C.T. Bechstein Mod C von 1879

Peter

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Bechsteinfan
Mod
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Es geht um die von Agraffentoni gefundene Anzeige:
Antiker Bechstein Flügel, gut erhalten | eBay
Meine allererste Handlung (danke Klavierbauermeister): Ich schloss alle Deckel und siehe da: Krumm wie eine Banane. Der Verläufer (ein Klavierspieler "wie Du und ich", aber auf höherem Level wie ich) war erst mal unheimlich verblüfft, was ich denn für Kenntnisse hätte (haha).
Nun gut, ich hatte schon im Kopf Klavierbauemeisters Worte "lass die Finger davon". Aber wenn ich schon mal da bin, Deckel wieder auf, geschaut und paar Fotos gemacht.
Erkennen konnte ich:
- die Hämmer haben kaum Einkerbungen (wurden mal abgezogen)
- Wirbel wurden erneuert (siehe Bild mit Rechnung)
- ein paar kurze und ein längerer Riss an den Wirbeln
- ein paar komisch aussehende (verdrillte?) Basssaiten
- keine Risse im Resonanzboden (von oben und unten geschaut)
- und eben den Verzug der dem Stimmstock vorgesetzten Leiste
- Tastaturdeckel klemmt bei offenem Zustand (was vermutlich mit dem Verzug zusammenhängt?)

Nun habe ich den Fehler gemacht und habe mich rangesetzt. Boahhh!!!! Ok, mein Gehör ist versaut und nichts Gutes gewohnt, aber das hat mich dann doch vom Hocker gehauen. So ein geiler Klang. Der Bass ist voll und rund und stark, die Mitten klar, allein die Höhen (die letzten zwei Oktaven) klingen merkwürdig. Die Dämpfer der ersten 4-5 Basseiten dämpfen nicht mehr richtig (sicher nur ne Einstellungssache?). Insgesamt sehr klar, warm (nicht weich) und voluminös. Klang lässt sich immer so schwer beschreiben....
Spielbarkeit empfinde ich als sehr gut. Keine Taste, die irgend wie unregelmäßig oder komisch wirkte. Leichter Anschlag. Ein oder 2 Tasten hatten mechanische Klappergeräusche.
Damit ich auch mal von weiter weg höre, habe ich ihn mal spielen lassen. Spätestens jetzt war´s mit der Vernunft vorbei. Was ein Klang. Gut, dass ich kein Geld weiter dabei hatte und das Ding so schwer ist...ich hätte es mir glatt unter den Arm genommen. :)
Die Stimmhaltung scheint mir sehr gut: Es wurde das letzte mal im März 2009 gestimmt und ist nur sehr wenig verstimmt. Für einen Laien kaum hörbar (wenn ich dagegen mir bekannte Klaviere anhöre, die sind nach 6 Monaten nicht mehr zu ertragen).
Der Verkäufer hat das Ding vor 4 Jahren gekauft, weil er bei einem Budget von 10.000 € kein Klavier fand, was auch nur annähernd so einen Flügelklang hat. Jetzt zieht er in ne kleine Bude und muss das Ding loswerden.

Nun die Frage an die Spezies:
Kann man bei so einem Preis (ich rechne mit 3-4000 €) was verkehrt machen? Es müssen sicher einige Sachen wie Stimmen, intonieren, bissel was nachstellen/regulieren gemacht werden. Was sind die Nachteile eines verzogenen Stimmstockes, außer, dass er verzogen ist? Was kann mit dem verzogenen Stimmstock noch passieren? Wenn was passiert, wie teuer könnte der so schwierige Einbau eines neuen werden?

Hier noch die Bilder*. Ich hoffe, man kann bissel was erkennen. Sehr deutlich sieht man den Verzug, das Spaltmaß zum Deckel beträgt am Rand ca. 1 cm, in der Mitte liegt er auf.

Galerie: Bechstein - abload.de

* Bissel längere Ladezeit, aber ich wollte die Auflösung beibehalten
 
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Ein interessantes Objekt! Es kommt drauf an, wie groß dein Budget ist, was du für Reparaturen bereit bist auszugeben. Die klanglichen Vorzüge eines solchen Instruments, speziell der alten Bechsteine, hast du ja schon erlebt bzw. haben dich schon gepackt:-) Ich kanns verstehen.

Meiner Erfahrung nach muss man bei Bechstein ab 1900 keine Abstriche mehr im Diskant machen, der ist dann perfekt. Warum derselbe bei älteren Instrumenten etwas matt ist, weiß ich nicht. Das müssen Techniker erklären.
 
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Hallo Peter,

zu den Basssaiten: die "verdrillten" Saiten sind nicht defekt oder so, das ist einfach eine bestimmte Wicklungstechnik, die man halt nicht so häufig sieht. Was diese Technik für Vorteile (bzw. Nachteile) bietet, kann ich nicht sagen, vielleicht kann sich ja mal ein Fachmann dazu äußern?

