu meckern finden.
 
1. Füll nicht zuviel auf. Oft reicht es schon, wenn die linke Hand einen oder zwei Töne zu greifen hat.
2. Versuche, parallele Quinten zwischen linker Hand und Baßstimme zu vermeiden.
3. Spiele es Mick nicht vor. Der wird immer etwas zu meckern finden.

Danke für deine Antwort.
Daraus entnehme ich, dass die Notierung des Klavierauszuges reicht. Das wäre weitestgehend eine Begleitung in der Form eines Trios. Ich will aber gerne mehr. Mal schauen, ob sich noch andere Fachleute an meinem Thema beteiligen wollen.

:017:
 

Daraus entnehme ich, dass die Notierung des Klavierauszuges reicht. Das wäre weitestgehend eine Begleitung in der Form eines Trios. Ich will aber gerne mehr.
In der Praxis wird es sehr oft ausreichen, den Klavierauszug manualiter zu realisieren und bei Orchestertutti-Passagen (forte) die Generalbasslinie in die (angehängte) Pedalstimme zu legen, zu der man ein unaufdringliches 16'-Register ergänzen darf. Wenn dann die linke Hand noch ein bis zwei Akkordtöne beisteuert, ist das Maximum schnell erreicht. Wer dann immer noch mehr will, vergrößert seine Chancen nachhaltig, klanglich unbefriedigende Parallelführungen in den Satz einzuarbeiten und mit Verdopplungen den Tempofluss zu behindern.

Sage ich mal so nach mehreren Messias-Einstudierungen als Korrepetitor und Aufführungen (plus CD-Aufnahmen) am Cembalo, auch für 2020 steht im Terminkalender wieder zweimal Messias drin. Begleitet man einzelne Soloarien an der Orgel, ist die Situation freilich eine andere als bei Aufführungen mit Orchester. Gefragt ist dann eine Kombination aus Klavierauszugs-, Continuo- und Triospiel, soweit einem nicht nur ein pedalloses Orgelpositiv zur Verfügung steht. Bei zwei Manualen, Pedal und 23 Registern steht eher die Gefahr im Raum, zu viel als zu wenig zu machen. Vor drei Wochen hatte ich bei einer Hochzeit bei Bach/Gounods Ave Maria eine Kammersängerin eines großen deutschen Opernhauses (Tante der Braut) an der Orgel zu begleiten. Diese ist auf DuRöhre als Solistin großer Altpartien von Wagner und Strauss (zweimal Richard) in Aktion zu erleben und wahrlich nicht eines nicht tragfähigen kleinen Stimmchens verdächtig. Auch hier genügte eine recht sparsame Registrierung vollauf zur Erzielung einer unaufdringlichen und unterstützenden Begleitung.

LG von Rheinkultur
 
Die linke Hand und das Pedal würde ich als Continuo betreiben. Da ist der Klavierauszug schon mal dürftig. Die rechte Hand spielt auf einem anderen Manual die Läufer, oder so.
Die Sechzehntelläufe führen als Violinstimme oftmals den Part der Solostimme dialogisierend weiter. Deshalb könnte man diese gut auf einem getrennten Manual mit Continuo-Registrierung plus einem "streichenden" 4'-Register ausführen, die sich bestmöglich ans Timbre der Solistin anpasst.

Was willst du denn mehr? Mehr als ein Trio hat Händel doch auch nicht komponiert. Wenn du den Continuo richtig fett aussetzt, hört man deine Enkelin vielleicht nicht mehr.
Die auf die Viertel gelegten zusätzlichen ein bis zwei Akkordtöne aus dem Continuopart sind in die marktgängigen Klavierauszüge meist eingearbeitet. Noch mehr "machen" bedeutet meist nur Überfrachtung des Satzes und überzeugt klanglich nicht. Wahrscheinlicher ist ein Ungleichgewicht zwischen Solopart und Begleitung und eine Beeinträchtigung des recht zügig fließenden Grundtempos. Selbst dann, wenn die Stimme der Enkelin nicht komplett zugedeckt wird.

LG von Rheinkultur
 
Ich schließe mich an. Der Klavierauszug sollte reichen. Die Harmonik wird ja ohnehin klar und das Ganze muss ja noch spielbar sein.
Auf yt gibt es Andre Isoir mit einer Version von Bachs "Wachet auf", wo er das Continuo aussetzt. Ob es ein Gewinn ist?
 
Auf yt gibt es Andre Isoir mit einer Version von Bachs "Wachet auf", wo er das Continuo aussetzt. Ob es ein Gewinn ist?

Ähnliches hat auch Kempff in seiner Klaviertranskription gemacht. Das wirkt einfach nur überladen. Bach hat doch selbst schon erkannt, dass der Continuo auf der Orgel überhaupt nicht notwendig ist. :blöd:

Und so ist das auch bei dieser Händel-Arie. Wäre es ein Adagio-Satz, müsste man sicher einen etwas großzügiger ausgesetzten Continuo spielen, weil längere leere Quinten oder Oktaven sonst dünn wirken. In diesem Koloratur-Satz ist es schlichtweg nicht nötig.