Bin echt gespannt, was aus dem Flügel noch wird ;)

Gruß Jonathan
 
Hallo Peter,

da habe ich mit Spannung drauf gewartet - danke, daß du uns an der Besichtigung teilhaben lässt! Ich bin kein Fachmann, aber als Laie würde ich sagen: wenn er gut klingt und die Stimmung hält, warum nicht? Der rißfreie Resoboden lässt auf gute Pflege schließen (man sieht auch auf einem der Fotos die Halteschellen für Feuchthaltestangen), der verbogene Stimmstock ist wohl eher ein Konstruktionsfehler, da überlasse ich das Urteil über mögliche Folgen den Fachleuten, allerdings ist laut meinem Klavierstimmer kein Bechstein auch nur ansatzweise irgendwo gerade. Die Klackergeräusche lassen sich beheben (Michael hat bei meinem in kurzer Zeit 20 Hammerachsen erneuert, womit das Thema Klackern erledigt war). Klar, wenn die Fachleute sagen: der Stimmstock fliegt dir demnächst um die Ohren, würde ich mir das überlegen, ansonsten: Zugreifen.

Grüße,
Martin
 
Was sagte denn Michael zu deinem Bechstein, Martin?
 
Wenn der Bechstein tatsächlich die Stimmung hält und auch sonst sehr gut im Klang ist, nehm ihn. Die Hammerköpfe neu zu befilzen ist nicht sooo die Aktion, der Riß im Resonanzboden kann durchaus optischer Natur sein. Wichtig bei diesem Flügel daß die Gußplatte und der Stimmstock in Ordnung sind.

Viele Grüße

Styx
 
Ich werd wahnsinnig, hier geht ein Bechstein nach dem anderen für ein paar Kilo weg! Mann! Ich glaub, ich brauch nen Zweitflügel! Will auch so nen Schnapper!
 
(danke Klavierbauermeister)....Klavierbauemeisters Worte "lass die Finger davon".

Klavierbaumeister, nicht KlavierbauERmeister!

Ich ("Klavierbaumeister") habe geschrieben "lass die Finger davon", KlavierbauERmeister hätte aber vermutlich etwas sehr Ähnliches geschrieben, z.B. "lass die Finger davon und kaufe lieber ein neues YAMAHA-Klavier." :D

Diese Flügel sollten nicht auf 440Hz gestimmt werden.
Wenn der Stimmstock schon so krumm ist, sollte man sich auch die Stellen ansehen, an denen der Stimmstock seitlich in den Rim eingestemmt ist.
Nicht selten wandert dort ein Riss auf Höhe der Unterseite der Vorsetzerleiste in den Seitenwänden von innen nach außen. Ich habe auch schon etliche komplett aufgerissene Seitenwände gesehen.
 
Können solche Seitenwände repariert werden? Ab wann ist diese Stimmstockkonstruktion nicht mehr reparabel sprich ersetzbar?
 
der Riß im Resonanzboden kann durchaus optischer Natur sein
Falls Du diesen hellen Riss meinst: Ja, das ist offensichtlich nur ein Kratzer.
An der Gussplatte konnte ich nichts entdecken. Aber ich schau halt nur mit den Augen eines Laien.

Sorry @Klavierbaumeister für die Verwechslung. :) Laut Rechnung wurde er damals auf 439 Hz gestimmt...keine Ahnung, wie es jetzt ist. An den Seiten/Seitenwänden konnte ich nichts entdecken, außer, dass dieser Knuppel (wohl das Schloss?) fehlt. Habe aber auch nicht genau auf diese Stelle geachtet.
Ist Deine Meinung "lass die Finger davon" denn nun bestätigt oder würdest Du auch sagen, dass es bei diesem Preis ok ist?

Ich komme übrigens geade eben von einer weiteren Flügelbesichtigung, da ich meinen Ohren nicht recht getraut habe. Ok, kann man vermutlich nicht wirklich vergleichen, aber da haben mir schon 4 Takte gereicht, um zu wissen, dass der gar nicht geht. Hätte nicht gedacht, dass ein Flügel, wenn auch ein kleiner, so billig klingen kann. Im Vergleich zum Bechstein ist das ein Witz.
 
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Mei, is für derzeit 5,50 EUR auch wirklich billig:-)
 

Ich möchte nochmal die Frage stellen, ab wann ist ein Flügel dieses Alters nicht mehr reparabel? Ist diese Stimmstockkonstruktion so ungünstig, dass bei Defekt ein Totalschaden entsteht?
 
Diese Flügel sollten nicht auf 440Hz gestimmt werden.

Sollte man bei Instrumenten vor 1930 generell nicht, selbst wenn sie es aushalten. 435 Hz reichen völlig aus, bei dieser Höhe klingen die Instrumente auch am besten. Und jetzt komm mir keiner - "ja, aber andere Instrumente können ja dann ned mitspielen"...Blasinstrumente lassen sich bis 430Hz ausziehen.

Viele Grüße


Styx
 
Hmm, verdammte Sch....,
ich konnte jetzt den Verkäufer auf 3.000 € festnageln und bin gaaaaanz kurz davor.
Wenn mir das jetzt keiner ausredet, dann kann ich fast nicht mehr anders. :)
 
Hmm, verdammte Sch....,
ich konnte jetzt den Verkäufer auf 3.000 € festnageln und bin gaaaaanz kurz davor.
Wenn mir das jetzt keiner ausredet, dann kann ich fast nicht mehr anders. :)

Wenn Du bereit bist, den -fast regelmäßig eintretenden- "Nachkaufschmerz" auszusitzen, im ungünstigsten Fall 3.000 EUR in den Sand gesetzt zu haben, bzw. erheblich in Reparatur/Ertüchtigung zu investieren, dann kauf doch.....:D
 

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