Ich würde übrigens nicht den Klavierauszug nehmen, sondern die Partitur. Die ist deutlich übersichtlicher, weil man klarer erkennt, wo die obligaten Violinen spielen und wo nur Continuo-Begleitung ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

Was willst du denn mehr? Mehr als ein Trio hat Händel doch auch nicht komponiert. Wenn du den Continuo richtig fett aussetzt, hört man deine Enkelin vielleicht nicht mehr. Singt sie denn so schlecht, dass du sie unbedingt zudecken musst? :017:

Meine Enkeltochter singt auf Bundeswettbewerb-Niveau. Sie ist 18 Jahre alt und hat schon viele Jahre Gesangsunterricht. Unter anderem am Robert Schumann Konservatorium in Zwickau. Es war meinerseits so eine Idee, die linke Hand und das Pedal 3-4 stimmig auszuführen. Mit der rechten Hand auf anderem Manual die solistischen Takte. Es ist aber schon so, dass ein Gedackt 8' deutlich fetter rüberkommt als ein Cembalo. Probiert habe ich schon, die Mittelstimmen aufzufüllen. Hat mich aber nicht überzeugt.
Das Thema "Continuo" ist sicherlich noch nicht ausreichend besprochen.

:017:
 
Es ist aber schon so, dass ein Gedackt 8' deutlich fetter rüberkommt als ein Cembalo.
Nicht unbedingt. Die flämischen Cembali, die sich sehr gut zum Continuo-Spiel eignen, haben einen durchaus fetten Klang mit langem Nachhall. Davon abgesehen, wurde im Barock - gerade bei geistlicher Musik - meist die Orgel als Continuo-Instrument verwendet, oft sogar noch durch weitere Instrumente (Cembalo, Theorbe) verstärkt. Wenn dein Gedackt nicht eine riesige Mensur hat, sollte das eigentlich gehen - solange du die linke Hand nicht durchgehend 3-4-stimmig aussetzt. Außerdem solltest du darauf achten, nicht in eine zu hohe Lage zu kommen. Solange die Singstimme immer die Oberstimme bleibt, ist alles gut.
 
Nicht unbedingt. Die flämischen Cembali, die sich sehr gut zum Continuo-Spiel eignen, haben einen durchaus fetten Klang mit langem Nachhall. Davon abgesehen, wurde im Barock - gerade bei geistlicher Musik - meist die Orgel als Continuo-Instrument verwendet, oft sogar noch durch weitere Instrumente (Cembalo, Theorbe) verstärkt. Wenn dein Gedackt nicht eine riesige Mensur hat, sollte das eigentlich gehen - solange du die linke Hand nicht durchgehend 3-4-stimmig aussetzt. Außerdem solltest du darauf achten, nicht in eine zu hohe Lage zu kommen. Solange die Singstimme immer die Oberstimme bleibt, ist alles gut.

Es ist ein Weitgedackt. Mit anderen Worten, gut mischfähig und wächst mit. Steht klanglich wunderbar im Raum.
 
Ich finde grundsätzlich bei barocker Orgel: Je weniger, desto schöner. Je klarer die Register, desto durchsichtiger. Aber ich bin ja auch Pianistin. Der Vorteil des Dauerklangs des Orgeltons kann bei Klavierauszügen schonmal zum Nachteil werden....
 
Der Vorteil des Dauerklangs des Orgeltons kann bei Klavierauszügen schonmal zum Nachteil werden....

Dafür lohnt sich fast ein neuer Faden. Was meinst du mit Dauerton? Beim Loslassen der Taste strömt üblicherweise keine weitere Luft in die Pfeife und alles, was vom Ton bleibt, ist der Nachhall, der je nach Kirchengebäude kurz oder lang ist.

@altermann die Beschreibung eures Gedackt klingt schon mal gut, probiert es halt einfach aus. Ansonsten stimme ich den Vorrednern zu, weniger ist oft mehr. Ihr findet aber sicher eine schöne Lösung, die sowohl dem Gesang als auch der Orgel gerecht wird.
 
nun, Klavierauszüge sind ja für Klavier geschrieben. Bei diesem dauert kein Ton gleichbleibend bis zum Ende seines Wertes. Das Klavier spielt immer decrescendo. Nicht so die Orgel. Eine ganze Note klingt gleichlaut vier Schläge. Wenn ich jetzt einen Klavierauszug spiele, so sind die Sätze dort oft recht üppig. Spielt man notengetreu, kann es passieren, daß der Satz unbotmäßig dick wirkt, weil jeder Ton die gleiche Lautstärke verströmt. Dann ist entschlacken die Devise.:001:
 

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